OGH 15Os209/96

OGH15Os209/9620.2.1997

Der Oberste Gerichtshof hat am 20.Feber 1997 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Reisenleitner als Vorsitzenden sowie durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kuch und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Strieder, Dr.Rouschal und Dr.Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag.Sprinzel als Schriftführer, in der Strafsache gegen Josef K***** wegen des Verbrechens der teils versuchten, teils vollendeten Unzucht mit Unmündigen nach §§ 207 Abs 1 und 15 StGB sowie anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 3.September 1996, GZ 7 a Vr 3723/96-59, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Weiß, des Angeklagten und des Verteidigers Dr.Janek, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, teils demgemäß, teils gemäß § 290 Abs 1 StPO in den in den Schuldsprüchen laut den Punkten C 20, 21, 23, 25, 27, 30, 31, 34, 39, 42, 46, 48, 55, 56, 64, 69, 80, 81, 87, 88 und 98, und demzufolge auch im Strafausspruch einschließlich der Vorhaftanrechnung sowie in der Anordnung der Unterbringung des Josef K***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher gemäß § 21 Abs 2 StGB aufgehoben und gemäß § 288 Abs 2 Z 3 StPO in der Sache selbst erkannt:

Josef K***** wird von der wider ihn erhobenen Anklage, er habe

C/ andere mit dem Tode, einer Entführung bzw mit der erheblichen Verstümmelung eines Familienangehörigen sowie mit der Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz gefährlich bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, wobei die Bedrohten durch diese Mittel längere Zeit hindurch in einen qualvollen Zustand versetzt wurden, und zwar

20/ am 24.November 1993 Silvia Z***** durch die Äußerung, ihr Gatte habe einen Unfall gehabt und liege im Spital, er sei entführt worden,

21/ im Jänner 1994 Mag.Christa S***** durch die Äußerung, ihr Gatte liege nach einem Unfall in der Rettung;

23/ am 23.Februar 1994 Herta M***** durch die Äußerung, die Tochter liege im Spital und habe nur noch eine Stunde zu leben;

25/ Ende April 1994 Josefine P***** durch die Äußerung, ihr Mann werde nach einem Unfall auf der Autobahn ins Spital gebracht;

27/ im Frühjahr 1994 in Elvira B***** durch die Äußerung, ihren Eltern sei etwas passiert;

30/ am 7.Juli 1994 Heide Pe***** durch die Äußerung, ihr Gatte sei nach einem Unfall bewußtlos;

31/ am 7.Juli 1994 Margot D***** durch die Äußerung, ihr Mann habe einen schweren Unfall gehabt;

34/ Ende Juli 1994 Renate Sp***** durch die Äußerung, ihr Gatte sei im Krankenhaus;

39/ am 21.Oktober 1994 Margarete Sc***** durch die Äußerung, es sei etwas Schreckliches passiert;

42/ am 23.November 1994 Mag.Theresia L***** durch die Äußerung, ihr Ehemann liege bewußtlos neben ihm;

46/ am 1.September 1995 Michaela U***** durch die Äußerung, ihre Kinder und ihr Mann seien in Lebensgefahr;

48/ im Februar 1995 Hermine F***** durch die Äußerung, ihre Tochter liege in Radstatt bewußtlos neben ihm;

55/ am 5.Mai 1995 Hannu H***** durch die Äußerung, ihre Tochter sei in Lebensgefahr;

56/ am 5.Mai 1995 Katharina V***** durch die Äußerung, ihr Vater liege bei ihm im VW-Bus;

64/ am 26.Mai 1995 Eva E***** durch die Äußerung, ihr Gatte habe einen Unfall gehabt und liege im Notarztwagen;

69/ im Sommer 1995 Gerlinde Ha***** durch die Äußerung, ihr Gatte liege im Krankenhaus;

80/ im Jänner 1996 Katharina Me***** durch die Äußerung, ihr Vater sei nach einem Unfall tot, die Mutter verletzt;

81/ am 12.Jänner 1996 Christine Sch***** durch die Äußerung, ihr Gatte liege bewußtlos neben ihm;

87/ am 5.Jänner 1996 Heidrun J***** durch die Äußerung, ihre Tochter befinde sich in Lebensgefahr;

