Spruch:
In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft sowie aus deren Anlass (§ 290 Abs 1 StPO) wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen (in den Schuldsprüchen C, D, F, H und I) unberührt bleibt, hinsichtlich der Angeklagten Günter H*****, Birgit Z***** und Peter L***** in der Nichtunterstellung der ihnen unter Punkt G angelasteten Tathandlungen (auch) unter § 99 Abs 1 StGB und in den Schuldsprüchen zu A, B und E zur Gänze, demgemäß auch in den die genannten Angeklagten betreffenden Strafaussprüchen und im Ausspruch über die Abschöpfung der Bereicherung des Angeklagten Günter H***** sowie der Beschluss betreffend die Erteilung von Weisungen aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen. Mit ihrer weiteren Nichtigkeitsbeschwerde und ihrer Berufung hinsichtlich Günter H***** und Peter L***** wird die Staatsanwaltschaft auf die teilkassatorische Entscheidung verwiesen. Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen den Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen, auch Teilfreisprüche enthaltenden Urteil wurden - soweit für das Rechtsmittelverfahren von Relevanz - Günter H***** und Birgit Z***** (A) des teilweise in der Entwicklungsstufe des Versuches verbliebenen Verbrechens nach § 28 Abs 2 zweiter und vierter Fall, Abs 3 erster Fall SMG, § 15 StGB (richtig: zur Gänze vollendeten Verbrechens nach § 28 Abs 2 zweiter und vierter Fall SMG - vgl 13 Os 88/02, anders 15 Os 98/02), (B) des in der Entwicklungsstufe des Versuchs gebliebenen Vergehens nach §§ 15 StGB, 28 Abs 1 SMG, (E) des Verbrechens der Verleumdung nach § 297 Abs 1 zweiter Fall StGB sowie (G/I) des Vergehens der versuchten Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1 StGB und Peter L***** (G/2 und 3) des Verbrechens der versuchten Erpressung nach §§ 15, 144 Abs 1 StGB sowie des Vergehens der versuchten Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1 StGB schuldig erkannt.
Danach haben - zum Teil zusammengefasst wiedergegeben - in Linz A/1-16) Günter H***** und Birgit Z***** den bestehenden Vorschriften zuwider gewerbsmäßig Suchtgift in einer großen Menge eingeführt und in Verkehr gesetzt, indem sie in der Zeit von April 2001 bis Dezember 2001 den Großteil von im Inland erworbenen etwa 10.300 Stück Ecstasy-Tabletten, ca 1.660 Gramm Marihuana, etwa 175 Gramm des Amphetamins Speed und einen Teil der aus dem Ausland bezogenen psylocibinhältigen Pilze an zahlreiche bekannte und unbekannte Personen weitergaben und in der Zeit von November 2001 bis Mitte Jänner 2002 in mehreren Teilmengen insgesamt 396 Gramm psylocibinhältige Pilze nach Bestellung via Internet aus Holland bzw Deutschland nach Österreich eingeführt (wobei ersichtlich die Voraussetzungen des § 28 Abs 3 zweiter Satz SMG bejaht wurden - US 42);
B) Günter H***** und Birgit Z***** versucht, den bestehenden
Vorschriften zuwider Suchtgifte in einer großen Menge mit dem Vorsatz zu erwerben, dass diese in Verkehr gesetzt werden, und zwar im August 2001 100 Stück Ecstasy-Tabletten von Dusko M*****, im Dezember 2001 1.000 Stück Ecstasy-Tablette von Andreas K*****, Mitte Jänner 2002 220 Gramm Psylocibine (erg: durch Bestellung über eine holländische Internetadresse);
E) Günter H***** und Birgit Z***** dadurch, dass sie am 15. Jänner 2002 bei ihrer polizeilichen Vernehmung angaben, von Dusko M***** weitere ca 1.000 bis 1.500 Stück Ecstasy-Tabletten erworben zu haben, diesen dadurch der Gefahr einer behördlichen Verfolgung ausgesetzt, dass sie ihn einer von Amts wegen zu verfolgenden, mit Strafe bedrohten Handlung, nämlich des Verbrechens nach § 28 Abs 2 SMG, falsch verdächtigten, wobei sie wussten, dass die Verdächtigung falsch ist;
G) Günter H*****, Birgit Z***** und Peter L***** im Juli 2001 den Michael L***** dadurch, dass ihn L***** an den Armen erfasste, wobei er einen Schlagstock in der Hand hielt, und H***** ihm eine im Hosenbund eingesteckte Pistole zeigte, H***** ihn in der Folge ebenfalls an den Armen erfasste und sie ihn in den Pkw der Z***** brachten, ihm dort eine Jacke über den Kopf zogen und Z***** sie mit ihrem Fahrzeug zu einem (erg: ihm) unbekannten Ort brachte, während L***** seinen Kopf unter die Fensterkante und ihn mit einem Schlagstock in die Rippen drückte, sie ihn mit verdecktem Kopf in einen Raum brachten und dort einschlossen, Z***** eine Pistole gegen ihn richtete und H***** und L***** ihm mit Kabeln die Hände auf den Rücken fesselten und ihm auch die Füße zusammenbanden und ihn so bis zum nächsten Tag festhielten, mit wiederholter Gewalt und durch gefährliche Drohung,
Günter H***** und Birgit Z***** zur Bezahlung vermeintlicher Schulden aus einem Drogenkauf von 10.000 S,
Peter L***** zur Bezahlung der Schulden aus einem Drogenkauf von ca 3.000 S bis 4.000 S,
Peter L***** mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten des Genötigten unrechtmäßig zu bereichern, zur Bezahlung eines weiteren Betrages in der Höhe von ca 6.000 S bis 7.000 S
zu nötigen versucht.
