OGH 8ObA43/03m

OGH8ObA43/03m7.8.2003

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rohrer und Dr. Kuras sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Harald Kaszanits und Mag. Gabriele Jarosch als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Karl R*****, vertreten durch Meyndt Ransmayr Schweiger & Partner, Rechtsanwälte OEG in Linz, wider die beklagte Partei W***** GmbH, *****, vertreten durch Gassauer-Fleissner Rechtsanwälte GesmbH in Wien, wegen EUR 129.328,21 sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 25. Februar 2003, GZ 12 Ra 259/02y-21, mit dem infolge Berufung der beklagten Partei das Versäumungsurteil des Landesgerichtes Salzburg als Arbeits- und Sozialgericht vom 3. Juni 2001, GZ 11 Cga 262/01t-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben und dem Erstgericht eine Ergänzung des Verfahrens aufgetragen.

Text

Begründung

Mit seiner Klage macht der Kläger restliche Ansprüche aus einer behauptetermaßen ungerechtfertigten Entlassung geltend.

In einem vorbereitenden Schriftsatz brachte die Beklagte verschiedene Umstände vor, derentwegen der Personalleiter die Entlassung berechtigt ausgesprochen habe.

In der ersten Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung wurden diese erörtert; dabei kam auch zur Sprache, dass dieser Personalleiter sowie andere von der Beklagten genannten Personen gar nicht bei der Beklagten, sondern nur im Konzern beschäftigt seien. Der Kläger zog daraufhin die Legitimation des Personalleiters zum Ausspruch der Entlassung in Zweifel.

In weiterer Folge wurde der Beklagtenvertreter aufgefordert, sein Vollmachtsverhältnis zur Beklagten nachzuweisen bzw zu erklären, von wem er bevollmächtigt wurde. Daraufhin bezog sich der Beklagtenvertreter auf eine Person, die kein vertretungsbefugtes Organ der Beklagten ist. Als er darauf hingewiesen wurde, brachte er vor, dass er davon ausgehe, dass diese Person von dem zur Vertretung der Beklagten befugten Organ bevollmächtigt worden sei, den Beklagtenvertreter zu bevollmächtigen und in diesem Verfahren die beklagte Partei zu vertreten. Den urkundlichen Nachweis könne er nicht erbringen. Daraufhin wurde dem Beklagtenvertreter mit Beschluss aufgetragen, seine Bevollmächtigung durch Vorlage einer schriftlichen Vollmacht binnen drei Tagen bei Gericht nachzuweisen.

Der Klagevertreter beantragte für den Fall der nicht rechtzeitigen Vorlage der Vollmacht die Fällung des Versäumungsurteiles.

Innerhalb dieser drei Tage legte der Beklagtenvertreter keine schriftliche Vollmacht vor, sondern erklärte in einem vorbereitenden Schriftsatz, dass der Geschäftsführer der Beklagten den Personalleiter beauftragt habe, alle notwendigen Schritte zu setzen, insbesondere einen Rechtsanwalt mit der Vertretung zu betrauen. Dazu legte der Beklagtenvertreter die Firmenbuchauszüge und eine eidesstättige Erklärung des Personalleiters vor und beantragte auch dessen Einvernahme sowie jene des Geschäftsführers der beklagten Partei und des Beklagtenvertreters.

Das Erstgericht wies die Schriftsätze der Beklagten zurück, hob das Verfahren ab der Zustellung der Klage auf und erließ über den Antrag des Klägers das Versäumungsurteil. Es ging dabei davon aus, dass die Vollmacht die Unterschrift des Organes des Vollmachtsträgers enthalten müsse. Dies könne nicht durch eine eidesstättige Erklärung ersetzt werden. Die Vollmachtsurkunde müsse entsprechend § 30 Abs 1 ZPO in Urschrift oder beglaubigter Abschrift vorgelegt werden.

Das Berufungsgericht gab der dieses Urteil erhobenen Berufung der Beklagten nicht Folge.

Es sei der Beklagten zwar zuzustimmen, dass beim Einschreiten eines Rechtsanwaltes die Berufung auf die erteilte Vollmacht deren urkundlichen Nachweis ersetze.

Allgemein sei auch darauf zu vertrauen, dass die Vollmachtserteilung namens einer juristischen Person durch eine befugte Person erfolgt sei. Hier seien daran aber konkrete Zweifel entstanden, weshalb das Gericht entsprechend § 37 Abs 1 ZPO zu Erhebungen und allfälligen Verbesserungs- und Sanierungsaufträgen verpflichtet gewesen sei. Zwar erfasse § 38 ZPO unmittelbar nur den Fall eines Mangels des Vollmachtsnachweises mit nachfolgender einstweiliger Zulassung. § 38 Abs 2 ZPO sei jedoch analog auch auf andere Fälle anzuwenden, in denen das Verfahren ausschließlich wegen mangelnder Bevollmächtigung für nichtig erklärt werde. Das Erstgericht sei daher berechtigt und verpflichtet gewesen, die Vorlage einer schriftlichen Vollmacht zur Beseitigung der konkreten Zweifel an der behaupteten Vollmachtserteilung anzuordnen. Es stehe dem Erstgericht offen, eine nachträgliche Vollmacht zu verlangen.

