OGH 10ObS209/03p

OGH10ObS209/03p2.9.2003

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger und Dr. Hoch sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Jörg Krainhöfner (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Herbert Böhm (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Rudolf K*****, vertreten durch Dr. Werner Steinwender ua, Rechtsanwälte in Salzburg, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, Friedrich Hillegeist-Straße 1, 1020 Wien, im Revisionsverfahren nicht vertreten, wegen Witwerpension, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 18. März 2003, GZ 12 Rs 18/03h-10, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Arbeits- und Sozialgericht vom 17. September 2002, GZ 32 Cgs 61/02k-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Mit Bescheid vom 14. 12. 2001 anerkannte die beklagte Pensionsversicherungsanstalt den Anspruch des Klägers auf Witwerpension nach seiner verstorbenen Ehefrau ab 1. 4. 2001. Gleichzeitig wurde aber ausgesprochen, dass sich aufgrund der Berechnung der Pension ein Hundertsatz von Null ergebe, sodass es zu keinem Auszahlungsbetrag komme.

Mit der gegen diesen Bescheid erhobenen Klage begehrte der Kläger, die beklagte Partei schuldig zu erkennen, ihm ab 1. 4. 2001 eine Witwerpension im gesetzlichen Ausmaß zur Auszahlung zu bringen. Er stellte außer Streit, dass die Höhe der Witwerpension nach der durch das Sozialrechts-Änderungsgesetz 2000, BGBl I 2000/92, geschaffenen Rechtslage auf Grund der maßgebenden Bestimmung des § 264 Abs 2 ASVG in seinem Fall zutreffend mit Null berechnet wurde. Er erachtet aber die durch das SRÄG 2000 neu geschaffene Rechtslage für verfassungs- und gemeinschaftsrechtswidrig. Die nunmehr geltenden Anrechnungsbestimmungen seien willkürlich, weil sie sich praktisch ausschließlich an dem Verhältnis der Berechnungsgrundlagen des verstorbenen Ehegatten einerseits und des Witwers (der Witwe) andererseits orientierten, ohne auf die objektiven Einkommensverhältnisse und damit die Notwendigkeit zur Erbringung einer Hinterbliebenenleistung Bedacht zu nehmen.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung es Klagebegehrens, weil die Witwerpension des Klägers gesetzeskonform berechnet worden sei. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stehe außer Streit, dass die Berechnungsgrundlage der verstorbenen Ehefrau des Klägers EUR 556,09 betrage, während der Kläger zum Stichtag 1.4.2001 über eine Berechnungsgrundlage von EUR 1.883,75 verfügt habe. Daraus leitete das Erstgericht in rechtlicher Beurteilung ab, dass die Anwendung der gesetzlichen Berechnungsmethode im Fall des Klägers auf Basis der Berechnungsgrundlagen einen Hundertsatz von Null ergebe, und das Ausmaß der Witwerpension der Klägers 0 % ihrer Pension betrage.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge, weil es die vom Kläger gegen die geltende Rechtslage vorgetragenen verfassungsrechtlichen Bedenken nicht teilte. Es sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im klagestattgebenden Sinn abzuändern. Die beklagte Partei hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt. Die Revision ist entgegen dem - das Revisionsgericht nicht bindenden (§ 508a ZPO) - Zulässigkeitsausspruch des Berufungsgerichtes nicht zulässig, weil eine im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO erhebliche Rechtsfrage nicht vorliegt.

Rechtliche Beurteilung

Der Kläger zieht auch in seinen Revisionsausführungen nicht in Zweifel, dass nach den für seinen Anspruch auf Witwerpension gemäß § 264 Abs 2, 3 und 4 ASVG in der hier maßgebenden Fassung des Sozialrechts-Änderungsgesetzes 2000, BGBl I 2000/92 bzw nach Abs 3 und 4 der Gesetzesstelle - in der Fassung des Sozialrechts-Änderungsgesetzes 1996, BGBl 1996/411, die Berechnung der Witwerpension keinen Auszahlungsbetrag ergibt; er wiederholt lediglich seine verfassungsrechtlichen Bedenken.

Darauf ist aber inhaltlich nicht weiter einzugehen:

Aufgrund eines Drittelantrags von Nationalratsabgeordneten hat der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 27. 6. 2003, G 300/02 ua, § 264 Abs 2 bis 5 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG) BGBl 1955/189, idF BGBl 1995/132, BGBl 1996/411, BGBl I 1997/61, BGBl I 1998/138, BGBl I 2000/92 und BGBl I 2001/67 als verfassungswidrig aufgehoben und ausgesprochen, dass die Aufhebung dieser Bestimmungen mit Ablauf des 30. Juni 2004 in Kraft tritt und frühere Bestimmungen nicht wieder in Wirksamkeit treten.

Hat der Verfassungsgerichtshof ein Gesetz als verfassungswidrig aufgehoben und gemäß Art 140 Abs 5 B-VG eine Frist für das Außerkrafttreten gesetzt, so ist das Gesetz auf alle bis zum Ablauf dieser Frist - sei es vor oder nach der Kundmachung der Aufhebung (Art 140 Abs 5 B-VG; Mayer, B-VG² Art 140 V. 3.) - verwirklichten Tatbestände mit Ausnahme des Anlassfalls anzuwenden (Art 140 Abs 7 B-VG). Die vorliegende Rechtssache ist kein "Anlassfall", weil sie nicht tatsächlich "Anlass" für die Einleitung des Normprüfverfahrens war (VfSlg 8.234 ua) und auch nicht bei Beginn der mündlichen Verhandlung, die im Normprüfverfahren stattfand, beim Verfassungsgerichtshof anhängig war (VfSlg 10.616, 14.304 ua). Daraus folgt, dass § 264 Abs 2 bis 4 ASVG in der für den vorliegenden Fall maßgeblichen Fassung in diesem, dem ein Sachverhalt zugrunde liegt, der sich vor dem Außerkrafttreten der präjudiziellen Bestimmungen ereignete, weiterhin anzuwenden ist. Soweit ein vom Verfassungsgerichtshof aufgehobenes Gesetz weiterhin anzuwenden ist, ist eine neuerliche Überprüfung dieses Gesetzes durch den Verfassungsgerichtshof ausgeschlossen. Der Verfassungsgerichtshof nimmt an, dass Rechtsvorschriften, die von ihm - allenfalls auch unter Fristsetzung - aufgehoben wurden, für die Vergangenheit unangreifbar geworden sind; ein Feststellungsantrag gemäß Art 140 Abs 4 B-VG ist diesfalls unzulässig (VfSlg 8277, 12.564; VfGH 13. 6. 1995, V 41/95). Der Oberste Gerichtshof kann daher die Frage der Verfassungsmäßigkeit der präjudiziellen Bestimmungen an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr herantragen. Deshalb hängt die Entscheidung nicht mehr von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage (§ 502 Abs 1 ZPO) ab.

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