Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Sozialrechtssache wird zur Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Die beklagte Partei lehnte mit Bescheid vom 27. 1. 1998 den Anspruch des am 23. 11. 1948 geborenen Klägers auf Entschädigung aus Anlass der Erkrankung, die er sich laut Meldung als Arbeiter und Baggerfahrer zugezogen habe, ab. Die Leiden des Klägers im Bereich der Wirbelsäule und der Meniskusschaden im linken Kniegelenk seien keine entschädigungspflichtige Berufskrankheit.
Mit der gegen diesen Bescheid gerichteten Klage begehrt der Kläger festzustellen, dass die Lumboischialgie bei rechtsbetontem Diskusprolax L 5/6 sowie lumbaler Spinalkanalstenose und der Zustand nach einer Diskusextraktion und Laminektonomie L 4/5 des Klägers eine Berufskrankheit darstellen, und die beklagte Partei schuldig zu erkennen, dem Kläger eine Versehrtenrente im gesetzlichen Ausmaß zu zahlen. Er sei von 1972 bis 1995 als Baggerfahrer beschäftigt und bei den täglichen Grabungsarbeiten erheblichen Erschütterungen ausgesetzt gewesen. Er habe auch oftmals mit einem Hydraulikmeissel, der am Bagger befestigt gewesen sei, gearbeitet. Die Erschütterungen, die vor allem die Arbeiten mit dem Presslufthammer bewirkten, seien den Erschütterungen bei Arbeiten mit anderen Pressluftwerkzeugen oder gleichartig wirkenden Werkzeugen gleichzusetzen. Schon im Jahr 1975 sei es beim Kläger zu massiven, behandlungsbedürftigen Beschwerden im Wirbelsäulenbereich gekommen. Sein Gesundheitszustand habe sich weiter verschlechtert und sei 1984 in eine unvermeidliche Bandscheibenoperation gemündet. Seither seien zumindest drei- bis viermal jährlich Infusionsserien erforderlich, die die Verschlechterung des Gesundheitszustandes jedoch nicht verhindern hätten können. Er leide an einer Lumboischialgie mit rechtsbetontem Diskusprolax L 5/6 sowie lumbaler Spinalkanalstenose und einem Zustand nach einer Diskusextraktion und Laminektomie L 4/5. Er habe ständig Schmerzen im Halswirbelsäulen- und Brustwirbelsäulenbereich, die auf den linken Arm ausstrahlten. Beim Kläger liege eine Krankheit im Sinn des § 177 Abs 1 ASVG Anlage 1 lfd Nr 20 vor. Der Bagger an sich und insbesondere der am Bagger befestigte Hydraulikmeissel seien Pressluftwerkzeugen gleichzusetzen. Sie wirkten gleichartig wie Pressluftwerkzeuge. Die Erkrankungen des Klägers seien auf die Arbeiten mit diesem Gerät zurückzuführen.
Die beklagte Partei bestritt und beantragte, die Klage abzuweisen. Die vorliegenden Beschwerden des Klägers im Wirbelsäulenbereich und der Meniskusschaden im linken Kniegelenk seien schicksalshafte Erkrankungen im Sinne von degenerativen Veränderungen und somit keine Berufskrankheit.
Das Erstgericht sprach aus, es werde festgestellt, dass die Bandscheibenprotrusion L 5/S 1 und der operierte Bandscheibenvorfall L 4/L 5 des Klägers Folgen der Berufskrankheit lfd Nr 20 der Anlage 1 zu § 177 ASVG sind und der Versicherungsfall per 1. 5. 1982 eingetreten ist, und erkannte die beklagte Partei schuldig, dem Kläger ab dem 1. 1. 1985 eine Versehrtenrente im Ausmaß von 30 vH der Vollrente zu leisten.
