OGH 6Ob107/03h

OGH6Ob107/03h10.7.2003

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber, Dr. Prückner, Dr. Schenk und Dr. Schramm als weitere Richter in den verbundenen Rechtssachen 1. der klagenden Partei Wilhelm H*****, vertreten durch Dr. Walter Mardetschläger und andere Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei Barbara H***** , vertreten durch Schatz & Partner Rechtsanwälte OEG in Baden, wegen Ehescheidung (AZ 1 C 17/01w) und 2. der klagenden und gefährdeten Partei Barbara H***** gegen den Beklagten und Gegner der gefährdeten Partei Wilhelm H*****, wegen Unterhalt (AZ 1 C 32/01a), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei im Verfahren 1 C 17/01w des Bezirksgerichtes Hietzing gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 26. November 2002, GZ 42 R 496/02f-37, soweit damit das Urteil des Bezirksgerichtes Hietzing vom 5. Juni 2002, GZ 1 C 17/01w, 1 C 32/01a-27, in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 10. Juli 2002 (ON 31), auf Scheidung der Ehe aus gleichteiligem Verschulden bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision im Ehescheidungsverfahren wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

I. In der Berufung behauptete Verfahrensmängel erster Instanz, die das Berufungsgericht verneint hat, können im Revisionsverfahren nicht mehr mit Erfolg geltend gemacht werden (RIS-Justiz RS0042963). Dies gilt auch für angeblich schwerwiegende Verfahrensmängel, weil der Oberste Gerichtshof selbst das Vorliegen einer Nichtigkeit, wenn diese vom Berufungsgericht verneint wurde, nicht mehr aufgreifen kann (RIS-Justiz RS0042981).

Der Ausspruch, dass die Schuld eines Ehepartners überwiegt, ist nur dann zulässig, wenn dessen Verschulden erheblich schwerer ist als das des anderen. Dabei kommt es nicht allein auf die Schwere der Verfehlung eines Ehepartners an sich (hier der Ehebruch der Beklagten), sondern auch darauf an, in welchem Umfang die beiderseitigen Eheverfehlungen zu der schließlich eingetretenen Zerrüttung der Ehe beigetragen haben. Die Differenzierung ist nur gerechtfertigt, wenn das Verschulden des anderen fast völlig in den Hintergrund tritt, weil das überwiegende Verschulden grundsätzlich dem Alleinverschulden gleichsteht (RIS-Justiz RS0057858). Die Wertung der Handlungen der Ehepartner als Eheverfehlungen und deren Gewichtung hängt von den jeweiligen Umständen ab und ist daher grundsätzlich nicht als erheblich im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO zu beurteilen (RIS-Justiz RS0044188). Die außerordentliche Revision des Klägers, die zum Teil nicht vom festgestellten Sachverhalt ausgeht, zeigt keine von den Grundsätzen der Rechtsprechung über die gegenseitige Gewichtung des Verschuldens an der Ehezerrüttung abweichende Fehlbeurteilung dieses Einzelfalles durch die Vorinstanzen auf, die im Rahmen eines außerordentlichen Rechtsmittels aufzugreifen wäre. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

II. Zur Entscheidung über die Revision des Klägers als Beklagten in der verbundenen Rechtssache 1 C 32/01a (wegen Unterhalt) ist der Oberste Gerichtshof (derzeit) nicht berufen:

Die Verbindung mehrerer Streitsachen zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung hat auf die Zulässigkeit von Rechtsmitteln gegen das gemeinsame Urteil keinen Einfluss. Die Zulässigkeit der außerordentlichen Revision ist für jeden einzelnen Anspruch gesondert zu prüfen (10 Ob 133/99b). Gegenstand in Unterhaltssachen ist gemäß § 58 JN der dreifache Jahresbetrag des Erhöhungsbegehrens. Der Entscheidungsgegenstand (Streitgegenstand, über den das Berufungsgericht entschieden hat) beträgt - legt man den festen monatlichen Unterhaltsbeitrag, der im Berufungsverfahren noch strittig war, zugrunde (167 EUR) - 6.012 EUR und liegt somit jedenfalls unter 20.000 EUR (vgl. § 502 Abs 4 ZPO und hinsichtlich der einstweiligen Verfügung §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm § 528 Abs 2 Z 1a ZPO). Im vorliegenden Fall hat das Berufungsgericht, das hinsichtlich der Bestätigung der vom Erstgericht erlassenen einstweiligen Verfügung auch als Rekursgericht entschieden hat, ausgesprochen, dass "gegen diese Entscheidung" die "ordentliche Revision" nicht zulässig sei. Das Gericht zweiter Instanz hat in der gemeinsamen Entscheidungsausfertigung sowohl über die Berufung des Klägers gegen den Verschuldensausspruch des Scheidungsurteiles und die Unterhaltsfestsetzung als auch über die Berufung der Beklagten gegen den Verschuldensausspruch und weiters über den in der Berufung des Klägers sinngemäß enthaltenen Revisionsrekurs gegen die einstweilige Verfügung, mit der ihm die Zahlung eines vorläufigen Unterhaltes auferlegt wurde, entschieden. Es ist daher offensichtlich, dass sich der Unzulässigkeitsausspruch auch auf den Revisionsrekurs gegen die einstweilige Verfügung bezieht, entspricht doch zudem der vorläufig auferlegte Unterhalt dem mit Urteil endgültig auferlegten.

Übersteigt der Entscheidungsgegenstand in Unterhaltssachen nicht 20.000 EUR und hat das Berufungsgericht (Rekursgericht) ausgesprochen, dass die Berufung (der Revisionsrekurs) nicht zulässig ist, kann eine Partei nach § 508 Abs 1 ZPO (§ 528 Abs 2a ZPO) einen - binnen vier Wochen nach der Zustellung der Entscheidung beim Erstgericht einzubringenden (§ 508 Abs 2 ZPO) - Antrag an das Berufungsgericht stellen, seinen Ausspruch dahin abzuändern, dass die ordentliche Revision (der ordentliche Revisionsrekurs) doch für zulässig erklärt werde; ein solcher Antrag, der mit der ordentlichen Revision (dem ordentlichen Revisionsrekurs) zu verbinden ist, muss hinreichend erkennen lassen, warum die ordentliche Revision (der ordentliche Revisionsrekurs) für zulässig erachtet wird. Dieser Antrag ist gemäß § 508 Abs 3 und 4 ZPO (§ 528 Abs 3 ZPO) vom Berufungsgericht (Rekursgericht) zu behandeln. Erhebt in diesen Fällen - wie hier - eine Partei eine Revision (einen Revisionsrekurs), so ist sie (er) gemäß § 507b Abs 2 ZPO (§ 528 Abs 3 ZPO) dem Berufungsgericht (Rekursgericht) vorzulegen. Dies gilt auch dann, wenn die Revision (der Revisionsrekurs) als "außerordentliches" Rechtsmittel bezeichnet wird. Der Oberste Gerichtshof darf über ein solches Rechtsmittel nur und erst dann entscheiden, wenn das Gericht zweiter Instanz nach § 508 Abs 2 ZPO (§ 528 Abs 2a ZPO) ausgesprochen hat, dass eine ordentliche Revision (ein ordentlicher Revisionsrekurs) doch zulässig sei.

Da die Akten insoweit dem Erstgericht zur Einhaltung der beschriebenen Vorgangsweise zurückzustellen sind, hat dieses auch Gelegenheit, den Kläger im Rahmen eines Verbesserungsverfahrens die Möglichkeit zu bieten, seinen Revisionsantrag entsprechend seiner Anfechtungserklärung, die auch das Urteil über das Unterhaltsbegehren umfasst, zu ergänzen.

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