Rechtliche Beurteilung
Zu der auf die Z 5 und 10 des 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft:
Hinsichtlich des gegen die Nichtannahme der Qualifikation gewerbsmäßiger Tatbegehung zu Punkt A durch den Angeklagten H***** infolge Vorliegens der Voraussetzungen des § 28 Abs 3 zweiter Satz SMG gerichteten Vorbringens wird auf die Ausführungen zur Maßnahme gemäß § 290 Abs 1 StPO verwiesen.
Ohne einen relevanten Begründungsfehler (Z 5) zu behaupten, wendet sich die Anklagebehörde in ihrer Subsumtionsrüge (Z 10) gegen die tatrichterliche Wertung, Michael L***** sei zu Punkt G nicht längere Zeit hindurch in einen qualvollen Zustand versetzt gewesen, und vermeint, dass jene Feststellungen unberücksichtigt geblieben seien, wonach der Genannte die ganze Nacht eingesperrt auf einem Dachboden habe verbringen müssen, nachdem er an der Wahrnehmung seines Aufenthaltsortes gehindert und mit der Äußerung des Angeklagten L***** konfrontiert worden sei, er solle sich überlegen, "wo er das Geld herbekomme, sonst komme er hier nicht mehr raus". Die Rechtsmittelwerberin lässt jedoch außer Acht, dass sich das Opfer laut den Urteilsannahmen bereits nach kurzer Frist ohne größere Probleme und von den Angeklagten nicht unbemerkt seiner Fesselung entledigen konnte, man ihm während seiner Festhaltung auf dem Dachboden kein weiteres körperliches Ungemach zugefügte und ihm eine Jacke und ein Glas Wasser zur Verfügung stellte (US 23, 39). Trotz der von der Beschwerdeführerin hervorgehobenen Einwirkung auf die psychische Verfassung des Tatopfers, insbesondere durch die im Urteil festgestellte, nicht näher konkretisierte, dem Sinne nach über die bloße Androhung weiterer Festhaltung jedoch nicht hinausgehende Drohung, ist die Situation des Michael L***** unter Berücksichtigung seiner Angaben, sich zwar gefürchtet, aber keine Qualen empfunden zu haben (US 24, 40), in ihrer Gesamtheit noch nicht den von der Judikatur für die Erfüllung des Qualifikationstatbestandes des § 106 Abs 1 Z 2 StGB geforderten, vom Betroffenen über einen längeren Zeitraum empfundenen peinigenden, schweren körperlichen oder seelischen Beeinträchtigungen, wie etwa quälenden Schmerzen oder Leiden, Angstzuständen oder Depressionen, die länger fortdauern oder sich mehrmals wiederholen, wenngleich nicht geradezu Todesangst hervorrufen, gleichzuhalten (Leukauf/Steininger StGB3 RN 8, Fabrizy StGB8 Rz 3, Schwaighofer in WK2 Rz 10, Mayerhofer StGB5 E 9 und 10, jeweils zu § 106).
Berechtigt ist die Beschwerde jedoch, soweit sie bei den Angeklagten H*****, Z***** und L***** die Beurteilung dieses Sachverhaltes nicht nur als Vergehen der versuchten Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1 StGB (G/1 bzw G/2), beim Angeklagten Peter L***** überdies als Verbrechen der versuchten Erpressung nach §§ 15, 144 Abs 1 StGB (G/3), sondern auch als Freiheitsentziehung nach § 99 Abs 1 StGB vermisst. Denn nur mit einer Nötigung oder einer Erpressung typischerweise verbundene Freiheitsentziehungen werden durch die genannten strafbaren Handlungen konsumiert. Die - hier vorliegende - 12-stündige Gefangenschaft geht aber über das mit dem Primärdelikt verbundene Maß wesentlich hinaus, sodass echte (Ideal-)Konkurrenz anzunehmen ist (Schwaighofer WK2 § 99 Rz 48 zu § 99, Eder-Rieder WK2 § 144 Rz 49, SSt 56/20), zumal die Verwirklichung der Freiheitsentziehung auch nicht regelmäßig mit einer Erpressung verbunden ist (Ratz WK2 Vorbem zu §§ 28-31 Rz 58).
