Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.
Gemäß § 390a StPO fallen dem Angeklagten Luigi S***** auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil, welches neben einem in Rechtskraft erwachsenen Teilfreispruch und rechtskräftigen Schuldsprüchen der Mitangeklagten Giuseppe S***** und Eugenio C***** enthält, wurde Luigi S***** der teilweise als Bestimmungstäter (die Beitragshandlungen werden davon konsumiert) nach § 12 zweiter Fall StGB begangenen Verbrechen nach § 28 Abs 2 zweiter, dritter und vierter Fall, Abs 3 erster Fall und Abs 4 Z 3 SMG (A 1. und B) sowie der Vergehen nach § 28 Abs 1 SMG (C) und nach § 27 Abs 1 erster und zweiter Fall SMG (zu D 1.) schuldig erkannt.
Danach hat er zu datumsmäßig jeweils nicht mehr feststellbaren Zeitpunkten zwischen ca November 2000 und 27. September 2001 im Großraum Innsbruck und Hall in Tirol, Rotterdam/Holland und anderen Orten
A 1.) den bestehenden Vorschriften zuwider ein Suchtgift in einer großen Menge (§ 28 Abs 6 SMG) in Verkehr gesetzt, wobei er die Tat mit Beziehung auf ein Suchtgift beging, dessen Menge zumindest das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge ausmachte, durch teilweise kostenlose Weitergabe, größtenteils aber durch gewerbsmäßigen Verkauf einer ziffernmäßig nicht mehr feststellbaren, die Grenzmenge jedoch um ein Vielfaches übersteigenden großen Menge an qualitativ hochwertigem Kokain (im Kilobereich) an seinen Sohn Giuseppe S***** jun, Eugenio C***** sowie an die abgesondert verfolgten Massimo R*****, Bernhard P*****, Claudio M*****, Dagmar G*****, Christian M*****, Carola M***** und an zahlreiche weitere namentlich nicht bekannte Personen;
B) (hier zusammengefasst wiedergegeben) zu den Taten der abgesondert verfolgten und deswegen rechtskräftig verurteilten Massimo R***** und Giuseppe S***** sen, welche teils allein (1.), teils gemeinsam (2. und 3.) den bestehenden Vorschriften zuwider 1. um den 10. April 2001, 2. um den 9. Juni 2001, und 3. um den 30. Juni 2001 Suchtgift in einer großen Menge (§ 28 Abs 6 SMG), nämlich jeweils zumindest 500 Gramm qualitativ hochwertiges Kokain, von Rotterdam nach Innsbruck schmuggelten, dadurch beigetragen bzw diese dazu bestimmt, dass er ihnen dazu den PKW zur Verfügung stellte, das Suchtgift ankaufte und ihnen zum Schmuggel übergab und sie aufforderte, das Suchtgift nach Österreich zu bringen, wobei er gewerbsmäßig handelte und die Taten mit Beziehung auf ein Suchtgift beging, dessen Menge zumindest das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge ausmachte;
C) am und um den 27. September 2001 den bestehenden Vorschriften zuwider ein Suchtgift in einer großen Menge, nämlich 578 Gramm qualitativ hochwertiges Kokain (reine Kokainbase 365 Gramm), bei einem Unbekannten mit dem Vorsatz erworben und besessen, dass es in weiterer Folge in Verkehr gesetzt werde;
D 1.) den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift erworben und besessen, indem er ab Februar 2001 (vgl US 11) ziffernmäßig nicht mehr feststellbare Mengen an Kokain von namentlich nicht bekannten Personen für den Eigenbedarf erwarb.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen vom Angeklagten Luigi S***** aus Z 5, 5a, 9 (zu ergänzen: lit) a und 10 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde ist nicht im Recht.
Der in der Mängelrüge (Z 5) gegen den Schuldspruch A 1. erhobene Einwand, die Feststellung, der Beschwerdeführer habe mindestens ein Kilogramm dieser nach Österreich geschmuggelten Kokainmenge teilweise durch kostenlose Weitergabe (jedenfalls nur in geringem Umfang), größtenteils aber durch Verkauf an die unter Punkt A 1. des Schuldspruchs angeführten Personen - davon "den größten Teil an namentlich nicht bekannte Abnehmer" - in Verkehr gesetzt (US 15 vierter Absatz iVm US 18 erster und zweiter Absatz letzter Halbsatz), sei nur scheinbegründet, schlägt fehl. In Wahrheit hat das Tatgericht das Gesamtquantum der von den für glaubwürdig beurteilten namentlich bekannten Kokainabnehmern bezogenen Suchtgiftmengen (rechnerisch mindestens 260 Gramm) zuzüglich der (seit 10. April 2001) selbst konsumierten Kokainmenge (rechnerisch maximal rund 340 Gramm) in Relation zur geschmuggelten Konterbande (zumindest 1.500 Gramm) gesetzt. Davon ausgehend hat es auf Basis aller erhobenen Beweise in freier Beweiswürdigung ohne Verstoß gegen Grundsätze logischen Denkens sowie die Lebenserfahrung erschlossen und ausführlich begründet, dass der Angeklagte den größten Teil (rechnerisch rund 900 Gramm) durch Weitergabe an namentlich nicht bekannte Personen in Verkehr gesetzt hat (vgl US 15 bis 19). Von einer Scheinbegründung kann daher keine Rede sein, weshalb auch für eine in diesem Zusammenhang vom Rechtsmittelwerber begehrte "Negativfeststellung" keine Möglichkeit besteht.
Die Verstrickung des abgesondert verfolgten Massimo R***** in "Kokaingeschäfte" blieb nicht unberücksichtigt, sondern wurde ausdrücklich festgestellt (US 12 bis 14 und 25 dritter Absatz).
Mit Verweis auf die "erhebliche Menge" (578 Gramm qualitativ hochwertiges Kokain mit 365 Gramm reiner Kokainbase) und seine "bereits festgestellten einschlägigen Tätigkeiten", worunter nur das vorangegangene gewerbsmäßige Inverkehrsetzen von großen Suchtgiftmengen verstanden werden kann, wurde unter Ablehnung der leugnenden Verantwortung (US 21 f) auch der spezifische Vorsatz des Beschwerdeführers zum Schuldspruch C formell mängelfrei begründet (US 22 zweiter Absatz).
Wird die vom Rechtsmittel prozessordnungswidrig (nur für sich allein genommene) als "nicht überzeugend, sondern geradezu aktenwidrig" kritisierte Urteilspassage (US 14 unten bis 15 oben) im Zusammenhang mit den vorangehenden Ausführungen gelesen, so ergibt sich zweifelsfrei, dass damit - ungeachtet des verwendeten Indikativs ("steht sogar fest") - lediglich eine hypothetische Annahme unter Zugrundelegung des von Massimo R***** geschätzten Kokainreinheitsgehalts von sicher 85 % dargestellt wird (vgl dazu auch US 13 Mitte). Davon abgesehen betrifft diese Überlegung gar keinen entscheidenden Umstand (EvBl 1972/17), weil das Erstgericht auch hier konstatiert, der zumindest bedingte Vorsatz des Beschwerdeführers habe jeweils auch den an die bewusst kontinuierliche Begehung geknüpften Additionseffekt umfasst (US 14 zweiter Absatz).
Wie schon aus dem Wortlaut (Luigi S***** gab zu, an Carola M***** 12 Gramm weitergegeben zu haben) unschwer zu erkennen ist, betrifft dies keine Feststellung, sondern nur die Wiedergabe eines Verantwortungsteils aus dem Hauptverhandlungsprotokoll vom 28. Februar 2002 (S 207/III). Nach den Konstatierungen hat er an M***** nur "geringe Mengen" übergeben (US 17 zweiter Absatz).
Dem bekämpften Urteil haften daher die behaupteten formellen Begründungsfehler nicht an.
Das gegen den Schuldspruch A und B gerichtete Vorbringen in der Tatsachenrüge (Z 5a) argumentiert teils spekulativ, teils tendenziös. Ausgehend von der fehlenden Sicherstellung auch nur einer Teilmenge aus den drei urteilsgegenständlichen Suchtgiftschmuggelfahrten und dem konstatierten Reinheitsgehalt von 72,99 % des beim abgesondert verurteilten Massimo R***** sichergestellten und von Luigi S***** stammenden Kokains (US 13), wobei nicht begründet sei, warum dieses Suchtgift vom Beschwerdeführer stammen sollte, hätte das Tatgericht den (nach Meinung des Rechtsmittels zu Unrecht) für glaubwürdig und überzeugend erachteten Aussagen des Zeugen Massimo R***** nicht folgen dürfen. Da dieser selbst in nicht unerhebliche, auf eigene Rechnung betriebene Suchtgiftaktivitäten verwickelte gewesen sei, zeige deutlich, dass er (zusätzlich) selbst geschmuggeltes Kokain aus Holland in Tirol auf eigene Rechnung verkauft und lediglich versucht habe, die Verantwortung für seine Schmuggelaktivitäten dem Beschwerdeführer anzulasten, um solcherart seine eigene Rolle als untergeordnet darzustellen und erfolgreich eine geringere Bestrafung zu erwirken. Überhaupt sei die Art der tatrichterlichen Beweiswürdigung, den Zeugen R***** einerseits generell als glaubwürdig zu bezeichnen, ihm andererseits in weiten Bereichen die Glaubwürdigkeit abzuerkennen, bedenklich, weshalb dessen widersprüchlichen und mit erheblichen Zweifeln belasteten Angaben nicht mit der erforderlichen Sicherheit zur schuldspruchgemäßen Verurteilung hätten führen können. Bei Begründung der Feststellungen zum Verkauf von verschieden großen Kokainmengen durch Eugenio C***** (vgl US 16 zweiter Absatz) sei zudem übersehen worden, dass dieser nicht erst in der Hauptverhandlung, sondern schon vor dem Untersuchungsrichter seine zunächst den Rechtsmittelwerber belastenden Angaben revidiert habe (US 16 letzter Satz; vgl dazu aber auch US 25 dritter Absatz letzter Satz).
Alle diese Ausführungen vermögen auf Aktengrundlage keine erheblichen Bedenken gegen die entscheidenden Feststellungen zur Schuldfrage (A und B) zu wecken. Sie erschöpfen sich vielmehr bloß in einer gegen kollegialgerichtliche Urteile - auch unter dem Aspekt des geltend gemachten, zu den formellen Nichtigkeitsgründen zählenden Anfechtungspunktes - unzulässigen Schuldberufung gegen die Beweiswürdigung der Erkenntnisrichter. Diese haben in einer kritischen Gesamtschau aller erhobenen subjektiven und objektiven Beweise, einschließlich der Verantwortungen aller drei Angeklagten und geringfügiger Abweichungen in den Aussagen des Zeugen Massimo R***** (vgl dazu US 13 oben) sowie des gewonnenen persönlichen Eindrucks, in freier Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) in Übereinstimmung mit den Grundsätzen logischen Denkens und der Lebenserfahrung dargelegt, aus welchen Gründen sie davon überzeugt waren, Luigi S***** habe nicht nur insgesamt eine große (§ 28 Abs 6 SMG = 15 Gramm), sondern eine übergroße Menge Kokain (§ 28 Abs 4 Z 3 SMG = 375 Gramm) einerseits als Bestimmungstäter geschmuggelt, andererseits als unmittelbarer Täter in Verkehr gesetzt (US 13 bis 19).
Die Rechtsrügen Z 9 lit a und 10 (der Sache nach auch Z 11) sind nicht prozessordnungsgemäß ausgeführt. Dazu ist nicht nur ein striktes Festhalten am gesamten subjektiven und objektiven Tatsachensubstrat erforderlich (dh es dürfen eigenmächtig weder urteilsfremde Sachverhaltselemente hinzugefügt noch Konstatierungen übergangen werden), sondern auch auf dessen Basis der Nachweis eines Rechtsfehlers zu erbringen. An diese Gebote hält sich der Rechtsmittelwerber jedoch nicht.
Unter Z 9 lit a gibt die Beschwerde lediglich den Urteilsspruch D (US 5) sowie den letzten Halbsatz aus den beweiswürdigenden Erwägungen der Tatrichter wieder (US 11 vierter Absatz) und moniert pauschal, "dass durch das Beweisverfahren belegte Feststellungen hiezu nicht einmal ansatzweise getroffen wurden". Diese (zu Unrecht) vermissten Konstatierungen finden sich jedoch im dritten Absatz auf US 11, welche von der Rüge aber außer Acht gelassen werden.
Die weiteren Beschwerdeausführungen verbinden drei isoliert, demnach Sinn entstellend aus dem Gesamtzusammenhang herausgelöste Feststellungsteile (nämlich US 11 dritter Absatz letzter Halbsatz iVm US 18 zweiter Absatz und US 19 zweiter Absatz erster Halbsatz) und folgern daraus urteilsfremd: "Das Tatbild des § 27 Abs 1 SMG ist somit nicht erfüllt, da die Verurteilung für das in Holland erworbene Suchtgift den Erwerb des zum Eigenkonsum verbrauchten miteinschließt und diese Tatsache nicht zu einer doppelten Verurteilung führen kann" (insoweit der Sache nach Z 9 lit b).