88/ am 5.Jänner 1996 Fabienne Hö***** durch die Äußerung, ihre ältere Tochter befinde sich in Lebensgefahr;

98/ am 26.Februar 1996 Brigitte Schä***** durch die Äußerung, ihr Ehemann sei schwer krank;

er habe (auch) hiedurch das Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und Abs 2 StGB begangen, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Für die verbleibenden Schuldsprüche wegen des Verbrechens der teils vollendeten, teils versuchten Unzucht mit Unmündigen nach §§ 207 Abs 1 und 15 StGB, des Vergehens der teils vollendeten, teils versuchten geschlechtlichen Nötigung nach §§ 202 Abs 1 und 15 StGB sowie für den von der Kassation unberührt bleibenden Teil des Schuldspruches wegen des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und Abs 2 StGB wird über Josef K***** nach § 207 Abs 1 StGB unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB eine Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Jahren und neun Monaten verhängt.

Die Entscheidungen über die Vorhaftanrechnung und über die Einweisung des Johann K***** in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher gemäß § 21 Abs 2 StGB werden aus dem Ersturteil übernommen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf die Strafneubemessung verwiesen.

Gemäß § 390 a StPO fallen ihm auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Josef K***** des (in 7 Angriffen begangenen) Verbrechens der teils vollendeten, teils versuchten Unzucht mit Unmündigen nach §§ 207 Abs 1 und 15 StGB (A 1 bis 7), des (in 26 - hievon 7 in Tateinheit mit den in Punkt A bezeichneten - Angriffen begangenen) Vergehens der teils vollendeten, teils versuchten geschlechtlichen Nötigung nach §§ 202 Abs 1 und 15 StGB (B 1 bis 20) und des (in 109 Angriffen begangenen) Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und Abs 2 StGB (C 1 bis 109) schuldig erkannt.

Nach dem (allein von der Nichtigkeitsbeschwerde betroffenen) Schuldspruch wegen gefährlicher Drohung (Punkt C) hat der Angeklagte zwischen Mai 1987 und 22.März 1996 von seinem Diensttelefon in Wien oder seinem Privattelefon in R***** aus in insgesamt 109 Angriffen ebensoviele (willkürlich ausgesuchte, ihm unbekannte) Personen (überwiegend Frauen, vereinzelt aber auch Unmündige, vgl C 27 und 53 = S 607 und 671/je in Bd I) telefonisch durch im Urteilsspruch detailliert wiedergegebene Äußerungen gefährlich bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, indem er mit dem Tode, einer Entführung bzw mit der erheblichen Verstümmelung eines Familienangehörigen sowie mit der Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz drohte und die Bedrohten längere Zeit hindurch in einen qualvollen Zustand versetzte (US 8 bis 24).

Anders als bei jenen Straftaten, die den unbekämpft gebliebenen Punkten A und B des Schuldspruches zugrunde liegen, bei denen der Angeklagte wiederholt Frauen (B 2 bis 20), aber auch unmündige Burschen und Mädchen (A 1 bis 7 und B 1) durch verschiedene fernmündliche gefährliche Drohungen (wie etwa: nahe Familienangehörige der Angerufenen entführt zu haben, sie umzubringen oder "mit Heroin vollzustopfen", ihnen ihre "Innereien" herauszunehmen etc) zur Vornahme geschlechtlicher Handlungen an sich selbst (oder in 2 Fällen an Geschwistern oder am unmündigen Sohn = A 3 und 5 sowie B 12) nötigte oder (in den meisten Fällen) zu nötigen versuchte, kam es dem Angeklagten in den in Punkt C genannten Fällen (nur) darauf an, die Gesprächspartner durch die Androhung der (im Spruch angeführten) Übel in Furcht und Unruhe zu versetzen (US 30).

Rechtliche Beurteilung

Der Angeklagte bekämpft mit seiner auf den Nichtigkeitsgrund der Z 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde die Punkte C 21, 23, 25, 27, 30, 31, 34, 39, 42, 46, 48, 55, 56, 64, 69, 80, 81, 87 und 98 des Schuldspruches und macht hiebei zutreffend einen Mangel am objektiven Tatbestand des Vergehens nach § 107 Abs 1 und 2 StGB geltend.

