OGH 6Ob104/03t

OGH6Ob104/03t10.7.2003

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber, Dr. Prückner, Dr. Schenk und Dr. Schramm als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Brigitte S*****, als Masseverwalterin im Konkurs der S*****, gegen die beklagte Partei H*****, vertreten durch DDr. Georg Bahn, Rechtsanwalt in Wien, wegen 139.531,84 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 30. Jänner 2003, GZ 3 R 147/02p-25, womit das Zwischenurteil des Landesgerichtes Wiener Neustadt vom 10. Mai 2002, GZ 24 Cg 321/99t-20, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens bleibt der Endentscheidung vorbehalten.

Text

Entscheidungsgründe:

Über das Vermögen der S***** wurde mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom 9. 5. 1997, 5 S 480/97s, das Konkursverfahren eröffnet; die Klägerin wurde zur Masseverwalterin bestellt. Der Geschäftsführer der nunmehrigen Gemeinschuldnerin hatte den Konkurseröffnungsantrag am 9. 5. 1997 eingebracht, nachdem die Hausbank des Unternehmens den Geschäftskredit zum 30. 4. 1997 fällig gestellt hatte. Die Beklagte löste mit Schreiben vom 13. 5. 1997 den mit der späteren Gemeinschuldnerin am 30. 6. 1994 abgeschlossenen Vertriebshändlervertrag wegen der Konkurseröffnung mit sofortiger Wirkung auf. Mit Beschluss des Konkursgerichtes vom 13. 5. 1997 wurde die Betriebsschließung zum 31. 5. 1997 konkursgerichtlich bewilligt. Am 26. 5. 1997 veräußerte die Klägerin die Fahrnisse des Unternehmens an eine von KR K***** vertretene A***** GmbH in Gründung zu einem Pauschalpreis von 4,2 Mio S. Das dem Kaufvertrag zugrunde liegende Schätzungsgutachten wies einen Wert der Fahrnisse ohne Kundenkartei und ohne Firmengoodwill von 3,810.500 S aus. Noch im Mai 1997 einigte sich die Beklagte mit KR K***** über den Abschluss eines Händlervertrages mit der am bisherigen Standort der Gemeinschuldnerin zu errichtenden A***** GmbH in Gründung.

Mit der vorliegenden Klage stellt die Klägerin einen Ausgleichsanspruch im Sinn des Handelsvertretergesetzes von 139.531,84 EUR. Die Geschäftsbeziehung der Gemeinschuldnerin zur Beklagten habe sämtliche Merkmale aufgewiesen, die die Rechtsprechung für eine analoge Anwendung der Bestimmungen des Handelsvertretergesetzes über den Ausgleichsanspruch fordere. Insbesondere sei sie in die Vertriebs- bzw Absatzorganisation der Beklagten eingegliedert und verpflichtet gewesen, vollständig ausgefüllte Garantieurkunden bei Neuwagenkäufen der Beklagten zu übermitteln, sodass diese in der Lage gewesen sei, einen Kundenstock zu bilden und diesen auch in Zukunft zu nützen. Es sei auch tatsächlich ein Stammkundenkreis gebildet worden, der der Beklagten auch in Zukunft zum Vorteil gereiche. Die Gemeinschuldnerin habe 4.800 Stammkunden gehabt, aufgrund ihrer Bemühungen sei die Beklagte auch nahezu nahtlos zu einem neuen Vertragspartner gekommen, an den die Klägerin bloß das Inventar, nicht aber der Kundenstock verkauft habe. Die Insolvenz sei nicht schuldhaft herbeigeführt worden, vielmehr sei der allein geschäftsführende Gesellschafter Helmut E***** 1996 ernsthaft erkrankt und habe seither versucht, einen Nachfolger zu finden bzw das Unternehmen zu veräußern. Im Zuge dieser Bemühungen habe die Hausbank seine persönliche Haftung für die Geschäftskredite verlangt, andernfalls sie per 30. 4. 1997 fällig gestellt würden. Der Geschäftsführer sei aufgrund seiner persönlichen Vermögensverhältnisse zur Übernahme der Haftung nicht in der Lage gewesen, eine Umschuldung habe in der gesetzten zehntägigen Frist nicht erfolgen können, zumal sich sein Gesundheitszustand verschlechtert habe. Er habe die durch die überraschende Fälligstellung des Kredits verursachte Konkurseröffnung keineswegs zu spät beantragt.

