OGH 15Os55/03

OGH15Os55/0324.4.2003

Der Oberste Gerichtshof hat am 24. April 2003 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Markel als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Danek und Dr. Kirchbacher als weitere Richter, in+ Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Burtscher als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Radenko J***** wegen des Vergehens der versuchten Nötigung nach §§ 15, 105 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung, AZ 222 Ur 55/03 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien, über die Grundrechtsbeschwerde des Beschuldigten gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien vom 17. März 2003, AZ 20 Bs 84/03, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Radenko J***** wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Text

Gründe:

Gegen Radenko J***** ist beim Landesgericht für Strafsachen Wien ein Strafverfahren wegen §§ 15, 105; 12 zweiter Fall, 15, 288 Abs l StGB anhängig. Über den am 7. Februar 2003 um 8.00 Uhr festgenommenen (S 45) Beschuldigten wurde am 9. Februar 2003 die Untersuchungshaft aus den Haftgründen des § 180 Abs 2 Z 2 und 3 lit d StPO verhängt (S 78, ON 13). Am 21. Februar 2003, dem letzten Tag der 14-tägigen Haftfrist, wurde der Beschuldigte um 8.00 Uhr in Strafhaft zwecks Verbüßung einer zu AZ 18 U 351/00s des Bezirksgerichts Donaustadt verhängten 25-tägigen Ersatzfreiheitsstrafe übernommen, deren planmäßiges Ende am 18. März 2003, 8.00 Uhr, hätte sein sollen (ON 18). Infolge Bezahlung der restlichen Geldstrafe am 25. Februar 2003 um 15.00 Uhr befand sich der Beschwerdeführer (nach Verbüßung einer Strafhaft von vier Tagen und sieben Stunden) ab diesem Zeitpunkt wieder in Untersuchungshaft (S 193, ON 19). Die Verständigung durch die Justizanstalt vom (vorzeitigen) Ende der Ersatzfreiheitsstrafe langte erst am 26. Februar 2003 beim Landesgericht für Strafsachen Wien ein (S 107, vgl auch S 3c). Die Untersuchungsrichterin setzte hierauf unverzüglich eine Haftverhandlung an, die noch am 26. Februar 2003 um 14.40 Uhr durchgeführt wurde (ON 21), und fasste den Beschluss auf Fortsetzung der Untersuchungshaft wegen Verdunkelungs- und Tatausführungsgefahr mit Wirksamkeit bis längstens 26. März 2003 (ON 22).

Mit dem angefochtenen Beschluss gab das Oberlandesgericht Wien der dagegen gerichteten Beschwerde des Radenko J***** nicht Folge und verfügte die Fortsetzung der Untersuchungshaft aus den zuvor bezeichneten Gründen. Danach ist der Beschuldigte, gegen den seit 26. Februar 2003 auch ein entsprechender Strafantrag vorliegt (ON 20), dringend verdächtig, am 3. Dezember 2002 in Wien Branimir P***** durch gefährliche Drohung mit zumindest einer Verletzung am Körper zu einer falschen Zeugenaussage im gegen Sasa R***** beim Landesgericht für Strafsachen Wien zu AZ 281 Ur 208/02d wegen § 75 StGB geführten Verfahren zu nötigen versucht zu haben sowie durch diese Tathandlung und die Aufforderung, Branimir P***** möge als Zeuge vor Gericht im Zuge seiner förmlichen Vernehmung zur Sache wider besseres Wissen aussagen, dass Sasa R***** zum Tatzeitpunkt aus einer Notwehrsituation heraus gehandelt hätte, den Erstgenannten zu einer falschen Beweisaussage vor Gericht zu bestimmen versucht zu haben. Zur Frage der Rechtzeitigkeit der Haftverhandlung vertrat der Gerichtshof zweiter Instanz die Auffassung, dass ein Fall des § 181 Abs 4 StPO vorgelegen sei.

Dagegen richtet sich die - ausschließlich eine Verspätung der am 26. Februar 2003 durchgeführten Haftverhandlung und des an diesem Tag gefassten Fortsetzungsbeschlusses reklamierende - Grundrechtsbeschwerde.

Ihr zufolge stelle die Bezahlung der Geldstrafe durch nahe Angehörige zur Verkürzung der Haftzeit einer Ersatzfreiheitsstrafe kein unvorhersehbares Ereignis im Sinn des § 181 Abs 4 StPO dar, darüber hinaus sei kein Hindernis vorgelegen, das nach Anberaumung der Haftverhandlung aufgetreten sei und deren Verlegung erzwungen hätte.

Rechtliche Beurteilung

Der Grundrechtsbeschwerde zuwider erfolgten die Durchführung der Haftverhandlung und der Beschluss auf Fortsetzung der Untersuchungshaft fristgerecht.

