OGH 2Ob286/02a

OGH2Ob286/02a12.6.2003

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ralf M*, vertreten durch Dr. Helmut Valenta und Dr. Gerhard Gfrerer, Rechtsanwälte in Linz, gegen die beklagten Parteien 1. Herbert E*, 2. S* GesmbH, * und 3. I* Versicherung AG, * wegen EUR 4.842,01, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Wels als Berufungsgericht vom 29. April 2002, GZ 21 R 108/02k‑14, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Bezirksgerichtes Wels vom 29. Dezember 2001, GZ 5 C 258/01m‑8, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2003:E69959

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Der Revision der klagenden Partei wird Folge gegeben.

Die Entscheidung des Berufungsgerichtes wird dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 670,40 (darin enthalten EUR 111,73 USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens sowie die mit EUR 528,90 (darin enthalten EUR 182,90 Barauslagen und EUR 57,52 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

 

Am 28. 9. 2000 ereignete sich gegen 0.40 Uhr auf der Autobahn A 25 bei km 16,985 ein Verkehrsunfall, an welchem der Kläger mit einem Klein‑LKW sowie der Erstbeklagte mit dem von der zweitbeklagten Partei gehaltenen und bei der drittbeklagten Partei haftpflichtversicherten Sattelfahrzeug samt Sattelanhänger beteiligt waren.

Der Kläger begehrt unter Einräumung eines Mitverschuldens von einem Drittel zuletzt Zuspruch von S 66.627,59. Er sei auf dem rechten Fahrstreifen der Autobahn Richtung Suben gefahren, während der Erstbeklagte vom Beschleunigungsstreifen der Autobahnauffahrt unter Missachtung des Vorranges des Klägers einen Spurwechsel auf den rechten Fahrstreifen der Autobahn durchgeführt habe. Durch den nicht angezeigten und somit unvorhersehbaren und raschen Spurwechsel sei der Kläger auf den Sattelzug aufgefahren.

Die beklagten Parteien beantragten die Abweisung des Klagebegehrens. Der Erstbeklagte habe den Beschleunigungsstreifen bereits zur Gänze verlassen und sich auf dem rechten Fahrstreifen der Autobahn befunden, als der Kläger auf das Heck des Sattelzuges aufgefahren sei. Zwischen Beginn des Wechsels von der Beschleunigungsspur auf den rechten Fahrstreifen und dem Auffahrunfall sei eine Zeitspanne gelegen, in der es dem Kläger bei gehöriger Aufmerksamkeit möglich gewesen wäre, entweder durch eine entsprechende Anpassung seiner Fahrgeschwindigkeit oder auf Grund der völlig freien Überholspur durch Wechsel auf diese den Auffahrunfall zu vermeiden. Am Klein‑LKW des Klägers sei das rechte vordere Abblendlicht defekt gewesen; dennoch sei eine Geschwindigkeit von über 100 km/h eingehalten worden. Kompensando wurde eine Gegenforderung von S 38.276,70 eingewendet.

Das Erstgericht erkannte das Klagebegehren zur Gänze zu Recht, die Gegenforderung mit S 12.758,90 und verpflichtete die beklagten Parteien zur Zahlung von S 53.868,69.

Es ging von nachstehenden Feststellungen aus:

Vom Ausfahren von der B 137 auf die Autobahnauffahrt bis zum Erreichen des Beginnes der Auffahrt auf die Autobahn selbst, also beim Ende der hier vorhandenen Sperrlinie, liegt eine Wegstrecke von 300 m. Weitere 200 m später folgt Straßenkilometer 17. Der Beschleunigungsstreifen verengt sich in diesem Bereich bereits und endet 47,5 m nach Straßenkilometer 17. Der Erstbeklagte hatte knapp 600 m von der Endlage des Fahrzeuges entfernt im Bereich des Verlassens der B 137 die geringste Geschwindigkeit und beschleunigte im Zuge des Ausfahrens leicht. 300 m später und damit in dem Bereich, in dem das Fahrzeug auf Grund der Örtlichkeit begonnen haben kann (= Ende der Sperrlinie), auf die Autobahn aufzufahren, war eine Geschwindigkeit von 53 km/h erreicht. Der Erstbeklagte hat dann in einem Bereich, wo der Beginn des Überschreitens der Fluchtlinie (offensichtlich Sperrlinie) grundsätzlich möglich ist, das Fahrzeug auf eine Geschwindigkeit von über 63 km/h beschleunigt. Hier endete die Beschleunigung etwa in dem Bereich von 220 m zur späteren Endlage des Fahrzeuges. Kurzzeitig, nämlich über eine Zeit von zwei Sekunden, wurde die Geschwindigkeit annähernd gleichbleibend beibehalten. In der Folge ist nach einer starken Bremsung der LKW ca 102,5 m nach dem Straßenkilometer 17 zum Stillstand gekommen. Der Kläger, der den rechten Fahrstreifen der Autobahn benützte, fuhr mit einer Überdeckung von etwa 40 % auf das Vorderfahrzeug auf, und zwar auf den Unterfahrschutz des Sattelauflegers. Durch den Anstoß, der mit einer Differenzgeschwindigkeit von gut 40 km/h stattgefunden hatte, kam es zu einer Verdrehung des Fahrzeuges, das Heck schwenkte nach links aus und kippte in der Folge auf die linke Seite um. Der Anstoß selbst war spätestens 65 m vor dem Straßenkilometer 17 und lag somit maximal 135 m vom möglichen Beginn der Auffahrtsspur auf die Autobahn. Wäre der LKW tatsächlich unmittelbar nach dem Ende der Sperrlinie bereits auf die Autobahn gefahren, hätte er 135 m in einem Bereich von 8 bis 8,5 Sekunden vor dem Unfall auf der Autobahn am rechten Fahrstreifen fahrend zurückgelegt. Tatsächlich war die Einfahrbewegung des Sattelzuges, der mit einer durchschnittlichen Geschwindigkeit von ca 60 km/h zunächst auf dem Beschleunigungsstreifen fuhr, für den Kläger, der sich auf dem rechten Fahrstreifen näherte, nur ca zwei Sekunden erkennbar. Der Kläger reagierte zwei Sekunden vor dem späteren Anstoß auf das Ausfahren des Sattelzuges aus der Beschleunigungsspur. Der Kläger hielt zunächst eine Ausgangsgeschwindigkeit von ca 125 km/h ein und bremste sein Fahrzeug auf ca 105 km/h ab, mit welcher Geschwindigkeit der Aufprall auf den Sattelzug erfolgte. Am Fahrzeug des Klägers funktionierte nur der linke Scheinwerfer, nicht jedoch der rechte. Auch dieses ungenügend beleuchtete Fahrzeug des Klägers wäre für den Erstbeklagten im Außenspiegel links erkennbar gewesen. Für den Erstbeklagten konnte der Eindruck entstehen, dass sich allenfalls ein einspuriges Fahrzeug annähere. Zum Zeitpunkt des Einfahrens in die Autobahn war das Fahrzeug des Klägers nur noch 30 m hinter dem Sattelzug. Der Kläger fuhr mit Abblendlicht; für ein Fahren auf Sicht wäre eine Geschwindigkeit von 60 bis 65 km/h erforderlich gewesen, dies umso mehr, wenn nur das linke Scheinwerferlicht funktionierte und die asymmetrische Funktion fehlte. Bei einer Ausgangsgeschwindigkeit des Fahrzeuges des Klägers von 60 bis 70 km/h hätte sich eine nahezu gleiche Geschwindigkeit des LKWs beim Auffahren auf die Autobahn ergeben und eine Unfallverhinderung wäre damit selbst ohne heftiges Bremsen durch Gasweggehen möglich gewesen. Der Sattelzug war beleuchtet und dadurch erkennbar, als er in die Autobahn einfuhr. Der beleuchtete Sattelzug war auf mehrere 100 m erkennbar.

