OGH 1Ob257/02d

OGH1Ob257/02d1.8.2003

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer, Dr. Zechner und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Franz T*****, wider die beklagte Partei "E*****-Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Mag. Andreas J. O. Ulrich, Rechtsanwalt in Wien, wegen EUR 15.561,42 sA infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 29. Mai 2002, GZ 2 R 244/01v-17, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 11. September 2001, GZ 34 Cg 269/00s-13, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das berufungsgerichtliche Urteil wird dahin abgeändert, dass das Ersturteil wieder hergestellt wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 1.215,67 (darin EUR 202,61 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens sowie die mit EUR 1.994,69 (darin EUR 1.061 Barauslagen und EUR 155,61 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

1995 erhielt der Kläger den Auftrag, die Eintragung der beiden Gesellschafter der Beklagten sowie des von diesen durch Umlaufbeschluss bestellten Geschäftsführers im Firmenbuch unter gleichzeitiger Löschung der bisherigen Alleingesellschafterin zu bewirken. Der Geschäftsführer erteilte dem Kläger Vollmacht für die Beklagte. Die Löschung der bisherigen Alleingesellschafterin und die Eintragung der beiden neuen Gesellschafter sowie des Geschäftsführers wurden aufgrund des Beschlusses des Firmenbuchgerichts vom 7. 11. 1995 im Firmenbuch am 8. 11. 1995 vollzogen.

Gegen diesen Beschluss erhob die bisherige Alleingesellschafterin Rekurs. Diesem Rechtsmittel gab das Oberlandesgericht Wien mit Beschluss vom 29. 2. 1996 insoweit Folge, als es sich gegen die Eintragung des Gesellschafterwechsels richtete. Der angefochtene Beschluss wurde in diesem Umfang aufgehoben und dem Erstgericht wegen der im Firmenbuch am 8. 11. 1995 vorgenommenen Eintragung der neuen Gesellschafter unter Löschung der bisherigen Gesellschafterin die Einleitung des Verfahrens zur Löschung dieser Eintragungen aufgetragen. Ob dieser Beschluss dem Kläger zugestellt wurde, konnte das Erstgericht nicht feststellen.

Die bisherige Alleingesellschafterin erhob am 21. 11. 1995 gegen die beiden neuen Gesellschafter die Klage auf Feststellung, dass sie alleinige Gesellschafterin der Beklagten sei. Das Firmenbuchgericht, das mit Beschluss vom 19. 3. 1996 sowohl wegen des Gesellschafterwechsels als auch wegen des Geschäftsführerwechsels Löschungsverfahren eingeleitet hatte, unterbrach diese Verfahren bis zur rechtskräftigen Erledigung des von der bisherigen Alleingesellschafterin angestrengten Rechtsstreits. Dieser Unterbrechungsbeschluss wurde dem Kläger am 13. 6. 1996 zugestellt, ohne dass er ausgewiesener Vertreter der Beklagten im Löschungsverfahren gewesen wäre.

Mit Urteil vom 21. 7. 1998 wurde dem von der bisherigen Alleingesellschafterin erhobenen Klagebegehren stattgegeben. Dieses Urteil wurde vom Berufungsgericht mit Urteil vom 9. 12. 1998 im Sinne der Klagsabweisung abgeändert. Infolge außerordentlicher Revision der bisherigen Alleingesellschafterin der Beklagten hob der Oberste Gerichtshof das zweitinstanzliche Urteil mit Beschluss vom 7. 9. 1999 auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an die zweite Instanz zurück. Das in der Folge ergangene klagsstattgebende Ersturteil erwuchs am 24. 5. 2000 in Rechtskraft. Nach dessen Gründen war die Abtretung des Geschäftsanteils an der hier Beklagten an die neuen Gesellschafter deshalb unwirksam, weil der Präsident der bisherigen Alleingesellschafterin nicht berechtigt gewesen sei, für derartige Rechtsgeschäfte Vollmacht zu erteilen.

Die Eintragung des von den beiden neuen Gesellschaftern bestellten Geschäftsführers im Firmenbuch wurde am 26. 5. 2000 gelöscht.