Es stellte folgenden Sachverhalt fest:
Der Kläger war von Juni 1972 bis Jänner 1997 als Baggerfahrer bei der Firma L***** in Himberg beschäftigt. In den ersten neun Jahren seiner Beschäftigung (bis 1980) fuhr der Kläger einen Mobilbagger (Radbagger), der fallweise mit einer hydraulischen Greifvorrichtung und alternierend mit einem Hydraulikhammer ausgestattet war. Der Bagger hatte keine äußere Abstützvorrichtung. Im Führerhaus fehlte eine Vorrichtung zur Dämpfung der beim Bedienen des Baggers auftretenden Schwingungen. Der für den Kläger vorhandene Sitz bestand lediglich aus einer Eisenstange und einem darauf montierten Brett. Zwischen 1980 und 1985 verwendete der Kläger praktisch ausschließlich einen Kettenbagger, der ebenfalls mit einer Tieflöffel- und alternierend mit einer Hydraulikhammerausrüstung (im Verhältnis 1 : 1) betrieben wurde.
Der Kläger arbeitete zwischen 1985 und 1995 mit einem 12 Tonnen Mobilbagger, der ebenfalls mit Tieflöffel- und Hydraulikhammerausrüstung ausgestattet war. Bei den mit diesem Gerät durchgeführten Arbeiten wurde der Hydraulikmeissel überwiegend eingesetzt.
Der Kläger führte ausschließlich Arbeiten über die gesamte Arbeitszeit mit den jeweils verwendeten Baggern durch. Die bedungene Arbeit brachte es mit sich, dass der Kläger im Zuge von Straßenbauarbeiten mit dem von ihm benutzten Bagger üblicherweise so lange mittels Tieflöffelausrüstung arbeitete, bis diese Arbeitsform auf Grund zu geringer Reißkräfte des Baggers in Relation zur Festigkeit des zu bearbeitenden bzw zu beseitigenden Materials das Umrüsten des Baggers auf einen Hydraulikhammer notwendig machte. In weiterer Folge wurde das anstehende Material mit dem am Bagger montierten Hydraulikhammer zerkleinert bzw abgebaut. Aus unfallchirurgischer Sicht leidet der Kläger an Aufbrauchserscheinungen im Bereich der gesamten Wirbelsäule mit operiertem Bandscheibenvorfall L 4/L 5 und einer Bandscheibenprotrusion L 5/S 1. Daraus resultieren eine hochgradige Bewegungseinschränkung der gesamten Wirbelsäule sowie subjektive Beschwerden. Die unfallchirurgische Einschätzung geht dahin, dass es sich bei den vom Kläger beklagten Gesundheitsstörungen um anlagebedingte Schäden im Bereich der gesamten Wirbelsäule handelt. Die arbeitsmedizinische Sicht bedient sich einer differenzierteren Betrachtungsweise: Der Kläger war bei seiner täglichen Arbeit Ganzkörperschwingungsbelastungen ausgesetzt. Diese stoßhaltigen Ganzkörperschwingungen stellen aus biodynamischer Sicht eine besonders hohe Gefährdung für die Wirbelsäule dar, die neben dem mechanischen Schädigungspotenzial für die Bandscheiben auch Diffusionsstörungen und Stoffwechselbeeinträchtigungen der Bandscheiben mit sich bringen. Dadurch bedingt tritt eine irreversible Bandscheibendegeneration auf und als Folge davon Instabilität der Bewegungselemente, Bandscheibenvorfall, Osteochondrose, Spondylose und Spondylarthrose. Eine langjährige intensive Belastung durch Ganzkörperschwingungen im Sitzen ist ein entscheidender Faktor in der Ätiologie bandscheibenbedingter Erkrankungen.
Nach dem arbeitsmedizinischen Gutachten bestehen Aufbrauchserscheinungen im Bereich der gesamten Wirbelsäule bei operiertem Bandscheibenvorfall L 4/L 5 und Bandscheibenprotrusion L 5/S 1 mit damit einhergehender hochgradiger Bewegungseinschränkung der gesamten Wirbelsäule und rezidivierenden Lumboischialgien und einem Cervikalsyndrom.
