OGH 10Nc10/03g

OGH10Nc10/03g8.5.2003

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger und Dr. Hoch als weitere Richter in der beim Landesgericht Linz zu 3 Cg 34/03k anhängigen Rechtssache der klagenden Partei Ing. Heinrich L*****, vertreten durch Dr. Hans Otto Schmidt, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei S*****, vertreten durch BKQ Klaus und Quendler, Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in Klagenfurt, wegen EUR 65.400,-- sA und Feststellung (Streitwert EUR 7.267,--), über den Antrag der klagenden Partei auf Delegierung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Zur Verhandlung der Rechtssache wird anstelle des Landesgerichtes Linz das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien bestimmt. Die Kosten des Delegierungsantrages sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Mit der ursprünglich beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien eingebrachten Klage begehrt der Kläger von der (Erst-)Beklagten sowie von der (Zweitbeklagten) A***** GmbH zur ungeteilten Hand die Zahlung von EUR 65.400,-- sA sowie die Feststellung der solidarischen Haftung der beiden beklagten Parteien für alle ihm aus seiner Infektion mit dem Hepatitis C-Virus in Hinkunft noch entstehenden Schäden. Er sei in den Jahren 1970 bis 1972 beim Blutplasmaspenden in der Plasmapheresestelle der (Erst-)Beklagten in Linz infiziert worden. Die (Erst-)Beklagte habe an ihrem Standort in Linz über keine Gewerbeberechtigung zur Gewinnung von Blutplasma verfügt und damit ein Schutzgesetz nach § 1311 ABGB verletzt. Sie habe es auch verabsäumt, alle Vorkehrungen zu treffen, jede Ansteckung von Blutspendern zu verhindern. Die Plasmaspenden seien unter hygienischen Bedingungen durchgeführt worden, die nicht den Regeln der ärztlichen Kunst entsprochen hätten. Der Kläger stütze seine Ansprüche gegen die (Erst-)Beklagte auf jeden erdenklichen Rechtsgrund, vor allem auf Schadenersatz, auf Verletzung eines Schutzgesetzes, auf unterlassene Aufklärung über mögliche Risiken der Blutplasmaspende und auf Verletzung vertraglicher Sorgfaltspflichten. Die (Zweitbeklagte) A***** GmbH sei die eigentliche Betreiberin der Plasmapheresestelle der (Erst-)Beklagten, deren sie sich sozusagen bedient habe, gewesen: Sie habe es von Anfang an darauf angelegt, Vorfeldorganisationen zu schaffen, um einerseits bei Projekten, bei denen Schäden vorauszusehen gewesen seien, die Haftung von sich abzuschieben, und um andererseits den entscheidenden Einfluss bei diesen Firmen weiterhin durch von ihr in die Leitung entsandte Personen zu wahren. Sie habe darüber hinaus der (Erst-)Beklagten die Geräte und das notwendige Know how zur Verfügung gestellt und ihr das gewonnene Plasma abgenommen; damit habe sie eine Verkehrssicherungspflicht getroffen. Sie habe gegen die ihr bekannten katastrophalen hygienischen Zustände bei der Plasmagewinnung nichts unternommen. Es treffe daher auch sie eine direkte Haftung für die vom Kläger erlittenen Schäden.

Die (Erst-)Beklagte wendete die örtliche Unzuständigkeit des angerufenen Gerichtes ein und bestritt darüber hinaus - ebenso wie die Zweitbeklagte - das Klagebegehren dem Grunde und der Höhe nach. Im fortgesetzten Verfahren unterwarf sich der Kläger der von der (Erst-)Beklagten erhobenen Unzuständigkeitseinrede und beantragte die Überweisung an das nicht offenbar unzuständige Landesgericht Linz. Diese Überweisung erfolgte mit Beschluss vom 18. 2. 2003. Mit Schriftsatz vom 14. 3. 2003 beantragte der Kläger nunmehr die (Rück-)Delegierung der Rechtssache an das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien mit der Begründung, eine Delegierung sei zweckmäßig, weil durch die Verbindung des gegenständlichen Verfahrens mit dem beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien verbliebenen Verfahren gegen die (Zweitbeklagte) A***** GmbH ein weitaus geringerer Verfahrensaufwand zu erwarten sei. Beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien seien überdies bereits mehrere gleichgelagerte Verfahren gegen beide beklagten Parteien anhängig. Es bestehe daher die grundsätzliche Möglichkeit, so wie in den vorangegangenen Plasmaspenderprozessen sämtliche Verfahren gegen beide beklagten Parteien in einer einzigen Gerichtsabteilung beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien zu konzentrieren.

Die (vormals erst - und nunmehr allein -) beklagte Partei trat dem Delegierungsantrag entgegen. Eine Verbindung des gegenständlichen Verfahrens mit dem beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien gegen die A***** GmbH anhängigen Verfahren sei nicht zweckmäßig, weil sich jenes Verfahren vorwiegend auf die Rechtsfrage der Durchgriffshaftung konzentriere. Der Kläger und ein Teil der beantragten Zeugen habe seinen Wohnsitz im Sprengel des Landesgerichtes Linz. Es sei daher die Durchführung des Verfahrens vor dem Landesgericht Linz zweckmäßig.

