OGH 10ObS57/03k

OGH10ObS57/03k17.6.2003

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger und Dr. Neumayr sowie die fachkundigen Laienrichter Komm. Rat Mag. Paul Kunsky (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Georg Eberl (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Gerald N*****, wissenschaftlicher Mitarbeiter und Handelsangestellter, *****, vertreten durch Maga. Eva Plaz, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei Wiener Gebietskrankenkasse, Wienerbergstraße 15-19, 1101 Wien, vertreten durch Dr. Gustav Teicht und Dr. Gerhard Jöchl, Rechtsanwälte in Wien, wegen 2.114,78 EUR sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits-und Sozialrechtssachen vom 25. Oktober 2002, GZ 9 Rs 130/02 g-14, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 5. Dezember 2001, GZ 3 Cgs 139/01d-10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger unterzog sich im Zeitraum vom 1. 12. 1998 bis 31. 3. 2001 einer psychotherapeutischen Behandlung bei Mag. DDr. Josef L*****. Dieser ist gemäß § 11 des Psychotherapiegesetzes zur selbstständigen Ausübung der Psychotherapie berechtigt. Der Kläger nahm insgesamt 97 Einzelsitzungen in der Dauer von je 50 Minuten in Anspruch, wofür er vereinbarungsgemäß 600 Spro Einzelsitzung, insgesamt 58.200 S zu zahlen hatte. Hiefür erhielt er von der Beklagten einen Kostenzuschuss im Betrag von 300 S pro Einzelsitzung, insgesamt daher 29.100 S.

Zwischen dem Hauptverband der Österreichischen Sozialversicherungsträger und dem Österreichischen Bundesverband für Psychotherapie (ÖBVP) besteht kein Gesamtvertrag. Im Raum Wien wurden auch keine Einzelverträge zwischen der Wiener Gebietskrankenkasse und freiberuflich tätigen Psychotherapeuten geschlossen. Die Wiener Gebietskrankenkasse hat hier unter anderem mit zwei größeren Vereinen Verträge abgeschlossen, die die ambulante psychotherapeutische Behandlung von Versicherten der beklagten Partei und deren anspruchsberechtigten Angehörigen zum Gegenstand haben. Diese Vereine schließen ihrerseits mit Psychotherapeuten Vereinbarungen, wonach diese freiberuflich Behandlungseinheiten für Anspruchsberechtigte der Kasse erbringen und dafür ein Honorar von 650 S pro Einzeltherapie und von 250 S für Gruppentherapie erhalten. Der Aufwand der Beklagten für die beiden Vereine betrug für das Jahr 2001 etwa 48 Mio S und für 2002 rund 61 Mio S. Auf die zwischen den Vereinen und den Therapeuten vereinbarten Honorare (Stundensätze) hat die beklagte Partei keinen Einfluss. Es kann nicht festgestellt werden, welche Kosten der Abschluss eines Gesamtvertrages für die beklagte Partei zur Folge hätte.

Mit Bescheid vom 6. 7. 2001 lehnte die beklagte Wiener Gebietskrankenkasse die Gewährung eines höheren Kostenzuschusses als 300 S je Einzelstunde gemäß § 135 Abs 1 Z 3 ASVG in Verbindung mit § 37 und Anhang 6 Z 1 lit a der Satzung der Wiener Gebietskrankenkasse ab. Gemäß § 37 ihrer Satzung leiste die Kasse Kostenzuschüsse nach der Regelung im Anhang zur Satzung, wenn Vertragspartner für die der ärztlichen Hilfe gleichgestellten Leistungen auf Rechnung der Kasse nicht zur Verfügung stünden, weil Verträge nicht zustandegekommen seien. Nach Anhang 6 der Satzung betrage der Kostenzuschuss für die Behandlung durch einen nichtärztlichen Psychotherapeuten für eine Einzelsitzung zu 60 Minuten höchstens 300 S.

