Spruch:
Der außerordentlichen Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden dahingehend abgeändert, dass die Entscheidung zu lauten hat:
"Die Aufkündigung der klagenden Partei wird für wirksam erkannt.
Der beklagten Partei wird aufgetragen, die im Hause ***** gelegene Wohnung top , bestehend aus Zimmer, Vorraum, Küche, Bad/WC und Loggia binnen 14 Tagen zu räumen und der klagenden Partei geräumt zu übergeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.415,07 EUR (darin 202,19 EUR USt und 201,88 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten der Verfahren aller drei Instanzen binnen 14 Tagen zu ersetzen."
Text
Entscheidungsgründe:
Die Beklagte mietete am 25. Jänner 1973 von der klagenden Vermieterin die im Spruch genannte Wohnung in Salzburg und bewohnte diese geraume Zeit hindurch derart, dass sie - aus welchem Grund auch immer - nicht in der Lage war, irgendwelchen Müll wegzuwerfen. Sie hob diesen an wahllosen Stellen in der Wohnung auf, sodass diese mit Zeitungspapier, leeren Flaschen, Plastikbehältern, Kleidung, Haushaltsgeräten, Schachteln, Geschirr, Bottichen, Körben, Plastiksäcken etc. in völligem Durcheinander auf dem Boden im Wohn- und im Sanitärbereich, auf Tischen, Sesseln, Kommoden und allen nur denkbaren Stellen vollgeräumt war, sodass zum Großteil nicht einmal mehr der Boden so begehbar war, ohne auf irgend etwas zu treten. Kopien von Lichtbildern aus dem die Beklagte betreffenden Sachwalterschaftsakt sind integrierender Bestandteil der erstgerichtlichen Feststellungen.
In der Wohnung der Beklagten kam es mindestens zweimal zu Wasserschäden, wodurch die Decke der darunter liegenden Wohnung beschädigt wurde. Die Ursache der Wasserschäden - ein Wasserrohrbruch - war nicht offensichtlich für die Beklagte erkennbar; es ist nicht feststellbar, ob der Wasserrohrbruch auf ein Verhalten der Beklagten zurückzuführen ist. Der Mieter der Wohnung unterhalb der Beklagten versuchte am 7. Oktober 1999, sämtliche Mitbewohner des Hauses zur Unterfertigung eines Schreibens an die klagende Partei zu bringen, in dem diese auf behauptete Schwierigkeiten mit der Beklagten - bezüglich Wasserschäden - hingewiesen wurde. Im Zuge dieser Vorfälle kam es im Oktober 1999 zum Einschreiten des Magistrats der Stadt Salzburg, Magistratsabteilung 1/01 Amt für Umweltschutz, wobei am 13. Oktober 1999 anlässlich einer Verhandlung in der Wohnung der Beklagten festgestellt wurde, dass sich die Wohnung in einem verwahrlosten Zustand in der oben beschriebenen Weise befand. Es wurden Rückstände verdorbener Lebensmittel wahrgenommen. Der Beklagten war es aufgrund des beschriebenen Zustands unmöglich, die Küche zu benutzen, weil diese so vollgeräumt war. Auch die Nasszelle war unbenutzbar, weil die Wasserversorgung in der Wohnung abgestellt war. Eine gravierende Geruchsbelästigung wurde bei dieser Begehung ebensowenig festgestellt wie Ungeziefer. Die einschreitende Behörde forderte sodann mit rechtskräftigem Bescheid vom 14. Oktober 1999 gemäß § 1 der 5. Ortspolizeilichen VO 1973 die Beklagte auf, bis 27. Oktober 1999 ihre Wohnung von sämtlichem Abfall (große Mengen von Papier, Plastik, Flaschen, verschmutzte Wäsche und Bekleidung, sowie kleineren Mengen verdorbener Lebensmittel) zu säubern, in einen hygienisch einwandfreien Zustand zu bringen und dauernd zu halten, sowie anschließend zu desinfizieren. Da die Beklagte diesem Auftrag nicht nachkam, wurde am 27. Oktober 1999 die Ersatzvornahme angedroht, am 29. Oktober 1999 angeordnet und schließlich Anfang November 1999 durchgeführt. Die am 15. Juni 2000 durchgeführte neuerliche Begehung der Wohnung der Beklagten ergab, dass wiederum Gerümpel in der Wohnung, jedoch diesmal nicht im Ausmaß, wie auf den erwähnten Lichtbildern festgehalten, herumlag. Weiters wurde ein mangelhafter Heizkörper und schadhaftes Parkett festgestellt. Küche und Bad waren ungereinigt. Im Bad befand sich Ungeziefer; da im Bad das Licht kaputt war, wurde dort nicht weiter untersucht. Die Elektroanschlüsse, insbesondere der E-Herd waren desolat. Geruchsbelästigung wurde keine festgestellt. Es befanden sich keine Kakerlaken und insbesondere keine Pharao-Ameisen in der Wohnung. Die Hausbewohner fühlen sich durch die Beklagte "über weite Strecken" nicht gestört und haben auch keine Probleme mit ihr. Insbesondere nehmen sie weder Geruchsbelästigung noch Ungeziefer wahr.