Die Beklagte beantragte Klageabweisung und wandte ein, Insolvenzen seien regelmäßig auf betriebswirtschaftliche Mängel oder unzureichende Führungsqualität zurückzuführen und daher vorwerfbar. Im Übrigen seien die zum Konkursverfahren führenden Umstände im vorliegenden Fall suspekt, weil der Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin die Konkurseröffnung beantragt habe, ohne eine Umschuldung zu versuchen und ohne ein Ausgleichsverfahren anzustreben, obwohl die Überschuldung nur knapp über 1,000.000 S betragen habe. Bereits am 26. 5. 1997 habe die nunmehrige Klägerin das Unternehmen für 4,2 Mio S verkauft, wobei die Mitübertragung des Kundenstocks auf die Käuferin und die Zusage der Beklagten, mit der Käuferin einen neuen Vertriebsvertrag abzuschließen, für die Höhe des Kaufpreises bestimmend gewesen seien. Im Übrigen müsse die Klägerin die Zuführung von Stammkunden beweisen. Ein erheblicher Vorteil für die Beklagte aus der Zuführung von Stammkunden würde nur dann vorliegen, wenn der Unternehmer nach Vertragsbeendigung die Aussicht auf Unternehmergewinn ohne Provisionszahlungspflicht habe. Dies setze aber voraus, dass er den Kundenstock erwerbe und in Zukunft entweder selbst nutze oder an einen Dritten weitergebe. Diese Möglichkeit stehe der Beklagten nicht offen, weil die Klägerin das Unternehmen der Gemeinschuldnerin zusammen mit dem Kundenstock an eine Auffanggesellschaft verkauft habe. Als Kapitalgesellschaft könne die Gemeinschuldnerin den Ausgleichsanspruch bei Selbstkündigungen infolge Krankheit im Sinn des § 24 Abs 3 Z 1 HVertrG nicht wahren. Ihr Geschäftsführer habe bereits seit 1996 von seiner Krankheit gewusst und ohne für einen geeigneten Nachfolger zu sorgen, die Gemeinschuldnerin bewusst in den Konkurs geschickt. Die Zuerkennung eines Ausgleichsanspruchs widerspreche daher der Billigkeit.

Außer Streit steht, dass die Gemeinschuldnerin zumindest einen Stammkunden hatte.

