OGH 14Os116/03

OGH14Os116/0311.9.2003

Der Oberste Gerichtshof hat am 11. September 2003 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag. Strieder als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Philipp und Hon. Prof. Dr. Schroll als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Bauer als Schriftführer, in der Strafsache gegen Mladen M***** und andere Beschuldigte wegen des Verbrechens des schweren und gewerbsmäßigen Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 erster Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen, AZ 15 Ur 59/03a des Landesgerichtes für Strafsachen Graz, über die Grundrechtsbeschwerde des Beschuldigten Charles John W***** gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Graz als Beschwerdegericht vom 10. Juli 2003, AZ 9 Bs 304, 310/03 (= ON 146), nach Anhörung des Generalprokurators in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Charles John W***** wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Text

Gründe:

Über den am 23. April 1958 geborenen britischen Staatsangehörigen Charles John W***** wurde mit Beschluss vom 16. Juni 2003 im Rahmen der gegen ihn wegen des Verbrechens des schweren und gewerbsmäßigen Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 erster Fall StGB und anderer Delikte geführten Voruntersuchung die Untersuchungshaft aus den Haftgründen der Flucht-, Verdunkelungs- und Tatbegehungsgefahr nach § 180 Abs 2 Z 1, 2 und 3 lit a und b StPO verhängt (ON 33). Die Fortsetzung der Untersuchungshaft wurde mit Beschluss vom 30. Juni 2003 aus den gleichen Gründen angeordnet (ON 97).

Mit der angefochtenen Entscheidung gab das Oberlandesgericht den gegen die genannten Beschlüsse erhobenen Beschwerden des Beschuldigten (ON 56 und ON 153) nicht Folge und verlängerte die Haftfrist bis längstens 10. September 2003, in Bezug auf den Haftgrund der Verdunkelungsgefahr (§ 180 Abs 2 Z 2 StPO) bis zum 16. August 2003 (§ 194 Abs 1 StPO).

Dabei ging es davon aus, dass der Genannte dringend verdächtig sei, das Verbrechen des schweren und gewerbsmäßigen Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 erster Fall StGB, teils in Form der Bestimmungs- bzw Beitragstäterschaft nach § 12 zweiter und dritter Fall StGB, dadurch begangen zu haben, dass er seit 1999 in Graz und anderen Orten Österreichs mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, und mit gewerbsmäßiger Tendenz teils selbst verschiedene Betreiber von Mobilfunknetzen oder für sie tätige Händler durch Täuschung über die Tatsache, die durch eine technische Vorrichtung (SIM-Lock) an das Netz der jeweiligen Betreiber gebundenen Wertkartenmobiltelefone tatsächlich in dem jeweiligen Netz benützen zu wollen, zum die Netzbetreiber um rund EUR 100,- je Mobiltelefon, insgesamt um mehr als EUR 40.000,- am Vermögen schädigenden Verkauf von mehreren 10.000 Stück preisgestützten Mobiltelefonen verleitet, teils Robert E***** bzw weitere noch nicht bekannte unmittelbare Täter zu einem derartigen Vorgehen bestimmt oder zu ihren Straftaten durch das Bestellen großer Mengen preisgestützter Mobiltelefone beigetragen zu haben.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen vom Beschuldigten erhobenen Grundrechtsbeschwerde, mit der er die Annahme des Vorliegens eines (dringenden) Tatverdachtes und der Haftgründe bekämpft sowie deren Substitution durch gelindere Mittel fordert, kommt keine Berechtigung zu.

Die Meinung, der Tatverdacht gründe sich lediglich auf "noch zu erkundende Beweise", verkennt, dass bereits die vom Oberlandesgericht zitierten bisherigen Beweisergebnisse den erforderlichen höheren Grad der Wahrscheinlichkeit gewährleisten. Insbesondere die Angaben des Mitbeschuldigten Thomas P***** (S 35 ff, 57 ff/III; ON 32; S 431 ff/IV) belasten den Beschuldigten massiv. Der Verdacht auf eine Verflechtung des Beschuldigten mit den dem verdächtigen Personenkreis zur Last gelegten strafbaren Handlungen gründet sich nicht zuletzt auf dessen eigene Verantwortung (vgl AS 67f III).