Zu nicht mehr feststellbaren Zeitpunkten kam es zu folgenden Vorfällen: Einmal floss eine übel riechende Flüssigkeit vor der Wohnung der Beklagten zur gegenüber liegenden Wohnung, wobei nicht feststeht, von wem die Flüssigkeit ausgeschüttet worden war. Zweimal kam es "zu größeren Lärmentwicklungen", sodass einmal die Polizei einschreiten musste. Öfters wurde die Tür zugeschlagen, wobei nicht feststeht, ob durch die Beklagte. Einmal verschob die Beklagte nach 22.00 Uhr Möbel in ihrer Wohnung, mehrmals putzte sie den Balkon, indem sie Wasser ausschüttete, wobei dies einmal nach 23.00 Uhr geschah.
Die Vorinstanzen hoben die auf § 30 Abs 2 Z 3 erster Fall MRG gestützte der Aufkündigung der Wohnung durch die klagende Partei vom 16. Mai 2000 auf und wiesen das Räumungsbegehren ab.
Die überbordende Aufbewahrung von Unrat und Gerümpel könne den genannten Kündigungsgrund nur dann darstellen, wenn sie - anders als hier - zu Geruchsbelästigung, Ungetier und Ungeziefer führe. Das Chaos in der Wohnung sei derart, dass derartige Folgen zu befürchten seien, wie dies auch durch das behördliche Verfahren zum Ausdruck komme, jedoch sei keine erhebliche Ungezieferbelästigung vorgefunden worden. Ein Kündigungsgrund in dieser Richtung sei auch insofern nicht gegeben, als sich der Zustand gebessert habe. Auch in Ansehung der Geruchsbelästigung fehle es an der erforderlichen Erheblichkeit. Die Vorfälle im Zusammenhang mit der behaupteten Lärmbelästigung überstiegen nicht jenes Ausmaß, welches gelegentlich in jedem Mehrparteienhaus vorkomme. Was schließlich die Wasserschäden betreffe, so habe die Generalsanierung hier Abhilfe geschaffen, sodass die etwa ein Jahr danach eingebrachte Kündigung insoweit verspätet erfolgt sei. Die festgestellten Parkettbeschädigungen im Juni 2000 führten zu keinem anderen Ergebnis, fehle es doch an erforderlichen Feststellungen eines hiefür zurechenbaren Verhaltens der Beklagten. Die zweite Instanz ergänzte dies noch: Dass die Wasserschäden der Beklagten schlüssig zurechenbar wären, habe das Beweisverfahren nicht ergeben. Wenngleich nun zweifellos eine massive Unordnung in der Wohnung der Beklagten dokumentiert sei, so könne jedenfalls in Bezug auf das Zusammenleben mit den übrigen Hausbewohnern nicht davon ausgegangen werden, dass sich diese jemals durch Ungeziefer oder aus der Wohnung kommende unangenehme Gerüche beschwert gefühlt hätten, sodass von einem nachteiligen Gebrauch nicht die Rede sein könne. Die Tatsache, dass ein Mieter in seiner Wohnung (eine wenn auch massive) Unordnung halte, könne für sich alleine nicht bedeuten, dass er - ohne Gefährdung von Interessen Dritter - einen Kündigungstatbestand verwirkliche und in weiterer Folge zu räumen sei. Als gleichsam "gelinderes Mittel" müsse eine Hausverwaltung, die von einschlägigen Problemen Kenntnis erlange, einem solchen Mieter unter Einschaltung einer Person seines Vertrauens oder auch der Sanitätspolizei Hilfestellung dahin anbieten, ihm in gewissen Zeitabständen Hilfe zur Durchforstung seiner nicht mehr benötigten Fahrnisse angedeihen zu lassen, anstatt ihn gleich zu kündigen. Zweifelsohne stelle es ein Defizit in der Diskretionsfähigkeit dar, wenn eine Person nicht in der Lage sei zu entscheiden, von welchen Fahrnissen sie sich zeitgerecht (zur Vermeidung von Zuständen nach Art der Beklagten) zu trennen habe; solange daraus jedoch kein greifbarer Nachteil im Zusammenleben im Hausverband entspringe oder für den Vermieter ein konkreter Schaden am Mietobjekt entstehe, seien die Kündigungsvoraussetzungen noch nicht verwirklicht.