Das Erstgericht sprach mit Zwischenurteil aus, dass das Klagebegehren dem Grunde nach zu Recht bestehe. Es stellte noch fest, die nunmehrige Gemeinschuldnerin habe es in dem mit der Beklagten am 30. 6. 1994 abgeschlossenen Händlervertrag übernommen, als selbständige Unternehmerin in dem ihr zugewiesenen Vertragsgebiet Fahrzeuge der Marke H***** zu vertreiben und einen den Richtlinien des Herstellers entsprechenden Kundendienst durchzuführen. Weiterverkauf und Kundendienst sollten nur an Endverbraucher oder an vom Hersteller oder mit dessen Zustimmung betraute Wiederverkäufer erfolgen. Die Vertragshändlerin sei vertraglich verpflichtet worden, die Verkaufsaktivitäten auf ihr Vertragsgebiet zu konzentrieren und dort periodisch Verkaufsziele in Marktanteilen oder Stückzahlen zu erreichen, die von den Vertragsparteien gemeinsam festgelegt oder mangels Einigung von H***** festgesetzt würden. Der Vertrieb von Konkurrenzfabrikaten sei untersagt, die Händlerin sei ohne schriftliche Einwilligung auch nicht berechtigt, Subhändlerverträge abzuschließen oder einen mit Einwilligung von H***** abgeschlossenen Subhändlervertrag zu ändern oder zu beenden. H***** sei auch berechtigt, jederzeit die für eine effiziente Vertriebsorganisation notwendigen Informationen über die Verkaufs- und Werkstättenergebnisse sowie über die Lagerbestände zu verlangen und im Falle einer Verschlechterung der Vermögensverhältnisse der Händlerin Einsicht in ihre Geschäftsbücher zu nehmen. Die Händlerin sollte im Vertragsgebiet eine leistungsfähige Verkaufs- und Kundendienstorganisation unterhalten, insbesondere einen Geschäfts- und Werkstättenvertrieb, dessen Ausstattung und technische Einrichtung den zur Erreichung des Vertragszwecks notwendigen Anforderungen von H***** gerecht werde. Sie sei auch zur Unterhaltung eines angemessenen Lagers an Vertragsware sowie zur Erbringung von Kundendienstleistungen nach den Richtlinien von H***** verpflichtet. Sie habe sich auch verpflichtet, die von H***** gegenüber dem Endabnehmer übernommene Garantie abzuwickeln und die bei Auslieferung des Fahrzeugs an den Endabnehmer vollständig ausgefüllte Garantieurkunde in Kopie an H***** weiterzuleiten. Die Kunden der nunmehrigen Gemeinschuldnerin seien in dem aufgrund des Händlervertrags zur Verfügung stehenden Computerprogramm festgehalten. Diese Kundenkartei enthalte rund 4.500 "gewartete" Kunden, das seien solche, mit denen die Firma zumindest einmal jährlich Kontakt habe. Daneben bestehe eine Kartei, in der Personen festgehalten würden, die mehrere Fahrzeuge gekauft hätten, diese umfasse rund 3.000 Personen. Im Jahr 1994 seien rund 380 Neufahrzeuge verkauft, in den folgenden Jahren jeweils um die 300. Die Bestellungen seien jeweils bei der Beklagten über das System erfolgt, wobei H***** die Kundennamen aufgrund der ausgestellten Garantieurkunden gekannt habe. Der auf unbestimmte Zeit abgeschlossene Händlervertrag sollte bei Vorliegen eines wichtigen Grundes, namentlich der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist aufgelöst werden können. Im Sommer 1996 habe Helmut E***** aus privaten Gründen den Verkauf der GmbH überlegt und unter anderem mit Kommerzialrat Willibald K***** Gespräche geführt, in deren Verlauf es zum Abschluss eines "Optionsvertrages" gekommen sei, dessen genauen Inhalt das Erstgericht nicht feststellen konnte. E***** habe die Beklagte über dieses Kaufinteresse informiert. Im April 1997 habe der Kreditreferent der Hausbank von Helmut E***** eine persönliche Haftung gefordert, widrigens der Kredit - sollte er nicht rückgeführt werden - per 30. 4. 