Das Erstgericht wies die dagegen erhobene Klage ab. Für den Fall, dass - wie hier - ein Gesamtvertrag iSd § 349 ASVG nicht bestehe, sei geregelt, dass vom Hauptverband Einzelverträge mit freiberuflich tätigen Psychotherapeuten nach einheitlichen Grundsätzen abgeschlossen werden. Der Hauptverband schließe diese Verträge für die Krankenversicherungsträger und nur mit deren Zustimmung (§ 349 Abs 2 Satz 3 und Satz 4 ASVG). Die von der beklagten Partei abgeschlossenen Vereinsverträge seien daher schon formal nicht als Gesamtvertrag zu werten, sodass sich die Frage erübrige, ob sie inhaltlich einem solchen entsprechen. Da sie keine beruflichen Interessenvertretungen der Psychotherapeuten seien, kämen auch die Vereine als Vertragspartner eines Gesamtvertrages nicht in Betracht. Vor diesem Hintergrund könne der Kläger sein Begehren nicht auf § 131 ASVG stützen. Da ein Vertrag mit der Berufsgruppe “Psychotherapeuten" nicht bestehe, sei lediglich von der - ausreichend bestimmten - Kostenzuschussregelung des § 131b ASVG auszugehen. Bei der Festsetzung der Höhe der Zuschüsse sei auf die finanzielle Leistungsfähigkeit der Kasse und das wirtschaftliche Bedürfnis der Versicherten Bedacht zu nehmen. Hiebei sei nicht auf Marktpreise, sondern auf bestehende Vertragstarife für vergleichbare Leistungen abzustellen, wobei es bei der Bemessung des Kostenzuschusses nicht auf den Vergleich der wirtschaftlichen Belastung des Versicherten, sondern auf jenen der finanziellen Aufwendungen des Krankenversicherungsträgers ankomme. Im Bereich der Krankenbehandlung habe der Versicherungsträger die Möglichkeit, die Erstattung von Kosten für außervertragliche Leistungen betragsmäßig zu begrenzen und es werde dadurch der sozialversicherungsrechtliche Leistungsanspruch - für die Versicherten voraussehbar - modifiziert.

Zu § 131b ASVG habe der Gesetzgeber hinsichtlich der Höhe des Kostenzuschusses keine Festlegung getroffen, sondern es der Verantwortung der Versicherungsträger überlassen habe, die entsprechende Höhe satzungsmäßig festzulegen. Da der Oberste Gerichtshof keine verfassungsmäßigen Bedenken dagegen geäußert habe, dass nach § 20 der Satzung der Versicherungsanstalt der Österreichischen Eisenbahnen iVm deren Anhang 1 der Kostenzuschuss für die Behandlung durch einen nichtärztlichen Psychotherapeuten für eine Einzelsitzung à 60 Minuten ab dem 1. 4. 1996 300 S (exklusive Umsatzsteuer) betragen habe, bestehe zur Einleitung eines Verordnungsprüfungsverfahrens kein Anlass.

Soweit der Kläger seinen Anspruch auf den Titel des Schadenersatzes stütze, liege keine in die Zuständigkeit der Arbeits- und Sozialgerichte fallende Sozialrechtssache iSd § 65 ASGG vor. Daran ändere es auch nichts, wenn das auf den Titel des Schadenersatzes beruhende Vorbringen unmittelbar auf das ASVG gestützt werde, weil nicht die Rechtsgrundlage des geltend gemachten Anspruches, sondern die Einordnung in § 65 ASGG und der Umfang des angefochtenen Bescheides maßgebend seien.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Es übernahm die vom Erstgericht getroffenen Feststellungen als Ergebnis eines mängelfreien Verfahrens und erachtete die rechtliche Beurteilung des Erstgerichts als zutreffend. Ergänzend zu den Rechtsausführungen des Erstgerichtes hielt es dem Rechtsstandpunkt des Klägers zusammengefasst Folgendes entgegen: Gemäß § 131 Abs 1 ASVG gebühre dem Anspruchsberechtigten, der nicht die Vertragspartner (§ 338) oder die eigenen Einrichtungen (Vertragseinrichtungen) des Versicherungsträgers zur Erbringung der Sachleistungen der Krankenbehandlung in Anspruch nehme, Ersatz der Kosten dieser Krankenbehandlung im Ausmaß von 80 vH des Betrages, der bei Inanspruchnahme der entsprechenden Vertragspartner des Versicherungsträgers von diesem aufzuwenden gewesen wäre. Falls aufgrund der Vertragslage eine ausreichende flächendeckende medizinische Grundversorgung nicht gewährleistet sei, könne die Satzung auch eine Kostenerstattung von über 80 vH bis zu 100 vH des Vertragstarifes vorsehen (§ 131 Abs 6 ASVG). Durch § 135 Abs 1 Z 3 ASVG werde die Behandlung durch freiberufliche Psychotherapeuten unter näher genannten Voraussetzungen im Rahmen der Krankenbehandlung der ärztlichen Hilfe gleichgestellt.