Rechtliche Beurteilung
Die außerordentliche Revision der klagenden Partei ist zulässig und berechtigt.
a) Ein erheblich nachteiliger Gebrauch iSd § 30 Abs 2 Z 3 erster Fall MRG, der wörtlich jenem des § 19 Abs 2 Z 3 MG idFd MG-Novelle 1974 entspricht, liegt dann vor, wenn der Mieter vom Mietgegenstand einen erheblich nachteiligen Gebrauch macht, namentlich den Mietgegenstand in arger Weise vernachlässigt. Dies ist dann der Fall, wenn durch eine wiederholte, länger währende vertragswidrige Benützung des Bestandobjekts oder durch eine längere Reihe von Unterlassungen notwendiger Vorkehrungen eine erhebliche Verletzung der Substanz des Mietgegenstands erfolgte oder auch nur droht (Würth/Zingher, Miet- und WohnR20 § 30 MRG Rz 17 mwN). Es ist also nicht notwendig, dass der Schaden - die Substanzbeeinträchtigung oder die Schädigung wichtiger wirtschaftlicher Interessen - schon eingetreten ist; es genügt die drohende Gefahr. Nur eine gänzlich ungewisse in der Zukunft liegende Möglichkeit kann nicht als wichtiger Kündigungsgrund gewertet werden (4 Ob 2135/96s = SZ 69/177 mwN; 10 Ob 270/99z = immolex 2000, 109 [Pfiel] = MietSlg 51.168 = wobl 2001, 144 u.a.; RIS-Justiz RS008939). Bei anderer Ansicht käme ja die Aufkündigung unter Umständen zu spät (SZ 69/177 u.a.). Dies gilt auch für die Gefahr von Ungezieferbildung (RIS-Justiz RS0067832). Es kommt daher nicht darauf an, dass sich bisher die übrigen Hausbewohner durch die Beklagte nicht beschwert fühlten, kein greifbarer Nachteil im Zusammenleben im Hausverband entsprungen ist oder für die Vermieterin ein konkreter Schaden am Mietobjekt (bisher) nicht entstand. Hierbei kann zwar der festgestellte Wasserschaden in der darunter liegenden Wohnung außer Betracht bleiben, weil dieser der Beklagten nicht schlüssig zurechenbar ist. Dass ein erheblich nachteiliger Gebrauch des Mietobjekts dann gegeben ist, wenn der Mieter den Mietgegenstand in arger Weise vernachlässigt, indem er etwa Gerümpel anhäuft, oder durch nachteiligen Gebrauch eine erhebliche Verletzung der Substanz des Mietgegenstands droht, hat auch das Berufungsgericht richtig erkannt. Nun steht fest, dass sich in der Wohnung der Beklagten näher bezeichneter Müll in einem völligen Durcheinander auf dem Boden im Wohn- und Sanitärbereich angesammelt hatte, der dazu führte, dass die zuständige Behörde zwar im Wege der Ersatzvornahme die Wohnung in einen hygienisch einwandfreien Zustand bringen ließ. Bereits daraus ist ersichtlich, dass die Beklagte selbst nicht den Willen aufbringt, sich von ihren Fahrnissen zu trennen, hat sich doch auch nach der Ersatzvornahme abermals Gerümpel und Mist in erheblichem Maße angesammelt, wenngleich bis zur 2. Wohnungsbegehung (noch) nicht im vorherigen Ausmaß. Angeordnet war aber von der Behörde mit rechtskräftigem Bescheid nicht nur, die Wohnung in einen hygienisch einwandfreien Zustand zu bringen, sondern auch sie dauernd zu halten.