1997 fällig gestellt werde. Helmut E*****, der privat über kein Vermögen verfüge, sei nicht bereit gewesen, die Haftungserklärung zu unterschreiben. Infolge einer wesentlichen Verschlechterung seines Gesundheitszustandes habe er Spitalspflege aufsuchen müssen, die Geschäfte aber trotzdem weitergeführt. Er habe KR K***** zu einer raschen Entscheidung gedrängt. Am 29. 4. 1997 habe er ihm mitgeteilt, dass der Kredit am darauffolgenden Tag auslaufe und ihm nichts anderes übrig bleibe, als den Konkurs anzumelden. Eine Umschuldung sei ihm wegen der Kürze des gewährten Zeitraums von lediglich rund 10 Tagen nicht möglich erschienen. Nach Eröffnung des Konkursverfahrens habe Helmut E***** der Klägerin mitgeteilt, dass es einen Interessenten gebe, der bereit sei, die Fahrnisse zu kaufen. Die Klägerin habe daraufhin eine Bewertung der Fahrnisse durch einen Sachverständigen veranlasst. Sie sei grundsätzlich an einem Unternehmensverkauf interessiert gewesen und habe deshalb ein Gespräch mit KR K***** geführt, dieser habe aber abschlägig geantwortet. In einem an die Gläubiger der Gemeinschuldnerin gerichteten Schreiben vom 12. 5. 1997 habe der Alpenländische Kreditorenverband auf die Konkurseröffnung hingewiesen und diese als "eher ungewöhnlich" bezeichnet. Er habe "ungewöhnlich" dabei im positiven Sinn gemeint, nämlich als Hinweis auf das günstige Verhältnis zwischen Aktiven und Passiven. Das von der Klägerin eingeholte Schätzungsgutachten habe die Fahrnisse des Unternehmens ohne Kundenkartei und Firmengoodwill mit 3,810.500 S bewertet. Die Klägerin habe am 26. 5. 1997 mit der A***** GmbH in Gründung, vertreten durch KR Willibald K*****, einen Kaufvertrag über die Fahrnisse der Gemeinschuldnerin um einen Pauschalpreis von 4,2 Mio S abgeschlossen. Dabei sei festgehalten worden, dass ein Großteil der Dienstnehmer mit 28. 5. 1997 ihren Austritt aufgrund der bewilligten Betriebsschließung erklären würden und ein Vertragsrücktritt aus welchen Gründen auch immer (Eintritt bzw Nichteintritt in bestehende Verträge sowie das Erlangen bzw Nichterlangen von Händlerverträgen) ausgeschlossen werde. KR K***** habe zu diesem Zeitpunkt das Schätzungsgutachten gekannt und sei der Meinung gewesen, dass die Gegenstände diesen Wert nicht erreichten. Der Klägerin sei nicht bekannt gewesen, dass er bereits eine Zusage der Beklagten für den Abschluss eines Händlervertrages gehabt habe und dass die Erklärung über die Errichtung der neuen Gesellschaft bereits vom 13. 5. 1957 stammte. KR K***** habe einen bloßen Kaufvertrag über die Fahrnisse angestrebt, weil er auf jeden Fall den Übergang von Dienstnehmerforderungen habe ausschließen wollen. Dennoch sei er an den Arbeitnehmern interessiert gewesen, habe sie aber unter Setzung einer Probezeit von einem Monat neu einstellen wollen. Das Konkursgericht habe den Kaufvertrag über die Fahrnisse des Unternehmens am 26. 5. 1997 genehmigt. Die Klägerin habe die Kundenkartei weder KR K***** noch jemand anderem zum Kauf angeboten, weil sie der Meinung gewesen sei, sie sei unverkäuflich, weil ihre Verwertbarkeit vom Abschluss eines Vertrages mit H***** abhängig sei. Sie habe keine Löschung der Kundendaten veranlasst. Am 27. 5. 1997 habe die A***** GmbH der Beklagten unter Bezugnahme auf Vorgespräche mitgeteilt, es sei gelungen, die im Konkurs befindliche GmbH mit demselben Standort aus der Konkursmasse zu kaufen. Es werde darauf hingewiesen, dass rund um den Unternehmenskauf hohe Barmittel erforderlich seien und die Bitte ausgesprochen, "rasch die zugesagte Unterstützung auf unser genanntes Konto zu überweisen". Die Klägerin habe am 27. 5. 1997 der Vermieterin des Betriebsareals mitgeteilt, das Bestandobjekt mit 31. 5. 1997 zurückzustellen, es bestehe kein Einwand, die Mietrechte an den Übernehmer der Fahrnisse, die A***** GmbH in Gründung zu vergeben.