Fachbezogen wird arbeitsmedizinisch gefolgert, dass der Kläger über viele Jahre im Rahmen seiner Arbeit als Baggerfahrer Erschütterungen und Vibrationen ausgesetzt gewesen ist, die geeignet sind, ein anlagebedingtes Bandscheibenleiden, wie es beim Kläger vorlag, richtungsweisend zu verschlimmern. Begründend hiefür sind einerseits die mechanische Schädigung der Bandscheiben durch die Stoßwellen, andererseits die Stoffwechselveränderungen in der Bandscheibe. Die Arbeit mit einem Bagger, der mit einem Hydraulikhammer ausgestattet ist, kann aus arbeitsmedizinischer Sicht als eine Arbeit mit in Relation zu Pressluftwerkzeugen gleichartig wirkenden Werkzeugen und Maschinen angesehen werden. Es wird daher das Vorliegen einer Berufskrankheit "Nr 20" bejaht. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit wird mit 30 vH "angeschätzt", weil die Entstehung des Bandscheibenleidens des Klägers als multifaktoriell und als überwiegend anlagebedingt anzusehen ist, die schädigende Arbeit des Klägers über viele Jahre hinweg aber einen wesentlich mitwirkenden Faktor darstellt. Dieser Zustand besteht seit dem 1. 1. 1985, während der Versicherungsfall bereits zum 1. 5. 1982 eingetreten ist. Auf Grund des viel geringeren Wirkungsgrades wird das Druckmedium Luft in immer weniger großem Maß verwendet und zur Druckübertragung das Medium Hydraulik eingesetzt. Im Prinzip ist aber die Arbeitsweise eines Presslufthammers mit jener eines Hydraulikhammers nahezu ident. Bei beiden Geräten findet über das jeweilige Druckmedium eine schlagende Druckübertragung auf das Arbeitswerkzeug - üblicherweise ein Meissel - statt. Auf Grund technischer Weiterentwicklung, des höheren Gewichts und der größeren Wirtschaftlichkeit beim Einsatz werden hydraulische Hämmer aber üblicherweise nicht per Hand bedient, sondern sind auf Arbeitsmaschinen (Bagger) montiert. Wie beim Presslufthammer übertragen sich die stoßhaltigen Schwingungsbelastungen vom jeweils verwendeten Hammer nicht nur auf den zu bearbeitenden Untergrund, sondern auch auf den Benutzer, der bei Hydraulikhämmern im Führerhaus des verwendeten Baggers sitzt. Die reflektierten Schwingungskräfte übertragen sich diesfalls über den verwendeten Sitz im Baggerführerhaus auf den Bediener. Von der Verwendungsart, von den entstehenden Schwingungen sowie auch von den zu erwartenden Belastungen her liegen jedoch für den Benutzer ähnliche bis gleichartige Verhältnisse vor, ob nun ein Presslufthammer oder ein auf einem Bagger montierter hydraulischer Hammer benutzt wird. Die vom Kläger im Berufsleben verwendeten Gerätschaften und Maschinen wirken in Relation zu Pressluftwerkzeugen gleichartig.
Starke stoßartige Belastungen musste der Kläger nicht nur bei der Arbeit mit dem Tieflöffel durch das immer wieder eintretende Verhaken des Tieflöffels in immer fester werdendem Material auf sich nehmen, sondern auch beim Betrieb des Baggers mit einem hydraulischen Hammer, wodurch es zu dauernder Ganzkörperschwingungsbelastung und zu Stoßspitzen kam. Unter Berücksichtigung des Umstands, dass der Kläger praktisch täglich über die gesamte Arbeitszeit mit dieser, einer extremen Steinbrucharbeit nahezu gleichzusetzenden Arbeitstätigkeit betraut war, muss davon ausgegangen werden, dass er durch langjährige Einwirkung von Ganzkörperschwingungen gesundheitlich beeinträchtigt wurde. Entscheidende Parameter hiefür sind einerseits die Physis des Menschen, die tägliche und die Gesamtsdauer der Einwirkung der Schwingungen auf den Körper und die Art der verwendeten Arbeitsmaschine. Bei den vom Kläger verwendeten Maschinen ist von Mittelwerten der bewerteten Schwingstärken zwischen 20 und 30 auszugehen. Wenn man diesbezüglich einen Mittelwert der Schwingungsstärke von 25 annimmt, ist eine maximale Expositionsdauer von zwei Stunden noch nicht gesundheitsgefährlich. Beim niedrigeren Wert von 20 wäre die maximale Expositionsdauer etwa drei Stunden, beim höheren Wert von 30 lediglich 1,5 Stunden. Bei der vom Kläger täglich eingehaltenen Normalarbeitszeit von acht Stunden ist an den von ihm betriebenen Arbeitsmaschinen eine Schwingungsbelastung eingetreten, die dauernde, durch diese Arbeitstätigkeit hervorgerufene Körperschädigungen durch Schwingungs- und Stoßbelastungen des Körpers aus technischer Sicht wahrscheinlich macht.
