OGH 2Ob64/03f

OGH2Ob64/03f24.4.2003

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj. Julia A*****, geboren am 27. April 1999, vertreten durch den Jugendwohlfahrtsträger Stadtjugendamt Magistrat S*****, über den Revisionsrekurs der Minderjährigen gegen den Beschluss des Landesgerichtes Salzburg als Rekursgericht vom 3. Juli 2002, GZ 21 R 141/02k-30, womit infolge Rekurses des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Linz der Beschluss des Bezirksgerichtes Salzburg vom 13. Dezember 2001, GZ 4 P 207/99a-24, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Die am 27. 4. 1999 geborene Julia ist die uneheliche Tochter einer österreichischen Mutter, der auch die Obsorge zukommt, sowie eines in Slowenien wohnhaften und beschäftigten Vaters, der seine Vaterschaft bereits am 12. 5. 1999 anerkannt hat. Das Kind lebt bei seiner Mutter in Salzburg und wird im Unterhaltsverfahren vom zuständigen Jugendwohlfahrtsträger vertreten.

Der Vater verpflichtete sich am 21. 2. 2000 vor dem Jugendwohlfahrtsträger laut - später auch pflegschaftsgerichtlich genehmigter (ON 33) - Vereinbarung mit der Mutter zur Zahlung eines monatlichen Unterhaltsbeitrages von S 2.000 (EUR 145,34) ab 1. 3. 2000 (ON 7).

Nach zweimaliger rechtskräftiger Abweisung zweier (formularmäßig) auf die Gewährung von Unterhaltsvorschüssen nach den §§ 3, 4 Z 1 UVG (zufolge behaupteter Aussichtslosigkeit einer Exekutionsführung in der Heimat des Vaters Slowenien) gerichteter Anträge (ON 16, 18 und 21) beantragte der Jugendwohlfahrtsträger am 4. 7. 2001 unter Hinweis auf das Übereinkommen über die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen im Ausland, BGBl 1969/316 (im Folgenden kurz: Übereinkommen), samt Durchführungsgesetz hiezu (BGBl 1969/317) beim Erstgericht neben Gewährung der Verfahrenshilfe "für den österreichischen Bereich" die "Durchsetzung der per 4. 7. 2001 im Gesamtausmaß von ATS 48.440 unberichtigt aushaftenden Unterhaltsforderungen sowie der ab 1. 08. 2001 jeweils am Ersten eines Monats fällig werdenden monatlichen Unterhaltsforderungen von ATS 2.000 der [minderjährigen] Anspruchswerberin gegen den Anspruchsgegner [Vater] durch die zuständige Empfangsstelle in Slowenien und Überweisung der einbringlich gemachten Gelder auf das Konto des Stadtjugendamtes..."; weiters wurden die Anträge auf Befreiung der Anspruchswerberin von Kosten und Gebühren für den slowenischen Rechtsbereich, Anfertigung von beglaubigten Übersetzungen diverser beigelegter Urkunden sowie auf Beifügung einer Äußerung bzw Empfehlung an die Empfangsstelle gemäß Art 4 Abs 3 des Übereinkommens gestellt (ON 22).

Abgesehen von einer Entscheidung über die beantragte Verfahrenshilfe hat das Erstgericht über die weiteren Anträge nach der Aktenlage bislang (noch) nicht entschieden, sondern vielmehr - über weiteren, am 10. 12. 2001 (ebenfalls formularmäßig nach den §§ 3 4 Z 1 UVG) gestellten Antrag des Jugendwohlfahrtsträgers - mit Beschluss vom 13. 12. 2001 der Minderjährigen Unterhaltsvorschüsse laut dem eingangs bezeichneten Titel in Höhe von S 2.000, jedoch höchstens in der Höhe des jeweiligen Richtsatzes für pensionsberechtigte Halbwaisen nach § 293 Abs 1 lit c bb erster Fall, § 108 f ASVG für die Zeit vom 1. 12. 2001 bis 30. 11. 2004 gewährt, da aufgrund des am 4. 7. 2001 gestellten Antrages auf Durchsetzung ihrer Unterhaltsansprüche nach dem Übereinkommen samt dadurch eingeleitetem Verfahren bislang weder Zahlungen zur Befriedigung der gegenständlichen Unterhaltsforderung noch freiwillige Zahlungen vom Vater in Slowenien erbracht worden seien; da das Vollstreckungsverfahren bereits vor etwa vier Monaten eingeleitet worden und bislang erfolglos geblieben sei, sei der Tatbestand des § 3 UVG erfüllt.