Von diesem Geschäftsführer war der Kläger im September 1997 beauftragt und bevollmächtigt worden, die Beklagte in einem Arbeitsgerichtsprozess mit einem Streitwert von ATS 2,720.000 zu vertreten. Der Kläger erbrachte in diesem Verfahren in der Zeit vom 9. 9. 1997 bis zumindest Februar 2000 Vertretungsleistungen, für die Honoraransprüche in der Höhe des Klagsbetrags entstanden. Mit Urteil vom 21. 10. 1999, dem Kläger zugestellt am 11. 2. 2000, wurde dem Klagebegehren in erster Instanz stattgegeben; dieses Urteil erwuchs am 20. 3. 2000 in Rechtskraft. Mit Beschluss vom 21. 9. 2000 hob das Arbeits- und Sozialgericht Wien die für dieses Urteil erteilte Vollstreckbarkeitsbestätigung auf. Infolge Rekurses der Beklagten hob das Rekursgericht diesen Beschluss auf und verwies die Rechtssache an das Erstgericht zur Klärung der Frage zurück, welche der für die Beklagte handelnden physischen Personen dem Kläger Vollmacht erteilt habe. Zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt erhob die Beklagte schließlich gegen das im Arbeitsgerichtsverfahren ergangene Urteil Berufung, über die im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz noch nicht entschieden war.

Zu einem nicht mehr näher feststellbaren Zeitpunkt zwischen 1997 und Februar 2000 wurde der Kläger von einem der neuen Gesellschafter darüber informiert, dass es ein Gerichtsverfahren gebe, das die Rückübertragung des Geschäftsanteils von den im Firmenbuch eingetragenen Gesellschaftern an die vorherige Alleingesellschafterin zum Gegenstand habe. Über die näheren Details dieses Verfahrens, insbesondere über den Inhalt des Klagebegehrens oder vorgelegter Urkunden, wurde der Kläger nicht in Kenntnis gesetzt.

Mit seiner am 15. 9. 2000 beim Erstgericht eingebrachten Klage begehrte der Kläger, die Beklagte zur Zahlung des im Arbeitsgerichtsverfahren aufgelaufenen Honorars schuldig zu erkennen.

Die Beklagte wendete ein, der Kläger sei nie rechtsgültig bevollmächtigt worden. Die Vollmacht stamme von dem von den beiden neuen Gesellschaftern mittels Umlaufbeschlusses bestellten Geschäftsführer. Diese beiden Gesellschafter hätten ihre Stellung durch missbräuchliche Verwendung einer ungültigen Vollmacht erlangt. Dem Kläger sei der Vollmachtsmangel bekannt gewesen; jedenfalls hätte er diesen kennen müssen. Er habe die beiden neuen Gesellschafter im Eintragungsverfahren sowie im Löschungsverfahren vertreten. Im Übrigen hätte er erkennen müssen, dass das gesamte vor dem Arbeits- und Sozialgericht Wien geführte Verfahren angesichts der zweifelhaften Vertretungsmacht des Geschäftsführers mit Nichtigkeit bedroht sei, weshalb er eine Unterbrechung des Verfahrens bis zur rechtskräftigen Erledigung des die Gesellschafterstellung betreffenden Rechtsstreits hätte erwirken müssen. Die vom Kläger erbrachten anwaltlichen Leistungen seien für die Beklagte ohne Nutzen gewesen.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es führte aus, die Gesellschaft mbH werde gemäß § 18 Abs 1 GmbHG durch den Geschäftsführer gerichtlich und außergerichtlich vertreten. Die in der Zeit vom 8. 11. 1995 bis 26. 5. 2000 im Firmenbuch als Geschäftsführer der Beklagten eingetragene Person habe mangels rechtswirksamer Bestellung keine Vertretungsmacht gehabt und habe somit für die Beklagte nicht wirksam Vollmacht erteilen können. Aus § 15 HGB ergebe sich, dass eine handelsrechtliche Vertretungsmacht kraft Rechtsscheins überall dort bestehe, wo die Vertretungsbefugnis einzutragen und bekanntzumachen sei. Die positive Publizität einer falschen Firmenbucheintragung, also den Schutz des guten Glaubens Dritter, habe das österreichische Recht speziell für die Vertretungsmacht der Geschäftsführer der GmbH und der Mitglieder des Vorstands der AG angeordnet. Gemäß § 17 Abs 2 GmbH (aF; jetzt § 17 Abs 3 GmbHG) könne ein allfälliger Mangel bei der Bestellung des Geschäftsführers dem Kläger nur entgegengehalten werden, wenn ihm dieser Mangel bekannt gewesen sei. Die positive Kenntnis des Klägers vom bestehenden Bestellungsmangel lasse sich aber dem Sachverhalt nicht entnehmen. Aus § 17 GmbHG ergebe sich, dass bloß fahrlässige Unkenntnis von einem allfälligen Bestellungsmangel nicht schade. Mit ihrem Einwand, der Kläger hätte im Arbeitsgerichtsprozess die Unterbrechung erwirken müssen, verkenne die Beklagte einerseits, dass Nichtigkeit im vorliegenden Fall nur Anfechtbarkeit bedeute und über die Berufung der Beklagten noch nicht entschieden sei; andererseits seien die Unterbrechungsgründe im Zivilverfahren eng gefasst, und es lasse sich weder aus dem Vorbringen des Beklagten noch aus dem festgestellten Sachverhalt ein Unterbrechungsgrund gemäß § 190 ZPO ableiten.

Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil dahin ab, dass es das Klagebegehren abwies. Es sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Sei eine Person als Geschäftsführer eingetragen oder bekanntgemacht, so könne gemäß § 17 Abs 2 GmbHG (aF) ein Mangel ihrer Bestellung einem Dritten nur entgegengehalten werden, wenn der Mangel diesem bekannt war. Der Kläger sei, wiewohl er seine Vollmacht vom Geschäftsführer ableite, als Dritter anzusehen. Durch den ihm zugestellten Beschluss, mit dem die Unterbrechung des Löschungsverfahrens angeordnet worden war, sei er darüber informiert worden, dass unter anderem wegen der Eintragung des Geschäftsführers ein Löschungsverfahren eingeleitet worden sei, was aber nur habe bedeuten können, dass ein Mangel bei dessen Bestellung vorgelegen sei. Da dem Kläger "gravierende Gründe" für die mangelhafte Bestellung bekannt gewesen seien, könne er sich nicht auf § 17 Abs 2 GmbHG (aF) berufen. Zudem sei der Kläger im Rahmen der ihn treffenden Schadensminderungspflicht dazu verpflichtet gewesen, im Arbeitsgerichtsverfahren sofort nach Zustellung der Klage einen Unterbrechungsantrag zu stellen. Einem solchen Antrag wäre vom Gericht auch stattgegeben worden, weil das Verfahren im Fall der Löschung der Eintragung der Gesellschafter und des Geschäftsführers im Firmenbuch mangels wirksam erteilter Prozessvollmacht mit Nichtigkeit nach § 477 Abs 1 Z 5 ZPO bedroht gewesen wäre.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen erhobene Revision des Klägers ist zulässig und berechtigt.

Gemäß § 17 Abs 2 GmbHG (nunmehr wortlautgleich: § 17 Abs 3 GmbHG [IRÄG 1997]) kann, wenn eine Person als Geschäftsführer eingetragen oder bekanntgemacht ist, ein Mangel ihrer Bestellung einem Dritten nur entgegengehalten werden, wenn der Mangel diesem bekannt war. Die Wirksamkeit der gemäß § 17 Abs 1 GmbHG zum Firmenbuch anzumeldenden Änderung in der Vertretung ist zwar von der lediglich deklarativ wirkenden Eintragung unabhängig, doch gilt, solange die Eintragung nicht erfolgt ist, der Grundsatz der negativen Publizität des § 15 Abs 1 HGB. Vertrauensschutz genießt demnach der außenstehende Dritte, nicht aber ein Beteiligter, somit eine Person, die die Eintragung unmittelbar angeht (GesRZ 1979, 120; EvBl 1979/202; 5 Ob 345/87; Reich-Rohrwig, Das österreichische GmbH-Recht² Rz 2/707). Den Vorinstanzen ist darin beizupflichten, dass der Kläger als vom damals eingetragenen Geschäftsführer der Beklagten mit der Prozessführung betrauter und hiezu bevollmächtigter Rechtsanwalt als Dritter im dargestellten Sinn anzusehen ist, sodass ihm im rechtsgeschäftlichen Verkehr der in § 17 GmbHG sowie in § 15 Abs 1 HGB verankerte Vertrauensschutz zugute kommt (vgl Reich-Rohrwig aaO mwN).

