OGH 1Ob562/94

OGH1Ob562/9430.5.1994

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schlosser, Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker und Dr. Rohrer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Christine O*****, vertreten durch Dr. Michael Cermak, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Mag. Nandita R*****, vertreten durch Dr. Alexander Brauer, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufkündigung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichtes vom 28. Jänner 1994, GZ 41 R 929/93-36, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Döbling vom 1. Juli 1993, GZ 4 C 389/91-31, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das Urteil des Berufungsgerichtes wird dahin abgeändert, daß das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 13.434,88 bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin S 1.932,48 Umsatzsteuer und S 1.840,-- Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Geschoßdecken des 1911 errichteten Hauses der Klägerin in Wien-Döbling sind als Holztramdecken ausgebildet. Die Hauseigentümerin benützt eine Wohnung im ersten Stock. Im April 1986 vermietete sie die über ihren Wohnräumen liegende Wohnung an die Beklagte, die schon damals zur Sanierung dieser Räumlichkeiten entschlossen war. Damit war die Klägerin einverstanden. Im Zuge dieser Arbeiten ließ die Beklagte eine mit Gips verputzte Schilfwand zwischen dem Badezimmer und einem anderen Raum abtragen, um das Bad zu vergrößern. Auf dem Boden des bisherigen Badezimmers waren Plastikfliesen verlegt, der anschließende Raum hatte einen Holzboden. Eine Feuchtigkeitsisolierung war nicht vorhanden. Der Ehegatte der Beklagten verflieste mit fremder Hilfe das neue Badezimmer, ohne eine ausreichende Feuchtigkeitsisolierung anzubringen; die Fliesen wurden einfach auf dem Estrich verlegt. In dem hinzugewonnenen Raum, der über dem Schlafzimmer der Klägerin liegt, wurde die Badewanne installiert. Eine Baubewilligung hatte die Beklagte vor den Umbauarbeiten nicht eingeholt. Ende März 1989 gewahrte die Klägerin Feuchtigkeitsflecken an der Decke ihres Schlafzimmers. Diese waren dadurch entstanden, daß entweder Wasser aus einem schadhaften Abflußrohr oder Spritzwasser aus dem Badezimmer mangels der erforderlichen Feuchtigkeitsisolierung durch die Holztramdecke gedrungen war. Die Klägerin informierte sogleich den Ehegatten der Beklagten, der aber meinte, der Schaden werde schon von der Haushaltsversicherung gedeckt werden. In der Folge verständigte die Klägerin den Hausverwalter von den Feuchtigkeitsflecken, der darauf die Wohnung der Beklagten besichtigte und feststellte, daß die Schilftrennwand abgetragen war; der Ehegatte der Beklagten berichtete ihn, auf den Estrich des neuen Badezimmers seien Fliesen verlegt worden. Mit Schreiben vom 24.7.1990 forderte der Hausverwalter die Beklagte zur Herstellung einer Feuchtigkeitsisolierung auf. Deren damaligen Rechtsvertreter antwortete mit Schreiben vom 28.8.1990, die Beklagte habe im Zuge der Verfliesung für eine entsprechende Feuchtigkeitsisolierung in anderer Weise Sorge getragen. In Beantwortung dieses Schreibens forderte der Hausverwalter die Beklagte auf, binnen drei Monaten eine fachgerechte Feuchtigkeitsisolierung durch einen befugten Gewerbsmann vornehmen zu lassen. Die Beklagte brachte die geforderte Feuchtigkeitsisolierung nicht an. Es besteht deshalb die Gefahr, daß die Holzträme durch Spritzwasser aus dem Bad der Beklagten durchfeuchtet werden und dadurch die Substanz des Hauses gefährdet wird.

Mit am 7.2.1991 beim Erstgericht eingelangten Schriftsatz kündigte die Klägerin der Beklagten die von dieser gemietete Wohnung auf. Sie brachte - soweit für das Rechtsmittelverfahren noch von Bedeutung - vor, die Beklagte habe entgegen dem Mietvertrag bauliche Veränderungen vornehmen lassen, die zu einer erheblichen Verschlechterung des Mietgegenstandes geführt hätten. Dabei sei insbesondere die erforderliche Feuchtigkeitsisolierung nicht angebracht worden, sodaß die Gefahr ärgster Wasserschäden im Haus bestehe.

Die Beklagte bestritt die Verschlechterung durch die baulichen Veränderungen, denen die Klägerin zugestimmt habe. Das Bad sei fachgerecht verfliest und es bestehe ein ausreichender Schutz vor Feuchtigkeitsschäden.

Das Erstgericht erklärte die Aufkündigung für rechtswirksam und gab dem Räumungsbegehren statt.