In den §§ 131a und 131b ASVG seien für den Fall des Fehlens vertraglicher Regelungen mit Ärzten und Dentisten (§ 131a) bzw. anderen Vertragspartnern (§ 131b) Sonderregelungen über die Festsetzung der Höhe der Kostenerstattung vorgesehen. § 131b ASVG treffe demnach Vorsorge auch für den Fall des Fehlens von Verträgen mit der Berufsgruppe der Psychotherapeuten; diesfalls habe der Versicherungsträger den Versicherten die in der Satzung festgesetzten Kostenzuschüsse zu leisten. Der Versicherungsträger habe das Ausmaß dieser Zuschüsse unter Bedachtnahme auf seine finanzielle Leistungsfähigkeit und das wirtschaftliche Bedürfnis der Versicherten festzusetzen. Die Regierungsvorlage zur 50. ASVG-Novelle habe vorgesehen, dass die Beziehungen zwischen der Sozialversicherung und den freiberuflich tätigen Psychotherapeuten durch Gesamtverträge geregelt werden; der Abschluss von Einzelverträgen ohne Gesamtvertrag sollte nicht zulässig sein. Mit den in § 131b ASVG genannten Verträgen für den Bereich einer Berufsgruppe könnten nach dem Verständnis der Regierungsvorlage daher nur Gesamtverträge iSd § 349 Abs 2 ASVG gemeint sein; Kostenzuschüsse sollten also solange gewährt werden, als kein Gesamtvertrag und damit auch keine Einzelverträge abgeschlossen worden seien. Die Möglichkeit, psychotherapeutische Einzelverträge auch ohne Gesamtvertrag abzuschließen, sei erst im Zuge der Ausschussberatungen über die 50. ASVG-Novelle geschaffen worden. Die §§ 131 und 131b ASVG seien dabei aber unverändert geblieben.

Ob nun die Kostenzuschussregelung des § 131b ASVG bis zum Zustandekommen einer gesamtvertraglichen Einigung gelte oder ob schon die Existenz eines oder weniger Einzelverträge dazu führe, dass nicht mehr vom Fehlen von Verträgen gesprochen werden könne, sodass sich der Kostenerstattungsanspruch nach § 131 Abs 1 (und Abs 6) ASVG richte, müsse nicht abschließend geprüft werden, weil bislang unstrittig weder ein Gesamtvertrag bestehe noch Einzelverträge mit freiberuflich tätigen Psychotherapeuten nach § 349 Abs 2 ASVG abgeschlossen worden seien. Zu Recht habe das Erstgericht hervorgehoben, dass die von der Beklagten mit den Vereinen abgeschlossenen Verträge bereits formal nicht als Gesamtvertrag zu werten seien, weil ein solcher nur zwischen dem Hauptverband und der beruflichen Interessenvertretung der Psychotherapeuten zustandekommen könne. Ebenso wenig handle es sich um Einzelverträge, wie sie nach § 349 Abs 2 ASVG in Ermangelung eines Gesamtvertrags für die Träger der Krankenversicherung (mit deren Zustimmung) vom Hauptverband mit freiberuflich tätigen Psychotherapeuten abgeschlossen werden könnten.

