OGH 4Ob148/03y

OGH4Ob148/03y8.7.2003

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kodek als Vorsitzenden und durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Griß und Dr. Schenk sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Horst G*****, vertreten durch Dr. Harald Hauer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Karl N*****, vertreten durch Dr. Josef Unterweger und Mag. Robert Bitsche, Rechtsanwälte in Wien, wegen 4.360,37 EUR sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Wiener Neustadt als Berufungsgericht vom 30. Jänner 2003, GZ 18 R 2/03b-51, mit dem infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Mödling vom 28. März 2002, GZ 4 C 1155/00g-41, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 399,74 EUR (darin 66,62 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger baute in Anlehnung an die Militärpistole Luger 08 den Prototyp einer Selbstladepistole Parabellum .45 (Kaliber .45 ACP) als Rekonstruktion des Vorbilds. Nachdem alle metallischen Teile fertig waren, wollte der Kläger Holzgriffschalen mit Fischhautverschneidungen für diese Waffe anfertigen lassen und übergab sie mit diesem Auftrag - spätestens im Jahr 1990 - dem Beklagten. Der Beklagte nahm den Auftrag an und fertigte nach einiger Zeit die bestellten Griffschalen an. Nach der Fertigstellung sprach Peter B*****, der gemeinsam mit dem Kläger Geschäftsführer der G***** GmbH war, beim Beklagten vor und ersuchte ihn, ihm die Waffe auszuhändigen, "um ein Pfand zu haben"; der Kläger zahle nämlich seine Schulden nicht. Ohne Rückfrage beim Kläger übergab der Beklagte die Waffe an Peter B*****, der ihm einige Tage später eine mit 25. 7. 1989 datierte Empfangsbestätigung ausstellte, wonach die Pistole vom Beklagten nach Reparatur an die G***** GmbH übergeben worden sei. Mit Schreiben datiert vom 31. 8. 1990 teilte Peter B***** dem Kläger mit, er habe "durch den Verkauf deines Pfandes ein[en] Teil der offenen Bankschulden des Anteiles Horst/Ewald G***** abgedeckt". Schon zuvor hatte Peter B***** dem Kläger mitgeteilt, über die Pistole zu verfügen; dies war spätestens Anfang 1994. Der Kläger erkundigte sich beim Beklagten nicht nach dem Verbleib der Waffe; etwa ein Jahr nach der Übergabe der Pistole an Peter B***** teilte der Beklagte dem Kläger mit, dass die Waffe bei Peter B***** sei. Peter B***** verkaufte die Waffe später; sie ist mindestens 60.000 S wert. Nachdem der Kläger sich jahrelang nicht um den Verbleib der Waffe gekümmert hatte, wurde er durch einen Artikel in einer Fachzeitschrift wieder auf sie aufmerksam und versuchte danach, die Pistole vom Beklagten herauszubekommen.

Mit am 11. 7. 2000 eingelangter Klage begehrte der Kläger - soweit noch von Bedeutung - zunächst die Verurteilung des Beklagten zur Herausgabe der Pistole Prototyp Parabellum .45 ACP mit der Seriennummer 01. In der Tagsatzung vom 11. 10. 2001 stellte der Kläger das Herausgabebegehren auf das Interesse um und bewertete dieses mit 60.000 S = 4.360,37 EUR.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Er habe die Waffe des Klägers im Jahr 1989 vom Kläger erhalten und nach Durchführung der entsprechenden Arbeiten wieder an die G***** GmbH ausgefolgt. Peter B***** habe die Waffe damals im Namen des Klägers entgegengenommen. Der Anspruch auf Herausgabe bestehe daher nicht zu Recht und sei im übrigen ohnehin bereits verjährt.

