OGH 5Ob248/02k

OGH5Ob248/02k31.3.2003

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer als Vorsitzende sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann und Dr. Baumann und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Wohnungseigentümergemeinschaft *****, vertreten durch den Verwalter Immobilien Renate S***** GmbH, *****, diese vertreten durch Dr. Ekkehard Erlacher, Dr. Renate Erlacher-Philadelphy, Rechtsanwälte in Innsbruck, wider die beklagte Partei Johann G*****, vertreten durch Dr. Klaus Gstrein, Dr. Ulrich Gstrein, Rechtsanwälte in Imst, wegen (restlicher) EUR 4.663,24 s.A., infolge der Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 19. Juni 2002, GZ 2 R 605/01d-24, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Imst vom 8. Oktober 2001, GZ 3 C 96/00v-20, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision der beklagten Partei wird Folge gegeben. Das angefochtene Urteil wird in seinem klagsstattgebenden Teil dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird. Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 707,88 (darin EUR 117,98 USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens sowie die mit EUR 930,70 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin EUR 530 Barauslagen und EUR 66,78 USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Beklagte erwarb im Zwangsversteigerungsverfahren zu 5 E 839/97x des Bezirksgerichtes Imst am 30. 10. 1997 durch Zuschlag 258/802 Anteile an der Liegenschaft EZ ***** GB *****, Wohn- und Geschäftshaus *****, womit untrennbar Wohnungseigentum am Geschäft Top 5 verbunden ist.

Die Aufwendungen dieser Liegenschaft sind (mit Ausnahme eines vom Gesetz abweichenden Aufteilungsschlüssels hinsichtlich der Balkonaußenseiten) nach der gesetzlichen Regelung des § 19 Abs 1 WEG zu tragen.

Per 1. 10. 1997 ergaben sich offene Zahlungsrückstände für Bewirtschaftungskosten der ehemaligen Wohnungseigentümer G***** (die Vorgänger des Beklagten) und S***** von insgesamt S 208.443,10. Ein Teilbetrag davon (S 8.976,38) sind Bewirtschaftungskostenrückstände aus der Zeit vor dem 1. 1. 1994. Dieser Teilbetrag ist nicht mehr verfahrensgegenständlich, weil die diesbezügliche Abweisung in Rechtskraft erwachsen ist.

Das Berufungsgericht traf folgende ergänzende Feststellung:

Die auf dem Rücklagensparbuch (= Konto) angesparten Beträge wurden zur Gänze zur Abdeckung des Giro-Verwalterkontos verwendet. Danach haftete noch ein Minussaldo auf dem Girokonto von S 208.443,10 offen aus. Rechnerisch entfallen darauf auf den Beklagten (258/802 Anteile) S 67.055,26.

Mit der vorliegenden Klage (verbunden mit dem Antrag auf Anmerkung derselben nach § 13c Abs 3 und 4 WEG) begehrt die Klägerin vom Beklagten S 67.055,26 mit der Begründung, hiebei handle es sich um den Anteil des Beklagten am negativen Verwaltungskonto in der vorgenannten Höhe, wofür der Beklagte nach § 13c WEG hafte. Der Beklagte werde ausdrücklich nicht als Nachfolger der Wohnungseigentümerin G***** für deren Bewirtschaftungskostenrückstände in Anspruch genommen, sondern als Mitglied der Wohnungseigentumsgemeinschaft nach § 13c WEG. Der Klagsbetrag sei dem Beklagten am 22. 4. 2000 vorgeschrieben, von diesem jedoch nicht bezahlt worden. Rücklagen zur Abdeckung des Negativsaldos seien nicht (mehr) vorhanden gewesen. Die Verpflichtung des Beklagten zur anteiligen Abdeckung des Negativkontos stelle keine Last im exekutionsrechtlichen Sinn dar, die nur bei der Aufnahme in die Versteigerungsbedingungen zu übernehmen gewesen wäre. Es wäre dem Beklagten zumutbar gewesen, vor dem exekutiven Erwerb der Anteile entsprechende Informationen bei der Hausverwaltung über allfällige Bewirtschaftungskostenrückstände einzuholen.