Der Behauptung angeblicher Wortgleichheit der Protokolle über die Aussagen der Vertreter der Mobilfunknetzbetreiber (S 203 ff/I) zuwider weisen diese hinsichtlich der Preisstützung der einzelnen Mobilfunkbetreiber jeweils andere Angaben auf, tragen aber eine Durchschnittssumme von EUR 100 pro Prepaid-Gerät. Darüber hinaus zeigen diese vier Niederschriften, dass sämtliche in Österreich vertretenen Mobilfunkbetreiber als Geschädigte in Betracht kommen. Das genaue Schadensausmaß ist zwar noch durch das Beweisverfahren zu klären, doch ist auf Grund der hohen Zahl an Mobiltelefonen, die mit dem Beschuldigten in Verbindung gebracht werden (vgl S 439 ff/IV), ein Schaden im Ausmaß von mehr als EUR 40.000,- höchst wahrscheinlich.

Entgegen dem weiteren Beschwerdestandpunkt ergibt sich schon aufgrund der bisherigen Aktenlage, dass sich der dringende Verdacht gegen den Beschuldigten auf sämtliche Tatbestandsmerkmale des schweren gewerbsmäßigen Betruges iSd §§ 146, 147 Abs 3, 148 erster Fall StGB, zum Teil iVm § 12 2. und 3. Alternative StGB, bezieht. Als Geschädigte werden von den Vorinstanzen zutreffend die Mobilfunknetzbetreiber bezeichnet, die Handys von den einzelnen Herstellern bezogen und sie in weiterer Folge - mittels SIM-Lock an das eigene Mobilfunknetz gebunden - zu einem unter dem jeweiligen Marktwert liegenden Preis zum Großteil über Handy- bzw Elektrohändler weiterverkauften. Eine Verpflichtung des Käufers, im Ausmaß eines bestimmten Betrages zu telefonieren, existiert - wie vom Beschuldigten ausgeführt - selbstverständlich nicht. Beim Erwerb eines gesperrten Prepaid-Handys verpflichtet sich der Kunde jedoch sehr wohl dazu, für einen bestimmten Zeitraum aktive Gespräche - wenn überhaupt - lediglich über das Netz jenes Betreibers zu führen. Als Täuschungshandlung ist das Herauslocken der Wertkartenhandys durch den Beschuldigten bzw durch andere Personen zu sehen, weil sie den Mobilfunknetzbetreibern bzw den von diesen bevollmächtigten Händlern den Willen, die Telefone vereinbarungsgemäß im Netz des jeweiligen Betreibers zu benützen, vortäuschten. Die betroffenen Betreiber hätten ein Handy, welches von vornherein vom Käufer nicht für die Verwendung im eigenen Netz vorgesehen war, keinesfalls zu dem niedrigeren Preis eines Wertkartentelefons verkauft. Deshalb war das Verhalten des Beschuldigten bzw der anderen Personen kausal für ihren Irrtum, welcher seinerseits aus ihrer Vermögensverfügung, nämlich der Herausgabe der Handys, resultierte.

Der von den Beschuldigten nach der Verdachtslage mit unrechtmäßigem Bereicherungsvorsatz angestrebte Vermögensschaden zum Nachteil der Mobilfunknetzbetreiber könnte jedenfalls in der Differenz zwischen dem von diesen gestützten Verkaufspreis und dem Marktwert des nicht gesperrten Mobiltelefones bestehen. Keinesfalls werden - wie der angefochtene Beschluss richtig ausführt - bloße "Exspektanzen" verletzt (vgl Kirchbacher/Presslauer, WK2 § 146 Rz 61). Daraus folgt, dass - entgegen den Ausführungen in der Beschwerde - Tathandlung und Schadenseintritt sehr wohl in einem Konnex stehen.

Die Irrelevanz vorhandener vertraglicher Bindungen zwischen Netzbetreiber und Händler wird im Beschluss zutreffend aufgezeigt. Die gegenteiligen Ausführungen in der Beschwerde vermögen angesichts der Tatsache, dass durch den SIM-Lock eindeutig eine - nach Erwerb durch den Kunden auch vertragliche - Bindung durch den Netzbetreiber erfolgt, rechtlich nicht zu überzeugen (vgl dazu das vorgesehene Einheben einer Entsperrgebühr bei Netzwechsel).