In rechtlicher Hinsicht ging das Erstgericht davon aus, dass das zwischen der Gemeinschuldnerin und der Beklagten bestehende Vertragsverhältnis alle von der Judikatur geforderten Kriterien der Einbindung des Händlers in das Betriebs- und Organisationssystem des Unternehmers aufweise, sodass eine analoge Anwendung der Bestimmung des Handelsvertretergesetzes gerechtfertigt sei. Aufgrund der Zurverfügungstellung von Kundendaten durch Übermittlung der Garantieurkunden und des von der Beklagten dem Händler zur Verfügung gestellten Programms seien der Beklagten sämtliche Stammkunden bekannt, sodass für sie die Möglichkeit bestehe, den Kundenstamm zu nützen. Im Hinblick auf die Pensionierung des Geschäftsführers der nunmehrigen Gemeinschuldnerin sei auszuschließen, dass er die Kundendaten durch Tätigkeit bei einem Konkurrenzunternehmen verwerte. So stehe auch fest, dass eine Kundin nach Auflösung des Händlervertrages einen weiteren Autokauf getätigt habe, für den die Gemeinschuldnerin selbst keinen Provisionsanspruch geltend machen könne. Die Klägerin habe nur die Fahrnisse, nicht aber Goodwill und Kundenstock des gemeinschuldnerischen Unternehmens veräußert. Selbst wenn die Käuferin der Fahrnisse auf die nicht gelöschten Daten Zugriff erlangt habe, könne dies nichts daran ändern, dass die Verwertung dieser Daten nur der Beklagten zustehe, die diese der Käuferin gegen Entgelt oder indem sie dieser keine Provisionen bezahle, zur Verfügung stellen könne. Es sei nicht richtig, dass die Käuferin der Fahrnisse der Bezahlung des Kaufpreises nur bei gleichzeitiger Übertragung des Kundenstocks zugestimmt hätte. Vielmehr sei dies der Klägerin nicht mitgeteilt worden, ihr sei auch nicht bekannt gewesen, dass sich die Käuferin und die Beklagte bereits im Zeitpunkt der Kündigung des Händlervertrages, zumindest aber im Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrages (über die Fahrnisse) über den Neuabschluss eines Händlervertrages geeinigt hatten. Nach dem zwischen der Klägerin und dem Erwerber der Fahrnisse abgeschlossenen Kaufvertrag sollte ein Vertragsrücktritt selbst dann ausgeschlossen werden, wenn kein Händlervertrag zwischen der Käuferin und der Beklagten zustande komme. Damit scheide auch eine mögliche Anfechtung des Vertrags wegen Irrtums aus. Die Zuerkennung eines Ausgleichsanspruches an die Gemeinschuldnerin entspreche daher der Billigkeit im Sinn des § 24 HVertrG. Auch die in § 24 Abs 3 HVertrG genannten Ausschließungsgründe lägen nicht vor. Die Auflösung des Händlervertrages sei durch die Beklagte und nicht durch die Gemeinschuldnerin erfolgt, sodass eine Selbstkündigung des Vertragshändlers ausscheide. Auch ein schuldhaftes, einen wichtigen Grund nach § 22 HVertrG darstellendes Verhalten des Handelsvertreters liege nicht vor. Es gebe keinen Anscheinsbeweis, dass der Handelsvertreter den Konkurs verschuldet habe. Die Beweislast für das Verschulden des Handelsvertreters an der Auflösung treffe vielmehr den Unternehmer. Grund für die Konkurseröffnung sei die Fälligstellung des Kredits durch die Hausbank gewesen. Dem Geschäftsführer der späteren Gemeinschuldnerin, der mangels Privatvermögens eine persönliche Haftung nicht habe übernehmen können, sei nicht vorzuwerfen, dass er nicht binnen einer Frist von rund 10 Tagen eine Umschuldung herbeigeführt habe. Selbst wenn er die persönliche Haftung für die Verbindlichkeiten übernommen hätte, wäre nicht sichergestellt gewesen, dass der Kredit nicht dennoch mangels ausreichender Verstärkung der Sicherheiten fällig gestellt worden wäre. Auch der Vorwurf der Beklagten, Helmut E***** habe es nach seiner Erkrankung verabsäumt, einen anderen Geschäftsführer zu bestellen (und habe dadurch den Konkurs verschuldet) sei unberechtigt. Er habe konkrete Aktivitäten gesetzt, das Unternehmen zu veräußern und sei trotz seiner Erkrankung in der Lage gewesen, die Geschäfte zu führen. Der Beklagten sei daher der Beweis seines Verschuldens am Eintritt der Konkursvoraussetzungen nicht gelungen.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil oberstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage fehle, ob der Ausgleichsanspruch nach § 24 HVertrG durch eine unentgeltliche, bloß tatsächliche Überlassung der Kundenkartei an einen Dritten - ohne Mitwirkung des Unternehmers - zu versagen sei. Von den Feststellungen des Erstgerichts ausgehend bejahte auch das Berufungsgericht den geltend gemachten Ausgleichsanspruch analog den Bestimmungen des Handelsvertretergesetzes. Dem Geschäftsherrn erwachse durch die Neuzuführung von Kunden dann ein Vorteil, wenn eine Wertsteigerung seines Unternehmens durch die Chance, den neuen Kundenstamm zu nutzen, eingetreten sei. Die angemessene Entschädigung bilde daher eine besondere Vergütung für die über das Vertragsende hinaus bestehenden Vorteile des Geschäftsherrn und sei demnach ein erfolgabhängiges weiteres Entgelt des Handelsvertreters, der den Kundenstamm nicht mehr als Einnahmequelle werde nutzen können. Im vorliegenden Fall verfüge die Beklagte als Geschäftsherr über die notwendigen Kundendaten bereits im Wege ihres EDV-Programms und der ihr vom Handelsvertreter übermittelten Garantieurkunden. Es stehe ihr daher die Möglichkeit offen, die Kundenkartei zu nutzen. Einer Übergabe durch die Masseverwalterin bedürfe es schon im Hinblick darauf nicht, dass der Beklagten die Kundendaten schon während der laufenden Geschäftsverbindung zugekommen seien. Es stehe fest, dass die Klägerin die Kundenkartei nicht an einen Dritten veräußert habe und der Goodwill des Unternehmens im Kaufvertrag mit der A***** GmbH vom 26. 5. 1997 nicht abgegolten worden sei. Die Daten seien wohl vor dem Verkauf der Fahrnisse im Computer nicht gelöscht worden, die Klägerin habe aber auch nicht deren unentgeltliche Nutzung eingeräumt. Dem gegenüber sei die Beklagte befugterweise im Besitz der Kundendaten und könne diese auch aufgrund des neu abgeschlossenen Händlervertrages mit der A***** GmbH weiterhin nutzbringend verwenden. Der Zuerkennung eines Ausgleichsanspruches stünden daher auch keine Billigkeitserwägungen entgegen. Der Ausschlussgrund des § 24 Abs 3 Z 3 HVertrG komme nicht zum Tragen, weil zwischen der Gemeinschuldnerin und der Beklagten keine Vereinbarung über die Überbindung von Rechten und Pflichten aus dem Vertrag an einen Dritten erfolgt sei. Der Ausgleichsanspruch sei aber auch nicht im Hinblick auf ein Verschulden an der Konkurseröffnung verwirkt. Selbst bei Vorliegen eines wichtigen Grundes für die Vertragsauflösung gehe der Ausgleichsanspruch nur dann unter, wenn dieser Grund schuldhaft gesetzt sei. Dies sei hier nicht der Fall. Dem Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin könne nämlich kein Vorwurf daraus gemacht werden, den Unternehmensverkauf und nicht die Neubestellung eines Geschäftsführers betrieben zu haben. Es sei auch weder konkret dargetan noch bewiesen, dass Helmut E***** an der ordnungsgemäßen Geschäftsführung aufgrund seiner gesundheitlichen und privaten Probleme gehindert gewesen sei. Gleiches gelte für den Vorwurf der Fälligstellung des Geschäftskredits durch die Hausbank. Im Übrigen bilde zwar die Konkurseröffnung einen wichtigen Grund zur Auflösung des Vertretungsvertrages, nach allgemeiner Lebenserfahrung bestehe aber kein typischer Zusammenhang zwischen der Konkurseröffnung und einem Verschulden, das einen Anscheinsbeweis rechtfertigen könne.