Rechtlich beurteilte das Erstgericht den Sachverhalt dahin, Bagger, die alternierend mit Tieflöffel oder Hydraulikmeissel ausgestattet seien, seien zwar keine Pressluftwerkzeuge. Die vom Kläger verwendeten Maschinen wirkten jedoch gleichartig wie Pressluftwerkzeuge. Die beruflichen Noxen seien eine wesentlich mitwirkende Bedingung für eine richtungsweisende Verschlimmerung der Leiden des Klägers gewesen. Eine Berufskrankheit im Sinn des § 177 Abs 1 ASVG Anlage 1 lfd Nr 20 liege daher vor.
Das Berufungsgericht gab der gegen diese Entscheidung erhobenen Berufung der beklagten Partei Folge und wies das Klagebegehren ab. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichts und führte in seiner rechtlichen Beurteilung aus, die vom Kläger verwendeten Bagger fielen nicht unter den Begriff "gleichartig wirkende Werkzeuge und Maschinen" im § 177 Abs 1 ASVG Anlage 1 lfd Nr 20. Der Oberste Gerichtshof habe in der Entscheidung SZ 61/86 = SSV-NF 2/36 ausgesprochen, dass nicht nur Geräte, bei denen Druckluft und ähnliche Energien zum Antrieb verwendet würden und bei denen der Antrieb in der Längsrichtung in stoßender Form erfolge, sondern auch Vibrationen als Folge einer rotierenden Bewegung, wie etwa bei einer Motorsäge oder auch bei einem Hubschrauber, der Nr 20 der Anlage 1 zum ASVG unterstellt werden könnten. Der Oberste Gerichtshof sage jedoch in späteren Entscheidungen ausdrücklich, aus der Entscheidung SZ 61/86 könne nicht abgeleitet werden, dass auch die durch Erschütterungen beim Fahren mit Baggern, Raupenfahrzeugen, Panzern, Lastkraftwagen oder Geländefahrzeugen hervorgerufenen Erkrankungen, insbesondere der Lendenwirbelsäule, Berufskrankheiten seien. Solche Fahrzeuge seien weder Pressluftwerkzeuge noch gleichartig wirkende Werkzeuge und Maschinen und schon gar keine Anklopfmaschinen. Es sei nicht Aufgabe der Rechtsprechung, Lücken im System der Berufskrankheiten zu schließen. Genau dies habe aber der arbeitsmedizinische Sachverstätndige offenbar insofern versucht, als er aus "arbeitsmedizinischer Sicht" (ebenso wie der technische Sachverständige "aus technischer Sicht") auch Bagger infolge der von ihnen ausgehenden für den Bewegungs- und Stützapparat nachteiligen vertikalen Schwingungen den Pressluftwerkzeugen mit ihren hammerschlagähnlichen hochfrequenten Stößen bzw den von Motorsägen ausgehenden Vibrationen gleichgehalten habe.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache mit dem Antrag, jene im klagestattgebenden Sinn abzuändern.
Die beklagte Partei beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist im Sinne eines in jedem Abänderungsantrag enthaltenen Aufhebungsantrags berechtigt.
Gemäß § 177 Abs 1 ASVG gelten als Berufskrankheiten die in der Anlage 1 zu diesem Bundesgesetz bezeichneten Krankheiten unter den dort angeführten Voraussetzungen, wenn sie durch Ausübung der die Versicherung begründenden Beschäftigung in einem in Spalte 3 der Anlage bezeichneten Unternehmen verursacht sind.
