OGH 13Os160/03

OGH13Os160/0326.11.2003

Der Oberste Gerichtshof hat am 26. November 2003 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Brustbauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Ratz und Dr. Kirchbacher als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Proksch als Schriftführer, in der Strafsache gegen Lazar T***** und anderer wegen des Vergehens der versuchten Befreiung eines Gefangenen nach § 15, 300 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen, AZ 221 Ur 350/03x des Landesgerichtes für Strafsachen Wien, über die Grundrechtsbeschwerde des Beschuldigten Lazar T***** gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien als Beschwerdegericht vom 7. Oktober 2003, AZ 22 Bs 256/03 (ON 17), nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Durch den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien vom 7. Oktober 2003, AZ 22 Bs 256/03, wurde Lazar T***** in seinem Grundrecht auf persönliche Freiheit verletzt.

Die angefochtene Entscheidung wird nicht aufgehoben. Dem Bund wird der Ersatz der mit 700 Euro (zuzüglich 20 % USt) bestimmten Beschwerdekosten an den Beschwerdeführer auferlegt.

Text

Gründe:

Mit Beschluss vom 7. Oktober 2003, AZ 22 Bs 256/03, gab das Oberlandesgericht Wien einer Beschwerde des Beschuldigten Lazar T***** gegen die von der Untersuchungsrichterin des Landesgerichtes für Strafsachen Wien am 19. September 2003 beschlossene Fortsetzung der am 8. September 2003 verhängten Untersuchungshaft keine Folge und setzte diese aus den Haftgründen der Flucht-, Verdunkelungs- und Tatbegehungsgefahr nach § 180 Abs 2 Z 1, 2 und 3 lit a StPO fort. Das Oberlandesgericht begründete die Annahme des Verdachtes, Lazar T***** sei am 8. September 2003 in Wien im Bereich des Wilhelminenspitals am Versuch der Befreiung seines in Haft angehaltenen (zu einer ärztlichen Behandlung gebrachten) Bruders Milan T*****, bei dem zwei Justizwachebeamte "durch Angriffe der Beteiligten" am Körper verletzt wurden, beteiligt gewesen, mit den Aussagen dieser Beamten und jenen des Zeugen Hermann S***** (S 157 f).

Rechtliche Beurteilung

Der Beschwerdeführer bemängelt zu Recht, dass die Begründung des angefochtenen Beschlusses in Ansehung der Aussage des Letztgenannten aktenwidrig ist.

Das Oberlandesgericht ging bei der Fundierung der Sachverhaltsannahme zum dringenden Tatverdacht irrig davon aus, dass der Zeuge Hermann S***** angab, Lazar T***** habe seinem Bruder Milan T***** bei dem Befreiungsversuch etwas (auf jugoslawisch) zugerufen, wogegen er nach dem Inhalt des Protokolls aussagte, ein Mann, der gehetzt aus dem Ausgang des Pavillons 30 in Richtung Hauptausgang des Spitals lief, habe einem mit einem roten T-Shirt bekleideten Mann, der an der Ecke unterhalb des Pavillons 30 stand und "in diese Richtung" blickte, etwas auf jugoslawisch zugeschrieen, wonach beide Männer sofort weiter in Richtung Hauptausgang des Spitals liefen (S 35). Bei einer Gegenüberstellung identifizierte er Lazar T***** als jene Person, "welche zuvor vor dem Pavillon 30 Schmiere stand" (S 37). Dieser Begründungsmangel, der den dringenden Tatverdacht und die damit zusammenhängende Beurteilung des Vorliegens eines Haftgrundes betrifft (§ 10 GRBG, § 281 Abs 1 Z 5 fünfter Fall StPO), bedeutet eine Verletzung des Grundrechtes auf persönliche Freiheit (§ 1 Abs 1 GRBG; vgl 14 Os 1/00).

Ob im Fall einer Verurteilung des Beschuldigten eine bedingte Nachsicht einer Freiheitsstrafe zu erwarten ist, kann entgegen der Beschwerdemeinung in der Regel wie auch im gegebenen Fall antizipativ nicht beurteilt werden (13 Os 76/02 uva). Der auf Spekulationen über die Gewährung bedingter Strafnachsicht gestützte Einwand der Unverhältnismäßigkeit ist demnach nicht zielführend. Weil sich der Oberste Gerichtshof (auch demzufolge) nicht bestimmt gesehen hat, die angefochtene Entscheidung aufzuheben (§ 7 Abs 1 GRBG), wird die Untersuchungsrichterin von Amts wegen unverzüglich erneut über die Fortsetzung der Untersuchungshaft zu entscheiden haben (vgl abermals 14 Os 1/00).

Die Kostenersatzpflicht des Bundes gründet auf § 8 GRBG.

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