Die Revision der Beklagten ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Die Beklagte stellt nicht in Abrede, dass das mit der späteren Gemeinschuldnerin abgeschlossene Vertragsverhältnis die in der Rechtsprechung geforderten Kriterien der Einbindung des Vertragshändlers in das Vertriebs- und Organisationssystem des Unternehmers aufweist und die Bestimmungen des Handelsvertretergesetzes über den Ausgleichsanspruch analog anzuwenden sind. Sie bestreitet auch nicht, dass die Händlerin im Rahmen dieser Vertragsbeziehung neue Kunden im Sinn des § 24 Abs 1 Z 1 HVertrG zugeführt hat. Die Beklagte führt in ihrer Revision jedoch aus, der geltend gemachte Ausgleichsanspruch widerspreche der Billigkeit, weil die Klägerin die Kundenkartei durch einen als Fahrnisverkauf deklarierten Verkauf des Vermögens der Gemeinschuldnerin einer Auffanggesellschaft überlassen habe. Sie versuche nun, den Kundenstock ein zweites Mal zu verwerten. Im Übrigen komme der Ausschlussgrund des § 24 Abs 3 Z 2 HVertrG zum Tragen: Die Beklagte sei wegen Konkurseröffnung über das Vermögen der Händlerin zur Vertragsauflösung aus wichtigem Grund berechtigt gewesen; die Händlerin habe diesen Auflösungsgrund schuldhaft herbeigeführt. Ein Ausgleichsanspruch sei nach § 24 Abs 3 Z 3 HVertrG auch deshalb ausgeschlossen, weil die Klägerin sämtliche Vermögenswerte des Unternehmens, insbesondere die Kundenkartei, einem Dritten überlassen habe.

Rechtliche Beurteilung

Dem ist zu entgegnen:

§ 24 Abs 1 Z 1 bis 3 HVertrG gewährt dem Handelsvertreter einen Ausgleichsanspruch unter der Voraussetzung, dass er dem Unternehmen neue Kunden zugeführt oder bereits bestehende Geschäftsverbindungen wesentlich erweitert hat (Z 1), zu erwarten ist, dass der Unternehmer oder dessen Rechtsnachfolger aus diesen Geschäftsverbindungen auch noch nach Auflösung des Vertragsverhältnisses erhebliche Vorteile ziehen kann (Z 2) und die Zahlung eines Ausgleichs unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der dem Handelsvertreter aus Geschäften mit den betreffenden Kunden entgehenden Provisionen, der Billigkeit entspricht (Z 3).

Gelingt dem Handelsvertreter der Beweis für die Zuführung neuer Kunden und der Nachweis der getätigten Geschäftsabschlüsse, trifft ihn nach ständiger Rechtsprechung für die restlichen Anspruchsvoraussetzungen eine Beweiserleichterung. Den Unternehmer wiederum trifft die Behauptungs- und Beweislast dafür, dass die ihm durch den Handelsvertreter geschaffenen Verdienstchancen im Einzelfall über die Beendigung des Vertragsverhältnisses hinaus keinen Bestand haben werden (SZ 71/65; 8 ObA 2083/96y; RIS-Justiz RS0106003).

Der Zweck dieser Bestimmung liegt darin, für den Fall der Beendigung des Handelsvertretervertrages einen Wertausgleich dafür zu schaffen, dass der vom Handelsvertreter geschaffene Kundenstamm nach Ende des Vertragsverhältnisses nur vom Unternehmer allein genutzt werden kann, während in der Zeit des aufrechten Vertrages sowohl der Unternehmer als auch der Handelsvertreter ihren Vorteil aus ihm ziehen können. Der Ausgleichsanspruch hat seinen Rechtsgrund in diesem als Folge der Vertragsbeendigung beim Unternehmer entstehenden Wertzuwachs (JA 719 BlgNR 18. GP, abgedruckt in Feil, Makler- und Handelsvertreterrecht 220). Der Handelsvertreter erhält daher eine besondere Vergütung für die über das Vertragsende hinaus beim Unternehmer bestehen bleibenden Vorteile (siehe auch Jabornegg HVG 487).

