OGH 2Ob251/02d

OGH2Ob251/02d7.4.2003

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Helmut R*****, vertreten durch Rechtsanwaltspartnerschaft Waneck & Kunze, 1010 Wien, gegen die beklagten Parteien 1.) Martin G*****, 2.) Peter V*****, und 3.) U***** AG, *****, alle vertreten durch Dr. Oswald Karminski-Pielsticker, Rechtsanwalt in Wien, wegen EUR 4.802,14 sA, infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 14. Mai 2002, GZ 37 R 207/02v-31, womit die Klage hinsichtlich eines Teilbetrages von EUR 375,04 zurückgewiesen wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Rekurskosten selbst zu tragen.

Text

Begründung

Die beklagten Parteien haften dem Kläger dem Grunde nach für die Folgen eines Verkehrsunfalles.

Der Kläger begehrt in seiner Klage Schmerzengeld, Verdienstentgang, den Ersatz von Sachschäden in der Höhe von S 4.855 und schließlich einen Betrag von S 9.000 aus dem Titel "Sachschadenregulierung". In der mündlichen Streitverhandlung vom 5. 4. 2001 schränkte der Klagevertreter das Klagebegehren um den Betrag von S 4.305 bezüglich der Position "Sachschäden" ein, weshalb aus diesem Titel noch ein Betrag von S 550 streitverfangen war.

In der mündlichen Streitverhandlung vom 14. 9. 2001 brachte der Klagevertreter vor, das er zur Regulierung des Sachschadens am PKW des Klägers vorprozessual eingeschritten sei und die Kosten hiefür laut der vorgelegten Kostennote S 5.174,40 betrügen. Die Position "Sachschadenregulierung" werde daher von S 9.000 auf S 5.174,40 eingeschränkt.

Die beklagten Parteien wendeten unter anderem ein, bei der Position "Sachschadenregulierung" handle es sich um Anwaltskosten, die nicht klageweise geltend gemacht werden könnten, also um vorprozessuale Kosten.

Das Erstgericht gab dem eingeschränkten Klagebegehren zur Gänze statt.

Das von den beklagten Parteien angerufene Berufungsgericht bestätigte mit Teilurteil dieses Urteil soweit es den Zuspruch von Schmerzengeld betraf, hob es hinsichtlich des Zuspruchs von Verdienstentgang auf und wies aus Anlass der Berufung die Klage hinsichtlich des Betrages von S 5.174,40 zurück.

Vorprozessuale Kosten seien jene, die im Rahmen der Vorbereitung eines Prozesses aufgelaufen seien. Dieser Kostenersatzanspruch sei kein Anspruch des bürgerlichen Rechtes, sondern ein aus öffentlich-rechtlichen Normen des Prozessrechtes unmittelbar abgeleiteter Anspruch, dessen Geltendmachung im Klageweg unzulässig sei. Diese vorprozessualen Kosten hätten in die Kostennote aufgenommen werden müssen; die Geltendmachung als Kapitalforderung sei unzulässig, weshalb die Klage in diesem Umfang zurückzuweisen gewesen sei.

Der Kläger bekämpft diese Entscheidung insoweit, als die Klage zurückgewiesen wurde mit Rekurs und beantragt sie dahin abzuändern, dass der Klage in diesem Umfang stattgegeben werde. Ein Prozess über den Hauptanspruch, nämlich Schadenersatz betreffend den PKW-Schaden sei nicht anhängig, weshalb die außerprozessualen Kosten gesondert einklagbar seien.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes waren vorprozessuale Kosten - solange die Akzessorietät zu einem Hauptanspruch besteht - als Teil der Prozesskosten zuzusprechen, wenn sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig waren (RIS-Justiz RS0035721, zuletzt 7 Ob 163/01y; MietSlg 50.696 mwN). Nur wenn der Hauptanspruch bereits vor der gerichtlichen Geltendmachung durch Befriedigung, Vergleich oder Verzicht erledigt wurde und es also zu keinem Verfahren in der Hauptsache kommen konnte, konnten die vorprozessualen Kosten selbständig eingeklagt werden. Ein solcher Fall liegt aber hier nicht vor.

Der Kläger macht Schadenersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall geltend, die vorprozessual nur teilweise erfüllt wurden, weshalb der Hauptanspruch eben noch nicht zur Gänze erledigt wurde und die Akzessorietät bestehen blieb. Werden aber bei bestehender Akzessorietät zum Hauptanspruch (vorprozessuale) Prozesskosten gesondert geltend gemacht, steht dem Anspruch unabhängig davon, auf welchen Titel er gestützt wird, grundsätzlich das Prozesshindernis der Unzulässigkeit des Rechtsweges entgegen (8 Ob 2070/96m). Die Rechtsansicht des Klägers die Akzessorietät zum Hauptanspruch (beschränkt auf Sachschadenersatz) sei durch Erfüllung aufgehoben, trifft nicht zu. Der geltend gemachte Sachschaden war bei Erhebung der Klage gerade nicht zur Gänze erfüllt, weil ein Fehlbetrag von S 550 noch mit der Klage eingefordert wurde.

Diese Rechtslage hat sich allerdings nach der Entscheidung des Rekursgerichtes geändert.

Am 1. 8. 2002 ist das Zinsenrechts-Änderungsgesetz (ZinsRÄG) BGBl I 118/2002 in Kraft getreten. Nach dessen Art I Z 2 bestimmt jetzt § 1333 Abs 3 ABGB, dass der Gläubiger außer den gesetzlichen Zinsen auch den Ersatz anderer, vom Schuldner verschuldeter und ihm erwachsener Schäden geltend machen, "insbesondere die notwendigen Kosten zweckentsprechender außergerichtlicher Betreibungs- oder Einbringungsmaßnahmen", soweit diese in einem angemessenen Verhältnis zur betriebenen Forderung stehen.

Damit sollen derartige Betreibungskosten als Schadenersatzansprüche behandelt werden. Diese Regelung geht, anders als die bisherige Rechtsprechung, von einem materiell-rechtlichen und nicht von einem prozessualen Ansatz aus. Dies ergibt sich einerseits daraus aus den Erläuterungen zur Regierungsvorlage und andererseits, dass der Gesetzgeber die neue Bestimmung nicht etwa im Kostenersatzrecht der ZPO, sondern in den materiell-rechtlichen Schadenersatzbestimmungen des ABGB ansiedelt.

Zu prüfen ist daher die Frage, ob diese neue Bestimmung auf den vorliegenden Fall anzuwenden ist. Das Rechtsmittelgericht hat zwar grundsätzlich auf die neue Rechtslage Bedacht zu nehmen, sofern die neuen Bestimmungen nach ihrem Inhalt auf das umstrittene Rechtsverhältnis (zwingend) anzuwenden sind (Kodek in Rechberger ZPO2 § 482 Rz 11 mwN) Dies gilt auch dann, wenn der zu beurteilende Sachverhalt bereits vor Inkrafttreten des neuen Rechts verwirklicht wurde (RIS-Justiz RS0106868). Nach der neuen Rechtslage können die genannten Betreibungskosten grundsätzlich unter dem Titel des Schadenersatzes gefordert werden. Bei deliktischen Schuldverhältnissen bildet im Bereich der Verschuldenshaftung der Zeitpunkt der schädigenden Handlung den intertemporalen Anknüpfungspunkt (Vonkilch, Das intertemporale Privatrecht 206 f mwN unter Berufung auf den Wortlaut des § 5 ABGB; 2 Ob 71/02h). Maßgebend ist daher die zum Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses geltende Rechtslage anderslautende Übergangsbestimmungen bestehen nicht. Da die nunmehr begehrten "vorprozessualen" Kosten vor Inkrafttreten der neuen Bestimmungen entstanden sind, hat es hier bei der bisherigen oben wiedergegebenen Rechtsprechung zu verbleiben. Die Entscheidung über die Rekurskosten gründet sich auf §§ 40, 50 ZPO.

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