Rechtlich meinte es, die geltend gemachten Kündigungsgründe nach § 30 Abs 2 Z 3 zweiter Fall, Z 4 und Z 6 MRG seien zwar nicht verwirklicht, der Kündigungsgrund des erheblich nachteiligen Gebrauchs nach § 30 Abs 2 Z 3 erster Fall MRG liege dagegen vor. Daß die Beklagte die erforderliche Baubewilligung nicht eingeholt habe, sei zwar unerheblich, die Arbeiten im Bad hätten jedoch sachgemäß durchgeführt werden müssen. Dazu gehöre die der Bauordnung entsprechende Herstellung einer Feuchtigkeitsdichtung, die der unter dem Boden liegenden Holzdecke gegen Feuchtigkeit wirksamen Schutz biete. Es bestehe daher die Gefahr, daß die Holzträme langsam durchfeuchtet würden und dadurch die Substanz des Hauses geschädigt werde. Die Beklagte sei bereits im Jänner 1990 auf die Durchfeuchtung der Decke aufmerksam gemacht worden. Der Hausverwalter habe sie einige Monate später aufgefordert, den Badezimmerboden gegen Feuchtigkeit zu isolieren. Zumindest von da an sei auch für die Beklagte erkennbar gewesen, daß der nicht sachgerechte Umbau des Badezimmers zu einer Substanzgefährdung des Hauses führen könne.

Das Gericht zweiter Instanz hob die Aufkündigung auf, wies das Räumungsbegehren ab und sprach aus, daß die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Es übernahm die erstinstanzlichen Feststellungen und führte in Erledigung der Rechtsrüge aus, es sei nicht mehr strittig, daß die bisher gleichfalls geltend gemachten Kündigungsgründe des § 30 Abs 2 Z 3 zweiter Fall, Z 4 und Z 6 MRG nicht vorlägen. Der Kündigungsgrund des erheblich nachteiligen Gebrauchs nach § 30 Abs 2 Z 3 erster Fall sei dann gegeben, wenn das gesetz- oder vertragswidrige Verhalten des Mieters die Substanz des Mietgegenstandes verletze oder zumindest gefährde oder der bestimmungswidrige Gebrauch objektiv betrachtet geeignet sei, wichtige Interessen des Vermieters zu verletzen. Nicht jede gesetz- oder vertragswidrige Verwendung des Bestandgegenstands durch den Mieter rechtfertige jedoch die Aufkündigung des Bestandverhältnisses, sie berechtige den Vermieter vielmehr in erster Linie bloß, die Unterlassung der unzulässigen Benützung zu verlangen. Damit das vertragswidrige Verhalten den Kündigungsgrund des erheblich nachteiligen Gebrauchs bilde, müßten wichtige Interessen des Vermieters verletzt werden. Der Kündigungsgrund setze kein Verschulden voraus, eine Abmahnung sei nur notwendig, wenn die Schädlichkeit des Verhaltens nicht ohne weiteres erkennbar sei. Der sorglose Umgang mit Wasser stelle den Kündigungsgrund grundsätzlich her. Auch im vorliegenden Fall sei eine Substanzgefährdung des Hauses zu bejahen, weil mangels Feuchtigkeitsisolierung die Gefahr bestehe, daß die Holzträme durch Spritzwasser aus dem Badezimmer durchfeuchtet werden. Der Sachverhalt rechtfertige die auf § 30 Abs 2 Z 3 erster Fall MRG gestützte Aufkündigung jedoch noch nicht: Auf dem Boden des bei Anmietung der Wohnung durch die Beklagte bereits vorhandenen Badezimmers seien Plastikfliesen verlegt gewesen, eine Feuchtigkeitsisolierung habe jedoch nicht bestanden. Daß die Klägerin bei der Vermietung einen entsprechenden Vorbehalt gemacht habe, eine Benützung des Badezimmers sei infolge der fehlenden Feuchtigkeitsisolierung nicht möglich, habe die Klägerin in erster Instanz nicht behauptet. Stelle nun auch die Tatsache, daß die Beklagte das Badezimmer ohne Anbringung einer ausreichenden Feuchtigkeitsisolierung neu hergestellt habe, ein vertragswidriges Verhalten der Beklagten dar, so könne ihr jedoch noch keine derart grobe Vertragswidrigkeit angelastet werden, daß die Aufkündigung des Mietverhältnisses gerechtfertigt erscheine, berücksichtige man, daß die Klägerin selbst im ursprünglich vermieteten Badezimmer gleichfalls nicht für einen entsprechenden Feuchtigkeitsschutz gesorgt habe. Daß der Vermieter seine eigene Instandhaltungspflicht vernachlässigt hat, rechtfertige zwar die Schaffung eines substanzgefährenden Zustandes durch den Mieter nicht, das gelte jedoch dann nicht, wenn - wie hier - ein gewisser Zusammenhang zwischen dem vertragswidrigen Verhalten des Mieters und dem Verhalten des Vermieters bestehe: Hätte die Beklagte das ihr vermietete Badezimmer ohne Umbauarbeiten benützt, hätte für die Substanz der Holztramdecke die gleiche Gefahr bestanden.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Klägerin ist berechtigt.

