OGH 13Os56/03

OGH13Os56/034.6.2003

Der Oberste Gerichtshof hat am 4. Juni 2003 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Brustbauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rouschal, Dr. Ratz, Dr. Schroll und Dr. Kirchbacher als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Reichel als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Alfred H***** wegen des Verbrechens der versuchten schweren Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerden und Berufungen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Steyr als Schöffengericht vom 29. Jänner 2003, GZ 11 Hv 40/02s-8, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin des Generalprokurators, Generalanwältin Dr. Sperker, des Verteidigers Dr. Peter Ponschab und des Angeklagten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

I. Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten wird verworfen.

II. Der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in der rechtlichen Unterstellung der dem Schuldspruch Punkt 1 zugrundeliegenden Tat und demzufolge auch im Strafausspruch aufgehoben und in diesem Umfang in der Sache selbst erkannt:

Alfred H***** hat durch die im Urteilsspruch unter Punkt 1 genannte Tat das Vergehen der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1 StGB begangen.

Er wird hiefür unter Anwendung der §§ 28 Abs 1 und 43a Abs 2 StGB nach § 106 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten und einer Geldstrafe von 240 Tagessätzen, für den Fall der Uneinbringlichkeit zu einer Ersatzfreiheitsstrafe von 120 Tagen, verurteilt.

Der Tagessatz wird mit 10 Euro festgesetzt.

Die Freiheitsstrafe wird für eine Probezeit von drei Jahren bedingt

nachgesehen.

III. Mit ihren Berufungen werden der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen.

IV. Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Alfred H***** - im Unterschied zur Beurteilung als Vergehen der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1 StGB in der Anklageschrift - des Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB (1) und des Verbrechens der versuchten schweren Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB (2) schuldig erkannt. Danach hat er in der Nacht zum 6. Juli 2002 in Kronstorf Monika G*****

(zu 1.) mit Gewalt zur Duldung einer Handlung genötigt, indem er sie auf die in ihrer Gartenhütte befindliche Couch drängte, sich auf sie setzte und die sich Wehrende zeitweise mit einer Hand fixierte, mit der anderen Hand onanierte und ihr sodann das Ejakulat ins Gesicht und auf den Oberkörper spritzte;

(zu 2.) durch gefährliche Drohung mit dem Tod zu einer Unterlassung, und zwar zur Abstandnahme der Bekanntgabe der zu 1. geschilderten Tathandlung zu nötigen versucht, indem er ihr gegenüber, als sie die Gartenhütte verlassen wollte, äußerte, nichts zu sagen, sonst werde er sie umbringen, wobei die Tatvollendung infolge der Weigerung der Monika G***** und ihrer Anzeigeerstattung unterblieb. Dieses Urteil bekämpfen der Angeklagte aus Z 5 und 9 lit a und die Staatsanwaltschaft aus Z 10 des § 281 Abs 1 StPO mit Nichtigkeitsbeschwerden.

Nur jene der Staatsanwaltschaft ist berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen der vom Angeklagten vorgebrachten Behauptung einer Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) der Begründung der Feststellungen zum Schuldspruch Punkt 1 wurde seine Aussage, das Geständnis bei der Gendarmerie zur Vermeidung der Untersuchungshaft abgelegt zu haben, im Urteil berücksichtigt (US 5). Mit dem Vorbringen, das Erstgericht habe „nicht von Amts wegen die erhebenden Gendarmeriebeamten als Zeugen dazu einvernommen, wie es nun tatsächlich zu dem Geständnis des Angeklagten gekommen sei", obwohl es zur Erforschung der materiellen Wahrheit verpflichtet sei, wird weder der herangezogene Nichtigkeitsgrund der Z 5 noch ein anderer geltend gemacht.

In der Rechtsrüge (Z 9 lit a) lässt die Punkt 2 des Schuldspruchs betreffende Ansicht, zur Beantwortung der Frage nach der Besorgniseignung der vom Angeklagten ausgesprochenen Drohung sei die Feststellung einer „Absicht der Verwirklichung des angedrohten Übels" erforderlich, eine Ableitung aus dem Gesetz vermissen (vgl Jerabek in WK² § 74 Rz 23, 34).

Inwiefern "Erklärungen dafür" vermisst werden, "weshalb der Angeklagte mit seiner Drohung zugewartet hat", und aus welchen Erwägungen "diesbezüglich" eine im Rahmen der Rechtsrüge behauptete "mangelnde Begründung" durch das Erstgericht vorliegen soll, lässt die Beschwerde entgegen dem Gebot deutlicher und bestimmter Bezeichnung angeblich Nichtigkeit bewirkender Umstände (§§ 285 Abs 1, 285a Z 2 StPO) nicht erkennen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten war daher zu verwerfen. Die Staatsanwaltschaft rügt hingegen zu Recht (Z 10), dass nach den zu Punkt 1 getroffenen Feststellungen, zu deren Verdeutlichung das Tatsachenreferat im Erkenntnis (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) herangezogen werden kann (Ratz, WKStPO § 281 Rz 584), nicht das Vergehen der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB, sondern das - dazu speziellere - Vergehen der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1 StGB verwirklicht wurde. Eine Qualifikationsverwirklichung nach § 202 Abs 2 StGB wird von der Staatsanwaltschaft nicht geltend gemacht. Der Begriff der geschlechtlichen Handlung umfasst jede nach ihrem äußeren Erscheinungsbild sexualbezogene Handlung, die sowohl nach ihrer Bedeutung als auch nach ihrer Intensität und Dauer von einiger Erheblichkeit ist und damit eine unzumutbare, sozialstörende Rechtsgutbeeinträchtigung im Intimbereich darstellt. Dafür ist keineswegs ein entsprechender Körperkontakt zwischen Täter und Opfer erforderlich (14 Os 139/98, 15 Os 21/00).

Der Angeklagte hat demnach das Opfer, indem er es laut Urteilssachverhalt niederdrückte und mit Körperkraft fixierte, während er bis zum Samenerguss onanierte und ihm das Ejakulat ins Gesicht und auf den Oberkörper spritzte, es solcherart in den Sexualakt einbezog, mit Gewalt zur Duldung einer geschlechtlichen Handlung genötigt (14 Os 169/93; vgl dagegen Mayerhofer StGB5 § 202 E 27). Er war daher nach Aufhebung des beanstandeten Schuldspruches im Sinn der Beschwerde der Staatsanwaltschaft des Vergehens der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1 StGB schuldig zu erkennen (§ 288 Abs 3 Z 3 StPO).

Bei der dadurch erforderlichen Neubemessung der Strafe innerhalb des von § 106 Abs 1 StGB gegebenen Rahmens war zu berücksichtigen, dass die Taten ersichtlich in nicht unbeträchtlichem Maß auf eine gegenüber rechtlich geschützten Werten ablehnende Einstellung des Angeklagten zurückgehen (§ 32 Abs 2 StGB). Als erschwerend fiel die Begehung mehrerer strafbarer Handlungen ins Gewicht, als mildernd dagegen außer dem bei der Gendarmerie abgelegten reumütigen Geständnis der Umstand, dass der Angeklagte bisher einen ordentlichen Lebenswandel geführt hat und die Taten mit seinem sonstigen Verhalten in auffallendem Widerspruch stehen.

Nach § 43a Abs 2 StGB konnte an Stelle eines Teils der Freiheitsstrafe auf eine Geldstrafe von 240 Tagessätzen erkannt und der verbleibende Teil der Freiheitsstrafe unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen werden, weil angesichts der bisherigen Unbescholtenheit des Angeklagten die Zahlung einer erheblichen Geldstrafe und die Androhung einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten eine sowohl spezial- als auch generalpräventiv ausreichende Wirkung entfalten. Die Höhe des Tagessatzes errechnete sich aus der Einkommenssituation des Angeklagten, bei der die Sorgepflicht für seine Tochter zu berücksichtigen war.

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