OGH 2Ob272/03v

OGH2Ob272/03v11.12.2003

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Elektro P***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Anton Dierigl, Rechtsanwalt in Rum, gegen die beklagten Parteien 1.) B***** Bau GmbH, ***** , vertreten durch Dr. Karl Ulrich Janovsky, Rechtsanwalt in Innsbruck, 2.) B***** GmbH, *****, vertreten durch Univ. Doz. Dr. Bernd Oberhofer und andere Rechtsanwälte in Innsbruck, sowie der Nebenintervenientin auf Seiten der beklagten Parteien B***** OEG, *****, vertreten durch Dr. Birgit Streif, Rechtsanwältin in Innsbruck, wegen EUR 6.994,09 sA, über die Revisionen der beiden beklagten Parteien und der Nebenintervenientin gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 12. Juni 2003, GZ 1 R 126/03s-54, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 10. Dezember 2002, GZ 35 C 573/01k-42, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Den Revisionen wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden - soweit die Berufungsentscheidung noch nicht in Rechtskraft erwachsen ist - aufgehoben. Die Rechtssache wird insoweit zur neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die diesbezüglichen Kosten des Berufungsverfahrens sowie die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die Klägerin (Elektrounternehmen) begehrte von den beklagten Parteien zuletzt EUR 6.994,09 sA an Schadenersatz für von ihr an ihren Dienstnehmer Manfred T***** während dessen Krankenstandes auf Grund eines von den beklagten Parteien am 11. 12. 2000 verschuldeten Arbeitsunfalles geleistete Lohnfortzahlungen. Manfred T***** sei auf einem ungesicherten Bretterzugang ausgerutscht und habe sich bei einem Sturz aus 3 m Höhe schwer verletzt. Die Zweitbeklagte als Bauherrin und die (angeblich) mit der Baustellenkoordination beauftragte Erstbeklagte hätten ihren Aufsichts- und Sicherungspflichten nicht entsprochen; die Zweitbeklagte habe durch das Unterlassen entsprechender Schutzvorkehrungen und einer ausreichenden Koordination ihre Fürsorgepflicht verletzt. Insbesondere sei nicht dafür Sorge getragen worden, dass eine gesicherte Zugangsmöglichkeit zum ersten Stock bestanden habe. Der vom Verletzten benutzte Zugang sei zum Unfallszeitpunkt der einzig vorhandene gewesen und wären die Beklagten zu entsprechenden Sicherheitsvorkehrungen wegen der auf diesem Bretterzugang bestehenden seitlichen Absturzgefahr verpflichtet gewesen. Zudem habe die Zweitbeklagte nicht ordnungsgemäß einen Planungs- und Baustellenkoordinator bestellt und überwacht. Insbesondere fühle sich keine der angeblich bestellten Personen, nämlich entweder die Erstbeklagte oder die Nebenintervenientin, für die ordnungsgemäße Pflichterfüllung als Koordinator wirklich berufen. Die Klägerin sei ihrem Arbeitnehmer gegenüber bis 8. 2. 2001 zur Lohnfortzahlung verpflichtet gewesen, für die Zeit vom 9. 2. 2001 bis 7. 12. 2001 auch noch zur Leistung der Sonderzahlungen und der Dienstgeberanteile zur Sozialversicherung. Insgesamt ergebe sich ein Gesamtschaden von EUR 10.492,35, wovon zwei Drittel geltend gemacht würden, weil sich die Klägerin ein Mitverschulden ihres Dienstnehmers von einem Drittel anrechnen lasse.

Die Erstbeklagte (Bauunternehmen) wendete ein, sie habe die Baustellenkoordination an die Nebenintervenientin übertragen, welche als ihre Besorgungsgehilfin anzusehen sei und alle ihr übertragenen Sicherheitsaufträge umsichtig erledigt habe, sodass der Erstbeklagten kein Auswahlverschulden angelastet werden könne. Sie hafte daher nicht für allfällige Verstöße gegen das BauKG. Der Unfall sei durch grobe Fahrlässigkeit des Verletzten einerseits und der Klägerin andererseits verursacht worden. Zum Unfallszeitpunkt habe ein ordnungsgemäßer Aufgang in das erste Obergeschoss bestanden, welcher allen beschäftigten Arbeitnehmern bekannt gewesen und von diesen benutzt worden sei. Das vom Verletzten begangene Brett sei nur zur Stützung des Putzschlauches über die Baugrube gelegt worden, die Wandöffnungen seien mit Brust- und Mittelwehr abgesichert gewesen und hätten somit erkennbar keinen Zugang dargestellt.

Die Zweitbeklagte (Bauherr) wendete ein, sie habe die Erstbeklagte im Herbst 2000 mit der Baustellenkoordination beauftragt. Die Erstbeklagte, welche als ihre Besorgungsgehilfin zu qualifizieren sei, habe die Baustellenkoordination an die Nebenintervenientin übertragen. Diese habe einen nach dem BauKG erforderlichen Sicherheits- und Gesundheitsplan erstellt. Die Klägerin treffe zumindest ein erhebliches Mitverschulden, weil sie keine Gefahren-Evaluierung durchgeführt und nicht einmal rudimentäre Sicherheitsstandards eingehalten habe. Wegen grober Fahrlässigkeit des Verletzten habe eine Entgeltfortzahlungsverpflichtung gemäß § 2 EFZG nicht bestanden. Die Klägerin hätte den Verletzten darüber hinaus im Rahmen ihrer Schadensminderungspflicht unverzüglich kündigen müssen.