Im vorliegenden Fall ist nicht strittig, dass die Gemeinschuldnerin der Beklagten neue Kunden zugeführt hat. Es besteht auch kein Zweifel daran, dass die Beklagte diese Geschäftsverbindungen auch noch nach Auflösung des Handelsvertretervertrages zu ihrem Vorteil nutzen kann, zumal ihr die Kundendaten schon aus den ihr vom Handelsvertreter jeweils übermittelten Garantieurkunden bekannt waren. Es wäre ihr daher ohne weiteres möglich, entweder selbst an diese Kunden heranzutreten und weitere Geschäftsabschlüsse zu tätigen, ohne Provisionen zahlen zu müssen, oder die Daten durch Weitergabe an einen Vertragshändler zu verwerten. Die damit verbundene Wertsteigerung ihres Unternehmens wird im vorliegenden Fall auch nicht dadurch gehindert, dass der neue Vertragshändler die Kundendaten deshalb kennt, weil diese bei Verkauf der Fahrnisse an ihn (offenbar irrtümlich) nicht gelöscht wurden. Die Beklagte wäre nur dann gehindert, Vorteile aus den ihr von der späteren Gemeinschuldnerin zugeführten Kunden zu ziehen, wenn ihre Daten entweder an eine dritte Person gelangt wären, die sie zu Zwecken der Abwerbung und entgegen den Interessen der Beklagten verwenden könnte - was hier nach dem Sachverhalt ausscheidet und von der Beklagten auch nicht behauptet wird - oder wenn die Klägerin den Kundenstock etwa im Wege eines Unternehmensverkaufes veräußert und der Erwerber daran Rechte erworben hätte. Auch dies ist hier nicht der Fall. Nach den Feststellungen hat der Erwerber der Fahrnisse einen Unternehmenskauf ausdrücklich abgelehnt, um nicht Dienstnehmerforderungen mitübernehmen zu müssen. Dass er dennoch Einblick in die Kundenkartei erhielt, weil diese vor Übergabe der Fahrnisse nicht gelöscht wurde, verschafft ihm gegenüber der Beklagten kein Recht auf Verwertung dieser Daten und somit keinen auf diese Geschäftsbeziehungen gegründeten Provisionsanspruch gegenüber der Beklagten. Dass der neue Vertragshändler der Beklagten die Kundenkartei kennt, hindert die Beklagte daher auch nicht daran, die Vorteile aus den von der Gemeinschuldnerin angebahnten Geschäftsbeziehungen zu nutzen, sei es, dass sie diese Kunden - ohne Provision zahlen zu müssen - selbst betreut oder dass sie die Daten einem Vertragshändler zur Verfügung stellt.

Mangels Veräußerung des Kundenstocks sprechen auch Billigkeitsüberlegungen nicht gegen den geltend gemachten Ausgleichsanspruch. Entgegen der Auffassung der Revision hat die Klägerin den Kundenstock nämlich keineswegs zweifach verwertet.

Die Revision macht noch geltend, der Ausgleichsanspruch sei nach § 24 Abs 3 Z 2 HVertrG unberechtigt, weil die Vertragsauflösung wegen eines schuldhaften Verhaltens des Handelsvertreters im Sinn des § 22 HVertrG erfolgte. Dem ist zu entgegnen:

Nach ständiger Rechtsprechung setzt die außerordentliche Aufkündigung nach § 22 HVertrG nicht immer ein Verschulden des anderen Vertragsteils voraus (SZ 71/179; RIS-Justiz RS0029330). Die bloße Tatsache der Konkurseröffnung bildet zwar einen wichtigen Grund für die Auflösung des Vertrages (RIS-Justiz RS0111005), aber nur eine schuldhaft herbeigeführte Konkurseröffnung vernichtet den Ausgleichsanspruch (RIS-Justiz RS0111007). Der Oberste Gerichtshof vertritt dazu in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass der Unternehmer sowohl das Vorliegen des wichtigen Grundes als auch das Verschulden des Handelsvertreters daran zu behaupten und zu beweisen hat (SZ 71/179; RIS-Justiz RS0111006). Dieser Beweis ist der Beklagten im vorliegenden Fall nicht gelungen. Der Sachverhalt ergab keine für die Annahme eines Verschuldens an der Konkurseröffnung ausreichenden Anhaltspunkte. Auf die zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichtes wird hingewiesen.

Auch § 24 Abs 3 Z 3 HVertrG kommt entgegen der Auffassung der Revision nicht zum Tragen. Nach den Feststellungen fand hier keine Übertragung des Vertragsverhältnisses an den Dritten im Sinn dieser Bestimmung statt. Die Klägerin wusste nicht einmal etwas davon, dass die Gesellschaft, der sie die Fahrnisse der Gemeinschuldnerin veräußerte, mit der Beklagten verhandelt und einen Vertretungsvertrag abgeschlossen hatte. Die bloße Überlassung der Kundenkartei dadurch, dass sie aus dem verkauften PC offenbar nicht gelöscht wurde, kann eine derartige Vereinbarung nicht ersetzen, müsste sie doch vom Willen beider Vertragspartner getragen sein.

Die beiden Vorinstanzen sind daher zutreffend von der grundsätzlichen Berechtigung eines Ausgleichsanspruchs der Klägerin ausgegangen. Der unberechtigten Revision ist ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 52 Abs 2, 393 Abs 4 ZPO.

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