Der Beklagte bestritt das Klagebegehren und beantragte Abweisung der Klage. Er bestritt seine Verpflichtung, Bewirtschaftungskostenrückstände, die die Hauseigentümergemeinschaft vor seinem Eigentumserwerb angehäuft habe, zu bezahlen. Die Hausverwaltung habe offensichtlich versäumt, Rückstände vormaliger Wohnungseigentümer im Rahmen der Meistbotsverteilung geltend zu machen. Für den Beklagten sei beim exekutiven Erwerb seiner Anteile keinerlei Hinweis auf einen allfälligen Rückstand erkennbar gewesen. Die Klägerin habe das Zustandekommen der Rückstände auf dem Betriebskostenkonto selbst zu vertreten, zumal sie es offensichtlich schuldhaft unterlassen habe, entsprechende Vorschreibungen rechtzeitig gegenüber allen Miteigentümern zu machen. Das Erstgericht wies das gesamte Klagebegehren ab. Für Bewirtschaftungskostenrückstände, die vor dem 1. 1. 1994 fällig geworden seien, bestehe keine Aktivlegitimation der Klägerin. Im Übrigen treffe die Beweislast für den Umstand, dass der geltend gemachte Rückstand in der Rücklage bzw den Vorauszahlungen keine Deckung gefunden hätte, die Klägerin, was zur Abweisung des Klagebegehrens zu führen habe.

Einer dagegen von der Klägerin erhobenen Berufung gab das Gericht zweiter Instanz teilweise, im Umfang von EUR 4.663,24 s.A. Folge und verpflichtete den Beklagten zur Zahlung dieses Betrages an die Klägerin. Ein Mehrbegehren von EUR 209,85 (betreffend Rückstände vor dem 1. 1. 1994) wies das Berufungsgericht ab.

In rechtlicher Hinsicht beurteilte das Berufungsgericht den oben wiedergegebenen Sachverhalt dahin, dass der Beklagte als Miteigentümer nach § 13c Abs 2 WEG im Verhältnis seiner Miteigentumsanteile für Ausfallsbeträge hafte, die bei einer auf die Rücklage bzw auf die vom Verwalter eingehobenen Vorauszahlungen beschränkte Exekutionsführung gegen die Wohnungseigentümergemeinschaft nicht hereingebracht werden könnten. An die Mitgliedschaft in der Wohnungseigentümergemeinschaft anknüpfend, treffe die Haftung den jeweiligen Miteigentümer zu dem Zeitpunkt, in dem diese schlagend werde, ohne dass es darauf ankomme, ob die Miteigentümerstellung im Zeitpunkt der Entstehung des Zahlungsrückstandes bereits bestanden hätte. Die Wohnungseigentümergemeinschaft habe gegenüber den einzelnen Miteigentümern nach dem Verhältnis ihrer Anteile Anspruch darauf, von ihrer (primären) Haftung gegenüber Dritten befreit zu werden und zwar nicht nur im Rahmen des § 19 Abs 1 WEG, sondern auch im Rahmen des § 13c Abs 2 WEG. Voraussetzung für diesen Freistellungsanspruch sei aber, dass die Wohnungseigentümergemeinschaft gegenüber dem Dritten überhaupt hafte, was für vor dem 1. 1. 1994 entstandene Verbindlichkeiten nicht zutreffe. Es sei daher ein Teilbetrag von S 2.887,66 (= EUR 209,85) wegen fehlender Aktivlegitimation abzuweisen. Im Weiteren bestehe aber das Klagebegehren zu Recht. Der klagenden Wohnungseigentümergemeinschaft bliebe gar keine andere Möglichkeit, als die subsidiäre Haftung der Wohnungseigentümer für auch nicht auf deren Anteil entfallende Rückstände nach § 13c Abs 2 WEG in Anspruch zu nehmen. Dass sie schon zu einem früheren Zeitpunkt, nämlich vor dem Eigentumserwerb durch den Beklagten zur Abdeckung der Rückstände der säumigen Wohnungseigentümer S***** und G***** die vorgeschriebenen Vorauszahlungen erhöhen hätte müssen, stelle eine unzulässige Neuerung dar. Darüber hinaus könne ein solches Versäumnis der klagenden Partei allenfalls zu einem Schadenersatzanspruch des späteren Wohnungseigentümers führen, wenn dieser durch die geschehene zeitliche Verzögerung belastet werde. Das allerdings setze die Erhebung einer Gegenforderung aus dem Titel des Schadenersatzes voraus. Die subsidiäre Haftung eines Wohnungseigentümers nach § 13c Abs 2 WEG sei davon jedenfalls nicht betroffen.