Die Nebenintervenientin (Ingenieurbüro) bestritt eine Verletzung sie treffender Pflichten. Es habe ein ordnungsgemäßer Zugang bestanden, die Überprüfung der Benützung desselben wäre Sache der Klägerin gewesen. Beim vom Verletzten benutzten Brett habe es sich um eine Schlauchbrücke gehandelt. Der Unfall sei allein auf das Verhalten des Verletzten und der Klägerin zurückzuführen. Der Verletzte hätte auch sofort gekündigt werden müssen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren gegenüber der Erstbeklagten zur Gänze ab und verpflichtete die Zweitbeklagte der Klägerin gegenüber unter Abweisung des Mehrbegehrens zur Zahlung von EUR 2.352,36 sA. Es ging hiebei ua von folgenden Feststellungen aus:

Die Zweitbeklagte errichtete beginnend mit etwa der zweiten Jahreshälfte des Jahres 2000 eine Wohnanlage, bestehend aus Reihenhäusern mit 4 Einheiten und einem Wohnhaus mit 5 Wohneinheiten. Die Erstbeklagte wurde von der Zweitbeklagten mit der Durchführung der Baumeisterarbeiten beauftragt, wobei die Erstbeklagte ihrerseits wiederum ihre Tochterfirma G***** & Co beauftragte. Diese beauftragte ihrerseits wiederum mit der Durchführung der Innenputzarbeiten ein weiteres Unternehmen. Die Klägerin wurde von der Zweitbeklagten mit der Ausführung der Elektrotechnik-Installationsarbeiten beauftragt.

Die Nebenintervenientin hatte für dieses Bauprojekt einen Sicherheits- und Gesundheitsplan verfasst und war als Planungskoordinator tätig. Zwischen der Nebenintervenientin und der Erstbeklagten war vereinbart, dass die Erstbeklagte oder deren Tochterfirma G***** & Co für die Dauer der Rohbauarbeiten an dieser Baustelle als Baustellenkoordinator für die Sicherheit der Baustelle tätig ist; nach Beendigung der Rohbauarbeiten, nämlich Fertigstellung des Hauses mit Dacheindeckung, sollte die Nebenintervenientin die Baustellenkoordination im Auftrag der Erstbeklagten durchführen. Zumindest ab dem Zeitpunkt 6. 12. 2000 war die Nebenintervenientin als Baustellenkoordinator für diese Baustelle tätig, wobei für die Nebenintervenientin hiefür Ing. L***** zuständig war.

Der in Rede stehende Unfall ereignete sich im Stiegenhaus des Wohnhauses, in welchem insgesamt 5 Wohnungen untergebracht werden sollten, im ersten Stock die Wohnungen top 3 bis 5. Dabei sollte vom Erdgeschossniveau eine Fertigteil-Treppe zum ersten Stock hinaufgeführt werden, nämlich zu einem Beton-Podest vor der Wohnung top 5, dann war ein weiteres Podest vorgesehen und sodann vor den Eingangstüren der Wohnungen top 3 und 4 noch ein Podest. In der zweiten Hälfte des Monates November 2000 wurde die Fertigteil-Treppe geliefert und wurden die Fertigteil-Betonpodeste im Stiegenhaus des ersten Stockes montiert; zu einem nicht mehr näher feststellbaren Zeitpunkt im November 2000 rissen die Verankerungen für eines der Fertigbetonteil-Produkte. Für die vorhandene Fertigteil-Betonstiege, welche vom Erdgeschoss bis zur Wohnungstüre der Wohnung top 5 führte, wurde eine seitliche Absturzsicherung durch Bretter errichtet.

Am 30. 11. 2000 fand eine Baubesprechung mit dem Architekten und Geschäftsführer der Zweitbeklagten statt, in welcher festgelegt wurde, dass das neue Podest in Kalenderwoche 50 angeliefert und unverzüglich bis 14. 12. 2000 eingebaut werden muss, weil die Podeste für die Estricharbeiten, insbesondere den Estrich-Abschluss bei den Türen notwendig waren. Die Estricharbeiten waren beginnend mit Kalenderwoche 50, sohin mit 11. 12. 2000 vorgesehen, wobei bei der damaligen Baubesprechung für die Elektriker ausdrücklich festgelegt wurde, dass bis dahin sämtliche Bodeninstallationen ausgeführt werden müssen und kein Verzug hingenommen werden wird. Der Geschäftsführer der Zweitbeklagten hat bei dieser Besprechung erwähnt, dass man bis zur Fertigstellung der heruntergerissenen Podestes dadurch in die Wohnungen top 3 und 4 gelangt, indem man über die Fertigteil-Betonbrücke in die Wohnung top 5 geht, von dort auf den Balkon und durch die Balkontüren in die Wohnungen top 3 und 4.