Gegenstand des Rechtsmittelverfahrens ist nur mehr die Aufkündigung wegen erheblich nachteiligen Gebrauchs des Bestandgegenstands gemäß § 30 Abs 2 Z 3 erster Fall MRG. Der erhebliche Nachteil kann in jeder erheblichen Verletzung ideeller oder wirtschaftlicher Interessen des Vermieters liegen; dabei sind die Umstände des Einzelfalls in ihrer Gesamtheit maßgebend. Es genügt unter anderem bereits die drohende Schädigung der Substanz der Bestandsache bzw des gesamten Gebäudes (SZ 48/132 uva; Würth in Rummel, ABGB2 § 1118 Rz 11).

Das Erstgericht hat festgestellt, daß die Beklagte das durch die Abtragung einer Trennwand vergrößerte Badezimmer verfliesen ließ, ohne vorher die erforderliche Baubewilligung zu erwirken, vor allem aber, ohne für die erforderliche Feuchtigkeitsisolierung zu sorgen. Deshalb besteht die - konkrete - Gefahr, daß die Holzträme der Zwischendecke zum unteren Geschoß durch Spritzwasser aus dem Badezimmer durchfeuchtet werden, vermorschen und dadurch die Substanz des Hauses erheblich geschädigt wird. Feuchtigkeitsflecken zeigten sich übrigens schon jetzt an der Decke des darunter liegenden Schlafzimmers der Klägerin.

Es reicht aus, daß dem Mieter das nachteilige Verhalten bewußt war oder bewußt sein mußte. Eine der Auflösungserklärung bzw Aufkündigung vorangehende Abmahnung ist als Erfordernis redlicher Rechtsausübung daher nur dann erforderlich, wenn dem Mieter die Schädlichkeit des Gebrauchs nicht ohne weiteres erkennbar ist oder erkennbar sein muß (Würth aaO Rz 12 mzN aus der Rechtsprechung). Ob letzteres zutraf, muß nicht weiter geprüft werden, weil die Klägerin die Beklagte schon unmittelbar nach dem Erscheinen der Feuchtigkeitsflecken an der Decke ihres Schlafzimmers darauf aufmerksam gemacht und sie der Hausverwalter auch unmittelbar danach zweimal zur Herstellung der erforderlichen Feuchtigkeitsisolierung aufgefordert hat.

Das Berufungsgericht erkannte auch richtig, daß selbst die Instandhaltungspflicht des Vermieters weder eine Rechtfertigung noch eine Entschuldigung dafür sein kann, daß der Mieter seinerseits einen Zustand schafft, der eine erhebliche Gefährdung der Substanz des Bestandobjekts bedeutet (MietSlg 30.367 ua); es vertrat aber die Ansicht, dieser Grundsatz gelte dann nicht, wenn der Zustand vor den Umbauarbeiten in gleicher Weise die Substanz des Hauses gefährdet hätte: Das Erstgericht habe festgestellt, daß das Badezimmer schon bisher mit keiner ausreichenden Feuchtigkeitsisolierung ausgestattet gewesen sei. Dabei hat das Gericht zweiter Instanz jedoch übersehen, daß die Beklagte durch die - ohne Baubewilligung durchgeführten - Umbauarbeiten das Bad auf einen weiteren Raum ausgedehnt und gerade dort - wieder ohne entsprechende Feuchtigkeitsisolierung - die Badewanne installiert hatte: Tatsächlich zeigten sich die Feuchtigkeitsflecken auch im Schlafzimmer der Klägerin unterhalb dieses einbezogenen Raumes. Von einer schon bisher in gleicher Weise bestehenden Substanzgefährdung kann schon deshalb keine Rede sein. Die durch die Umbauarbeiten herbeigeführte Gefahr der Durchfeuchtung der Träme ist durch das Verhalten der Beklagten somit wesentlich erhöht worden.

Zu Recht hat das Erstgericht den erheblich nachteiligen Gebrauch durch die Beklagte angenommen und die Aufkündigung für rechtswirksam erklärt, sodaß sein Urteil wiederherzustellen ist.

Die Entscheidung über Kosten des Rechtsmittelverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte