OGH 14Os139/98

OGH14Os139/9815.12.1998

Der Oberste Gerichtshof hat am 15. Dezember 1998 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Massauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer, Dr. Holzweber, Dr. Ratz und Dr. Philipp als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Schmidt als Schriftführer, in der Strafsache gegen Herbert Michael E***** wegen des Verbrechens der versuchten Unzucht mit Unmündigen nach §§ 15, 207 Abs 1 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 14. Juli 1998, GZ 9 b Vr 1980/98-13, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Schroll, des Angeklagten und seines Verteidigers Mag. Nemec zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung der Staatsanwaltschaft wird Folge gegeben, der erstinstanzliche Strafausspruch aufgehoben und über den Angeklagten eine Freiheitsstrafe von 12 (zwölf) Monaten verhängt, wovon gemäß § 43a Abs 3 StPO ein Teil von 8 (acht) Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wird.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Herbert Michael E***** des Vergehens der versuchten geschlechtlichen Nötigung nach §§ 15, 202 Abs 1 StGB (I/1 und 2) und des Verbrechens der versuchten Unzucht mit Unmündigen nach §§ 15, 207 Abs 1 StGB (II/1 und 2) schuldig erkannt.

Danach hat er in Wien

I. außer den Fällen des § 201 StGB eine Person durch gefährliche Drohung fernmündlich zur Vornahme einer geschlechtlichen Handlung zu nötigen versucht, und zwar

(1) seit ca 1994 bis ca Jänner 1998 in zehn Angriffen fünf unbekannte Frauen sowie fünf unmündige Mädchen dazu, sich zu entkleiden und am Geschlechtsteil zu massieren, indem er unter der Behauptung, ein Familienmitglied in seiner Gewalt zu haben, drohte, daß sonst etwas Schlimmes passieren würde;

(2) am 17. Feber 1998 die am 26. März 1989 geborene unmündige Angela K***** dazu, sich ihre Strumpfhose auszuziehen, ihren Geschlechtsteil zu massieren und ihm zu beschreiben, was sie dabei spüre, sowie an den Fingern zu riechen und ihm mitzuteilen, wie dies rieche, wobei er unter der Behauptung, ihre Mutter in der Gewalt zu haben, drohte, daß sonst etwas Schlimmes passieren würde;

II. um sich geschlechtlich zu erregen oder zu befriedigen, eine unmündige Person zur Vornahme einer unzüchtigen Handlung an sich selbst zu verleiten versucht, und zwar

(1) fünf unbekannt gebliebene weibliche Personen unter 14 Jahren zu den unter Punkt I/1 beschriebenen Handlungen;

(2) am 17. Feber 1998 die unter Punkt I/2 angeführte unmündige Angela K***** zu den dort beschriebenen Handlungen.

Der Angeklagte bekämpft mit seiner auf den Nichtigkeitsgrund der Z 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde nur den Schuldspruch wegen versuchter geschlechtlicher Nötigung nach §§ 15, 202 Abs 1 StGB und strebt an dessen Stelle eine Beurteilung der jeweiligen Taten als versuchte Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1 StGB an. Dabei argumentiert er, daß eine geschlechtliche Handlung in der Bedeutung des § 202 Abs 1 StGB einen sexualbezogenen Berührungskontakt zwischen Täter und Opfer voraussetzte, wogegen die im vorliegenden Fall von den Opfern geforderten Handlungen diesem Erfordernis nicht entsprochen hätten.

Rechtliche Beurteilung

Die Rechtsrüge versagt.