Etwa Ende November 2000 hat eine nicht mehr näher feststellbare Person auf dieser Baustelle zwei vorhandene Rüstbretter zwischen die Fertigteilbetontreppe und die Wohnungseingangstür zu top 3 im ersten Stock gelegt. Diese beiden Bretter hatten eine Breite von etwa 50 cm. Während sodann das Innenputz-Unternehmen etwa in der ersten Hälfte des Monates Dezember 2000 die Innenputzarbeiten im Wohnhaus durchführte, befestigte ein Mitarbeiter dieses Unternehmens die Bretter in der Weise, dass er in Abständen von etwa 80 cm kleine Bretter als Querverstrebungen (Querlatten) hinaufnagelte, damit diese Bretter stabiler werden und man über sie gehen kann. Als Schlauchbrücke wurden die Bretter nicht benötigt. Im Wesentlichen sollten diese Bretter als Aufstiegshilfe bzw als Abkürzung und Zugang zu den Wohnungen top 3 und 4 dienen. Sie wurden in dieser Weise auch von zahlreichen auf der Baustellen tätigen Arbeitnehmern der verschiedenen Professionisten von etwa Anfang Dezember 2000 bis mehrere Tage nach dem Unfall vom 11. 12. 2000 benützt. Bei diesem Bretteraufgang fehlte eine seitliche Absturzsicherung, nämlich eine seitliche Brüstung oder ein Geländer. Um einen ungefährlichen Zugang über diesen Aufgang zu schaffen, wäre es neben einer seitlichen Absturzsicherung auch erforderlich gewesen, zusätzlich 1 oder 2 Bretter der Länge nach hinzulegen.

Weder der vormalige Geschäftsführer der Klägerin noch ein Mitarbeiter der Klägerin haben an deren Elektromonteure jemals eine Anweisung gegeben, dass über diese Bretter nicht darübergegangen werden darf; auch hat niemand von der Klägerin auf allfällige Gefahren an der konkreten Baustelle hingewiesen oder eine Gefahrenevaluierung gemacht oder Gefahrenquellen wie den Bretteraufgang dem Baupolier, dem Bauleiter, dem Baustellenkoordinator oder dem Architekten mitgeteilt. Es kann nicht festgestellt werden, ob bei der Klägerin periodische Belehrungen über Gefahren und Risken auf Baustellen sowie über Arbeitnehmerschutz stattgefunden haben. Der Geschäftsführer der Klägerin hatte für diese Baustelle keinen Vorarbeiter nominiert gehabt.

Dem Baupolier der Firma G***** & Co ist sehr wohl aufgefallen, dass über den genannten Bretteraufgang immer wieder Arbeiter hinaufgehen und dass von ihm angebrachte Querverstrebungen bei den Wohnungseingangstüren zu top 3 und 4 weggerissen sind. Dies hat er damals auch mit Ing. L***** als Baukoordinator besprochen und ihn gefragt, was man machen soll. Ing. L***** hat dabei niemals den Auftrag erteilt, die Bretter wegzusägen oder wegzugeben oder eine seitliche Absturzsicherung anzubringen. Ing. L***** hat am 6. 12. 2000 von 10.30 Uhr bis 11.30 Uhr als Baustellenkoordinator eine Besichtigung der Baustelle durchgeführt, wobei ihm diese beiden Bretter zwischen Stiege und Türe zu top 3, versehen mit Querverstrebungen und ohne eine Seitenabsturzsicherung, sehr wohl aufgefallen sind. Er hat auch damals keine Veranlassung gesehen, dass diese Bretter wegkommen oder dass eine Absturzsicherung montiert wird. Auch ordnete er nicht an, dass diese seiner Ansicht nach als Schlauchbrücke dienlichen Bretter nicht betreten werden dürfen.

