Spruch:
Kurt M***** wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.
Die Beschwerde wird abgewiesen
Text
Gründe:
Dem Angeklagten Kurt M***** war am 23. August 1995 nach Erlag einer Sicherheit von 300.000,- S freies Geleit mit den Wirkungen der §§ 419, 420 StPO gewährt worden (ON 79). Mit Urteil des Landesgerichtes Eisenstadt als Schöffengericht vom 12. Juni 2003, AZ 8 Hv 13/03s, wurde er des Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Dieses - nach der vorliegenden Aktenlage noch nicht ausgefertigte - Urteil ist zufolge angemeldeter Rechtsmittel (ua Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten, ON 268) noch nicht in Rechtskraft erwachsen.
Danach liegt ihm zur Last, er habe in P***** als Geschäftsstellenleiter der R***** reg GenmbH die ihm durch Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen, nämlich das genannte Geldinstitut, zu verpflichten ua dadurch, dass er (im Urteilsspruch näher bezeichneten) Kunden Kredite ohne entsprechende Sicherheitsleistung und in Kenntnis der Uneinbringlichkeit dieser Forderungen wegen Zahlungsunfähigkeit der Kreditempfänger gewährte, wissentlich missbraucht und dadurch der R***** reg GenmbH einen 500.000,- S (nunmehr: EUR 40.000,-) übersteigenden Schaden, nämlich von zumindest 154 Millionen S (entspricht EUR 11,191.616,46), zugefügt. Unmittelbar nach Urteilsverkündung wurde über Kurt M***** auf Antrag der öffentlichen Anklägerin die Untersuchungshaft aus dem Haftgrund der Fluchtgefahr nach § 180 Abs 2 Z 1 StPO verhängt (S 58 f der ON 258b, ON 266).
Der Beschwerde des Angeklagten gegen diesen Beschluss gab das Oberlandesgericht Wien nicht Folge und setzte die Untersuchungshaft aus dem genannten Haftgrund fort.
Rechtliche Beurteilung
Der dagegen vom Angeklagten erhobenen Grundrechtsbeschwerde, in der er sich nur durch die Verhängung der Untersuchungshaft aus dem Haftgrund der Fluchtgefahr in seinem Grundrecht auf persönliche Freiheit verletzt erachtet, kommt keine Berechtigung zu. Soweit der Beschwerdeführer sein kooperatives Verhalten bis zur Verkündung des Urteils erster Instanz ins Treffen führt und mit Nachdruck darauf hinweist, trotz bestehender Möglichkeiten das ihm gewährte freie Geleit nicht zur Flucht missbraucht zu haben, ist ihm entgegenzuhalten, dass ihm erst mit der Verkündung des erstinstanzlichen Urteils realistischer und deutlicher als je zuvor das unmittelbar drohende Strafübel vor Augen geführt wurde. Da bei objektiver und lebensnaher Betrachtung der besonderen Umstände die - wenn auch nicht rechtskräftige - Verurteilung zu einer sechsjährigen Freiheitsstrafe einen derart massiven Fluchtanreiz darstellt, kann mit Fug nicht mehr davon ausgegangen werden, der Angeklagte werde auch nach Urteilsverkündung sein kooperatives Verhalten fortsetzten. Vielmehr besteht - wie das Oberlandesgericht zutreffend ausführt - die begründete Gefahr, er werde - auf freiem Fuß belassen - wegen der Größe der ihm mutmaßlich bevorstehenden Strafe flüchten oder sich verborgen halten (vgl 14 Os 85/98).
Diese Befürchtung wird bei Kurt M***** noch dadurch erheblich verstärkt, dass er sich, wie Erstgericht und Gerichtshof zweiter Instanz zutreffend aufzeigen und die Grundrechtsbeschwerde selbst bestätigt, seit ca 10 Jahren fast ausschließlich im fernen Ausland (Venezuela) aufhielt, wohin er vor Aufdeckung der ihm zur Last liegenden Malversationen ausgewandert war, und er lediglich über seinen Verteidiger für das Gericht erreichbar war (siehe auch ON 249). Von einer sozialen Integration in Österreich kann somit nicht (mehr) gesprochen werden.
Auch die Substituierbarkeit der Haft durch Anwendung gelinderer Mittel haben die Vorinstanzen begründet verneint. Die vom Angeklagten angebotene Hinterlegung des Reisepasses stellt selbst in Verbindung mit der Verpflichtung, sich in regelmäßigen Abständen bei Gericht zu melden, vor allem in Anbetracht seiner engen und intensiven Kontakte zum Ausland (insbesondere Südamerika) kein taugliches Mittel dar, den Haftzweck zu substituieren.
Die unbegründete Beschwerde war somit - in Übereinstimmung mit der Stellungnahme des Generalprokurators - ohne Kostenausspruch (§ 8 GRBG) abzuweisen.
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