Das Berufungsgericht erklärte die ordentliche Revision für zulässig (wie schon im Aufhebungsbeschluss vom 24. 5. 2001 den Rekurs gegen den Aufhebungsbeschluss), weil zur Frage, ob die subsidiäre Haftung nach § 13c Abs 2 WEG der übrigen Miteigentümer auch für vor Erlangung der Miteigentümerstellung eingetretene Zahlungsrückstände gelte und ob die Wohnungseigentümergemeinschaft überhaupt berechtigt sei, diese Haftung geltend zu machen, soweit ersichtlich, Rechtsprechung des Höchstgerichtes fehle.

Gegen den stattgebenden Teil dieses Urteiles richtet sich die Revision des Beklagten wegen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung des Berufungsurteiles im Sinne einer gänzlichen Klagsabweisung. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die klagende Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Beklagten ist aus den vom Berufungsgericht bezeichneten Gründen zulässig, woran auch der Umstand nichts ändert, dass er im ersten Rechtsgang den für zulässig erklärten Rekurs (gegen den Aufhebungsbeschluss) nicht erhoben hat (vgl Kodek in Rechberger2 Rz 5 zu § 519 ZPO mit Rechtsprechungshinweisen).

Die Revision ist auch berechtigt.

Mit seiner "Mängelrüge" strebt der Revisionswerber - als wesentlich für die rechtliche Beurteilung des vorliegenden Sachverhaltes - Feststellungen darüber an, ob dem Beklagten aus dem Exekutionsverfahren das Vorhandensein eines Negativsaldos auf dem Rücklagenkonto der Klägerin bekannt sein konnte, ob er überhaupt in der Lage gewesen wäre, sich darüber Kenntnis zu verschaffen und wie hoch - unter Berücksichtigung des aushaftenden Saldos - tatsächlich der Verkehrswert des von ihm ersteigerten Liegenschaftsteiles gewesen wäre, ob andere Mit- und Wohnungseigentümer vom Versteigerungsverfahren verständigt wurden und deren Verpflichtung bestanden hätte, den Beklagten vom Negativsaldo in Kenntnis zu setzen. Alle diese Umstände sind für den Verfahrensausgang nicht maßgeblich. Gleiches gilt für die "Schutzwürdigkeit" der klagenden Wohnungseigentümergemeinschaft sowie für allfällige Schadenersatzansprüche des Beklagten gegen die klagende Wohnungseigentümergemeinschaft, die dieser im Übrigen auch nicht einredeweise nicht geltend gemacht hat.

Es besteht nämlich keine gesetzliche Haftungsgrundlage des Beklagten für Zahlungsrückstände früherer Wohnungseigentümer. Mit der Entscheidung 5 Ob 21/00z, WoBl 2003/14, wurde nur die Haftung eines Erstehers eines Liegenschaftsanteiles im Wohnungseigentum für Instandhaltungskosten bejaht, die nach dem Zuschlag fällig wurden (Kreditraten) und durch einen Beschluss der Wohnungseigentümer über die Kreditaufnahme zur Instandsetzung des Hauses gedeckt waren. Der Erwerber in der Zwangsversteigerung sei nicht nur an bestehende Kostenregelungen im Sinn des § 19 Abs 5 WEG, sondern grundsätzlich auch an bestehende, wirksam zustandegekommene Mehrheitsbeschlüsse in Verwaltungsangelegenheiten samt deren finanziellen Auswirkungen gebunden. In diesem Zusammenhang wurde klargestellt, dass es bei dieser Entscheidung nicht um Zahlungsrückstände des früheren Wohnungseigentümers, sondern nur um nach dem Zuschlag fällig gewordene bzw auf den Zeitraum nach dem Zuschlag entfallende Beträge gehe.