Die ordentliche Revision erachtete das Berufungsgericht als nicht zulässig, da die Frage, ob konkrete Zweifel an einer mündlich erteilten Vollmacht bestünden, nur nach den besonderen Umständen des Einzelfalles entschieden werden könne.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen dieses Urteil erhobene außerordentliche Revision der Beklagten ist zulässig und auch berechtigt. Eine Rechtsprechung zur Frage, ob auch dann, wenn sich ein Rechtsanwalt auf eine mündlich erteilte Bevollmächtigung beruft, nach § 37 Abs 1 ZPO der Nachweis einer schriftlichen Bevollmächtigung verlangt werden kann, liegt nicht vor. Der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 24. 10. 1985 zu 8 Ob 630/85 lag ein Sachverhalt zugrunde, wonach sich der Rechtsanwalt auf eine schriftlich erteilte Vollmacht berufen hatte. In der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 28. 5. 2002 zu 5 Ob 120/02m war diese Frage nicht entscheidungswesentlich, da überhaupt schon Zweifel an der Bevollmächtigung verneint wurden.

Entsprechend § 30 Abs 1 ZPO hat im Allgemeinen ein Bevollmächtigter bei der ersten von ihm in einer Streitsache vorgenommenen Prozesshandlung die Bevollmächtigung durch eine Urkunde darzutun. Abweichend davon sieht jedoch § 30 Abs 2 ZPO vor, dass dann, wenn ein Rechtsanwalt oder ein Notar einschreitet, die Berufung auf die ihm erteilte Bevollmächtigung den urkundlichen Nachweis ersetzt. Dazu ist auch auf § 8 Abs 1 der Rechtsanwaltsordnung zu verweisen, nach dessen letztem Satz vor allen Gerichten und Behörden die Berufung auf die Bevollmächtigung deren urkundlicher Nachweis ersetzt.

Allerdings sieht § 37 Abs 1 ZPO vor, dass das Gericht den Mangel der Vollmacht in jeder Lage des Rechtsstreites von Amts wegen zu berücksichtigen hat.

Dies wird nun in ständiger Rechtsprechung so verstanden, dass sich aus der Bestimmung des § 30 Abs 2 ZPO ergibt, dass dem Rechtsanwalt grundsätzlich vertraut wird, wenn er ein Vollmachtsverhältnis behauptet, dies aber das Gericht nicht von der Prüfung, ob tatsächlich Prozessvollmacht erteilt wurde, befreit, wenn sich aus der Aktenlage oder aus anderen Umständen konkrete Zweifel an der Bevollmächtigung ergeben (vgl etwa Zib in Fasching/Konecny 2 II § 37 Rz 3 f; Fucik in Rechberger ZPO2 § 30 Rz 2; SZ 57/131 uva). Dies gilt grundsätzlich auch für die Frage, ob bei Vertretung einer juristischen Person die Bevollmächtigung durch die zuständigen Organe erfolgt ist (vgl Fucik aaO; OGH 28. 11. 1996, 2 Ob 2388/96g; SZ 57/131; zuletzt OGH 28. 5. 2002, 5 Ob 120/02m).

Bei der Frage, welche Prüfung nun entsprechend § 37 Abs 1 ZPO vorzunehmen ist, ist zwischen der Form der erteilten Vollmacht und der Form ihres Nachweises zu unterscheiden. Die Vollmacht kann grundsätzlich aber formfrei erteilt werden (vgl Zib aaO § 30 Rz 11 mwN). Da nun entsprechend § 30 Abs 2 ZPO der Rechtsanwalt in der Frage des Nachweises von der Formpflicht des § 30 Abs 1 ZPO ausgenommen wird, kann der Nachweis auch im Rahmen der Prüfung nach § 37 ZPO nicht nur eingeschränkt durch die Vorlage einer Vollmachtsurkunde erfolgen. Es ist also durchaus zulässig, diese Vollmacht auch durch Einvernahme des Geschäftsführers der GmbH nachzuweisen. Dies wurde vom Beklagtenvertreter auch angeboten. Da die Vorinstanzen jedoch ausgehend von der vom Obersten Gerichtshof nicht geteilten Rechtsansicht, dass dann, wenn Erhebungen im Rahmen des § 37 ZPO durchzuführen sind, nur noch eine schriftliche Vollmachtserteilung ausreiche, zur behaupteten mündlichen Vollmachtserteilung keine Feststellungen getroffen haben, ist das Verfahren zur ergänzenden Erhebung an das Erstgericht zurückzuverweisen.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf die §§ 2 ASGG und 52 Abs 2 ZPO.

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