Rechtlich erörterte das Erstgericht, dass das Verschulden des Erstbeklagten überwiege, weil sein Verhalten unfallsauslösend gewesen sei und die Vorrangverletzung schwerer wiege. Dem Kläger sei vorzuwerfen, dass er mit defektem Abblendlicht unterwegs gewesen sei, weshalb der vom Kläger gelenkte LKW nicht sofort als PKW erkennbar gewesen sei, welchem Fehlverhalten durch Einräumung eines Mitverschuldens von einem Drittel Rechnung getragen worden sei. Nicht als Fehlverhalten sei dem Kläger anzurechnen, dass er das Gebot des Fahrens auf Sicht nicht eingehalten habe. Zwar sei grundsätzlich auch auf Autobahnen in der Nacht auf Sicht zu fahren, doch werde dieses Gebot bei Verwendung des Abblendlichtes auf Autobahnen nicht verletzt, wenn die Fahrbahn durch entgegenkommende oder vorausfahrende Fahrzeuge ausgeleuchtet werde. Die Einhaltung einer über die Sichtmöglichkeit bei Abblendlicht liegenden Geschwindigkeit stehe auch dann in keinem Rechtswidrigkeitszusammenhang zum Unfall, wenn die beiden beteiligten Fahrzeuglenker einander auf Grund der eingeschalteten Fahrzeugbeleuchtung ohnedies von weitem sehen hätten können. Da der Sattelzug der beklagten Parteien auf mehrere 100 m erkannt werden konnte, komme der Beleuchtung am Fahrzeug des Klägers nur untergeordnete Bedeutung zu.

Das von den beklagten Parteien angerufene Berufungsgericht gab deren Berufung teilweise Folge und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei.

Es verpflichtete die beklagten Parteien ‑ ausgehend von einem gleichteiligen Verschulden der beiden Lenker ‑ zur Zahlung von EUR 2.323,76, wobei es die Klageforderung mit EUR 3.714,60 und die Gegenforderung im Betrag von EUR 1.390,84 berechtigt erkannte.

Ausgehend von den Feststellungen des Erstgerichtes teilte es zunächst dessen Rechtsmeinung, dass dem Erstbeklagten durch Einfahren aus einem Beschleunigungsstreifen auf den rechten Fahrstreifen ohne Beachtung des Verkehrs auf der Autobahn in seiner tatsächlichen Gestaltung eine Vorrangverletzung vorzuwerfen sei. Dem Kläger sei auch nicht vorzuwerfen, dass er nicht sofort auf den auf dem Beschleunigungsstreifen befindlichen Sattelzug reagiert habe. Der Kläger habe erst zu jenem Zeitpunkt auf den Sattelzug reagieren müssen, als dieser aus dem Beschleunigungsstreifen auf den rechten Fahrstreifen der Autobahn aufgefahren sei. Dem Kläger sei aber vorzuwerfen, dass er gegen Beleuchtungsvorschriften verstoßen habe, weil er mit einem defekten Abblendlicht gefahren sei und auf diese Weise den Eindruck erweckt habe, es nähere sich ein einspuriges Fahrzeug. Den Bestimmungen über die ordnungsgemäße Beleuchtung von Fahrzeugen komme für die Verkehrssicherheit besondere Bedeutung zu; ein Verstoß gegen die Beleuchtungsvorschriften sei bei Nachtfahrten überaus gefahrenträchtig, weil jeder Straßenbenützer darauf vertrauen dürfe, dass andere Straßenbenützer die maßgeblichen Rechtsvorschriften über die ordnungsgemäße Beleuchtung des Fahrzeuges einhielten. Der Verstoß des Klägers gegen die Beleuchtungsvorschriften der StVO sei auch hier von dessen Schutzzweck umfasst, weil die Beleuchtung nicht nur dem Lenker die Wahrnehmung von Hindernissen ermögliche, sondern sein Fahrzeug auch den anderen Verkehrsteilnehmern erkennbar machen solle. Dies sei hier nicht der Fall gewesen, weil lediglich der linke Scheinwerfer am Klein‑LKW funktioniert habe und dieses somit den Eindruck erweckt habe, es nähere sich ein einspuriges und kein mehrspuriges Fahrzeug. Bei dieser Fallkonstellation könne ein vom Beschleunigungsstreifen in den rechten Fahrstreifen der Autobahn einfahrender Fahrzeuglenker davon ausgehen, es nähere sich ein nahe dem linken Fahrstreifen sich fortbewegendes Motorrad, weshalb er auf Grund des vorhandenen Freiraumes auf den rechten Fahrstreifen mit einem Spurwechsel beginnen könne, ohne in Wirklichkeit ein 1,8 bis 2 m breites Kraftfahrzeug mit diesem Vorgang zu behindern. Fraglich sei, ob dem Kläger auch ein Verstoß gegen § 20 Abs 1 StVO anzulasten sei. Der aus dieser Schutznorm zur Vorbeugung aller auf überhöhter Geschwindigkeit beruhenden Gefahren abgeleitete Grundsatz des Fahrens auf Sicht bedeute, dass ein Fahrzeuglenker seine Fahrgeschwindigkeit so zu wählen habe, dass er sein Fahrzeug beim Auftauchen eines Hindernisses rechtzeitig zum Stehen bringen und zumindest das Hindernis umfahren könne. Jeder Kraftfahrer müsse daher eine Fahrweise so gestalten, dass der Weg des abzubremsenden Fahrzeuges in der Zeit vom Erkennen eines Hindernisses auf der Fahrbahn bis zum völligen Stillstand des Fahrzeuges nie länger sei, als die durch ihn eingesehene Strecke. Bei Dunkelheit werde das Gebot des Fahrens auf Sicht dann nicht verletzt, wenn die Fahrbahn durch vorausfahrende und entgegenkommende Fahrzeuge entsprechend ausgehellt werde. Diese Verhaltensregeln gälten auch uneingeschränkt auf Autobahnen. Hier habe aber der Kläger nicht auf ein unvermutet innerhalb der ausgeleuchteten Straße auftauchendes Hindernis reagieren müssen bzw ein Hindernis nur durch das eingeschaltete Abblendlicht verspätet wahrgenommen, weshalb nicht entscheidend sei, ob die Fahrbahn durch vorausfahrende oder entgegenkommende Fahrzeuge entsprechend ausgehellt gewesen sei.