Das Landesgericht Linz legte den Akt zur Entscheidung über den Delegierungsantrag mit der Äußerung vor, dass eine Delegierung an das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien im Hinblick auf Verfahrensbeschleunigung und geringerem Kostenaufwand als zweckmäßig erachtet werde. Für eine Konzentration der Verfahren gegen die beiden beklagten Parteien beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien spreche insbesondere der geringere Kostenaufwand für die beantragten Sachverständigengutachten aus den Bereichen Hygiene, Transfusionsmedizin und Hepatologie. Von den bisher beantragten Zeugen hätten 10 Personen ihren Wohnsitz im Sprengel des Landesgerichtes Linz, ebenso der Kläger, während 22 Zeugen außerhalb dieses Sprengels, davon 9 Zeugen in Wien, wohnten.

Rechtliche Beurteilung

Der Delegierungsantrag ist berechtigt.

Nach § 31 Abs 1 JN kann aus Gründen der Zweckmäßigkeit auf Antrag einer Partei anstelle des zuständigen Gerichtes ein anderes Gericht gleicher Gattung zur Verhandlung und Entscheidung bestimmt werden. Zielsetzung der Delegation ist eine wesentliche Verkürzung und/oder Verbilligung des Verfahrens sowie eine Erleichterung des Gerichtszuganges oder der Amtstätigkeit (vgl 5 Nd 518/00 uva). Ein Delegierungsantrag ist daher in der Regel nur dann zweckmäßig, wenn die Rechtssache von einem anderen als dem zuständigen Gericht aller Voraussicht nach rascher und mit geringerem Kostenaufwand zu Ende geführt werden kann (RIS-Justiz RS0053169). Dies ist etwa dann der Fall, wenn durch Verbindung von Prozessen eine mehrfache Beweisaufnahme zu denselben Beweisthemen vermieden werden kann (JBl 1986, 53; 1 Nd 501/99; 4 Nc 6/03z). Im Allgemeinen soll eine Delegierung nur den Ausnahmefall darstellen und es soll keinesfalls durch eine großzügige Handhabung der Delegierungsmöglichkeiten eine faktische Durchbrechung der gesetzlichen Zuständigkeitsordnung hervorgerufen werden (JBl 1986, 53; EFSlg 69.711 ua), doch sprechen im vorliegenden Fall Gründe der Zweckmäßigkeit dafür, die Rechtssache vor dem Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien zu verhandeln:

So wurden in der Vergangenheit bereits mehrere gleichgelagerte Fälle von an Hepatitis C-erkrankten Klägern an das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien delegiert, wobei jeweils darauf hingewiesen wurde, dass die Möglichkeit, alle gleichgelagerten Fälle zu verbinden, zumindest jedoch unter Bestellung desselben oder derselben Sachverständigen am selben Gericht einer einheitlichen Lösung zuführen zu können, für die Delegierung spricht (vgl 7 Nd 502/99; 7 Nd 507/99; 7 Nd 511/99; 5 Nd 506/99). Das gegenständliche Verfahren ist daher, wie dem Obersten Gerichtshof auch aus einer Vielzahl in den letzten Monaten an ihn herangetragener Revisionsrekurse gegen a limine-Klagezurückweisungen bekannt ist, nur eines von zahlreichen gleichgelagerten ebenfalls an Hepatitis C-erkrankten Klägern gegen dieselben beklagten Parteien, welche allesamt beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien eingebracht, jedoch (großteils) hinsichtlich der (auch hier vormals) erstbeklagten Partei - in Verneinung des relevierten Wahlgerichtsstandes der materiellen Streitgenossenschaft - zurückgewiesen worden sind. Es wäre daher eine nicht absehbare Vermehrung an Zeit- und Kostenaufwand, wenn alle diese Verfahren nunmehr bloß zufolge der unterschiedlichen Zuständigkeitsorte für die aus dem grundsätzlich selben Haftungsgrund als schadenersatzpflichtig in Anspruch genommen beklagten Parteien getrennt, mit teuren und zeitaufwendigen Beweisverfahren (insbesondere Sachverständigengutachten) bei verschiedenen Gerichten fortgeführt werden müssten. Die zu erwartenden und weitgehend gleichgelagerten Beweisaufnahmen bei einem Gerichtshof zu konzentrieren, ist in einem so speziellen Fall wie hier geradezu evident und geboten. Zwar haben immerhin 10 Zeugen sowie der Kläger ihren Wohnsitz im Sprengel des Landesgerichtes Linz, aber weitaus mehr außerhalb desselben, davon fast gleich viele im Sprengel des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien. Auch dieser Aspekt spricht nicht gegen die Delegierung unter dem Gesichtspunkt der Prozessökonomie. Die beantragte Delegierung liegt vielmehr im wohlverstandenen Interesse aller Parteien, weil die Verfahren so aller Voraussicht nach rascher und mit geringerem Kostenaufwand durchgeführt werden können (vgl 2 Nc 8/03d, mit dem einem gleichgelagerten Delegierungsantrag stattgegeben wurde, sowie 4 Nc 6/03z, worin ein Delegierungsantrag der (dort wie hier erst-)beklagten Partei auf Delegierung weg vom Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien zum Landesgericht Linz abgewiesen wurde, weil ein (eindeutiger) Schwerpunkt der zu erwartenden Beweisaufnahmen dort angesichts der Vielzahl beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien behängender gleichartiger Verfahren zu verneinen sei). Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

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