Denn zum einen endete die ab dem 8. Februar 2003, 0.00 Uhr, zu berechnende (§ 6 Abs 1 zweiter Satz StPO) und sodann von 21. Februar 2003, 8.00 Uhr, bis 25. Februar 2003, 15.00 Uhr, gehemmte 14-tägige Frist des § 181 Abs 2 Z 1 StPO - der Beschwerde zuwider - erst am 26. Februar 2003 um 24 Uhr. Denn zum Zeitpunkt des Beginns der Hemmung am 21. Februar 2003 um 8.00 Uhr standen noch 16 Stunden bis zum Fristablauf (ursprünglich 21. Februar 2003, 24.00 Uhr) zur Verfügung. Rechnet man diese Zeit ab Ende der Hemmung (25. Februar 2003, 15.00 Uhr) hinzu, ergäbe sich ein hypothetisches Fristende am 26. Februar 2003 um 7.00 Uhr. Weil jedoch die in Rede stehende Frist keine in Stunden zu berechnende, daher a momento ad momentum laufende, sondern eine kalendermäßige ist, endete sie erst mit dem Ablauf ihres letzten Tages, somit am 26. Februar 2003 um 24 Uhr (vgl Foregger-Fabrizy StPO8 § 6 Rz 1; Mayerhofer StPO4 § 6 E 12; 15 Os 133/94). Die mit einer Unterbrechung der Untersuchungshaft nach § 180 Abs 4 StPO verbundene Hemmung einer Haftfrist (§ 181 Abs 1 und 2 StPO) für eine a momento ad momentum zu berechnende Zeitspanne (wie eine in Stunden zu messende Haft) bewirkt keine Ausnahme von dem auf § 6 Abs 1 zweiter StPO beruhenden Grundsatz, dass Haftfristen als nach Tagen oder Monaten bestimmte Fristen erst mit Ablauf ihres letzten Tages enden. Die am 26. Februar 2003 um 14.30 Uhr durchgeführte Haftverhandlung erfolgte daher nicht verspätet, sondern rechtzeitig.

Zum anderen wäre bei gegebener Konstellation selbst im Fall des Ablaufs der Haftfrist vor der Haftverhandlung die Durchführung derselben an einem der dem Fristablauf folgenden drei Arbeitstage zulässig gewesen. Denn aufgrund eines Größenschlusses ist davon auszugehen, dass nicht nur dann, wenn die Durchführung einer zuvor anberaumten Haftverhandlung wegen eines unvorhersehbaren oder unabwendbaren Ereignisses unmöglich ist, deren Verlegung zulässig ist. Im nicht minder vom Schutzzweck des § 181 Abs 4 StPO umfassten, vom Gesetzgeber jedoch nicht bedachten Fall, in dem ein solches Ereignis bereits die Anberaumung (und damit auch die Durchführung) der Haftverhandlung hindert - womit von einer "Verlegung" im reinen Wortsinn nicht gesprochen werden kann - muss in gleicher Weise sichergestellt sein, dass Ereignisse der bezeichneten Art nicht zu einer ungerechtfertigten Enthaftung führen können, sodass in analoger Anwendung des § 181 Abs 4 StPO (vgl Markel, WK-StPO § 1 Rz 35; Mayerhofer StPO4 § 1 E 46, 47) eine Durchführung der Haftverhandlung (ungeachtet deren somit erstmaliger Anberaumung) an einem der drei dem Fristablauf folgenden Arbeitstage auch dann zulässig ist (anders noch 15 Os 139/97).

Das Unterbleiben einer unverzüglichen Verständigung (telefonisch oder per Fax) durch die Justizanstalt vom außerplanmäßigen vorzeitigen Strafhaftende (hier: aufgrund § 409 Abs 3 StPO) und damit vom Wegfall der Fortlaufhemmung der Untersuchungshaft stellt ein unvorhersehbares Ereignis iSd § 181 Abs 4 StPO dar. Der Beschwerde zuwider liegt kein - allein eine Grundrechtsverletzung bewirkender, dem Gericht zurechenbarer (vgl ÖJZ-LSK 1997/48) - Fehler darin, dass es der Untersuchungsrichter im Vertrauen auf eine unverzügliche Verständigung unterlässt, eine Haftverhandlung (schon) zu einem Zeitpunkt durchzuführen, zu dem sich der Beschuldigte nach seinem Wissensstand (noch) gar nicht in Untersuchungshaft (sondern noch in Strafhaft) befindet.

Radenko J***** wurde daher in seinem Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt, weshalb die Grundrechtsbeschwerde ohne Kostenausspruch (§ 8 GRBG) abzuweisen war.

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