Spruch:
In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde werden der die Zusatzfragen V, XI, XIV, XXIII, XXIX, XXXV, XLI und XLVII betreffende Wahrspruch der Geschworenen, der im Übrigen unberührt bleibt, sowie das, sonst gleichfalls (im Schuldspruch zu B) unberührt bleibende Urteil in den Schuldsprüchen des Angeklagten A/1.-8. wegen der Verbrechen des schweren Raubes teils als Beteiligter nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall und § 12 dritter Fall StGB und demgemäß auch im Strafausspruch einschließlich der Vorhaftanrechnung aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen. Mit ihren Berufungen werden der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf den kassatorischen Teil dieser Entscheidung verwiesen. Gemäß § 390a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem (auf dem einhelligen Wahrspruch der Geschworenen beruhenden) angefochtenen Urteil wurde Mehmet D***** der Verbrechen des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall und 12 dritter Fall StGB (A/1.-8.) und des Vergehens nach § 50 Abs 1 Z 1 WaffG (B) schuldig erkannt.
Darnach hat er
"A/1. am 18. Dezember 2001 in Pottendorf durch Transportleistungen und Aufpasserdienste zur strafbaren Handlung des Ramazan K***** und des Adem G***** beigetragen, welche im bewussten und gewollten Zusammenwirken durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben unter Verwendung von Waffen, nämlich einer Gaspistole und eines Messers, dem Tankwart der OMV-Tankstelle Johann L***** einen Bargeldbetrag von 10.000 S (entsprechend 726,73 EUR) mit dem Vorsatz, durch dessen Zueignung sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern, abnötigten;
2. am 23. Dezember 2001 in Theresienfeld durch Transportleistungen und Aufpasserdienste zur strafbaren Handlung des Ramazan K***** und des Adem G***** beigetragen, welche im bewussten und gewollten Zusammenwirken durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben unter Verwendung von Waffen, nämlich einer Gaspistole und eines Messers, dem Tankwart der BP-Tankstelle Franz S***** einen Bargeldbetrag von 8.000 S (entsprechend 581,27 EUR) mit dem Vorsatz, durch dessen Zueignung sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern, abnötigten;
3. am 15. Jänner 2002 in Wiener Neustadt im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit Ramazan K***** als Mittäter durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben unter Verwendung einer Waffe dem Tankwart der MMM-Tankstelle Franz K***** einen Bargeldbetrag von 3.272,82 EUR mit dem Vorsatz abgenötigt, durch dessen Zueignung sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern, indem er eine gleichzeitig durchgeladene Faustfeuerwaffe CZ 9 mm und K***** eine Gaspistole gegen Franz K***** richteten und die Herausgabe des Geldes forderte;
4. am 12. Februar 2002 in Wiener Neustadt durch Transportleistungen und Aufpasserdienste zur strafbaren Handlung des Ramazan K***** beigetragen, welcher durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben unter Verwendung einer Faustfeuerwaffe CZ 9 mm dem Tankwart der MMM-Tankstelle Andreas Z***** einen Bargeldbetrag von
1.505 EUR mit dem Vorsatz, durch dessen Zueignung sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern, abnötigte;
5. am 19. Februar 2002 in Tribuswinkel durch Transportleistungen und Aufpasserdienste zur strafbaren Handlung des Ramazan K***** beigetragen, welcher durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben unter Verwendung einer Faustfeuerwaffe CZ 9 mm der Tankwartin der BP-Tankstelle Susanne W***** einen Bargeldbetrag von 2.000 EUR mit dem Vorsatz, durch dessen Zueignung sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern, abnötigte;
6. am 4. März 2002 in Traiskirchen durch Transportleistungen und Aufpasserdienste zur strafbaren Handlung des Ramazan K***** beigetragen, welcher durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben unter Verwendung einer durchgeladenen Faustfeuerwaffe CZ 9 mm der Tankwartin der Agip-Tankstelle Fridoline K***** einen Bargeldbetrag von 6.260,80 EUR mit dem Vorsatz, durch dessen Zueignung sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern, abnötigte;
7. am 19. März 2002 in Leobersdorf durch Transportleistungen und Aufpasserdienste zur strafbaren Handlung des Ramazan K***** beigetragen, welcher durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben unter Verwendung einer Faustfeuerwaffe CZ 9 mm der Tankwartin der JET-Tankstelle Rosina K***** einen Bargeldbetrag von 2.686,88 EUR mit dem Vorsatz, durch dessen Zueignung sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern, abnötigte;
8. am 21. März 2002 in Wien XXIII. durch Transportleistungen und Aufpasserdienste zur strafbaren Handlung des Ramazan K***** beigetragen, welcher durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben unter Verwendung einer Faustfeuerwaffe CZ 9 mm der Tankwartin der JET-Tankstelle Claudia L***** einen Bargeldbetrag von 2.272,87 EUR mit dem Vorsatz, durch dessen Zueignung sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern, abnötigte;
B) im Zeitraum Jänner 2002 bis 9. April 2002 in Wiener Neustadt und
an anderen Orten Österreichs unbefugt eine genehmigungspflichtige Schusswaffe, nämlich die Faustfeuerwaffe CZ 9 mm, besessen und geführt."