"Erkrankungen durch Erschütterung bei der Arbeit mit Pressluftwerkzeugen und gleichartig wirkenden Werkzeugen und Maschinen (wie zB Motorsägen) sowie durch Arbeit an Anklopfmaschinen" zählen nach lfd Nr 20 der Anlage 1 zum ASVG zu den Berufskrankheiten. Die Geschichte dieser Bestimmung hat der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 10 ObS 43/88 (= SZ 61/86 = SSV-NF 2/36) ausführlich dargestellt, die die Frage zum Gegenstand hatte, ob ein Hubschrauber eine Maschine im Sinn dieser Bestimmung ist (vgl dazu auch 10 ObS 189/88). Aus der Entstehungsgeschichte wurden folgende Grundsätze für die Auslegung der Bestimmung abgeleitet:
- Die Vorschrift ist nicht auf mit der Hand zu führende Pressluftwerkzeuge beschränkt, sondern erfasst auch gleichartig wirkende, auch stationäre Maschinen.
- Es ist nicht notwendig, dass sich die geschützte Person außerhalb der Maschine befindet, von der die Beeinträchtigung ausgeht. Es kommt nur darauf an, dass die Einwirkung auf den Menschen in einer Weise auftritt, die gleichartig wirkt wie die Erschütterung durch ein Pressluftwerkzeug.
- Durch die beispielsweise Erwähnung der Motorsägen, an denen Vibrationen als Folge einer rotierenden Bewegung auftreten, als gleichartig wirkende Maschinen oder Werkzeuge wurde der engen Interpretation der Vorschrift, dass dieser nur Geräte unterstellt werden können, bei denen Druckluft und ähnliche Energien zum Antrieb verwendet werden und der Antrieb in der Längsrichtung in stoßender Form erfolgt, der Boden entzogen. Sie erfasst nicht mehr ausschließlich die Fälle, in denen Erschütterungen durch hammerschlagähnliche Hin- und Herbewegungen mit hoher Frequenz verursacht werden, sondern auch durch rotierende Bewegung hervorgerufene Vibrationen hoher Frequenz.
Davon ausgehend kam der Oberste Gerichtshof in den Entscheidungen 10 ObS 43/88 und 10 ObS 189/88 zu dem Schluss, dass ein Hubschrauber grundsätzlich als Maschine im Sinn der Nr 20 der Anlage 1 zum ASVG zu verstehen sei. Es sei aber (im weiteren Verfahren) zu prüfen, ob die Erschütterungen dabei in einer Form (Intensität und Frequenz der Schwingungen) aufgetreten seien, die die Annahme der Gleichartigkeit mit den in Nr 20 der Anlage 1 zum ASVG genannten Werkzeuge und Maschinen rechtfertige.
In den Entscheidungen 10 ObS 2432/96m (= SSV-NF 11/39) und 10 ObS 34/98t, auf die sich das Berufungsgericht stützte, vertrat der Oberste Gerichtshof die Auffassung, aus der Entscheidung 10 ObS 43/88 könne nicht abgeleitet werden, dass auch die durch Erschütterungen beim Fahren mit Baggern, Raupenfahrzeugen (Panzern), Lastkraftwagen oder Geländefahrzeugen hervorgerufenen oder begünstigten Erkrankungen insbesondere der Lendenwirbelsäule Berufskrankheiten seien. Solche Fahrzeuge seien nach richtiger Auffassung weder Pressluftwerkzeuge noch gleichartig wirkende Werkzeuge und Maschinen (wie zB Motorsägen) und schon gar keine Anklopfmaschinen. Es sei nicht Aufgabe der Rechtsprechung, Lücken im System der Berufskrankheiten zu schließen. Es wäre allenfalls Sache des Gesetzgebers, auch bestimmte Erkrankungen der Wirbelsäule durch (niedrigfrequente) Erschütterungen beim Lenken von bestimmten (Kraft)Fahrzeugen in den Kreis der Berufskrankheiten aufzunehmen.
