Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben. Die angefochtenen Urteile werden im Ausspruch über die (teilweise) Abweisung der Klagebegehren als Teilurteil bestätigt;
2. den
Text
Beschluss
gefasst:
Der im Übrigen als Revisionsrekurs zu behandelnden Revision wird Folge gegeben. Die als Beschlüsse aufzufassenden Entscheidungen der Vorinstanzen, womit die Klagebegehren zurückgewiesen wurden, werden in diesem Umfang sowie im Kostenausspruch aufgehoben. Dem Erstgericht wird eine Sachentscheidung unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurükweisungsgrund aufgetragen.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Entscheidungsgründe:
Die Kläger waren Vorstandsmitglieder einer Privatstiftung. Die Stifterin wollte wegen von ihr vermuteter Unzulänglichkeiten die Vorstandsmitglieder abberufen und bevollmächtigte für das Abberufungsverfahren nach dem Privatstiftungsgesetz den beklagten Rechtsanwalt. Dieser erhob in einem beim Firmenbuchgericht eingebrachten, auf die Abberufung der Vorstandsmitglieder und eine Sonderprüfung gerichteten Antrag zahlreiche schwerwiegende Vorwürfe, die die Kläger zum Gegenstand einer am 26. 8. 1998 beim Erstgericht zu 21 Cg 146/98z eingebrachten Klage machten. Sie begehrten die Unterlassung und den Widerruf von sieben konkreten Behauptungen sowie von sinngleichen Äußerungen (ua dass die Mitglieder des Stiftungsvorstandes widerrechtlich einen finanziellen Vorteil aus dem Stiftungsvermögen gezogen hätten; dass der Stiftungsvorstand sich nicht an die gesetzlichen Bestimmungen halte; dass sich die Mitglieder des Stiftungsvorstandes ohne jede gerichtliche Genehmigung Geldbeträge zugewendet hätten). Dieses Verfahren endete am 18. 8. 1999 mit der Anzeige des ewigen Ruhens durch die Prozessparteien. Mit der am 19. 5. 2000 beim Erstgericht eingelangten Klage begehren die Kläger 1. die Unterlassung und den Widerruf von neun ehrverletzenden Äußerungen (davon sind sieben identisch mit den schon im Vorprozess relevierten) sowie 2. die Unterlassung und den Widerruf von folgenden Behauptungen des Beklagten, die dieser in einem gegen den Erstkläger wegen Ehrenbeleidigung geführten Privatanklageverfahren am 20. 3. 2000 aufgestellt hatte:
"Zu diesem Ruhen ist es aber nicht einfach deshalb gekommen, weil - wie der Beschuldigte dies zu suggerieren versucht - er rehabilitiert gewesen sei und er deshalb gnadenweise von der weiteren Verfolgung des mit der Klage verfolgten Zieles Abstand genommen hätte ..." und "... Vielmehr war es so, dass der Privatankläger in jenem Verfahren drauf und dran war, den Wahrheitsbeweis gegen den (dortigen) Kläger und (hiesigen) Beschuldigten sowie die Vorstandskollegen zu erbringen und der Beschuldigte und seine Vorstandskollegen zu befürchten hatten, das Verfahren zu verlieren und im Umfange mehrerer S 100.000 kostenersatzpflichtig zu werden ...".
Die Kläger stehen auf dem Standpunkt, dass der Beklagte mit seiner im Strafverfahren gemachten Äußerung die Äußerungen im Abberufungsverfahren wiederholt habe. Dies erfülle (neuerlich) den Tatbestand der Ehrenbeleidigung. Durch die Zustellung an das im Strafverfahren "medienbeteiligte" Zeitungsunternehmen sei die Prozessbehauptung verbreitet worden. Sämtliche Äußerungen des Beklagten seien wahrheitswidrig, ehrenrührig und rufschädigend. Der Beklagte beantragte die Abweisung aller Klagebegehren und erhob den Einwand der Streitanhängigkeit. Im Übrigen berief sich der Beklagte auf Rechtfertigungsgründe. Ein Unterlassungsanspruch stehe wegen Einreichung oder Verfolgung einer Strafanzeige, von Beschwerden oder sonstigen Eingaben, wegen Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung dienenden Vorbringens einer Partei oder eines Rechtsanwalts im Zivilprozess nicht zu.
