OGH 1Ob130/03d

OGH1Ob130/03d27.5.2003

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer, Dr. Zechner und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1) P***** Aktiengesellschaft, ***** und 2) Dr. Christian P*****, beide vertreten durch Dr. Anton Paul Schaffer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei A***** Gesellschaft m. b. H., ***** vertreten durch Eisenberger & Herzog Rechtsanwaltssozietät in Graz, wegen Aufkündigung infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgericht vom 7. April 2003, GZ 3 R 30/03h-16, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Der Kündigungsgrund nach § 30 Abs 2 Z 7 MRG setzt das Fehlen einer regelmäßigen geschäftlichen Tätigkeit durch den Mieter entweder in der vereinbarten Form und Intensität oder wenigstens in gleichwertiger Weise voraus. Er ist überdies nur beim Mangel eines schutzwürdigen Interesses des Mieters verwirklicht. Für das Vorliegen eines solchen Interesses ist der Mieter beweispflichtig. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist ferner eine Stilllegung des Geschäftsbetriebs infolge notwendiger Renovierungs- und Vorbereitungsarbeiten einer mangelnden regelmäßigen geschäftlichen Betätigung nur dann nicht gleichzusetzen, wenn die Fortsetzung der geschäftlichen Tätigkeit im Bestandobjekt nach Abschluss der Arbeiten geplant ist. Demnach muss - ausgehend von der Sachlage im Zeitpunkt der Zustellung der Kündigung oder doch wenigstens bei Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz - die Wiederaufnahme der geschäftlichen Tätigkeit in absehbarer Zeit konkret bevorstehen. Auch diese Tatsache hat der Mieter zu beweisen. Nur wenn die Verhältnisse bei Schluss der Verhandlung die Wiederaufnahme des Geschäftsbetriebs in naher Zukunft sicher erwarten lassen, ist dem Bestandnehmer ein Interesse an der Aufrechterhaltung des Mietvertrags nicht abzusprechen. Ob die Wiederaufnahme einer geschäftlichen Tätigkeit des Mieters im Bestandobjekt in naher Zukunft erwartet werden kann, hängt von den singulären Umständen des Einzelfalls ab. Eine solche Entscheidung wirft daher nur dann eine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO auf, wenn dem Berufungsgericht eine krasse Fehlbeurteilung unterlaufen wäre (7 Ob 319/00p mwN).

2. Das angefochtene Urteil beruht auf den soeben referierten Leitlinien der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs. Maßgebend ist im Anlassfall, dass im Mietobjekt seit Beginn des Bestandverhältnisses am 1. 8. 1999 bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz am 11. 11. 2002 noch nie eine geschäftliche Tätigkeit ausgeübt wurde, obgleich die Vermietung nach dem Bestandvertrag "ausschließlich zu geschäftlichen Zwecken, und zwar nur zum Verkauf jener Waren, welche im Rahmen der Gewerbeordnung für Bäcker und Konditoren umfasst sind", erfolgte.

Die beklagte Partei beruft sich als Stütze für ihren Prozessstandpunkt auf die Entscheidung 3 Ob 40/00d. Dieser liegt jedoch ein in wesentlichen Punkten anders gelagerter Sachverhalt zugrunde. Nach Ansicht der Revisionswerberin muss die Kündigung überdies schon deshalb scheitern, weil die klagenden Parteien die "Unmöglichkeit" und "Unzumutbarkeit der Aufnahme einer geschäftlichen Tätigkeit" im Bestandobjekt selbst rechtswidrig und schuldhaft verursacht hätten, indem sie den Mitte September 2001 abgeschlossenen Umbau eines anderen Geschäftslokals im gleichen Haus, dem der Hintereingang zum Geschäftslokal der beklagten Partei zum Opfer gefallen sei, ermöglicht hätten.

Die Revisionswerberin übergeht, dass die getroffenen Feststellungen, selbst wenn man die Zumauerung des Hintereingangs zu ihrem Geschäftslokal wegdächte, nicht ohne weiteres den Schluss trügen, die Aufnahme einer Geschäftstätigkeit im Bestandobjekt wäre in naher Zukunft sicher zu erwarten gewesen. Im Frühjahr 2002 fanden bloß "erste konkrete Besprechungen hinsichtlich der Durchführung der geplanten Adaptierungen" statt. Im April 2002 wurde das Bestandobjekt dann "im Rahmen einer Koordinationsbesprechung zur Festlegung des zeitlichen Ablaufs der Umbauarbeiten" neuerlich besichtigt. Bei Würdigung dieser Tatsachen ist als Hintergrund bedeutsam, dass schon im Lauf des Jahres 2000 erste Planungsarbeiten für den Umbau des Geschäftslokals stattgefunden hatten und ein Einreichplan am 26. 2. 2001 fertiggestellt war. Dessen Umsetzung wurde jedoch wegen der "Adaptierung anderer Filialen und einer Umstellung der zentralen Betriebsstätte" etwa ein Jahr zurückgestellt.

Die beklagte Partei behauptet, insgesamt 32 Filialen zu unterhalten. Bei einem Unternehmen dieser Größenordnung können aus betriebswirtschaftlichen Gründen, wie die zuvor referierten Feststellungen belegen, kurzfristig andere Ziele als die Aufnahme des Geschäftsbetriebs in einer weiteren - erst nach vorherigen Baumaßnahmen funktionsfähigen - Filiale Priorität erlangen. Angesichts dessen ist eine bloße "Koordinationsbesprechung zur Festlegung des zeitlichen Ablaufs der Umbauarbeiten" noch nicht mit der sicheren Erwartung der Aufnahme einer Geschäftstätigkeit in naher Zukunft gleichzusetzen.

Im Licht solcher Erwägungen ist aber in der vom Berufungsgericht erzielten Lösung zumindest keine krasse Fehlbeurteilung zu erblicken.

Stichworte