Diese, vom festgestellten Urteilssachverhalt mehrfach abweichende Argumentation übergeht indes verfahrensvorschriftswidrig, dass - bei verfahrensrechtlich gebotener Berücksichtigung von Spruch und Gründen als Einheit - die Tatzeit zum Schuldspruch D ab Februar 2001 konstatiert wird, während die drei Schmuggelfahrten auf den 10. April, 9. und 30. Juni 2001 fallen, ferner, dass der Beschwerdeführer die ziffernmäßig nicht feststellbaren Kokainmengen bei namentlich nicht bekannten Personen für den Eigenbedarf erworben hat und er sich auch aus anderen Quellen (außer durch die drei Schmuggelfahrten aus Holland) sowie zu verschiedenen Zeiten zusätzlich Kokain beschafft hat (vgl zB US 18 f iVm 21 f). Die im Rechtsmittel problematisierte Rechtsfrage der "doppelten Verurteilung" stellt sich daher gar nicht.
Die als Subsumtionsrüge (Z 10) gedachten Ausführungen behaupten zum Schuldspruch A 1., der Vorwurf der Gewerbsmäßigkeit sei "durch das Beweisverfahren nicht gedeckt". Damit wird einerseits kein Feststellungsmangel moniert, sondern eine offenbar unzureichende Begründung (insoweit daher der Sache nach Z 5), andererseits lassen diese Ausführungen aber schlichtweg die gesamte (formell tadelfreie) erstgerichtliche Begründung zur spezifisch-subjektiven Tatseite der Schuldsprüche A und B außer Betracht (vgl US 15 zweiter Absatz, 19 dritter Absatz und US 20 f).
Dies gilt im Wesentlichen auch für die Beschwerdekritik an den (ihrer Meinung nach "derart allgemein und floskelhaft formulierten") Urteilsfeststellungen betreffend die Qualifikation nach § 28 Abs 4 Z 3 SMG (US 14 zweiter Absatz). Dieser Einwand klammert bewusst - indes prozessordnungswidrig - die dazu (ergänzend) getroffenen Konstatierungen im folgenden Absatz aus (US 14 dritter Absatz), indem er sie als "haltlose Rechenbeispiele" abtut, die (nach Meinung der Beschwerde) lediglich herangezogen wurden, um für jede einzelne Schmuggelfahrt eine übergroße Suchtgiftmenge zu konstruieren und solcherart die aufgezeigte Problematik von vornherein auszuschalten. Welche "konkreten Feststellungen darüber hinaus" hätten getroffen werden sollen, lässt das Rechtsmittel selbst unbeantwortet. Ebenso bleibt im Dunkeln, warum es einen Begründungs- und/oder einen Feststellungsmangel darstellen soll, dass der Angeklagte Luigi S***** "anlässlich der Hauptverhandlung nicht einmal zur Höhe der übergroßen Menge befragt wurde".
Soweit im Rahmen der Qualifikationsrüge schließlich noch eingewendet wird, "nach den Umständen wäre beim Angeklagten Luigi S***** von einer Suchtmittelabhängigkeit auszugehen gewesen, sodass - entgegen der Ansicht des Erstgerichtes - richtigerweise § 28 Abs 3 zweiter [richtig] Satz SMG zur Anwendung gelangen muss" (insoweit der Sache nach § 281 Abs 1 Z 11 dritter Fall StPO), setzt sich dieses Vorbringen in Widerspruch zur urteilskonträren Annahme der Tatrichter (US 21 zweiter Absatz) und bringt demnach auch den (inhaltlich) relevierten materiellen Nichtigkeitsgrund nicht zur gesetzmäßigen Darstellung.
§ 28 Abs 3 erster Satz SMG enthält Qualifikationstatbestände zu Abs 2. Anders jedoch der zweite Satz leg cit. Handelt der Täter aus dem (hier kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung ausnahmsweise entscheidungswesentlichen, weil die Wahl des anzuwendenden Strafsatzes bedingenden) im zweiten Satz umschriebenen Motiv, kommt als Rechtsfolge der erhöhte Strafsatz für die im ersten Satz umschriebenen Qualifikationen nicht zur Anwendung; der Täter fällt unter den in Abs 3 als dort zweiten Strafsatz übernommenen Strafsatz von Abs 2 leg cit (anders 13 Os 88/02).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur gemäß § 285d Abs 1 Z 1 und 2 iVm § 285a Z 2 StPO bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.
Daraus folgt, dass zur Entscheidung über die zudem erhobene Berufung des Angeklagten das Oberlandesgericht Innsbruck zuständig ist (§ 285i StPO).
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