Es sei zwar bereits ausgesprochen worden (ZVR 1983/2), dass die Einhaltung einer über die Sichtmöglichkeit bei Abblendlicht liegenden Geschwindigkeit in keinem Rechtswidrigkeitszusammenhang zum Unfall stehe, wenn die beteiligten Fahrzeuglenker einander auf Grund der eingeschalteten Fahrzeugbeleuchtung ohnedies von weitem sehen hätten können und sich daher eine allenfalls durch Abblendlicht bedingte kürzere Sichtstrecke auf die gegenseitige Erkennbarkeit einander begegnender Fahrzeuge nicht auswirke. Hier sei zwar die entsprechende Ausleuchtung der Fahrbahn durch Abblendlicht nicht unfallauslösend gewesen, doch solle nach der Schutznorm des § 20 Abs 1 StVO allen Gefahren des Straßenverkehrs vorgebeugt werden, die eine überhöhte Geschwindigkeit mit sich bringe. Zu jener Gefahr, die durch Einhaltung überhöhter Geschwindigkeit herbeigeführt werden könne, gehöre auch die Gefahr erschwerter bzw nicht rechtzeitiger Reaktionsmöglichkeit auf das Verhalten anderer Verkehrsteilnehmer. Hier sei zu berücksichtigen, dass bei einer Annäherungsgeschwindigkeit von 60 bis 70 km/h eine Unfallverhinderung ohne heftiges Bremsen möglich gewesen wäre bzw sich der Unfall sogar ohne jegliche Reaktionshandlung des Klägers nicht ereignet hätte. Darüber hinaus gebe das eingeschaltete Abblendlicht zur Erwartung Anlass, dass sich das betreffende Fahrzeug mit entsprechend angepasster Geschwindigkeit nähere. Hier habe der Erstbeklagte davon ausgehen können, dass sich der Kläger entsprechend seiner Fahrzeugbeleuchtung nur mit einer angepassten Geschwindigkeit von 60 bis 65 km/h nähere und er bei einer dem Abblendlicht entsprechend angepassten Geschwindigkeit des PKWs noch unfallfrei in den rechten Fahrstreifen der Autobahn einfahren könne. Dem Kläger sei daher ‑ zusammengefasst ‑ auch die Einhaltung einer nicht dem Gebot des Fahrens auf Sicht entsprechenden Fahrgeschwindigkeit als unfallkausaler Sorgfaltsverstoß anzulasten und bei Gewichtung des Mitverschuldens zu berücksichtigen. Im Hinblick darauf, dass sowohl der Kläger als auch der Erstbeklagte gegen fundamentale Vorschriften des Straßenverkehrs verstoßen hätten, erscheine die Annahme eines gleichteiligen Verschuldens sachgerecht zu sein.

Die ordentliche Revision sei zulässig, weil zu einem annähernd gleichgelagerten Sachverhalt nur eine höchstgerichtliche Entscheidung vorliege (ZVR 1983/2), die den hier vom Berufungsgericht bejahten Rechtswidrigkeitszusammenhang zwischen dem Unfallsgeschehen und dem Verstoß gegen § 20 Abs 1 StVO verneine.