Dieser Vertrauensschutz bleibt dem Dritten nur bei positiver Kenntnis von der einzutragenden und bekanntzumachenden Tatsache versagt. Fahrlässige, selbst grobfahrlässige Unkenntnis schadet ihm nicht, weil er zu Nachforschungen nicht verpflichtet ist. Auch die Kenntnis von Umständen, die eine einzutragende und bekanntzumachende Tatsache zur Folge haben können, reicht zur Durchbrechung des Vertrauensschutzes noch nicht aus (SZ 43/198; Schenk in Straube, HGB³ § 15 Rz 8; Baumbach/Duden/Hopt, HGB30 § 15 Rz 7). Die Beweislast dafür, dass der Dritte in positiver Kenntnis der einzutragenden Tatsache gewesen sei, trifft den Eintragungspflichtigen (Schenk aaO; Baumbach/Duden/Hopt aaO). Kann dieser Beweis nicht erbracht werden, so muss die Gesellschaft, solange die Löschung des Geschäftsführers im Firmenbuch nicht durchgeführt ist, dessen Rechtshandlungen gegen sich gelten lassen (vgl EvBl 1977/192).

Die Behauptung, dass der Kläger von der Unwirksamkeit der Bestellung des Geschäftsführers durch die beiden neuen Gesellschafter vor Abschluss des Arbeitsgerichtsverfahrens positive Kenntnis erlangt habe, ist im Verfahren unerwiesen geblieben. Das Urteil, mit dem festgestellt worden war, dass die bisherige Gesellschafterin weiterhin Alleingesellschafterin der Beklagten sei, ist erst am 24. 5. 2000 in Rechtskraft erwachsen. Davor stand weder fest, dass die Rechtssache, die den Wechsel der Gesellschafter zur Folge hatten, noch dass die Bestellung des Geschäftsführers rechtsunwirksam war. Entgegen dem Vorbringen in der Revisionsbeantwortung wurde die positive Kenntnis von dem letzteren Umstand auch nicht durch die Zustellung des im Löschungsverfahren ergangenen Unterbrechungsbeschlusses vermittelt, war dem doch lediglich zu entnehmen, dass die hier bedeutsamen Fragen strittig waren und ihre Aufklärung einem Rechtsstreit vorbehalten werden sollten. Soweit die Beklagte in diesem Zusammenhang neuerlich rügt, die gemäß § 193 Abs 3 ZPO beschlossene Beischaffung des Firmenbuchaktes sei unterblieben, übersieht sie, dass die Entscheidung über das Erfordernis von Beweisaufnahmen der Beweiswürdigung, die im Revisionsverfahren nicht überprüfbar ist, zuzurechnen ist (vgl RIS-Justiz RS0036984).

Mangels positiver Kenntnis von der Unwirksamkeit der Geschäftsführerbestellung durfte der Kläger daher im Vertrauen auf die Eintragung im Firmenbuch davon ausgehen, dass ihm für seine Tätigkeit als Rechtsfreund ein gültiges Mandat erteilt wurde. Schon aus diesem Grund könnte die Unterlassung eines Unterbrechungsantrags im Arbeitsgerichtsverfahren nicht schon ohne weiteres als schuldhaft angesehen werden. Abgesehen davon darf aber auch nicht unbeachtet bleiben, dass nicht der Kläger Herr des Prozesses war, sondern seine Mandantin, die durch das im Firmenbuch eingetragene Organ vertretene Beklagte. Dem Kläger könnte somit allenfalls nur vorgeworfen werden, er habe eine ihn gegenüber seiner Mandantin treffende Aufklärungspflicht verletzt. Dass der Kläger eine entsprechende Information des Geschäftsführers unterlassen habe, und dass dieser einem Unterbrechungsantrag zugestimmt hätte, hat die Beklagte im Verfahren aber nicht behauptet.

In Stattgebung der Revision ist das im Ergebnis zutreffende Ersturteil daher wiederherzustellen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 50, 41 ZPO.

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