Die im Urteil fehlenden Feststellungen zu den subjektiven Tatbestandserfordernissen der Freiheitsentziehung nach § 99 Abs 1 StGB erfordern insoweit die Anordnung der Verfahrenserneuerung in erster Instanz.
Zur Maßnahme nach § 290 Abs 1 StPO:
Die zu den Punkten A, B und E ergangenen Schuldsprüche sind zum Nachteil der Angeklagten H***** und Z***** mit nicht geltend gemachter Nichtigkeit nach Z 9 lit a bzw 10 des § 281 Abs 1 StPO behaftet:
Das Erstgericht hat es nämlich unterlassen, zu A Feststellungen zu treffen, welche Wirkstoffmengen die in Verkehr gesetzten Ecstasy-Tabletten und welche Reinmenge an Wirkstoff das gegenständliche Marihuana (THC), das Amphetamin Speed sowie die eingeführten Psylocibin-Pilze enthielten. Die bloße Nennung der Zahl an Tabletten und deren "Handelsnamen", des Gesamtgewichtes an Marihuana und Speed sowie der von der Einfuhr umfassten - sohin einem eigenständigen Delikt gesondert zu unterstellenden (Mayerhofer Nebenstrafrecht § 28 SMG E 28; vgl auch EvBl 2002/252) und nicht den in Verkehr gesetzten Suchtgiften hinzuzurechnenden - psylocibinhältigen Pilze und die Bezeichnung als insgesamt "große" Menge vermag zwar eine solche (§ 28 Abs 2, Abs 6 SMG) zu indizieren, nicht jedoch die Feststellung der konkreten Suchtgiftmenge, auf Grund derer die Beurteilung als "groß" vorgenommen werden könnte, zu ersetzen.
Aber auch bei den vom Schuldspruch B umfassten Suchtgiften fehlen Konstatierungen zum Wirkstoffgehalt und zu der für eine allfällige Zusammenrechnung notwendigen Voraussetzung, dass der Vorsatz der Angeklagten H***** und Z***** auch hier den an eine bewusst kontinuierliche Begehung geknüpften Additionseffekt mitumfasste (JBl 2001, 802).
Ebenso steht nicht fest, welchen Wirkstoffgehalt die durch die Angeklagten H***** und Z***** von Dusko M***** (vgl Faktum A/l) tatsächlich bezogenen Ecstasy-Tabletten hatten. Ferner enthält das Urteil keinerlei Annahmen zur im Zusammenhang mit der von ihnen dem Genannten angedichteten Lieferung weiterer 1000 bis 1500 Stück unterstellten Qualität (E). Das Erstgericht hat auch keine Feststellungen darüber getroffen, ob der wahrheitswidrig behauptete weitere Verkauf in Form eigenständiger, von den tatsächlichen Lieferungen abgrenzbarer Tathandlungen erfolgte (siehe S 57, 67/I sowie demgegenüber S 225/I). Es fehlt daher die Beurteilungsgrundlage, ob die genannten Angeklagten Dusko M***** insoweit überhaupt eines zusätzlichen, nicht in Tateinheit zusammentreffenden Verbrechens nach § 28 Abs 2 SMG, allenfalls auch bloß eines Vergehens nach § 27 Abs 1 sechster Fall SMG falsch verdächtigten. Ob die Falschbezichtigung verschiedene Tathandlungen des Dukso M*****, die selbständiger Gegenstand einer Verleumdung sein können, oder bloß zusätzliche Teilakte eines einheitlichen deliktischen Geschehens betraf (12 Os 107/82), kann somit ebenso wenig beurteilt werden wie die Voraussetzung für die Anwendung des höheren Strafsatzes des § 297 Abs 1 StGB.
Da dieses Feststellungsdefizit eine abschließende rechtliche Beurteilung nicht zulässt, ist ein Vorgehen nach § 290 Abs 1 StPO geboten.
Die von der Staatsanwaltschaft in der Beschwerde gegen die Nichtannahme gewerbsmäßiger Tatbegehung im Rahmen der Mängelrüge (Z 5) aufgezeigten Widersprüche zum angenommenen Zeitpunkt des Eintritts der Suchtgiftabhängigkeit des Anklagten H***** und der in der Subsumtionsrüge (Z 10) geltend gemachte Feststellungsmangel zum Umfang der von ihm bis zum Beginn seiner eigenen Suchtgiftgewöhnung in Verkehr gesetzten Mengen liegen zwar an sich vor, können jedoch mangels abschließender Beurteilung der Voraussetzungen für die Annahme des Tatbestandes nach § 28 Abs 2 SMG und damit auch der Qualifikation nach § 28 Abs 3 erster Fall SMG derzeit auf sich beruhen.
Mit ihrer weiteren Nichtigkeitsbeschwerde und ihrer Berufung hinsichtlich Günter H***** war die Staatsanwaltschaft ebenso auf die teilkassatorische Entscheidung zu verweisen, wie mit ihrer gegen die Strafaussprüche hinsichtlich der Angeklagten H***** und L***** gerichteten Berufung.
Die Kostenentscheidung ist in der bezogenen Gesetzesstelle begründet.
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