Der Kläger beantragt in seiner Revision die Wiederherstellung des Ersturteiles.

Die beklagten Parteien beantragen, der Revision nicht Folge zu geben.

Der Kläger macht in seinem Rechtsmittel ‑ zusammengefasst ‑ geltend, die Einhaltung einer Annäherungsgeschwindigkeit von etwa 125 km/h bei eingeschaltetem Abblendlicht stehe in keinem Rechtswidrigkeitszusammenhang zum Gebot des § 20 StVO, weil der von ihm gelenkte Klein‑LKW bereits auf größere Entfernung wahrnehmbar gewesen sei und er sich jedenfalls nicht mit einer absolut überhöhten Geschwindigkeit der späteren Unfallstelle genähert habe.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig und berechtigt.

Dass den Erstbeklagten am Zustandekommen des Verkehrsunfalls ein Verschulden trifft, weil er vom Beschleunigungsstreifen einer Autobahnauffahrt auf den rechten Fahrstreifen gefahren ist, als sich der Kläger nur noch 30 m hinter ihm befand, ist nicht mehr strittig. Danach hat der Erstbeklagte gravierend den Vorrang des Klägers, der im Übrigen über die ganze Straßenbreite zu wahren gewesen wäre, verletzt. In diesem Zusammenhang kann aber dem Argument des Berufungsgerichtes nicht beigetreten werden, der Erstbeklagte habe auf Grund der nur einseitig funktionierenden Beleuchtung des klägerischen Klein‑LKWs annehmen können, es nähere sich ein einspuriges Fahrzeug, weshalb er auf Grund des vorhandenen Freiraumes mit dem Fahrstreifenwechsel beginnen habe dürfen. Auch in diesem Fall hätte er den Vorrang eines einspurigen Fahrzeuges wahren müssen und nicht mit dem Einfahrmanöver beginnen dürfen. Der Erstbeklagte hätte im Übrigen den Verkehr in seiner tatsächlichen Gestaltung beachten müssen, um den Vorrang zu wahren (RIS‑Justiz RS0073337; zuletzt 2 Ob 226/98v).

Zu prüfen ist weiters, ob den Kläger ein höheres als vom Erstgericht angenommenes Mitverschulden trifft.

Das Erstgericht hat sich in diesem Zusammenhang auf die Entscheidung ZVR 1983/2 berufen, in welcher im Leitsatz festgehalten wurde, dass die Einhaltung einer über der Sichtmöglichkeit bei Abblendlicht liegenden Geschwindigkeit in keinem Rechtswidrigkeitszusammenhang zu dem Unfall stehe, wenn die beteiligten Fahrzeuglenker einander auf Grund der eingeschalteten Fahrzeugbeleuchtung ohnedies bereits von weitem sehen hätten können. An dieser bereits vor der genannten Entscheidung bestehenden Rechtsprechung (ZVR 1978/314) wurde bis zuletzt festgehalten (2 Ob 162/01i). Der erkennende Senat vertritt weiterhin die Ansicht, dass es jedenfalls an einem Rechtswidrigkeitszusammenhang zwischen der Verletzung des Gebotes des Fahrens auf Sicht und dem auf Grund einer Vorrangverletzung herbeigeführten Unfall mangelt, wenn die beteiligten Unfalllenker einander bereits auf weite Entfernung (wie hier) wahrnehmen konnten und trotz Erkennbarkeit des bevorrangten Verkehrs dessen Vorrang missachtet wird. Dies bedeutet aber selbstverständlich, dass die Einhaltung einer überhöhten Geschwindigkeit bei Verwendung von Abblendlicht dem Lenker schuldbegründend dann vorzuwerfen ist, wenn er deshalb vor einem auf der Fahrbahn liegenden Hindernis nicht rechtzeitig anhalten oder ausweichen kann. Hier ist aber im Lichte der ständigen Rechtsprechung der Rechtswidrigkeitszusammenhang zu verneinen.

Der Verletzung der Beleuchtungsvorschriften wurde schon vom Kläger durch Einräumung eines Mitverschuldens von einem Drittel ausreichend Rechnung getragen. Daher war das Urteil des Erstgerichts wieder herzustellen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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