Wenn im Hinblick auf das Scheitern der Verhandlungen zwischen dem Hauptverband der Sozialversicherungsträger und dem Österreichischen Bundesverband für Psychotherapie (ÖBVP) die beklagte Partei mit Zustimmung des Hauptverbandes dazu übergegangen sei, auf Landesebene “Vereinslösungen zur psychotherapeutischen Versorgung" anzubieten, so könne dies dem Abschluss von Gesamtverträgen bzw Einzelverträgen nicht gleichgehalten werden. Daran ändere auch der Umstand nichts, dass der Gesetzgeber für die krankenversicherungsrechtliche Leistungserbringung ein detailliertes Regelungswerk etabliert habe und in diesem System die Existenz von Vertragspartnern auch im Zusammenhang mit dem Instrument der Kostenerstattung eine spezifische Rolle spiele. So wie im Fall der Verletzung der Bemühungspflicht zum Abschluss eines Gesamtvertrages ein solcher nicht fingiert werden könne, bestehe auch keine Grundlage dafür, das im Rahmen des Vereinsmodells geschaffene Vertragswerk so zu behandeln, als läge formal ein Gesamt- oder ein Einzelvertrag zwischen den hiezu abschlussbefugten Vertragspartnern vor. Ob das Vereinsmodell der Intention des Gesetzgebers, der in § 349 Abs 2 ASVG neben dem Instrument des Gesamtvertrages auch die Möglichkeit des Einzelvertrages zur Sachleistungsvorsorge geschaffen hat, allenfalls nicht entspreche, sei im vorliegenden Verfahren über die Kostenerstattung ebenfalls nicht entscheidend.

Die Höhe des Kostenzuschusses sei gemäß § 131b ASVG unter Bedachtnahme auf die finanzielle Leistungsfähigkeit des Versicherungsträgers und das wirtschaftliche Bedürfnis der Versicherten festzusetzen. Diese Regelung sei nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes als ausreichend determiniert anzusehen. Nach Meinung des Verfassungsgerichtshofes drücke sich in der “Bedachtnahmeformel" das für die Krankenbehandlung allgemein geltende Wirtschaftlichkeitsgebot aus. Die Satzung, die ihrer Struktur nach als Verordnung zu qualifizieren sei, habe zu berücksichtigen, dass die finanziellen Ressourcen der Versichertengemeinschaft beschränkt seien, weil ein angemessenes Beitragsniveau beibehalten werden solle; andererseits habe die Satzung bei Festsetzung des Kostenzuschusses auch zu berücksichtigen, dass die Versicherten Anspruch auf eine ausreichende Versorgung mit Krankenbehandlungsleistungen hätten. Verfassungsrechtlich sei es nicht bedenklich, wenn der durch die Satzung bestimmte Kostenzuschuss nur zu einem teilweisen Ersatz der Behandlungskosten für psychotherapeutische Leistungen führe. Die Auffassung des Klägers, die Höhe des Kostenzuschusses habe sich an den im Rahmen der “Vereinslösungen" von der Beklagten geleisteten Zahlungen bzw an den im Gesamtvertragsentwurf vorgesehenen Tarifen zu orientieren, könne nicht gefolgt werden, weil damit im Ergebnis neuerlich die Existenz eines - bisher eben nicht zustande gekommenen - Gesamtvertrages bzw entsprechender Einzelverträge fingiert würde.

Die in § 131b ASVG angeordnete Bedachtnahme auf die jeweiligen Interessen der Versichertengemeinschaft und der Versicherten könne allerdings dazu führen, dass ein in der Satzung festgesetzter Zuschuss nach einer bestimmten Zeit anzupassen sei. Dies sei dann geboten, wenn sich die für die Festsetzung des Zuschusses maßgeblichen Faktoren verändern. Bei einer Neufestsetzung des Kostenzuschusses sei immer auch die finanzielle Situation des Versicherungsträgers zu berücksichtigen. Das Interesse der Versicherten an einer höheren Ersatzleistung könne daher die Erhöhung des Kostenzuschusses noch nicht begründen; vielmehr müsse die Erhöhung für den Versicherungsträger finanziell zumutbar sein. Dass der Kostenzuschuss über mehrere Jahre hinweg nicht erhöht worden ist, begründe vor diesem Hintergrund nicht per se eine Gesetzwidrigkeit der betreffenden Satzungsbestimmung. Der Kläger zeige auch nicht auf, inwiefern unter Berücksichtigung der finanziellen Situation der beklagten Partei eine Erhöhung des Kostenzuschusses geboten wäre. Das Berufungsgericht sehe sich daher (neuerlich) nicht zur Einleitung eines Verordnungsprüfungsverfahrens veranlasst.