Zutreffend zeigt der Revisionswerber auf, dass die in den zuletzt genannten Entscheidungen vertretene Auffassung die Abweisung des Klagebegehrens nicht zu tragen vermag, weil ihnen ein anderer Sachverhalt (Fahren mit Baggern etc) zu Grunde liegt. Diese verneinen, dass das Baggerfahren gleichartig wirkt wie die Arbeit mit Pressluftwerkzeugen, weil die Frequenz der dabei auftretenden Erschütterungen nicht derjenigen bei der Arbeit mit Pressluftwerkzeugen vergleichbar ist, und stehen damit nicht im Gegensatz zu den Ausführungen in der Entscheidung 10 ObS 43/88. Im Sinn dieser ist es aber nach den vom Berufungsgericht übernommenen Feststellungen des Erstgerichts zu bejahen, dass die Arbeit mit einem an einem Bagger montierten Hydraulikhammer (-meissel) gleichartig wirkt wie die Arbeit mit einem Pressluftwerkzeug. An der in dieser Entscheidung dargelegten Auslegung der lfd Nr 20 der Anlage 1 zum ASVG ist festzuhalten. Durch die Aufnahme des Tatbestandselements "gleichartig wirkende Werkzeuge und Maschinen" hat der Gesetzgeber bereits grundgelegt, dass die Rechtsvorschrift einer dem technischen Wandel und Fortschritt Rechnung tragenden Auslegung offen ist. Die Norm erfasst daher auch auf Arbeitsmaschinen montierte hydraulisch betriebene Schlagwerkzeuge, die - wie den Feststellungen zu entnehmen ist - auf Grund technischer Weiterentwicklung wegen ihrer handgeführten Pressluftwerkzeugen gegenüber, die der historische Gesetzgeber nach dem damaligen Stand der Technik vor Augen gehabt haben mag, gesteigerten Effizienz und Wirtschaftlichkeit üblicherweise eingesetzt werden, sofern die Auswirkungen bei der Arbeit mit solchen Geräten auf die bedienende Person gleichartig sind, sich die Auswirkungen also nicht wesentlich von jenen eines Pressluftwerkzeugs unterscheiden. Unerheblich ist, dass der Hammer (Meissel) hydraulisch und nicht mit Pressluft angetrieben wird. Hydraulikhämmer (-meissel) sind wie Presslufthämmer schlagende Werkzeuge, deren arbeitende Teile sich geradlinig bewegen. Dass der Hydraulikmeissel nicht mit und in der Hand geführt wird, schließt die Anwendung der Nr 20 der Anlage 1 zum ASVG ebensowenig aus wie, dass die geschützte Person sich im Bagger befindet, von dem im Zusammenwirken mit dem arbeitenden Hydraulikhammer (-meissel) die Beeinträchtigung ausgeht. Schließlich steht - als wesentlich für die Annahme der gleichartigen Wirkung - fest, dass für den Benutzer bei der Arbeit mit auf einem Bagger montiertem, hydraulisch betriebenem schlagendem Werkzeug von den dabei auftretenden Schwingungen und Belastungen her ähnliche bis gleichartige Verhältnisse wie bei der Arbeit mit Pressluftwerkzeugen vorliegen.