Das Rekursgericht gab dem hiegegen erhobenen Rekurs des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Linz Folge und änderte die bekämpfte Entscheidung im Sinne einer Abweisung des auf Gewährung von Unterhaltsvorschüssen nach §§ 3, 4 Z 1 UVG gerichteten Antrages des Kindes ab. Der ordentliche Revisionsrekurs wurde für zulässig erklärt. Das Rekursgericht führte in rechtlicher Hinsicht zusammengefasst aus, dass das Erstgericht "bis dato offenbar" noch nicht geprüft habe, ob der Antrag oder die Beilagen (laut auf das Übereinkommen gestütztem Antrag vom 4. 7. 2001) den Erfordernissen der Art 3 und 5 des Übereinkommens entsprächen, weil bisher weder eine Weiterleitung noch eine beschlussmäßige Ablehnung des Antrages erfolgt sei. Da das Erstgericht nur Übermittlungsstelle sei und die Einleitung der Vollstreckung erst nach Einlangen eines im Wege des Bundesministeriums für Justiz weitergeleiteten Antrages bei der zuständigen Empfangsstelle in Slowenien beginne, könne - solange sich das Verfahren nicht in diesem Stadium befinde - von einer erfolglosen Exekution gemäß § 3 Z 2 UVG noch nicht gesprochen werden. Dieser "Misserfolg" könne jedenfalls nicht der Sphäre des nichtleistenden unterhaltspflichtigen Vaters zugerechnet werden.

Der ordentliche Revisionsrekurs wurde für zulässig erklärt, weil - soweit überblickbar - eine oberstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage, zu welchem Zeitpunkt die Vollstreckung eines aus einem dem Übereinkommen angehörenden Staat stammenden vollstreckbaren Titels in einem dieser Staaten als eingeleitet betrachtet werden könne, fehle.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der (erkennbar) auf den Rechtsmittelgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte Revisionsrekurs der Minderjährigen mit dem Antrag, sie dahin abzuändern, dass dem Rekurs des OLG-Präsidenten gegen den Beschluss des Erstgerichtes nicht Folge gegeben werde. Begründet wird das Rechtsmittel (zusammengefasst) damit, dass es zwar richtig sei, dass die "eigentliche Exekution" gegen den Vater noch nicht eingeleitet worden sei, dies jedoch außerhalb des Einflussbereiches der Antragstellerin liege. Maßgeblich hiefür sei der Zeitpunkt der Antragstellung beim zuständigen Bezirksgericht, weil weder das Übereinkommen noch dessen Durchführungsgesetz eine direkte Antragstellung im Ausland vorsähen. Diese Vorgangsweise entspräche im Übrigen auch der jahrelangen Praxis des Stadtjugendamtes. "Mehr als den Exekutionsantrag in der korrekten Form einzubringen", könne vom Unterhaltsberechtigten nicht verlangt werden; die Bearbeitung desselben in angemessener Zeit, sei es durch die österreichischen oder durch die ausländischen Behörden, sei von diesem nicht beeinflussbar. Zweck des UVG sei es, bei Zahlungsversäumnis des Unterhaltsschuldner möglichst rasch Aushilfe in Form von Vorschüssen zu gewähren.

Der Präsident des OLG Linz hat nach Zustellung einer Rechtsmittelgleichschrift mitgeteilt, hiezu "keine Äußerung" abzugeben (ON 39).

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht formulierten Grunde zulässig, jedoch nicht berechtigt.