Das Erstgericht wies das Zahlungsbegehren ab. Die Parteien hätten einen Werkvertrag geschlossen, dessen vertragliche Nebenpflicht auch die Obsorge für die übergebenen Sachen umfasse. Der Beklagte hafte für den durch Verletzung dieser Pflicht verursachten Schaden vorrangig durch Naturalrestitution, nur bei Unmöglichkeit oder Untunlichkeit sei der erlittene Nachteil in Geld auszugleichen. Der Beklagte habe die ihm vom Kläger übergebene Waffe vertrags- und damit rechtswidrig einem Dritten weitergegeben. Er habe dabei zumindest fahrlässig gehandelt, weil er nicht gewusst habe und nicht habe wissen können, ob der Kläger mit seiner Verfügung über die Waffe einverstanden sei. Er habe die Waffe vom Kläger persönlich und nicht namens einer GmbH bekommen; er hätte die Waffe daher auch nur dem Kläger aushändigen dürfen. Schadenersatzansprüche gegen den Werkunternehmer wegen mangelhafter Verwahrung verjährten im Allgemeinen in drei Jahren. Auch wenn die Erkundigungspflicht nicht überspannt werden dürfe, so sei sie doch grundsätzlich gegeben. Obwohl dem Kläger von mehreren Seiten zugetragen worden sei, dass sich die Pistole nicht mehr im Besitz des Beklagten befinde, habe er sich nicht veranlasst gesehen, bis zur Klageführung über deren Verbleib Erkundigungen einzuziehen. Er könne daher nicht für sich in Anspruch nehmen, den tatsächlichen Schaden erst während des Verfahrens erkannt zu haben. Vielmehr habe er spätestens Anfang 1994 gewusst, dass der Verbleib seiner Waffe beim Beklagten nicht sicher sei. Spätestens in diesem Zeitpunkt hätte er daher den Sachverhalt überprüfen müssen, um die nun eingetretene Verjährung hintanzuhalten. Im Zeitpunkt der Klageeinbringung sei der Schadenersatzanspruch des Klägers daher bereits verjährt gewesen. Es schade auch nicht, dass der Verjährungseinwand nach Umstellung der Klage auf das Interesse nicht wiederholt worden sei, weil es sich dabei um keine Klageänderung handle, sondern weiterhin derselbe Anspruch verfolgt worden sei.

Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil im Sinne einer Klagestattgebung ab und sprach - auf Antrag des Beklagten gem § 508 Abs 1 ZPO - aus, dass die ordentliche Revision mangels höchstgerichtlicher Rechtsprechung zur Frage zulässig sei, ob die einmal erhobene Einrede der Verjährung nach Umstellung des Klagebegehrens auf das Interesse zu ihrer weiteren Wirksamkeit wiederholt werden müsse, und ob eine solche Umstellung des Begehrens eine Klageänderung sei. Der Kläger mache nach Umstellung des Herausgabebegehrens letztlich einen Interesseanspruch geltend, der den Ersatz des Schadens zum Gegenstand habe. § 368 EO enthalte nur Verfahrensvorschriften und sei keine eigene Anspruchsgrundlage für Ersatzansprüche wegen Nichterfüllung; diese Bestimmung setze das Bestehen eines materiellrechtlichen Anspruchs voraus, der von dem zur Leistung verpflichteten Schuldner nicht erfüllt worden sei. Der Kläger begehre den Ersatz jenes Schadens, der durch die Nichtrückgabe der Waffe entstanden sei. Die Umstellung des Klagebegehrens auf das Interesse sei somit eine Klageänderung, werde doch an Stelle der bisher geforderten Leistung (Herausgabe der Waffe auf Grund des Eigentumes oder der den Beklagten treffenden Nebenpflicht aus dem Werkvertrag) eine andere Leistung, nämlich ein Geldbetrag aus dem Titel des Schadenersatzes, begehrt. Die Voraussetzungen für einen Schadenersatzanspruch aus Vertrag lägen vor, weil der Beklagte nicht bewiesen habe, die Waffe unverschuldet nicht zurückgestellt zu haben. Unrichtig habe das Erstgericht Verjährung angenommen; auf diese sei nämlich von Amts wegen - ohne Einwendung der Parteien - kein Bedacht zu nehmen. Der Beklagte habe zwar vor Klageänderung eingewendet, der geltend gemachte Anspruch auf Herausgabe sei bereits verjährt; dieser Verjährungseinwand beziehe sich aber nur auf den ursprünglich gestellten Herausgabeanspruch und sei nach Klageänderung durch Geltendmachung eines Schadenersatzanspruches nicht mehr erhoben worden. Eigentum verjähre zwar nicht, es könne aber allenfalls auf Grund von Ersitzung verloren gehen. Schon weil völlig unterschiedliche Voraussetzungen für die Verjährung eines Schadenersatzanspruchs gegeben sein müssten, könne der gegen das Herausgabebegehren erhobene Verjährungseinwand nicht auch als gegenüber dem Schadenersatzanspruch erhoben betrachtet werden.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil das Berufungsgericht die Wirksamkeit der Einrede der Verjährung unrichtig beurteilt hat; das Rechtsmittel ist aber nicht berechtigt.