Unter einer geschlechtlichen Handlung ist im gegebenen Zusammenhang jede nach ihrem äußeren Erscheinungsbild sexualbezogene Handlung zu verstehen, die sowohl nach ihrer Bedeutung als auch nach ihrer Intensität und Dauer von einiger Erheblichkeit ist, sodaß in ihr eine unzumutbare, sozialstörende Rechtsgutbeeinträchtigung im Intimbereich zu erblicken ist. Im Kern ist damit dasselbe gemeint wie mit den Begriffen "Unzucht" und "unzüchtige Handlung" in den Tatbeständen anderer strafbarer Handlungen gegen die Sittlichkeit (Leukauf/Steininger Komm3 § 202 RN 5; 15 Os 112, 114/98). Eine unfreiwillige Selbstberührung der Opfer in der vom Angeklagten angestrebten Art entspricht durchaus dieser Begriffsumschreibung der geschlechtlichen Handlung. Die aus einer Judikatur zum Unzuchtsbegriff abgeleitete Beschwerdemeinung über die Notwendigkeit eines weitergehenden Berührungskontaktes läßt unbeachtet, daß es dort meist um die Abgrenzung von Mißbrauchsakten gegenüber sexuell indifferenten Handlungen geht und dabei regelmäßig ein spezieller körperlicher Kontakt zwischen Täter und Opfer eine maßgebliche Rolle spielt, jedoch damit keineswegs dem Geschlechtsleben zugeordneten Selbstberührungen der Charakter (unzüchtiger oder) geschlechtlicher Handlungen aberkannt wird (vgl hiezu die Alternativbegründung in der auch gegenteilige Überlegungen enthaltenden Entscheidung EvBl 1993/40). Eine solche Auslegung wäre nicht nur mit dem Sprachgebrauch, sondern auch mit dem gesetzlichen Bedeutungsverständnis bei jenen Sexualdelikten unvereinbar, die von der Vornahme einer unzüchtigen oder geschlechtlichen Handlung an sich selbst (§§ 205, 207, 207a, 212 StGB) ausgehen.

Demgemäß fand der Oberste Gerichtshof schon anläßlich der ihm oblegenen Prüfung gemäß § 290 Abs 1 StPO bei einem Präzedenzfall - der nicht (wie EvBl 1993/40) telefonische Nötigung zu erotischen Äußerungen, sondern (unter anderem auch) zu geschlechtsbezogenen Manipulationen durch das Opfer an sich selbst betraf (15 Os 209/96 - siehe EvBl 1997/76), keinen Anlaß, die rechtliche Beurteilung in der hier von der Nichtigkeitsbeschwerde verlangten Weise zu ändern.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Schöffengericht verurteilte den Angeklagten nach §§ 28 Abs 1, 43a Abs 2, 207 Abs 1 StGB zu einer Geldstrafe von 300 Tagessätzen zu je 400 S, für den Fall der Uneinbringlichkeit zu 150 Tagen Ersatzfreiheitsstrafe, sowie zu einer unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von sieben Monaten.

Bei der Strafbemessung wertete es das Zusammentreffen von Verbrechen und Vergehen sowie die Faktenmehrheit über einen langen Tatzeitraum als erschwerend; als mildernd berücksichtigte es das umfassende und reumütige Geständnis, daß es beim Versuch geblieben ist, die Unbescholtenheit des Angeklagten sowie das Anerkenntnis bzw die Bezahlung des Privatbeteiligtenanspruchs betreffend Angela K*****.

Gegen diesen Strafausspruch haben die Staatsanwaltschaft mit dem Antrag, die Freiheitsstrafe allenfalls unter Anwendung des Abs 3 anstelle des Abs 2 des § 43a StPO zu erhöhen, und der Angeklagte mit dem Ziel einer Strafherabsetzung und gänzlichen bedingten Nachsicht Berufung erhoben.

Die Berufung der Staatsanwaltschaft ist berechtigt.

Zwar hat das Schöffengericht die Strafzumessungsgründe im wesentlichen richtig und vollständig erhoben und gewertet, doch fehlt es trotz des umfassenden und reumütigen Geständnisses des Angeklagten angesichts der Bedeutung der Taten und deren oftmaliger Wiederholung an den für eine Strafenkombination nach § 43a Abs 2 StPO zu berücksichtigenden präventiven Anforderungen. Das angemessene Strafmaß von einem Jahr konnte allerdings zu einem Teil von acht Monaten unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehen werden.

In diesem Sinne war der Berufung der Staatsanwaltschaft Folge zu geben.

Der Angeklagte war mit seiner Berufung auf diese Entscheidung zu verweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a StPO.

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