OGH 10ObS226/03p

OGH10ObS226/03p7.10.2003

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger und Dr. Neumayr als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Norbert S*****, vertreten durch Dr. Markus Freund, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, Adalbert-Stifter-Straße 65, 1200 Wien, vertreten durch Dr. Vera Kremslehner und andere, Rechtsanwälte in Wien, wegen Abfindung der Versehrtenrente, über den "außerordentlichen Revisionsrekurs" der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 12. Juni 2003, GZ 9 Rs 80/03f-11, womit infolge Rekurses der klagenden Partei der Beschluss des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 5. Februar 2003, GZ 25 Cgs 179/02z-6, aufgehoben (abgeändert) wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Akten werden dem Oberlandesgericht Wien mit dem Auftrag zurückgestellt, den Beschluss vom 12. Juni 2003, GZ 9 Rs 80/03f-11, durch den kurz zu begründenden Ausspruch zu ergänzen, ob der Revisionsrekurs nach § 528 Abs 1 ZPO zulässig ist oder nicht.

Text

Begründung

Mit Bescheid vom 6. 8. 2002 hat die beklagte Allgemeine Unfallversicherungsanstalt dem Antrag des Klägers vom 29. 4. 2002 auf Abfindung der Versehrtenrente nicht stattgegeben.

Das Erstgericht hat die gegen diesen Bescheid erhobene Klage (die beklagte Partei zu verpflichten, dem Kläger den Abfindungsbetrag von 123.795,30 EUR samt 4 % Zinsen seit 20. 4. 2002 zu bezahlen) mit der Begründung zurückgewiesen, dass Begehren auf Rentenabfindungen keine Leistungssachen iSd § 65 Abs 1 Z 1 ASGG seien, weshalb der Rechtsweg unzulässig sei.

Das Rekursgericht gab dem dagegen erhobenen Rekurs des Klägers Folge. Es hob den angefochtenen Beschluss auf, trug dem Erstgericht auf, das Verfahren unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund fortzusetzen und sprach aus, die Kosten des Rekursverfahrens seien weitere Verfahrenskosten erster Instanz. Das Gericht zweiter Instanz unterließ einen Ausspruch, ob der Revisionsrekurs nach § 528 Abs 1 ZPO zulässig sei.

Gegen den Beschluss des Rekursgerichts richtet sich der "außerordentliche Revisionsrekurs" der beklagten Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Entscheidung des Erstgerichts wiederherzustellen, in eventu die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen.

Darüber kann derzeit noch nicht entschieden werden.

Rechtliche Beurteilung

Nach Art III Z 6, Art XI Abs 6 ZVN 2002 ist die von § 527 ZPO abweichende Regelung für Arbeits- und Sozialgerichtssachen iSd (aufgehobenen) § 45 Abs 2 und 3 ASGG nicht mehr anzuwenden, wenn das Datum der Entscheidung der zweiten Instanz - wie hier - nach dem 31. 12. 2002 liegt (Stohanzl, ZPO9 [2002] zu § 527 ZPO). Der Ausspruch über die Zulässigkeit des Revisionsrekurses hätte demnach (anders als früher nach § 45 Abs 3 erster Satz ASGG) nur dann unterbleiben können, wenn das Gericht zweiter Instanz einen - unanfechtbaren - Aufhebungsbeschluss nach § 527 Abs 2 ZPO gefasst hätte (vgl RIS-Justiz RS0044059, RS0044102). Davon ist jedoch nicht auszugehen:

Nach stRsp handelt es sich nämlich bei einem "aufhebenden" Beschluss des Rekursgerichts, mit dem - wie hier - ein Zurückweisungsbeschluss des Erstgerichtes, der wegen des Fehlens von Prozessvoraussetzungen oder des Vorliegens eines Prozesshindernisses ergangen ist, beseitigt wird, in Wahrheit um eine abändernde Entscheidung (RIS-Justiz RS0044033; RS0044035; RS0044037; RS0044125). Ein echter Aufhebungsbeschluss liegt nur dann vor, wenn eine bestimmte Frage, über die eine selbständige Entscheidung zu ergehen hat, vom Gericht zweiter Instanz noch nicht abschließend erledigt wird, sondern hierüber eine neuerliche Entscheidung des Erstgerichtes ergehen soll. Demgegenüber ist eine in Wahrheit abändernde Entscheidung gegeben, wenn eine selbständig zu entscheidende Frage vom Gericht zweiter Instanz anders als vom Erstgericht entschieden wird und sich nur als Folge davon die Notwendigkeit der Fortsetzung des Verfahrens ergibt (8 Ob 48/02w; 1 Ob 504/90 uva).

Da der erstgerichtliche Zurückweisungsbeschluss in Wahrheit dahin abgeändert wurde, dass die Zulässigkeit des Rechtsweges bejaht wurde, richtet sich die Anfechtbarkeit nicht nach § 527 Abs 2 ZPO, sondern nach § 528 ZPO (vgl 8 Ob 48/02w). Das Rekursgericht hätte daher in seine Entscheidung einen Ausspruch nach § 500 Abs 2, § 526 Abs 3 ZPO aufnehmen müssen (Kodek in Rechberger² § 527 ZPO Rz 3), der nun nachzutragen ist. Sollte das Rekursgericht aussprechen, dass der Revisionsrekurs zulässig ist, ist der klagenden Partei Gelegenheit zur Einbringung einer Revisionsrekursbeantwortung zu geben.

Stichworte