Überdies befand sich nach den Feststellungen im Bad Ungeziefer. Es kann als gerichtsbekannt gelten, dass Müllreste, insbesondere leere Flaschen, in denen sich erfahrungsgemäß Rückstände des Inhalts sammeln, ein geradezu idealer Nährboden für Ungeziefer aller Art sind. Das fortgesetzte Ansammeln und Belassen von Müll diverser Art lässt daher die Gefahr von Ungeziefer als drohend erscheinen. Weitere Feststellungen dahingehend, dass sich tatsächlich Ungeziefer in der Wohnung befindet, sind daher entbehrlich. Denn schon allein eine solche Gefahr von Ungezieferbildung begründet die objektive Voraussetzung des Kündigungsgrunds des § 30 Abs 2 Z 3 erster Fall MRG, abgehen davon, dass sich bei der 2. Wohnungsbegehung durch die obgenannte Behörde bereits Ungeziefer im Bad befand.
b) Die Erfüllung dieses Kündigungstatbestands setzt nach stRsp neben den aufgezeigten objektiven Elementen kein Verschulden des Mieters voraus (7 Ob 225/00i = wobl 2001, 220 u.a.), wenngleich es hiefür erforderlich ist, dass dem Mieter die Nachteiligkeit seines Verhaltens zumindest bewusst war oder bewusst sein musste (1 Ob 562/94 u.a.; RIS-Justiz RS0067957). Die Schädlichkeit seines Verhaltens muss dem Mieter nicht subjektiv erkennbar sein, vielmehr wird nur die nach einem generellen Maßstab von einem durchschnittlichen Mieter zu erwartende Erkennbarkeit der Schädlichkeit eines bestimmten Verhaltens zur Erfüllung des Kündigungsgrunds des erheblich nachteiligen Gebrauchs gefordert. Nach den Feststellungen wurde die Beklagte im vorliegenden Fall von der zuständigen Behörde u.a. rechtskräftig aufgefordert, ihre gemietete Wohnung zu säubern und zu desinfizieren. Schon dadurch und spätestens durch die erfolgte Ersatzvornahme musste der Beklagten objektiv die Nachteiligkeit ihres Verhaltens erkennbar gewesen sein. Ein Einwand, es sei der Beklagten unmöglich gewesen, die Verwahrlosung ihrer gemieteten Wohnung und die dadurch drohende Substanzschädigung zu erkennen, wurde im erstinstanzlichen Verfahren nicht erhoben.
c) Eine (vertragliche) Verpflichtung der klagenden Vermieterin oder des Hausverwalters, die beklagte Mieterin in gewissen Abständen beim Wegschaffen von Müll und Gerümpel aus ihrer Wohnung zu unterstützen, war nicht Gegenstand eines Vorbringens in erster Instanz. Darauf kann daher nicht eingegangen werden.
Der Revision ist Folge zu geben und in Abänderung der vorinstanzlichen Entscheidungen dem Klagebegehren stattzugeben.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.
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