Die Sache ist aber nicht entscheidungsreif. Die in der gesetzlichen Unfallversicherung geltende besondere Kausalitätstheorie der wesentlichen Bedingung ist sowohl auf Arbeitsunfälle als auch auf Berufskrankheiten anzuwenden. Nach dieser Theorie ist als Ursache unter Abwägung ihres Werts im Verhältnis zu mitwirkenden Ursachen nur die Bedingung anzusehen, die wegen ihrer besonderen Bedeutung für den Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen hat. Bei der Verursachung durch mehrere Ereignisse ist Kausalität zu bejahen, wenn eines davon den Kausalverlauf wesentlich mitbeeinflusst hat und der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist. Tritt eine Ursache gegenüber der anderen erheblich in den Hintergrund, fehlt die Kausalität. Die Rechtsprechung bezeichnet als wesentlich nur jene Bedingungen, ohne deren Mitwirkung der Erfolg zu einem erheblich anderen Zeitpunkt oder nur in einem geringeren Umfang eingetreten wäre. Da für den als Anspruchsvoraussetzung erforderlichen Ursachenzusammenhang eine wesentliche Mitwirkung genügt, müssen die schädigenden Einwirkungen und als deren Folge die Erkrankung nicht allein durch die Beschäftigung im Unternehmen verursacht worden sein; auch außerberufliche Einflüsse können mitgewirkt haben, doch muss die versicherte Beschäftigung eine wesentliche Mitursache sein (SSV-NF 8/66 mwN; RIS-Justiz RS0084290). Das Erstgericht stellte einerseits fest, dass die bestehenden Wirbelsäulenleiden des Klägers anlagebedingt sind, andererseits, dass die Arbeit des Klägers mit einem Bagger, der mit einem Hydraulikhammer ausgestattet ist, einen wesentlich mitwirkenden Faktor an der überwiegend anlagebedingten Entstehung des Bandscheibenleidens darstellt. Schon dieser Widerspruch muss zur Aufhebung führen, weil nicht eindeutig feststeht, dass die Erkrankung ursächlich auf die Erschütterungen bei der Arbeit mit einem auf einem Bagger montierten Hydraulikhammer zurückzuführen ist. Hinzu kommt, dass das Erstgericht auch die Arbeit mit dem auf dem Bagger montierten Tieflöffel als mitwirkende Ursache angenommen hat. Ob diese Arbeit gleichartig wie die Arbeit mit einem Pressluftwerkzeug wirkt, lässt sich auf Grund der Feststellungen der Vorinstanzen jedoch nicht abschließend beurteilen. Festgestellt ist hiezu nur, dass dabei immer wieder starke stoßartige Belastungen auftreten. Dies reicht jedoch nicht aus. Es kommt auch darauf an, ob dabei die für automatisch wirkenden Pressluftwerkzeuge typischen rythmischen Rückstoßerschütterungen und die Pressluftwerkzeuge kennzeichnenden schnellen Vibrationen (vgl Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung II 58. Nachtrag 491 c II) vorhanden sind. Dazu fehlen aber Feststellungen.
Da es offenbar einer Verhandlung in erster Instanz bedarf, um die Sache spruchreif zu machen, waren die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben und die Streitsache an das Erstgericht zurückzuverweisen. Im fortgesetzten Verfahren wird bei einer Bejahung des Anspruchs auf Versehrtenrente zu beachten sein, dass, wenn innerhalb von zwei Jahren nach Eintritt des Versicherungsfalls weder der Anspruch von Amts wegen festgestellt noch ein Antrag auf Feststellung des Anspruchs gestellt wurde, Leistungen aus der Unfallversicherung erst mit dem Tag der späteren Antragstellung bzw mit dem Tag der Einleitung des Verfahrens, das zur Feststellung des Anspruchs führt, anfallen (§ 86 Abs 4 Satz 1 ASVG).
Ferner wird darauf Bedacht zu nehmen sein, dass das Feststellungsbegehren durch die Möglichkeit eines Leistungsbegehrens ausgeschlossen wird, sofern durch den Leistungsanspruch auch der Feststellungsanspruch erschöpft wird, weil dann mit dem Leistungsbegehren das strittige Rechtsverhältnis endgültig bereinigt wird. Unter diesem Gesichtspunkt fehlt auch einem nach § 65 Abs 2 ASGG gestellten Feststellungsbegehren das erforderliche Feststellungsinteresse (SSV-NF 8/81 mwN). Allerdings schließt gemäß § 82 Abs 5 ASGG ein auf einen Arbeitsunfall oder eine Berufskrankheit gestütztes Leistungsbegehren das Eventualbegehren auf Feststellung ein, dass die geltend gemachte Gesundheitsstörung Folge eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit ist, sofern darüber nicht schon abgesprochen worden ist. In diesem Sinn ist das Feststellungsbegehren des Klägers als (unrichtig formuliertes) Eventualbegehren aufzufassen, über das allerdings erst nach Entscheidung über das auf Leistung der Versehrtenrente gerichtete Hauptbegehren abgesprochen werden kann (SSV-NF 8/81). Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.
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