Das Erstgericht wies in Urteilsform die Begehren hinsichtlich der in der Klage unter P 1. a angeführten neun Behauptungen wegen Streitanhängigkeit zurück (insoweit liegt richtigerweise ein Beschluss vor) und die Begehren hinsichtlich der Äußerungen des Beklagten (P 1. b der Klage) ab. Die Parteien hätten mit der außergerichtlichen Vereinbarung des "ewigen Ruhens" des Verfahrens ihr streitiges Rechtsverhältnis bereinigt. Der neuerlichen Einklagung desselben Anspruchs stehe die Streitanhängigkeit entgegen. Die Äußerung des Beklagten im Privatanklageverfahren sei nicht rechtswidrig. In die Ehre eines anderen eingreifende Äußerungen könnten nach einer Interessenabwägung gerechtfertigt sein, wie dies etwa für die Erstattung von Anzeigen oder für Äußerungen in einem Prozess gelte. Es bestehe ein übergeordnetes Interesse der Öffentlichkeit an einer ordnungsgemäßen Rechtspflege. Ein Prozessvorbringen dürfe nicht durch Unterlassungs- und Widerrufsklagen vereitelt werden. Der Beklagte sei lediglich aufgrund seiner Klienteninformation im Sinne des § 9 RAO tätig geworden. Das Gericht zweiter Instanz gab der "Berufung" der Kläger nicht Folge. Es teilte die Rechtsauffassung des Erstgerichtes über die Streitanhängigkeit und führte zur Äußerung vom 20. 3. 2000 im Privatanklageverfahren aus, dass damit nicht die ursprünglichen Äußerungen des Beklagten wiederholt worden seien. Der Beklagte habe nur ein subjektives Werturteil über seine Einschätzung der Prozessaussichten abgegeben, wenn es zu keinem Ruhen des Verfahrens gekommen wäre. Im übrigen seien Prozessbehauptungen außer im Fall wissentlich unwahrer Angaben gerechtfertigt. Eine Kenntnis des Beklagten von der Unwahrheit seiner Behauptungen sei nicht festgestellt worden. Insoweit die Äußerungen als Rechtsvertreter der Stifterin abgegeben worden seien, liege der Rechtfertigungsgrund nach § 9 RAO vor.
Das Gericht zweiter Instanz sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes 20.000 EUR übersteige und dass die ordentliche "Revision" nicht zulässig sei.
Mit ihrer außerordentlichen Revision beantragen die Kläger die Abänderung dahin, dass den Klagebegehren stattgegeben werde, hilfsweise die Aufhebung zur Verfahrensergänzung.
Der Beklagte beantragt mit der ihm freigestellten Revisionsbeantwortung die Zurückweisung der Revision als unzulässig, hilfsweise, dem Rechtsmittel nicht stattzugeben.
Die Revision ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichtes zulässig, sie ist aber hinsichtlich der Bekämpfung der Abweisung der Klagebegehren nicht berechtigt. Insoweit sich die Revision gegen die Zurückweisung der Klagebegehren richtet, ist sie als Revisionsrekurs aufzufassen und zu behandeln. Der Revisionsrekurs ist im Sinne einer Aufhebung zur neuerlichen Entscheidung auch berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
I. Zur teilweisen Zurückweisung der Klage wegen Streitanhängigkeit:
Vorauszuschicken ist, dass die Zurückweisung einer Klage wegen Streitanhängigkeit (§ 233 Abs 1 Satz 2 ZPO) in Beschlussform zu ergehen hat. Das Vergreifen in der Entscheidungsform beeinflusst aber weder die Zulässigkeit noch die Behandlung des Rechtsmittels (RIS-Justiz RS0036324). Beschlüsse, mit denen eine Klage vom Berufungs- oder vom Rekursgericht zurückgewiesen wird, sind nicht jedenfalls unanfechtbar (§§ 519, 528 ZPO). Die vorliegende "Revision" ist insoweit als Revisionsrekurs aufzufassen.