Rechtliche Beurteilung
Der dagegen vom Angeklagten aus Z 6, 8 und 10a des § 345 Abs 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde kommt zum Teil Berechtigung zu. Nach Prüfung der Akten anhand des Vorbringens der Tatsachenrüge (Z 10a) ergeben sich für den Obersten Gerichtshof allerdings keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der im (einhelligen) Wahrspruch der Geschworenen festgestellten, für die Annahme unmittelbarer Täterschaft zum Schuldspruchfaktum A/3. (Hauptfrage XIII) entscheidenden Tatsachen, weil diese, insbesondere auch was den tatplangemäßen Einsatz der im Schuldspruch zu B/ bezeichneten Faustfeuerwaffe anlangt (231/IV), in den belastenden Angaben des Mittäters Deckung finden.
Soweit sich die Fragenrüge (Z 6) mit Bezugnahme auf die behauptete Drogenabhängigkeit des Angeklagten und seine Verantwortung, wonach er die Waffe nur zwei Tage besessen habe, gegen den Schuldspruch wegen des Vergehens nach § 50 Abs 1 Z 1 WaffG richtet (Punkt B = Hauptfrage IL), geht sie gleichfalls fehl. Denn die Beschwerde vermag - prozessordnungswidrig - kein Tatsachenvorbringen in der Hauptverhandlung aufzuzeigen, das eine volle Berauschung des Beschwerdeführers während des in Rede stehenden Tatzeitraums betrifft und gemäß § 314 Abs 1 StPO die Stellung einer Eventualfrage nach Begehung der mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung (§ 287 Abs 1 StGB) erfordert hätte.
Gleiches gilt für den auf eine vermeintliche Verletzung der Bestimmung des § 313 StPO "in Ansehung sämtlicher Raubfakten" abzielenden Beschwerdeeinwand, "dass in die Zusatzfragen nach § 10 StGB der in Absatz 2 dieser Norm angesprochene Irrtum nicht eingebunden war", weil prozessuale Voraussetzung hiefür nicht - wie hier - eine erstmalig im Rechtsmittel relevierte abstrakt denkbare Möglichkeit der Bewertung von Verfahrensergebnissen ist (h Rsp SSt 44/29; 11 Os 14/00), sondern unabdingbar ein - vorliegendenfalls nicht aktuelles - in der Hauptverhandlung vorgebrachtes Tatsachensubstrat.
Mit Recht releviert der Beschwerdeführer hingegen einen sämtliche Schuldsprüche wegen der Verbrechen des schweren Raubes (A/1.-8.) betreffenden Verstoß gegen § 314 Abs 1 StPO. Denn seine Verantwortung in der Hauptverhandlung, wonach er sich dem Einfluss des Mittäters infolge seiner Suchtgiftbeeinträchtigung nicht widersetzen konnte (217 f/IV) - womit er seine Dispositionsfähigkeit in Abrede stellte - hätte außer der jeweils im Konnex mit der korrespondierenden Haupt- oder Eventualfrage gestellten Zusatzfrage nach § 11 StGB - dem Drei-Fragen-Schema entsprechend - in jedem Fall auch eine Eventualfrage nach Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung (§ 287 Abs 1 StGB) erfordert. Dass diese Eventualfragen nur für den Fall der Bejahung der - vorliegend verneinten - Zusatzfragen nach Zurechnungsunfähigkeit zu beantworten gewesen wären, ändert nichts an der Urteilsnichtigkeit infolge Unterlassung der in Rede stehenden Eventualfragen. Denn es ist nicht auszuschließen, dass die Geschworenen die Zusatzfragen nur deshalb verneint haben, weil sie mangels einer entsprechenden Eventualfrage nach § 287 Abs 1 StGB befürchteten, dass andernfalls der Angeklagte gänzlich freigesprochen werden würde (SSt 44/32, Schindler, WK-StPO § 313 Rz 37).
Der Nichtigkeitsbeschwerde war daher insoweit Folge zu geben. Demzufolge waren das angefochtene Urteil teilweise, und zwar in den Schuldsprüchen zu A/1.-8. des Urteilssatzes und der Wahrspruch der Geschworenen, der in der Bejahung der Hauptfrage XIII, der Eventualfragen IV, X, XXII, XXVIII, XXXIV, XL und XLVI (im Urteil unrichtig: XXXVI) sowie der Zusatzfragen VI, XII, XIV, XXIV, XXX, XXXVI, XLII und XLVIII unberührt bleibt, in der Beantwortung der im Spruch des Erkenntnisses näher bezeichneten Zusatzfragen nach Zurechnungsunfähigkeit (§ 11 StGB) und im Strafausspruch aufzuheben und die Sache zu neuerlicher Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen. Dieses wird im zweiten Rechtsgang nach (abermaliger) Stellung faktenbezogener Zusatzfragen nach § 11 StGB und Stellung korrespondierender Eventualfragen nach § 287 Abs 1 StGB die unberührt gebliebenen Teile des Wahrspruchs der neuerlichen Entscheidung mit zugrundezulegen haben (§ 349 Abs 2 StPO). Infolge der gebotenen Kassation des Wahrspruchs in Ansehung der Zusatzfragen nach § 11 StGB zum Faktenkomplex A kann der gegen die dazu erteilte Rechtsbelehrung erhobene Einwand (Z 8) auf sich beruhen.
Über die teils berechtigte, teils offenbar unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits in nichtöffentlicher Sitzung spruchgemäß zu entscheiden (§§ 344, 285d und 285e StPO). Mir ihren Berufungen waren der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf die Kassation des Strafausspruchs zu verweisen. Die Kostenentscheidung ist in der bezogenen Gesetzesstelle begründet.
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