§ 19 Abs 1 WEG betrifft die Aufteilung von Liegenschaftsaufwendungen, die nach der Begründung von Wohnungseigentum an der betreffenden Liegenschaft entstanden sind. Es handelt sich dabei um eine Aufteilungs-, nicht aber um eine Haftungsnorm (vgl Call in WoBl 1988, 125). Im Verhältnis der Mit- und Wohnungseigentümer untereinander haftet grundsätzlich der jeweilige grundbücherliche Miteigentümer für die auf seinen Anteil entfallenden Betriebskosten (MietSlg 35.638;

40.664 u.a.); es besteht also keine Haftung des einzelnen Wohnungseigentümers für Beitragsschulden eines säumigen ehemaligen Wohnungseigentümers an die Gemeinschaft (vgl H. Löcker in T. Hausmann/Vonkilch Rz 132 und 136 zur insofern nicht unterschiedlichen Rechtslage zu § 18 WEG 2002; Würth in Rummel2 Rz 5 zu § 15 WEG; Illedits in WoBl 2000, 69; zuletzt 5 Ob 275/01d). Selbst die Sachhaftung für Altlasten trifft einen in die Gemeinschaft aufgenommenen neuen Wohnungseigentümer für die Verbindlichkeiten seines Rechtsvorgängers nur dann, wenn im Zeitpunkt seines Rechtserwerbes eine das gesetzliche Vorzugspfandrecht nach § 13c Abs 3 WEG aktualisierende Klage angemerkt war (EvBl 2001/92; WoBl 2001, 147/87). Die gesetzliche Verpflichtung des Mit- und Wohnungseigentümers, die Liegenschaftsaufwendungen anteilig mitzutragen, bezieht sich grundsätzlich nur auf die nach seinem Eintritt in die Gemeinschaft entstandenen Kosten. In diesem Sinn wurde, wie ausgeführt, der Ersteher einer Eigentumswohnung für die nach seinem Rechtserwerb anfallenden Tilgungsraten eines von der Wohnungseigentümergemeinschaft zur Sanierung des Hauses aufgenommenen Kredites haftbar gemacht (vgl 5 Ob 21/00z), nicht aber für die bereits zuvor entstandenen Beitragsschulden seines Rechtsvorgängers (vgl 5 Ob 275/01d).

Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes lässt sich eine solche Haftung auch nicht mit § 13c Abs 2 WEG begründen. Mit dieser Bestimmung wird nämlich nur eine Ausfallshaftung der Wohnungseigentümer im Außenverhältnis statuiert (vgl Löcker, Die Wohnungseigentümergemeinschaft, 393, 396, 397; 5 Ob 24/02v). Voraussetzung für die Inanspruchnahme der subsidiären Haftung eines Wohnungseigentümers durch einen Gläubiger der Gemeinschaft ist, dass ein Exekutionstitel gegen die Wohnungseigentümergemeinschaft besteht und ein Ausfall bei dessen exekutiver Durchsetzung feststeht. Von vornherein gegen einzelne Wohnungseigentümer eingebrachte Klagen des Gläubigers sind daher mangels Passivlegitimation abzuweisen. Deshalb wurde sogar eine Feststellungsklage gegen Wohnungseigentümer, die neben einer Haftungsklage gegen die Wohnungseigentümergemeinschaft erhoben wurde, abgewiesen (vgl 5 Ob 24/02v).

Die Haftung eines neu in die Wohnungseigentümergemeinschaft eintretenden Miteigentümers für Beitragsschulden früherer Miteigentümer lässt sich daher weder mit § 19 Abs 1 noch mit § 13c Abs 2 WEG begründen. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass im vorliegenden Fall die Beitragsschulden vom Beklagten nicht als Nachfolger seines säumigen Vorgängers im Wohnungseigentum verlangt werden, sondern das Begehren auf seine Verpflichtung zur Auffüllung des Negativsaldos der Hausbewirtschaftungskonten gestützt wird. Zur Frage, ob der Ersteher unter Umständen im Ergebnis nicht doch noch wirtschaftlich belastet werden könnte, falls die Rücklage wegen des Ausfalls für künftige Aufwendungen nicht reichen und deshalb höhere Beiträge nötig werden sollten, ist vorliegendenfalls nicht Stellung zu nehmen.

Die Revision des Beklagten war daher berechtigt.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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