Die Vereinbarung des "ewigen Ruhens" steht einem Fortsetzungsantrag nicht im Wege. Das Verfahren bleibt anhängig (RS0036703; Fasching, Zivilprozessrecht2 Rz 611). Danach könnte grundsätzlich das Prozesshindernis der Streitanhängigkeit vorliegen. Dies setzt Identität der Parteien und des Streitgegenstandes voraus. Bei Unterlassungsansprüchen verneint der Oberste Gerichtshof aber in ständiger Rechtsprechung die Streitanhängigkeit, wenn der vom Kläger im Vorprozess erhobene Unterlassungsanspruch aus einem anderen Gesetzesverstoß abgeleitet wird als das später gestellte zweite Unterlassungsbegehren und es daher - ungeachtet des gleichlautenden Urteilsantrages - an der notwendigen Identität des rechtserzeugenden Sachverhalts mangelt (RS0039179). Dem entspricht die Auffassung, dass selbst bei Vorliegen eines Exekutionstitels eine mit einem weiteren Gesetzesverstoß (gegen das Unterlassungsgebot) begründete Klage nicht wegen der Rechtskraft der Vorentscheidung zurückzuweisen, sondern mangels Rechtsschutzbedürfnisses abzuweisen ist (RS0037297). Von der dargelegten Rechtsprechung sind die Vorinstanzen abgewichen. Den Klägern ist daher darin zu folgen, dass über die von den Vorinstanzen zurückgewiesenen Klagsansprüche in merito (mit Urteil) zu entscheiden gewesen wäre. Bei der verfehlten Zurückweisung einer Klage kann der Oberste Gerichtshof aber in der Sache nicht selbst entscheiden (vgl RS0109540). In dem von der Zurückweisung betroffenen Umfang sind daher die Entscheidungen der Vorinstanzen (bei denen es sich in Wahrheit um Beschlüsse handelt) aufzuheben und es ist dem Erstgericht eine Sachentscheidung aufzutragen. Nur ergänzend sei noch bemerkt, dass die Streitanhängigkeit beim Widerrufsbegehren aus dem weiteren Grund dort nicht vorliegen kann, wo die Kläger den Widerruf gegen eine andere Person als im Vorprozess begehren, es also auch an der Identität der Begehren mangelt.
II. Zu den abgewiesenen Ansprüchen:
Die Vorinstanzen haben im Einklang mit der oberstgerichtlichen Rechtsprechung das Vorliegen von Rechtfertigungsgründen bejaht. Die vom Obersten Gerichtshof vertretenen Grundsätze sind zusammengefasst folgende:
Jeder Unterlassungsanspruch setzt die Rechtswidrigkeit der begangenen oder drohenden Eingriffshandlung voraus. Ein Rechtfertigungsgrund muss sich im Wege der Interessenabwägung aus weiteren Geboten oder Verboten der Rechtsordnung gewinnen lassen. In die Ehre eines anderen eingreifende Tatsachenbehauptungen können gerechtfertigt sein, wenn sie in Ausübung eines Rechts aufgestellt wurden. Dies gilt insbesondere für Straf- und Disziplinaranzeigen sowie grundsätzlich für eine Prozessführung, für Partei- und Zeugenaussagen oder für Äußerungen eines Sachverständigen in einem Prozess. Das Prozessvorbringen durch einen Rechtsanwalt ist überdies nach § 9 Abs 1 RAO gerechtfertigt. Bei der Bejahung des Rechtfertigungsgrundes ist darauf Rücksicht zu nehmen, dass das Recht jedes Rechtssuchenden, bei Meinungsverschiedenheiten die Hilfe der Behörden in Anspruch zu nehmen, nicht mit einer abschreckenden Verantwortlichkeit nach § 1330 ABGB für die Rechtsverteidigung belastet werden darf. Wesentliche Voraussetzung der Rechtfertigung ist hiebei, dass die Ausübung des Rechts im Rahmen der Prozessführung nicht missbräuchlich erfolgt. Die Herabsetzung des Gegners darf nicht wider besseres Wissen geschehen (SZ 67/10; SZ 73/117 mwN; RIS-Justiz RS0022784). Der Rechtfertigungsgrund steht unabhängig von der Öffentlichkeit oder Nichtöffentlichkeit des Prozesses, in dem die bekämpften Behauptungen aufgestellt wurden, zu. Auf die mangelnde Vertraulichkeit der Mitteilung kommt es bei der Beurteilung von Prozessbehauptungen nicht an (6 Ob 103/01t). Der Täter darf nicht vorsätzlich, wider besseres Wissen falsche Behauptungen aufstellen. Ein bloßes "Wissenmüssen" reicht für den Ausschluss eines Rechtfertigungsgrundes nicht aus (6 Ob 50/98s).
Nach den Feststellungen der Vorinstanzen hat der Beklagte nicht wider besseres Wissen falsche Prozessbehauptungen aufgestellt. Entgegen den Revisionsausführungen der Kläger trifft sie die Beweislast für den Vorsatz des Beklagten (6 Ob 305/98s). Den Nachweis wissentlich falscher Prozessbehauptungen haben sie nicht erbracht. Der Ausspruch über die Kosten des Revisions- und Revisionsrekursverfahrens beruht auf § 52 ZPO.
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