Der Arbeitsunfall ereignete sich am Morgen des 11. 12. 2000 gegen 8.00 Uhr, nämlich an einem Montag Morgen nach einem wegen eines Feiertages verlängerten Wochenende. Zum damaligen Zeitpunkt waren im Wohnhaus die Innenputzarbeiten bereits abgeschlossen; die Elektroinstallateure der Klägerin hatten wegen der anstehenden Estricharbeiten den dringenden Auftrag, die Bodenleitungen in den Wohnungen top 3 und 4 fertigzustellen. An diesem Morgen waren bei den Wohnungstüren zu top 3 und 4 im ersten Stock keine Querverstrebungen als Absturzsicherung mehr angebracht; es kann nicht festgestellt werden, ob diese von einem nicht näher feststellbaren Arbeiter vor Arbeitsbeginn am 11. 12. 2000 entfernt wurden oder niemals aufgebracht waren oder von einem Baustellen-Besucher am Wochenende entfernt worden waren. Manfred T***** war bis zu diesem Zeitpunkt zwar bei den Reihenhäusern auf dieser Baustelle als Installateur beschäftigt, bis dahin aber noch niemals im Wohnhaus tätig gewesen. Es war vorgesehen, dass er neben anderen Arbeitern dort bei der Fertigstellung der Bodenleitungen hilft. Er hatte damals Goretex-Arbeitsschuhe mit dicken Sohlen getragen. Er lud vom Firmenfahrzeug Schlauchbünde aus und wollte diese in die Wohnung top 3 in den 1. Stock bringen, wobei er sowohl am linken Arm als auch am rechten Arm je zwei Schlauchbünde trug. Ihm war bekannt, dass man in die Wohnung top 3 auch über die Wohnung top 5 und den Balkon und die Balkontüre gelangen kann, wobei nicht zweifelsfrei feststeht, ob die Balkontüre zur Wohnung top 3 damals von innen verschlossen oder offen war oder geöffnet hätte werden können. Jedenfalls benützte er am damaligen Morgen erstmals den Zugang zur Wohnung top 3 über die zwei Rüstbretter, welche mit Querverstrebungen (Querlatten) versehen waren, jedoch damals keine seitliche Absturzsicherung aufwiesen. Diese Bretter waren am damaligen Morgen einerseits leicht feucht und andererseits auch leicht verschmutzt. Als er bereits im letzten Drittel dieses Bretteraufganges war, rutschte er entweder mit einem Fuß aus oder verfehlte er beim Auftreten das Brett, weshalb er nach rechts über eine Höhe von ca 2 ½ bis 3 m auf den Betonboden unterhalb stürzte. Dabei streifte er mit seiner linken Körperhälfte den von ihm benützten Bretteraufgang. Er verletzte sich entweder während des Absturzes am Geländer der Fertigteilstiege oder beim Aufprall am Boden auch im Bereich des rechten Unterarmes und der rechten Hand. Ihm war bewusst, dass ein Aufgang über diese Holzbretter gefährlich ist, trotzdem wurde dieser Aufgang von ihm wie auch von den anderen Mitarbeitern der Klägerin wie auch anderen Firmen als Abkürzung benutzt.

Der zum Unfallszeitpunkt 39-jährige Verletzte wurde von der Klägerin etwa ein Jahr später, nämlich zum 6. 12. 2001 gekündigt, weil er bis zu diesem Zeitpunkt noch immer im Krankenstand und arbeitsunfähig war. Er bekam bis zum 8. 2. 2001 den Gehalt von seinem Arbeitgeber weiter bezahlt, danach noch Sonderzahlungen. Die für ihn geltende Kündigungsfrist betrug 8 Wochen.

In rechtlicher Hinsicht verneinte das Erstgericht eine Haftung der Erstbeklagten, weil diese für die zur Baustellenkoordination herangezogene Nebenintervenientin nur gemäß § 1315 ABGB hafte, wofür die Voraussetzungen fehlen würden. Hingegen hafte die Zweitbeklagte als Bauherr für das gegebene Verschulden der Nebenintervenientin gemäß § 1313a ABGB. Die Klägerin habe sich ein Mitverschulden des Verletzten von einem Drittel anrechnen lassen, das auch tatsächlich vorliege, allerdings nicht in der Form grober Fahrlässigkeit. Auch ihr selbst sei ein Mitverschulden anzulasten, weil die Gefährlichkeit des Bretteraufganges auch für sie ersichtlich gewesen sei. Unter Abwägung der jeweiligen Sorgfaltsverstöße sei eine Schadensteilung im Verhältnis 1 : 1 : 1 zwischen der Zweitbeklagten, dem Verletzten und der Klägerin angemessen.

Das Berufungsgericht gab den Berufungen der Klägerin, der Zweitbeklagten und der Nebenintervenientin teilweise Folge und änderte das erstgerichtliche Urteil dahin ab, dass die beklagten Parteien verurteilt wurden, der Klägerin insgesamt EUR 2.754,84 sA zu bezahlen, wobei sie jeweils nur für EUR 1.770,97 solidarisch haften würden. Das Mehrbegehren von EUR 4.239,25 sA wurde abgewiesen. Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, und vertrat zusammengefasst folgende Auffassung:

Den Verletzten treffe keine grobe Fahrlässigkeit, er habe daher einen Lohnfortzahlungsanspruch (für 8 Wochen) gehabt, der infolge Zahlung auf die Klägerin übergegangen sei. Eine Verletzung der Schadensminderungspflicht wegen verspäteter Kündigung komme nicht in Betracht, weil es sich nicht um einen mittelbaren Schaden des Dienstgebers, sondern um einen auf den Dienstgeber überwälzten Schaden des Dienstnehmers handle. Die Erstbeklagte hafte gegenüber dem Verletzten vertraglich (aus dem Baukoordinationsvertrag) für den Sorgfaltsverstoß der Nebenintervenientin, die sie mit der Baustellenkoordination beauftragt habe. Die Zweitbeklagte hafte zwar nicht dafür, aber auf Grund ihrer Fürsorgepflicht gemäß § 1169 ABGB für den Verstoß gegen die Schutzgesetze nach den §§ 6 und 7 BauV. Die Klägerin treffe ein Mitverschulden, weil sie nach den Bestimmungen des ASchG in erster Linie für die Sicherheit ihrer Dienstnehmer verantwortlich sei, sich darum aber nicht gekümmert habe. Bei der Verschuldensaufteilung entfalle ein Drittel auf den Verletzten, was sich die Klägerin auch anrechnen lasse. Somit verblieben zwei Drittel zur Aufteilung auf die drei Schädiger (die drei Parteien), deren Anteil gleich hoch, daher mit jeweils 2/9 zu bewerten sei. Auf Grund ihres eigenen Mitverschuldens (2/9) und des Verschuldens des Verletzten (3/9) habe die Klägerin daher einen Ersatzanspruch auf insgesamt 4/9 des Schadens. Nach der Methode der Gesamtschau durch Verknüpfung einer Einzelabwägung mit einer Gesamtabwägung ergebe letztere ein Verhältnis von 5 : 2 : 2. Entsprechend dieser Proportion und derjenigen der Einzelabwägung von jeweils 5 : 2 hätten die Beklagten der Klägerin insgesamt 4/9 ihres Schadens zu ersetzen, wobei sie für 2/7 des Gesamtschadens solidarisch haften würden. Der Verweis der Klägerin auf § 333 ASVG stelle eine im Rechtsmittelverfahren unbeachtliche Neuerung dar. Der (ungekürzte) Gesamtanspruch der Klägerin umfasse die auf Grund des EFZG an den Verletzten geleisteten Bezüge einschließlich Sonderzahlungen und zuzüglich der Dienstgeberbeiträge zur Sozialversicherung, mangels kollektivvertraglicher Anordnung aber nicht die Sonderzahlungen in der entgeltfreien Zeit nach Fristablauf, insgesamt also S 85.291,53. Die Klägerin habe Anspruch auf 4/9, somit auf EUR 2.754,84 sA.

Die ordentliche Revision sei zulässig, weil höchstgerichtliche Judikatur zur Haftung des Baustellenkoordinators und zu den Auswirkungen des BauKG auf die Haftung des Bauherrn nicht vorliege.

Gegen diese Berufungsentscheidung richten sich die Revisionen der beiden beklagten Parteien und der Nebenintervenientin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne der gänzlichen Klagsabweisung abzuändern; hilfsweise werden Aufhebungsanträge gestellt.

Die Klägerin beantragt in ihren Revisionsbeantwortungen, die Revisionen als verspätet zurückzuweisen, hilfsweise ihnen nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revisionen sind nicht verspätet, weil es entgegen der Annahme der Klägerin nicht auf das Einlangen bei Gericht, sondern auf die Postaufgabe ankommt (vgl § 89 GOG). Die Revisionen sind aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, sie sind im Sinne der Aufhebungsanträge auch berechtigt.

Die Rechtsmittelwerber machen zusammengefasst geltend, die Klägerin habe durch verspätete Kündigung des Verletzten gegen ihre Schadensminderungspflicht verstoßen; der Klägerin stehe gegenüber den Beklagten als Zweitschädigern nicht das Haftungsprivileg des § 333 ASVG zu; der Verletzte habe grob fahrlässig gehandelt, weshalb keine Verpflichtung zur Lohnfortzahlung bestanden hätte; ein allfälliges geringfügiges Mitverschulden der Beklagten sei gegenüber dem Verschulden des Verletzten und der Klägerin zu vernachlässigen; die Verpflichtungen nach dem BauKG seien erfüllt worden. Die Erstbeklagte hafte für ein allfälliges Verschulden der Nebenintervenientin gegenüber der Klägerin nicht gemäß § 1313a ABGB, die Bestellung der Erstbeklagten zur Baustellenkoordinatorin sei nicht unstrittig. Die Zweitbeklagte hafte als Bauherr nicht für jene Sicherheitsbereiche, für die ein Baustellenkoordinator bestellt worden sei; die Sicherheitsaufgaben seien von der Zweitbeklagten vertraglich an die Klägerin überbunden worden. Die Pflichten des Baustellenkoordinators dürften nicht überspannt werden.

Hiezu wurde erwogen:

Vorauszuschicken ist, dass die Klägerin das Berufungsurteil, in dem ihr das Verschulden des Verletzten sowie ihr eigenes Verschulden angelastet wurde, nicht angefochten hat, weshalb der klagsabweisende Teil der Berufungsentscheidung in Rechtskraft erwachsen ist. Es ist daher davon auszugehen, dass die Klägerin 5/9 des Schadens in Höhe der an den Verletzten gemäß § 2 EFZG fortzuzahlenden Entgelte selbst zu tragen hat.

Was das Mitverschulden des Verletzten anlangt, so teilt der erkennende Senat die Ansicht der Vorinstanzen, dieser habe nicht grob fahrlässig gehandelt. Dem Verletzten war zwar die Gefährlichkeit des von ihm benützten Zuganges bewusst, er kannte auch die Möglichkeit, in die Wohnung top 3 über die Stiege, durch die Wohnung top 5 und über den Balkon zu gelangen. Es steht aber nicht fest, ob die Balkontür damals von innen verschlossen oder offen war oder hätte geöffnet werden können. Zutreffend hat das Berufungsgericht auch darauf hingewiesen, dass ein Zugang wie der vom Verletzten benützte, auch wenn er nicht den Anforderungen der BauV entsprach, im Baualltag nichts Ungewöhnliches ist und dass dieser Zugang vor dem Unfall von einer Reihe von Arbeitern auch ohne Absturz benützt wurde. Wenn der mit Kabelrollen beladene Verletzte sich in dieser Situation für die Benützung des kürzeren Weges entschied, so war dies zwar sorglos, aber nicht grob fahrlässig. Er hatte daher seinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung gemäß § 2 EFZG nicht verloren.