Österreich und Slowenien sind Mitgliedsstaaten des von einer Sonderkonferenz der Vereinten Nationen bereits 1956 beschlossenen (RV 972 BlgNR 11. GP, 13) Übereinkommens über die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen im Ausland (BGBl 1969/316 sowie BGBl 1993/80 iVm BGBl 1993/292). Es hat den Zweck, die Geltendmachung eines Unterhaltsanspruches zu erleichtern, den eine Person (Anspruchswerber), die sich im Gebiet eines der vertragsschließenden Teile befindet, gegen eine andere Person (Anspruchsgegner), die der Gerichtsbarkeit eines anderen solchen Staates untersteht, erheben zu können glaubt; dieser Zweck ist mit Hilfe von Stellen zu erreichen, die nach den weiteren Bestimmungen des Übereinkommens als Übermittlungs- und Empfangsstellen bezeichnet werden (Art 1 Abs 1). Als solche sind für den österreichischen Bereich gemäß § 2 des Durchführungsgesetzes BGBl 1969/317 (idF BGBl 1986/377) die zur Ausübung der Gerichtsbarkeit in bürgerlichen Rechtssachen berufenen Bezirksgerichte zuständig, in dessen Sprengel der Anspruchswerber (bzw bei Minderjährigkeit dessen gesetzlicher Vertreter) seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Der Antrag, einen Unterhaltsanspruch gegen den Anspruchsgegner geltend zu machen, hat die nach Art 3 Abs 4 lit a bis c des Übereinkommens (iVm § 3 Abs 3 und 4 des Durchführungsgesetzes) aufgezählten - und im konkreten Fall auch eingehaltenen - Mindesterfordernisse zu erfüllen und kann nach Abs 1 des Art 3 des Übereinkommens vom Anspruchswerber "bei einer Übermittlungsstelle im Staate, in dem er sich befindet", gestellt werden. Diesem Antrag sind weiters nach Abs 3 alle erheblichen Urkunden anzuschließen, worauf - gemäß Abs 4 - die Übermittlungsstelle "alle angemessenen Schritte zu unternehmen hat, um sicherzustellen, dass die Erfordernisse des im Staate der Empfangsstelle geltenden Rechtes erfüllt werden." Nach Art 4 Abs 1, Art 5 des Übereinkommens hat die Übermittlungsstelle (außer im Falle einer hier nicht Platz greifenden Mutwilligkeit) nach entsprechender Prüfung (§ 5 des Durchführungsgesetzes) die genannten Unterlagen im Wege des Bundesministeriums für Justiz der Empfangsstelle des Anspruchsgegners zu übersenden, welches sodann gemäß Art 6 alle geeigneten Schritte zur Geltendmachung des Unterhaltsanspruches zu unternehmen und die Übermittlungsstelle hierüber auf dem Laufenden zu halten hat.

Das Übereinkommen verfolgt den Zweck, dem Berechtigten möglichst rasch zu seinem Unterhalt zu verhelfen (RV 918 BlgNR 11. GP, 4 [zum Durchführungsgesetz]), wofür speziell die Inanspruchnahme der inländischen Gerichte als Übermittlungsstelle vorgesehen wurde (RV aaO), und damit insgesamt die Geltendmachung eines solchen Unterhaltsanspruches zu erleichtern (RV 972 BlgNR 11. GP, 14 [zum Übereinkommen]; Feil, Unterhaltsansprüche mit Auslandsbeziehung, 20 Rz 4), weil es erfahrungsgemäß sehr schwer ist, Unterhaltsansprüche im Ausland durchzusetzen; insofern entsprach (und entspricht) es somit einem dringenden Bedürfnis nach Rechtsschutz in der Verfolgung und Effektuierung derartiger Ansprüche (Bericht des Justizausschusses 1114 BlgNR 11. GP; vgl hiezu auch die Wortmeldung des Berichterstatters Abg Hallinger in der 273. Sitzung des Bundesrates am 7. 2. 1969, stProt 7098). Der Mechanismus zur erleichterten Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen im Ausland kann nach diesem Übereinkommen auch neben bestehenden zwischenstaatlichen Vereinbarungen (zu Slowenien s EFSlg 94.082) zur Vollstreckung bestehender Unterhaltstitel im betreffenden Auslandsstaat in Anspruch genommen werden (Feil, aaO 21 Rz 5). Dafür, dass - wie dies Feil, aaO 23 Rz 12 vertritt - der Antrag (nur) an die ausländische Empfangsstelle (und nicht an das österreichische Bezirksgericht) zu richten sei, findet sich weder im Übereinkommen noch im darauf fußenden Durchführungsgesetz ein tragfähiger Anhaltspunkt; im Gegenteil: Eine derartige dem Antragsteller abverlangte Vorgangsweise würde dem bereits wiedergegebenen Zweck der Raschheit und erleichterten Rechtsanspruchdurchsetzung geradezu widerstreiten und steht auch in Widerspruch mit § 5 Abs 2 BGBl 1969/317, wonach die Übermittlungsstelle den (gemäß § 3 Abs 1 schriftlich eingebrachten oder zu Protokoll gegebenen) Antrag an die ausländische Empfangsstelle weiterzuleiten hat.