Die ordentliche Revision sei zulässig, weil sich der Oberste Gerichtshof bislang nicht mit den Auswirkungen der “Vereinslösungen" auf die Kostenzuschussregelung des § 131b ASVG zu befassen gehabt habe; auch zur Gesetzmäßigkeit der Höhe des Kostenzuschusses liege keine aktuelle Stellungnahme des Höchstgerichts vor.

Dagegen richtet sich die Revision der klagenden Partei aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im klagsstattgebenden Sinn. Hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus den vom Berufungsgericht angeführten Gründen zulässig, jedoch nicht berechtigt.

In der Rechtsrüge wiederholt der Kläger weitgehend seinen schon in der Berufung vertretenen Rechtsstandpunkt, dass nicht eine reine formale Betrachtungsweise angebracht sei. Aufgrund der mit den Vereinen abgeschlossenen Verträge stünden Vertragspartner zur Verfügung, sodass nicht § 131b, sondern § 131 Abs 1 (und Abs 6) ASVG anzuwenden sei. Auch die teleologische und historische Interpretation würde zu diesem - bei verfassungskonformer Interpretation zwingenden - Ergebnis führen, sodass der Kläger Anspruch auf Kostenerstattung nach § 131 Abs 1 und 6 ASVG habe. Andernfalls wäre die Vereinslösung als Umgehungskonstruktion anzusehen, woraus sich ebenfalls die Berechtigung des Klageanspruchs ergebe. Schließlich wird argumentiert, dass selbst im Fall der Anwendbarkeit des § 131b ASVG der Klage stattzugeben wäre, weil ein Kostenzuschuss von 300 S (pro Einzeltherapiesitzung) in der genannten Bestimmung, auch im Hinblick auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der beklagten Partei, nunmehr keine Deckung mehr finde. Als bestehender Tarif für vergleichbare Leistungen, auf den bei Festsetzung der Kostenzuschüsse abzustellen sei, böten sich die im Rahmen der Vereinsverträge getätigten Zahlungen bzw der im Gesamtvertragsentwurf vorgesehene Stundensatz an, das seien jeweils 650 S pro Einzeltherapiestunde. Der Kläger habe daher Anspruch auf Ersatz von zumindest 80 % dieses Betrags.

Der Oberste Gerichtshof erachtet diese Ausführungen für nicht stichhältig, hingegen die damit bekämpfte rechtliche Beurteilung für zutreffend (§ 510 Abs 3 ZPO iVm § 2 ASGG).

Das österreichische Krankenversicherungsrecht, das als Leistung für die Versicherten ua ärztliche Hilfe vorsieht, beschränkt die Leistungsanbieter auf bestimmte Berufsgruppen. Zur ärztlichen Hilfe gehören grundsätzlich nur solche Leistungen, die von Ärzten erbracht werden, also Personen, die aufgrund des Ärztegesetzes zur Ausübung des ärztlichen Berufs berechtigt sind. Der ärztlichen Hilfe sind allerdings gemäß § 135 Abs 1 ASVG unter bestimmten Voraussetzungen auch Leistungen von Nichtärzten gleichgestellt. So wurde mit der 50. ASVG-Novelle die Krankenbehandlung durch Psychotherapeuten und die Diagnoseerstellung durch klinische Psychologen der ärztlichen Hilfe gleichgestellt (§ 135 Abs 1 Z 2 und 3 ASVG).

Die ärztliche Hilfe wird gemäß § 135 Abs 1 ASVG durch Vertragsärzte, durch Wahlärzte oder durch Ärzte in eigenen Einrichtungen (Vertragseinrichtungen) der Versicherungsträger gewährt. Unter den in § 135 ASVG aufgezeigten Alternativen der Leistungserbringung hat der Versicherte freie Wahl (SSV-NF 6/41, 6/59). Diese Wahlfreiheit gilt auch für psychotherapeutische Behandlungen, weil der Gesetzgeber die psychotherapeutische Behandlung der ärztlichen Hilfe gleichgestellt hat (Schrammel, Psychotherapie und soziale Krankenversicherung - Rechtsgutachten über Kostenzuschüsse zu psychotherapeutischen Leistungen, SozSi 2001, 351 [355]).

Aus der sprachlichen Gegenüberstellung von Vertragsarzt und Wahlarzt ergibt sich, dass die Erbringung ärztlicher Hilfe oder einer psychotherapeutischen Behandlung durch Wahlärzte oder Wahltherapeuten immer nur als Ergänzung zur vertragsärztlichen bzw vertragstherapeutischen Versorgung in Betracht kommt. “Wahlärzte" und “Wahltherapeuten" setzen Vertragsärzte und Vertragstherapeuten voraus. Daher kann zB im vertragslosen Zustand ärztliche Hilfe nicht durch “Wahlärzte", sondern nur durch “Privatärzte" erbracht werden (vgl § 131a ASVG; Schrammel aaO 355; ebenso Binder in Tomandl, SV-System, 15. ErgLfg 226 [2.2.3.2.1.F.] zu neu eingeführten Leistungen wie der Psychotherapie; RIS-Justiz RS0106241). Den Trägern der Krankenversicherung ist keine Verantwortlichkeit für vertragslose Zustände aufgebürdet, auch wenn die Absicht des Gesetzgebers erkennen lässt, dass der Sachleistungsvorsorge Priorität vor dem vertragslosen Zustand zukommt (Gregoritsch/Kletter/Scholz, Psychotherapie auf Krankenschein - von der Versorgungspflicht der Krankenversicherung, SozSi 2000, 844 [846]; siehe bereits Scholz, Psychotherapeutische Krankenbehandlung 1999, SozSi 1999, 995 [999]).

Gemäß § 131b ASVG hat der Versicherungsträger Kostenzuschüsse zu gewähren, wenn “andere Vertragspartner" infolge Fehlens von Verträgen “für den Bereich einer Berufsgruppe" nicht zur Verfügung stehen. Als “andere Vertragspartner" im Sinne dieser Bestimmung sind alle potentiellen Vertragspartner mit Ausnahme der Ärzte und Dentisten anzusehen, für die eine Regelung in § 131a ASVG vorgesehen ist (Mazal, Psychotherapie und Kassenvertragsrecht, RdM 2001, 15; Schrammel aaO 356 mit Hinweis auf die Gesetzesmaterialien).

Mit diesen Verträgen für den Bereich einer Berufsgruppe konnten nach dem Verständnis der Regierungsvorlage zur 50. ASVG-Novelle (RV 284 BlgNR 18. GP ) nur Gesamtverträge iSd § 349 Abs 2 ASVG, also Verträge mit einem nach generellen Merkmalen umschriebenen Adressatenkreis gemeint sein. Im Zuge der Ausschussberatungen über die 50. ASVG-Novelle (AB 311 BlgNR 18.GP ) wurde die weitere Möglichkeit geschaffen, psychotherapeutische Einzelverträge auch ohne Gesamtvertrag abzuschließen. Es kann dahingestellt bleiben, welche Auswirkungen diese zweite Möglichkeit fiktiv hat, da nach den Feststellungen weder ein Gesamtvertrag über Psychotherapie durch Nichtärzte noch Einzelverträge mit freiberuflich tätigen Psychotherapeuten zustande gekommen sind.