Was das eigene Mitverschulden der Klägerin anlangt, so ist dieser nicht zusätzlich auch noch eine Verletzung der Schadensminderungspflicht wegen verspäteter Kündigung des Verletzten anzulasten. Das Berufungsgericht hat richtig erkannt, dass nach der jüngeren Rechtsprechung seit 2 Ob 21/94 = SZ 67/52 (vgl RIS-Justiz RS0043287) der Schädiger dem Dienstgeber den auf ihn überwälzten Schaden des Dienstnehmers und nicht etwa den eigenen Schaden des Dienstgebers aus dem Ausfall der Arbeitskraft zu ersetzen hat. Der Schaden des verletzten Dienstnehmers, der auf den Dienstgeber mit der Lohnfortzahlung übergeht, würde aber durch eine Auflösung des Dienstverhältnisses typischerweise nicht gemindert. Abgesehen davon war die Kündigungsfrist im vorliegenden Fall gleich lang wie der Lohnfortzahlungszeitraum. Für darüber hinausgehende Zeiträume (Sonderzahlungen in der entgeltfreien Zeit bis zur tatsächlichen Auflösung des Dienstverhältnisses) hat das Berufungsgericht der Klägerin ohnehin keinen Ersatz zugesprochen. Auch die Rechtsmittelausführungen zum Dienstgeberhaftungsprivileg der Klägerin gehen ins Leere, weil das Berufungsgericht der Klägerin gegenüber den Beklagten dieses Privileg mangels Geltendmachung in erster Instanz ohnehin nicht zugebilligt hat (vgl RIS-Justiz RS0085007).

Für die Beurteilung der Haftung der beklagten Parteien ist auf das am 1. 7. 1999 in Kraft getretene, die Baustellen-Richtlinie umsetzende Bauarbeitenkoordinationsgesetz (BauKG) BGBl I 37/1999 Bedacht zu nehmen, über dessen Anwendung im vorliegenden Fall kein Streit besteht (vgl § 11 Abs 1 und 2 BauKG).

Ziel dieses Gesetzes ist es gemäß seinem § 1 Abs 1, die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer auf Baustellen durch die Koordinierung bei der Vorbereitung und Durchführung von Bauarbeiten zu gewährleisten. Über die gemäß § 1 Abs 5 BauKG unberührt bleibenden Verpflichtungen der Arbeitgeber, nach dem ASchG für Sicherheit und Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer bei der Arbeit zu sorgen, hinaus sollen Pflichten primär des Bauherrn sowie der von ihm mit der Erfüllung von (ursprünglich) Bauherrenpflichten betrauten Koordinatoren begründet werden. Die Notwendigkeit der Neuregelung ergab sich aus dem hohen Gefahrenpotential aus der mangelnden Koordinierung des Arbeitnehmerschutzes auf arbeitsteilig organisierten Baustellen (vgl ErläutRV 1462 BlgNR 20. GP 7, 9; Mazal, Arbeitnehmerschutz durch Koordination bei Bauarbeiten, ecolex 1999, 481; derselbe, Zum Anwendungsbereich des BauKG, ecolex 1999, 707, 709; Egglmeier-Schmolke, Das Bauarbeitenkoordinationsgesetz, bbl 2000, 47, 49; Lukas/Resch, Haftung für Arbeitsunfälle am Bau 2). Der hier festgestellte Sachverhalt bietet hiefür ein gutes Beispiel.

Für den vorliegenden Fall bedeutsam ist insbesondere die Verpflichtung des Bauherrn gemäß § 3 Abs 1 BauKG, für die Ausführungsphase einen Baustellenkoordinator zu bestellen, wenn auf einer Baustelle gleichzeitig oder aufeinanderfolgend Arbeitnehmer mehrerer Arbeitgeber tätig werden. Die Bestellung hat gemäß § 3 Abs 6 BauKG schriftlich zu erfolgen; sie ist nur wirksam, wenn ihr der Bestellte nachweislich zugestimmt hat. Den Baustellenkoordinator treffen im Interesse des Arbeitnehmerschutzes umfangreiche, in § 5 BauKG ausführlich beschriebene Koordinations-, Organisations-, Überwachungs- und Informationspflichten (vgl näher Egglmeier-Schmolke 53 f mwN; Weselik, Bauarbeitenkoordinationsrecht 31 f). Stellt er bei Besichtigungen der Baustelle Gefahren für Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer fest, hat er gemäß § 5 Abs 4 BauKG unverzüglich den Bauherrn (oder den Projektleiter) sowie die Arbeitgeber (und die allenfalls auf der Baustelle tätigen Selbständigen) zu informieren; werden die Missstände nicht beseitigt, kann er sich an das Arbeitsinspektorat wenden.