Trotz aller dieser vom antragstellenden Kind bzw seinem Vertreter beachteten Gegebenheiten muss hier jedoch eine Unterhaltsvorschussgewährung sowohl nach § 3 als auch nach § 4 UVG scheitern. Dies aus folgenden weiteren Erwägungen:

Nach der erstgenannten Gesetzesstelle sind Vorschüsse zu gewähren, wenn für einen gesetzlichen Unterhaltstitel ein im Inland vollstreckbarer Exekutionstitel besteht (Z 1) und eine wegen der laufenden Unterhaltsbeiträge geführte Exekution ... auch nur einen in den letzten 6 Monaten vor Stellung des Antrags auf Vorschussgewährung fällig gewordenen Unterhaltsbeitrag nicht gedeckt hat (Z 2). Zur Erfüllung einer Titelvorschussgewährung wegen erfolgloser Exekution nach § 3 Z 2 UVG ist also eine ordnungsgemäße Exekutionsführung innerhalb der gesetzlichen 6-Monate-Frist (Neumayr in Schwimann, AGBG2 Rz 19 zu § 3 UVG) erforderlich. Die erfolglose Exekutionsführung muss also im sechsmonatigen Beobachtungszeitraum vor dem Vorschussantrag (und nicht vor der Entscheidung darüber) gelegen sein (Neumayr aaO Rz 21 zu § 3 UVG). Das war hier nicht der Fall, weil der als Exekutionsantrag zu wertende Antrag des Kindes nach dem Übereinkommen am 4. 7. 2001, der Vorschussantrag jedoch (bereits) am 10. 12. 2001 gestellt wurde. Die nach dem Einlangen des Vorschussantrages abgelaufene Zeit ist nicht auf den sechsmonatigen Beobachtungszeitraum anzurechnen. Der Misserfolg einer Exekutionsführung darf nicht dem antragstellenden und unterhaltsberechtigten Kind zugerechnet werden, wenn dieses - wie hier - den "richtigen" (Neumayr, aaO Rz 17; RIS-Justiz RS0108462) verfahrensmäßigen Schritt (hier: den Antrag nach dem Übereinkommen) gesetzt hat. Auch wenn das Pflegschaftsgericht bislang nichts zur Weiterleitung des Exekutionsantrages unternommen hat, obwohl es dazu unverzüglich verpflichtet gewesen wäre, kann dennoch nicht von einer ordnungsgemäßen, jedoch erfolglosen Exekutionsführung innerhalb der sechsmonatigen Frist ausgegangen werden.

Einer Vorschussgewährung nach dem als Sonderfall zu § 3 UVG (4 Ob 353/97h, EvBl 1998/78) geregelten § 4 Z 1 UVG stehen hingegen einerseits die Rechtskraft der ab- bzw zurückweislichen Vorentscheidungen in dieser Pflegschaftssache vom 8. 11. 2000 (ON 16) bzw 22. 1./16. 5. 2001 (ON 18/21) entgegen, andererseits aber der Umstand, dass - wie hierin bereits ausgeführt - im Verhältnis zu Slowenien von der Aussichtslosigkeit einer Exekutionsführung nicht ausgegangen werden kann (so auch die bereits zitierte Entscheidung EFSlg 94.082 ebenfalls im Zusammenhang mit einem Unterhaltsvergleich).

Auch wenn dem Revisionsrekurs beigepflichtet werden muss, dass die Raschheit der Bearbeitung eines Antrages nach dem Übereinkommen "in angemessener Zeit" grundsätzlich außerhalb des Einflussbereiches eines Antragstellers gelegen ist, so kann doch die Säumigkeit gerichtlicher Organe durch mehrere hiefür gesetzlich vorgesehene Einrichtungen (etwa Fristsetzungsantrag nach § 91 GOG) hintangehalten werden. Eine Substituierung dieser Möglichkeiten durch "möglichst rasche Aushilfe in Form von Vorschüssen" (so das Rechtsmittel abschließend), ohne dass die wie aufgezeigt erforderlichen gesetzlichen Voraussetzungen hiefür erfüllt sind, ist im Gesetz jedoch nicht vorgesehen.

Dem Revisionsrekurs konnte daher aus allen dieser Erwägungen kein Erfolg beschieden sein.

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