Der Versicherungsträger hat das Ausmaß der Kostenzuschüsse nach § 131b ASVG unter Bedachtnahme auf seine finanzielle Leistungsfähigkeit und das wirtschaftliche Bedürfnis der Versicherten festzusetzen. Der Verfassungsgerichtshof hat diese Regelung als ausreichend determiniert erachtet (G 24/98 ua, VfSlg15787). Nach Meinung des VfGH drückt sich in der "Bedachtnahmeformel" das für die Krankenbehandlung allgemein geltende Wirtschaftlichkeitsgebot aus. Die Satzung hat zu berücksichtigen, dass die finanziellen Ressourcen der Versichertengemeinschaft beschränkt sind, weil ein angemessenes Beitragsniveau beibehalten werden soll; die Satzung hat bei Festsetzung des Kostenzuschusses aber auch zu berücksichtigen, dass die Versicherten Anspruch auf eine ausreichende Versorgung mit Krankenbehandlungsleistungen haben. Die Krankenversicherung ist nicht verpflichtet, dem Versicherten alle denkbaren und medizinisch möglichen Leistungen als Sachleistungen ohne Zuzahlungen zu erbringen; der Krankenversicherungsträger ist dann aber auch bei Fehlen gesamtvertraglicher Regelungen nicht verpflichtet, den Kostenzuschuss so zu bemessen, dass dem Versicherten die tatsächlich entstandenen Behandlungskosten zur Gänze ersetzt werden (G 24/98 ua, VfSlg 15787). Der Verfassungsgerichtshof hat beispielsweise in seinem Erkenntnis vom 11. 10. 1993 (VfSlg13571) einen Kostenzuschuss zu einem festsitzenden Zahnersatz von rund 10 % der tatsächlichen Kosten (500 S pro Zahn) als zu gering angesehen und die entsprechende Satzungsbestimmung als gesetzwidrig aufgehoben. In einem weiteren Erkenntnis vom 17. 10. 1998 (VfSlg 15322) hielt er in einer vergleichbaren Konstellation den mittlerweile auf 1.000 S angehobenen Kostenzuschuss für unbedenklich. Im vorliegenden Fall beträgt der dem Kläger gewährte Zuschuss 50 % der von ihm an den Psychotherapeuten geleisteten Honorare, weshalb der Oberste Gerichtshof keinen Anlass sieht, im Sinne der Anregung des Klägers die Prüfung des § 37 iVm Anhang 6 der Satzung der Wiener Gebietskrankenkasse an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen. Auch in der Literatur wurde die Ansicht vertreten, es sei verfassungsrechtlich nicht bedenklich, wenn der durch die Satzung bestimmte Kostenzuschuss nur zu einem teilweisen Ersatz der Behandlungskosten für psychotherapeutische Leistungen führt (Schrammel aaO 357).

Die in § 131b ASVG angeordnete Bedachtnahme auf die jeweiligen Interessen der Versichertengemeinschaft und der Versicherten kann allerdings dazu führen, dass ein in der Satzung festgesetzter Kostenzuschuss nach einer bestimmten Zeit anzupassen ist. Die Anpassung ist dann geboten, wenn sich die für die Festsetzung des Zuschusses maßgeblichen Faktoren verändern. In diesem Zusammenhang ist aber darauf hinzuweisen, dass bei einer Neufestsetzung des Kostenzuschusses immer auch die finanzielle Situation des Versicherungsträgers zu berücksichtigen ist. Das Interesse der Versicherten an einer höheren Ersatzleistung kann daher für sich allein eine Erhöhung des Kostenzuschusses noch nicht begründen. Die Erhöhung muss für den Versicherungsträger finanziell zumutbar sein (Schrammel aaO 357 f).

Derzeit leisten die Krankenversicherungsträger für jede Stunde Psychotherapie einen Zuschuss von 300 S (= 21,80 EUR) zuzüglich Umsatzsteuer (vgl Kletter, Psychotherapie und Verfahren in Leistungssachen, SozSi 1995, 25). Soweit der Kläger in der Revision eine Anpassung dieses Kostenzuschusses von 300 S (= 21,80 EUR) auf 27,24 EUR erreichen will, ist ihm zu entgegnen, dass sich aus dem Verfahren keine Anhaltspunkte ergeben haben, dass sich die finanzielle Situation der beklagten Partei - entgegen ihren eigenen Veröffentlichungen und denen des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger sowie des Bundesministeriums für Soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz - so entwickelt hätte, dass eine Erhöhung des Kostenzuschusses geboten wäre. Daher sieht sich auch der Oberste Gerichtshof nicht zur Einleitung eines Verordnungsprüfungsverfahrens veranlasst.

Auf den in der Revision wiederum in den Vordergrund gerückten Aspekt der Unzulässigkeit des Abschlusses von “Vereinsverträgen" kommt es für die hier maßgebende Frage, ob Kostenerstattung nach § 131 ASVG zu leisten ist, nicht entscheidend an, da eben weder ein Gesamtvertrag über Psychotherapie durch Nichtärzte noch Einzelverträge mit freiberuflich tätigen Psychotherapeuten zustande gekommen sind.

Auf den Titel des Schadenersatzes wird das Klagebegehren im Rechtsmittelverfahren nicht mehr gestützt, sodass sich Ausführungen dazu erübrigen, ob diesbezüglich eine Sozialrechtssache iSd § 65 ASGG vorliegt.

Der Revision ist daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.

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