Die Annahme einer gefährlichen Drohung im Sinn der Begriffsbestimmung des § 74 Z 5 StGB setzt nämlich voraus, daß der Täter ein Übel ankündigt, auf dessen Eintritt er selbst (allenfalls über Dritte) Einfluß hat oder zu haben vorgibt (vgl Kienapfel BT I3 § 105 StGB, RN 31 und die dort genannten weiteren Belegstellen aus Lehre und Judikatur). Versetzt der Täter dagegen sein Opfer bloß dadurch in Furcht und Unruhe, daß er (wahrheitswidrig) behauptet, ein Übel sei bereits eingetreten und verfolgt er - wie im vorliegenden Fall - darüber hinaus mit seiner Täuschung keine weiteren Ziele wie etwa in den Fällen der §§ 108 bzw 146 StGB, so ist die Tat gerichtlich nicht strafbar.

Ebendies trifft auf die bekämpften Punkte des Schuldspruches zu. In diesen Fällen hat der Angeklagte (zusammengefaßt wiedergegeben) die von ihm (anonym) angerufenen Opfer (lediglich) dadurch in Furcht und Unruhe versetzt, daß er wahrheitswidrig behauptete, ihnen nahestehende Personen (Gatte, Eltern, Kinder) hätten einen (schweren) Unfall erlitten (21, 25, 30, 31, 64), seien schwer krank (98), lägen im Krankenhaus (34, 69) und hätten nur mehr kurze Zeit zu leben (23), lägen bewußtlos neben ihm (42, 48, 81), lägen bei ihm im VW-Bus (56), seien in Lebensgefahr (46, 55, 87), es sei (den Eltern) etwas (Schreckliches) passiert (27, 39) oder der Vater sei nach einem Unfall tot, die Mutter verletzt (80).

Da in all diesen Fällen der Angeklagte somit nur wahrheitswidrig ein bereits eingetretenes Übel behauptete, um seine Opfer in Furcht und Unruhe zu versetzen, sind diese Äußerungen nicht als gefährliche Drohung im Sinne der Begriffsbestimmung des § 74 Z 5 StGB zu werten. Die angeführten telefonischen (anonymen) Äußerungen stellen trotz ihrer Widerwärtigkeit daher den Tatbestand der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB nicht her.

Dieselben Erwägungen treffen aber auch auf die vom Angeklagten nicht bekämpften Punkte C 20 ("Ihr Gatte hat einen Unfall gehabt und liegt im Spital, er ist entführt worden") und C 88 ("Ihre ältere Tochter befindet sich in Lebensgefahr") des Schuldspruches zu, sodaß in diesem Umfang ein amtswegiges Vorgehen gemäß § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO geboten war.

Demnach war Josef K***** von den aus dem Spruch ersichtlichen Anklagepunkten mangels Erfüllung eines objektiven Straftatbestandes freizusprechen.

Bei der dadurch erforderlich gewordenen Strafbemessung war erschwerend das Zusammentreffen eines Verbrechens mit zwei Vergehen, die oftmalige Wiederholung der jeweiligen strafbaren Handlungen sowie - soweit nicht qualifikationsbegründend - daß der Angeklagte zum Teil in einer für die Opfer qualvollen Weise gehandelt hat, als mildernd hingegen das reumütige Geständnis, die Unbescholtenheit und daß der Angeklagte die Taten unter dem Einfluß eines abnormen Geisteszustandes begangen hat.

Unter Abwägung dieser Strafzumessungsgründe sowie bei Bedacht auf das erhebliche Gewicht der Schuld des Angeklagten und des hohen Unrechtsgehaltes seiner Straftaten erweist sich eine Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Jahren und neun Monaten tätergerecht und schuldangemessen.

Die Vielzahl der dem Angeklagten zur Last liegenden Tatbegehung verbot die Gewährung teilbedingter Strafnachsicht.

Da die Voraussetzungen für die Unterbringung des Angeklagten in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher gemäß § 21 Abs 2 StGB nach wie vor gegeben sind, was auch vom Angeklagten ausdrücklich nicht bekämpft wird, war die Anordnung dieses Maßnahmenvollzuges - ebenso wie die Vorhaftanrechnung - aus dem Ersturteil zu übernehmen.

Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf die Strafneubemessung zu verweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

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