Auch ist die Spekulation, dass es sich bei den Telefonen um Auslaufmodelle handle, nur für die noch durchzuführende Erhebung des exakten Schadens von Bedeutung, weil diese ebenso als Wertkartentelefone eine Preisstützung erfahren und damit taugliche Objekte für die dem Verdacht zugrundeliegenden Handlungen darstellen. Wenn der Beschuldigte in seiner Beschwerde das Fehlen einer Begründung hinsichtlich des Verdachts seiner Bestimmungs- bzw Beitragstäterschaft moniert, übersieht er die von ihm selbst im gleichen Absatz seiner Beschwerde zitierten Ausführungen im Beschluss zu seinen Bestellvorgängen in großem Ausmaß. Diese begründen im Zusammenhang mit seinem Branchenwissen den dringenden Verdacht einer vollen Einbindung in die Geschäfte der unmittelbaren Täter. Aus diesem Grund erweisen sich wiederum die Ausführungen in der Beschwerde in subjektiver Hinsicht als verfehlt, wonach eine Unvollständigkeit vorliege, weil Angaben des Beschuldigten, dass er sich über die Entsperrung der Mobiltelefone keinerlei Gedanken gemacht habe, - abgesehen von deren zweifelhafter Nachvollziehbarkeit - nicht erörtert wurden.

Die strafbare Handlung liegt somit bei einem Verhalten, dessen der Beschuldigte dringend verdächtig ist, ausschließlich im Prozess der Beschaffung der Mobiltelefone, aber nicht erst auf der Ebene des Entsperrens derselben. Das Vorbringen des Beschuldigten zu einer etwaigen Straflosigkeit des Entsperrens des SIM-Lock bei Wertkartenhandys erweist sich somit als irrelevant und vermag keine Bedenken an der Richtigkeit der Verdachtsbeurteilung auszulösen. Was die in der Beschwerde zitierte Literatur und (deutsche) Judikatur anlangt, sei darauf verwiesen, dass Reindl, E-Commerce und Strafrecht (2003) bloß vertragsgebundene Postpaidhandys, nicht aber Wertkartengeräte behandelt (S 204), das AG Amberg aber bei einer ähnlichen Konstellation die Verwirklichung eines (qualifizierten) Betrugstatbestands nach § 263 dStGB durchaus für möglich hielt (AZ 1 C 1198/2000). Ob der Beschuldigte selbst bzw wer überhaupt konkret Handys entsperrt hat, kann dahingestellt bleiben; ebenso, ob er direkt von Mobilfunknetzbetreibern Wertkartenhandys samt Entsperrcodes bezogen hatte.

Auf die weiteren, zum Teil unsachlichen Ausführungen des Beschuldigten, die Netzbetreiber könnten ihre Interessen durch andere Gestaltung ihrer Preise besser schützen und es sei unnotwendig, "jeden, der ein Handy erwirbt, geradezu zum Verbrecher zu machen, wenn er nicht in einem ausreichenden Äquivalent telefoniert", braucht mangels Relevanz nicht weiter eingegangen zu werden. Zu den Haftgründen führt der Beschuldigte zutreffend aus, dass diese in seiner Beschwerde ON 56 nicht bekämpft worden waren. Da sich jedoch in seiner Beschwerde ON 153 gegen die Fortsetzung der Untersuchungshaft sehr wohl Ausführungen gegen das Vorliegen von Haftgründen finden, waren die entsprechenden Angaben in der Grundrechtsbeschwerde zu überprüfen.

Den Haftgrund der Tatbegehungsgefahr nach § 180 Abs 2 Z 3 lit b StPO hat das Oberlandesgericht auf Grund der dem Beschuldigten verdachtsgemäß mit gewerbsmäßiger Tendenz zur Last gelegten Begehung strafbarer Handlungen in einem sehr großen Ausmaß (vgl ON 128) und über einen langen Zeitraum zu Recht angenommen. Darüber hinaus ist den Ausführungen des Beschuldigten (insb S 75/III) zu entnehmen, dass er keine anderen Erwerbsquellen als den Handel mit Handys hat. Sein Hinweis auf die Nähe seines Verhaltens zu einem entschuldbaren Rechtsirrtum vermag dem nichts Wesentliches entgegenzusetzen. Im Hinblick auf das Vorliegen des Haftgrundes der Tatbegehungsgefahr erübrigt sich bei der Prüfung der Frage einer Grundrechtsverletzung, auch auf den weiteren Haftgrund der Fluchtgefahr bzw auf die Argumentation zu deren Substituierbarkeit einzugehen (Hager/Holzweber § 2 GRBG E 25, 13 Os 109/02 uva).

Insgesamt legt der Beschuldigte keine Gründe dar, die eine unrichtige Anwendung des Gesetzes im Zusammenhang mit der Verhängung und Fortsetzung der Untersuchungshaft erkennen lassen. Die unbegründete Beschwerde war somit in Übereinstimmung mit der Stellungnahme des Generalprokurators ohne Kostenzuspruch (§ 8 GRBG) abzuweisen.

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