Der Beklagte verweist auf § 235 Abs 4 ZPO, wonach eine Klageänderung nicht vorliege, wenn statt des ursprünglich geforderten Gegenstands ein anderer Gegenstand oder das Interesse gefordert werde. Letzteres habe der Kläger getan, weshalb die vom Beklagten gegen den Herausgabeanspruch erhobene Einrede der Verjährung auch im Verfahren betreffend den Interesseersatz Bestand habe. Dazu ist zu erwägen:

Der Oberste Gerichtshof vertritt in seiner jüngeren Rechtsprechung einhellig die von der Lehre geteilte Auffassung, dass die Interessenklage nicht schon durch die verfahrensrechtliche Bestimmung des § 368 EO begründet ist; der Anspruch auf Wertersatz muss vielmehr im materiellen Recht seine Grundlage haben (Klicka in Angst, EO § 368 Rz 1; Feil, EO4 § 368 Rz 1 je mwN; JBl 1992, 318; RZ 1993/61; zuletzt 7 Ob 209/02i). Der Gläubiger kann seinen Anspruch auf das Interesse geltend machen, ohne dass eine auf die Naturalleistung gerichtete Klage vorausgegangen oder bereits ein Individualleistungsurteil vorliegen muss, dem der Verpflichtete nicht Folge geleistet hat (Klicka aaO Rz 2). Umgekehrt geht der Anspruch auf das Interesse weder durch ein erlangtes Leistungsurteil auf die Naturalverpflichtung (SZ 5/265) noch durch eine in der Folge versuchte Exekutionsführung (SZ 43/113; SZ 70/120) verloren. Für die Interessenklage gilt die dreijährige Verjährungsfrist des § 1489 ABGB (Höllwerth in Burgstaller/Deixler, EO § 368 Rz 18ff; Klicka aaO Rz 5; Feil aaO Rz 7 je mwN; 8 Ob 609/86; EvBl 1977/231; 7 Ob 546/77). Im Streitfall kann nun dahingestellt bleiben, inwieweit in der (zulässigen) Umstellung des Klagebegehrens von Herausgabe der Pistole auf Zahlung des Interesses eine Klageänderung liegt (vgl dazu etwa EvBl 1955/53; 6 Ob 13/74; Rechberger/Frauenberger in Rechberger, ZPO² § 235 Rz 4; Fasching III 125 Anm 14; ders. LB² Rz 1230) und ob ein Beklagter der gegen den zunächst erhobenen Anspruch die Einrede der Verjährung erhoben hatte, nach Umstellung des Begehrens auf das Interesse - wie das Berufungsgericht meint - die Verjährung dieses Anspruches einwenden muss. Die hier zu beurteilende Einwendung des Beklagten, der (Herausgabe-)Anspruch sei verjährt, ist nämlich schon deshalb unbeachtlich, weil sie völlig unsubstantiiert erhoben wurde und keinerlei Sachvorbringen enthält. Auch Einwendungen des Beklagten haben sich auf Tatsachen zu gründen, die gemäß § 243 Abs 2 ZPO "im Einzelnen kurz und vollständig anzugeben" sind. Fehlt es an dieser Voraussetzung, ist die Einwendung nicht ordnungsgemäß erhoben. Zu einem Vorgehen gemäß § 182 Abs 1 ZPO hatte das Erstgericht angesichts der offenkundigen Unschlüssigkeit des gegen den Herausgabeanspruch erhobenen Verjährungseinwands (ON 13) keinen Anlass; den Beklagten aber nach der Umstellung des Begehrens auf Zahlung des Interesses zu einem konkret begründeten Verjährungseinwand anzuleiten, war das Gericht keinesfalls verpflichtet, liefe es doch in einem solchen Fall Gefahr "zum Rechtsfreund" des Beklagten zu werden (Fasching, LB2 Rz 656; Fucik in Rechberger, ZPO2 § 182 Rz 1 mwN aus der Rsp). Schon aus diesem Grund kommt eine Abweisung der auf Interesseersatz zielenden Klage infolge Verjährung nicht in Betracht. Das Berufungsgericht hat dem Klagebegehren daher jedenfalls im Ergebnis zu Recht stattgegeben. Der Revision kann kein Erfolg beschieden sein.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41 Abs 1, 50 Abs 1 ZPO. Der richtige Kostenansatz nach TP 3C RATG beträgt beim gegebenen Streitwert 208,20 EUR.

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