OGH 15Os156/03

OGH15Os156/0319.11.2003

Der Oberste Gerichtshof hat am 19. November 2003 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Markel als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schmucker und Dr. Kirchbacher als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Proksch als Schriftführer, in der Strafsache gegen Dejan B***** und einen anderen Angeklagten wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten gewerbsmäßigen schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 2, 148 zweiter Fall, 15 StGB und anderer strafbarer Handlungen, AZ 272 Ur 265/03x des Landesgerichtes für Strafsachen Wien, über die Grundrechtsbeschwerde des Angeklagten Dejan B***** gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien als Beschwerdegericht vom 9. Oktober 2003, AZ 22 Bs 249/03 (ON 37 des Vr-Aktes), nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Dejan B***** wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.

Die Grundrechtsbeschwerde wird abgewiesen.

Text

Gründe:

Mit der angefochtenen Entscheidung wurde der Beschwerde des Angeklagten Dejan B***** gegen den Beschluss der Untersuchungsrichterin vom 11. September 2003 auf Fortsetzung der über ihn am 3. August 2003 verhängten Untersuchungshaft nicht Folge gegeben und aus dem Grund der Tatbegehungsgefahr nach § 180 Abs 2 Z 3 lit b StPO die Verlängerung der Haft angeordnet.

Dem Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien zufolge ist Dejan B***** im Sinn der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Wien dringend verdächtig,

- durch Übergabe entfremdeter Kreditkarten an den Mitangeklagten Sasa M***** und die Aufforderung, Einkäufe zu tätigen, durch Überwachung der Betrügereien und Absprache der Beuteaufteilung - dem Beschluss nach (S 299 iVm 285) ersichtlich in der Absicht, auch sich selbst durch die wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen (Jerabek in WK² § 70 Rz 14) - diesen bestimmt zu haben, mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz am 30. Juli 2003 in Wien Verfügungsberechtigte von Geschäften durch die Vorgabe, berechtigter Inhaber der verwendeten Kreditkarten zu sein, wobei er auf den Belegen mit dem Namen des Eigentümers unterzeichnete, somit durch Täuschung über Tatsachen unter Benützung einer falschen Urkunde in zwei Fällen zur Ausfolgung von Waren im Gesamtwert von 1.856,44 Euro zu verleiten und dies in einem weiteren Fall in Ansehung von Waren im Wert von 1.500 Euro zu versuchen,

- durch Übergabe entfremdeter Kreditkarten an Sasa M*****, die Aufforderung, Bargeld abzuheben sowie Übernahme eines Großteils der Beute - dem Beschluss nach (S 299 iVm 285) ersichtlich gleichfalls in der genannten Absicht (§ 70 StGB) - diesen bestimmt zu haben, in fünf Fällen mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz gewerbsmäßig Bargeldabhebungen im Gesamtbetrag von 2.000 Euro vorzunehmen sowie

- Kreditkarten, die den Eigentümern per Post zugestellt werden sollten, in vier Fällen an sich gebracht und für strafbare Handlungen weitergegeben

und hiedurch die Verbrechen des teils vollendeten, teils versuchten gewerbsmäßigen schweren Betruges als Bestimmungstäter nach §§ 12 zweiter Fall, 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 2, 148 zweiter Fall, 15 StGB (A./II./) und des gewerbsmäßigen Diebstahls als Bestimmungstäter nach §§ 12 zweiter Fall, 127, 130 erster Fall StGB (B./II./) sowie das Vergehen der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB (C./) begangen zu haben.

Die Grundrechtsbeschwerde wendet sich gegen die Annahme des Haftgrundes der Tatbegehungsgefahr nach § 180 Abs 2 Z 3 lit b StPO, die Verneinung der Substituierbarkeit der Haft durch gelindere Mittel und die Bejahung der Verhältnismäßigkeit der Untersuchungshaft. Sie ist nicht im Recht.

Rechtliche Beurteilung

Das Oberlandesgericht fand den Haftgrund in tatsächlicher Hinsicht in der gewerbsmäßigen Tendenz des Angeklagten, den Tatwiederholungen und seiner Verantwortung begründet, wonach ihn akuter Geldmangel zur Tatbegehung veranlasste (S 299, 103), und leitete aus diesen Sachverhaltsannahmen unter Berücksichtigung der Entlassung des Angeklagten (als Postbediensteter) und des Angebotes eines neuen Arbeitsplatzes (als Autowäscher) die konkrete Befürchtung ab, er werde ungeachtet des gegen ihn geführten Strafverfahrens eine gegen dasselbe Rechtsgut gerichtete strafbare Handlung mit nicht bloß leichten Folgen begehen.

Dagegen wendet sich der Angeklagte, indem er, ohne einen Begründungsmangel oder erhebliche Bedenken zu aufzuzeigen (§ 10 GRBG iVm § 281 Abs 1 Z 5 und 5a StPO), behauptet, er werde keine weiteren Straftaten begehen, und beim Vorwurf rechtlich verfehlter Annahme des Haftgrundes jene bestimmten Tatsachen (§ 180 Abs 2 zweiter Halbsatz StPO) ignoriert, aus denen die erwähnte Befürchtung weiterer Delinquenz abgeleitet wurde.

Dem in der Beschwerde ins Treffen geführten Umstand, dass dem Angeklagten durch die Entlassung „ein unmittelbarer Zugriff auf Kreditkarten" im Rahmen der neuen Beschäftigung verwehrt wäre, kommt im Hinblick auf die angeführten Umstände, wie schon das Oberlandesgericht zutreffend ausgeführt hat, keine Bedeutung zu: § 180 Abs 2 Z 3 lit b StPO stellt auf die Begehung irgend einer gegen dasselbe Rechtsgut gerichteten strafbaren Handlung mit nicht bloß leichten Folgen und nicht auf die - naturgemäß nicht mögliche - Vorhersage konkreter Taten ab (14 Os 38/00, 11 Os 15/97). Indem die Anwendbarkeit gelinderer Mittel ohne inhaltliche Bezugnahme auf die ablehnende Argumentation des Oberlandesgerichtes bloß vom Angeklagten behauptet wird, verfehlt die Grundrechtsbeschwerde eine gesetzmäßige Ausführung (§ 3 Abs 1 erster Satz GRBG). Angesichts etwas mehr als zweimonatiger Dauer bis zum Zeitpunkt der angefochtenen Entscheidung ist dem Oberlandesgericht auch bei Annahme der Verhältnismäßigkeit der Untersuchungshaft im Hinblick auf die beim gegebenen Verdacht aktuelle Strafdrohung von einem bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe kein Fehler unterlaufen.

Die in der Beschwerde erwogene Möglichkeit einer bedingten Strafnachsicht hängt unter anderem vom (weiteren) Verhalten des Angeklagten, welches in aller Regel antizipativ nicht beurteilt werden kann, und von einer auf Grund der Aktenlage allein nicht verlässlich zu stellenden Wohlverhaltensprognose ab, die auch mit dem persönlichen Eindruck im Zusammenhang steht, den der Angeklagte auf das mit der Straffindung befasste Gericht hinterlässt (15 Os 160/02, 15 Os 110/00). Demnach hatte hier die theoretische Möglichkeit einer bedingten Nachsicht der gesamten oder eines Teils der Strafe außer Betracht zu bleiben.

Dejan B***** wurde daher in seinem Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt, weshalb die Grundrechtsbeschwerde ohne Kostenausspruch (§ 8 GRBG) abzuweisen war.

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