Was die - mangels besonderer Regelung nach allgemeinen Grundsätzen zu beurteilende - Haftung infolge Verletzung des BauKG gegenüber den auf der Baustelle eingesetzten Arbeitnehmern anlangt, wie sie von der Klägerin als Zessionarin geltend gemacht wird, ist mit der herrschenden Lehre davon auszugehen, dass die einschlägigen im BauKG enthaltenen Verhaltensgebote als Schutzgesetze im Sinne des § 1311 ABGB zu qualifizieren sind (Lukas/Resch 31 mwN; Weselik 55). Die früher auf die Fürsorgepflicht des Werkbestellers gemäß § 1169 ABGB (vgl hiezu Krejci in Rummel3 § 1169 ABGB Rz 5 und 6 mwN) gestützte Koordinationspflicht des Bauherrn wird nunmehr im Regelungsbereich des BauKG durch dieses als Schutzgesetz konkretisiert (vgl Lukas/Resch 16, 26 mwN); das BauKG als lex specialis verdrängt insoweit den bisherigen Ansatz bei § 1169 ABGB (Egglmeier-Schmolke 55; vgl Weselik 38).

Bestellt der Bauherr keinen Baustellenkoordinator, trägt er selbst die Verantwortung für die diesem vom Gesetz zugewiesenen Aufgaben (Egglmeier-Schmolke 56; Weselik 35). Hat er einen Baustellenkoordinator bestellt, so trifft ihn keine Gehilfenhaftung, weil der Baustellenkoordinator - nach zulässiger Übertragung der schutzgesetzlichen Pflichten (vgl zB auch § 93 Abs 5 StVO) - eigenverantwortlich eigene gesetzliche Pflichten erfüllt; der Bauherr haftet dann nur für Auswahlverschulden (Egglmeier-Schmolke 55, Lukas/Resch 46; Weselik 39; vgl Koziol, Haftpflichtrecht II2 67; Reischauer in Rummel2 § 1311 ABGB Rz 20). Den Bauherrn treffen aus dem BauKG daher zwar zusätzliche gesetzliche Pflichten (und Kosten; vgl hiezu ErläutRV 8; Egglmeier-Schmolke 58; Lukas/Resch 2), er hat aber die Möglichkeit, sich durch die Bestellung geeigneter Beauftragter von der Haftung zu befreien (Egglmeier-Schmolke 55; Weselik 39).

Der Baustellenkoordinator haftet den auf der Baustelle eingesetzten Arbeitnehmern für Pflichtwidrigkeiten nicht nur deliktisch aus Schutzgesetzverletzung, sondern auch vertraglich, weil der Koordinationsvertrag nach seinem eindeutigen Zweck als Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten der Arbeitnehmer zu qualifizieren ist; bedient sich der Baustellenkoordinator für die Erfüllung seiner (vertraglichen) Pflichten selbst eines Gehilfen, haftet er für diesen gemäß § 1313a ABGB (Lukas/Resch 48; vgl auch Weselik 56 f).

Während von der herrschenden Lehre dem Bauherrn grundsätzlich kein Haftungsprivileg gemäß § 333 ASVG zugebilligt wird (Egglmeier-Schmolke 56; Lukas/Resch 60), sind die Ansichten über eine Privilegierung des Baustellenkoordinators geteilt (vgl Lukas/Resch 52 f mwN). Gegen eine solche Begünstigung spricht, dass der Baustellenkoordinator im Rahmen seines gesetzlichen Aufgabenkreises eher Pflichten des Bauherrn, dessen Beauftragter er ist, als Pflichten der Arbeitgeber wahrzunehmen hat und dass ihm das BauKG kein Weisungsrecht gegenüber den Arbeitnehmern einräumt (vgl Egglmeier-Schmolke 56; aM Lukas-Resch 63 f). Näher muss auf diese Frage aber hier nicht eingegangen werden, weil sich die Rechtsmittelwerber auf eine eigene Privilegierung gar nicht berufen haben.

Im vorliegenden Fall haben die Vorinstanzen bei ihrer rechtlichen Beurteilung unterstellt, die zweitbeklagte Bauherrin habe das erstbeklagte Bauunternehmen zum Baustellenkoordinator bestellt, die Erstbeklagte habe ihrerseits die Nebenintervenientin mit der Baustellenkoordination beauftragt. Die vorinstanzlichen Feststellungen bieten hiefür aber - mag diese Variante auch nahe liegen - keine hinreichend sichere Grundlage: Es finden sich zwar Feststellungen über die zwischen der Erstbeklagten und der Nebenintervenientin getroffenen Vereinbarungen und über die faktische Ausübung der Baustellenkoordination durch die Nebenintervenientin zum Unfallszeitpunkt (ON 42 S 24 f), nicht aber über die Bestellung der Erstbeklagten zum Baustellenkoordinator durch die Zweitbeklagte. Auch eine entsprechende Außerstreitstellung ist trotz teilweise übereinstimmenden Vorbringens zweifelhaft, weil die Klägerin auch vorgebracht hat (AS 97), die Zweitbeklagte habe nicht ordnungsgemäß einen Baustellenkoordinator bestellt, keine der angeblich bestellten Personen (Erstbeklagte oder Nebenintervenientin) fühle sich hiezu wirklich berufen. Noch in ihrer Revision (AS 864) zieht die Erstbeklagte in Zweifel, dass sie als Baustellenkoordinator bestellt war. Schließlich finden sich auch keine urkundlichen Nachweise einer Bestellung der Erstbeklagten durch die Zweitbeklagte, obwohl die Bestellung gemäß § 4 Abs 6 BauKG - zu Beweiszwecken - schriftlich zu erfolgen hätte. Da die Beantwortung der Haftungsfrage aber entscheidend von der Rollenverteilung nach dem BauKG mit seinen institutionalisierten Verantwortlichkeiten (vgl Mazal, ecolex 1999, 481) abhängt, sind präzise und abgesicherte Feststellungen in diesem Punkt unentbehrlich. Die Rechtssache war daher unter Aufhebung der vorinstanzlichen Urteile an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung zurückzuverweisen. Ob die vermisste Feststellung bereits anhand der vorliegenden Beweisergebnisse getroffen werden kann, oder ob hiefür die Anberaumung einer neuerlichen Verhandlung samt Beweisergänzung erforderlich ist, bleibt der Beurteilung des Erstgerichtes vorbehalten.

Sollte sich im fortgesetzten Verfahren ergeben, dass die Erstbeklagte von der Zweitbeklagten ordnungsgemäß zum Baustellenkoordinator im Sinne des BauKG bestellt wurde und die Erstbeklagte sich ihrerseits zur Erfüllung ihrer Koordinationspflichten der Nebenintervenientin bedient hat, wäre die Zweitbeklagte nach der oben dargestellten Rechtslage haftungsfrei. Sie wäre dann ihrer Pflicht zur Koordinatorenbestellung für die Ausführungsphase nachgekommen und würde für ein Verschulden des Koordinators - mangels Bestehen einer Gehilfenhaftung - nicht haften. Anhaltspunkte für ein Auswahlverschulden der Zweitbeklagten oder für eine außerhalb des Regelungsbereiches des BauKG gelegene Verletzung von Fürsorgepflichten haben sich nach der Aktenlage nicht ergeben. Normadressat der Schutzvorschriften des ASchG sowie der §§ 6 und 7 BauV, gegen die die Zweitbeklagte nach Ansicht des Berufungsgerichtes verstoßen haben soll, ist grundsätzlich der Arbeitgeber und nicht der Bauherr, weshalb der Zweitbeklagten die ihr vorgeworfene Schutzgesetzverletzung nicht angelastet werden kann. Hingegen würde die Erstbeklagte als Baustellenkoordinator für Pflichtverletzungen der Nebenintervenientin als ihrer Gehilfin bei der Erfüllung des Koordinationsvertrages nach § 1313a ABGB einzustehen haben. Zwar dürfen die Anforderungen an einen Baustellenkoordinator, von dem etwa eine laufende Kontrolle der Sicherheitsvorkehrungen "rund um die Uhr" nicht verlangt werden kann (vgl Egglmeier-Schmolke 54, 57; Weselik 33), nicht überspannt werden. Dass im vorliegenden Fall eine Pflichtverletzung erfolgt ist, liegt aber auf der Hand: Der zuständige Mitarbeiter der Nebenintervenientin wurde vom Baupolier darauf aufmerksam gemacht, dass über den (ungesicherten) Bretteraufgang immer wieder Arbeiter hinaufgehen und dass die ursprünglich vorhandenen Querverstrebungen bei den Türen zu top 3 und 4 weggerissen wurden. Auf die Frage des Poliers, was man machen solle, hat der Mitarbeiter der Nebenintervenientin aber keinen Auftrag erteilt, die Bretter wegzusägen oder wegzugeben oder eine seitliche Absturzsicherung anzubringen. Auch bei seiner Baustellenbesichtigung am 6. 12. 2000 ist ihm dieser Bretteraufgang ohne Seitenabsturzsicherung aufgefallen; auch damals hat er keine Veranlassung für Maßnahmen gesehen. Seine Ansicht, es handle sich um eine Schlauchbrücke, ist sowohl wegen der Mitteilungen des Baupoliers als auch wegen des (fotografisch dokumentierten) äußeren Anscheins, der für eine Aufstiegshilfe mit Querlatten spricht, völlig unbegründet. Seiner eigenen Aussage nach (AS 73) war auch kein Schlauch vorhanden. Bei der Gewichtung dieser Sorgfaltsverletzung bestehen keine Bedenken, hiefür die noch strittigen 4/9 anzusetzen. Dieser Anteil wäre dann der Erstbeklagten zuzurechnen.

Sollte sich hingegen ergeben, dass für den fraglichen Zeitraum die Nebenintervenientin selbst unmittelbar von der Zweitbeklagten zum Baukoordinator bestellt war, würde keine der beiden Beklagten eine Gehilfenhaftung treffen und wäre die Klage gegen beide abzuweisen. Die Klägerin müsste sich dann an die Nebenintervenientin halten.

Sollte sich schließlich ergeben, dass überhaupt keine ordnungsgemäße Koordinatorenbestellung durch die Zweitbeklagte erfolgt ist, wäre die Erstbeklagte mangels Koordinatoren-Eigenschaft haftungsfrei, während die Zweitbeklagte dann selbst für die Verletzung von Koordinationsaufgaben zu haften hätte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 ZPO.

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