OGH 5Ob24/02v

OGH5Ob24/02v12.2.2002

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Klinger als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann und Dr. Baumann und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H***** GmbH, *****, vertreten durch Wolf, Theiss & Partner, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagten Parteien 1.) Wohnungseigentümergemeinschaft des Hauses *****, 2.) Dr. Georg S*****, 3.) Ing. Josef S*****, 4.) Dr. Josef S*****, und 5.) Karoline S*****, alle vertreten durch Dr. Peter Rudek und Dr. Gerhard Schlager, Rechtsanwälte in Wien, wegen S 1,671.714,71,-- = EUR 121.488,24 sA und Feststellung (S 167.171,47 = EUR 12.148,82), über den Rekurs der zweit- bis fünftbeklagten Parteien gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien vom 16. Oktober 2001, GZ 12 R 156/01a-17, womit das Teilurteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 4. Mai 2001, GZ 20 Cg 164/00k-10, aufgehoben wurde, beschlossen und zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben. Das erstgerichtliche Teilurteil wird wiederhergestellt.

Die klagende Partei ist schuldig, den zweit- bis fünftbeklagten Parteien die mit EUR 3.423,22 (darin EUR 358,19 USt und EUR 1.274,10 Barauslagen) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die klagende Partei begehrte von der erstbeklagten Wohnungseigentümergemeinschaft die Zahlung eines offenen Werklohns in Höhe von S 1,671.714,71 sA. Außerdem erhob sie gegen die zweit- bis fünftbeklagten Parteien (Wohnungseigentümer zu bestimmten Anteilen) nachstehendes Feststellungsbegehren:

"Es wird festgestellt, dass die zweitbeklagte Partei zu 136/869-Anteilen, die drittbeklagte Partei zu 287/869-Anteilen, die viertbeklagte Partei zu 264/869-Anteilen und die fünftbeklagte Partei zu 182/869-Anteilen gegenüber der klagenden Partei für den Betrag von S 1,671.714,71 sA insoweit haften, als dieser Betrag von der erstbeklagten Partei im Wege der Zwangsvollstreckung nicht einbringlich gemacht werden kann".

Zur Begründung dieses Feststellungsbegehrens verwiesen sie auf die Bestimmung des § 13c Abs 2 2. Satz WEG. Ob und inwieweit die Haftung der zweit- bis fünftbeklagten Partei schlagend werde, könne sich erst in einem allfälligen Zwangsvollstreckungsverfahren nach Abschluss des Titelverfahrens herausstellen. Die klagende Partei habe ein rechtliches Interesse an der Feststellung, weil sie andernfalls unter Umständen gezwungen wäre, das Verfahren zur Gänze ein weiteres Mal (gegen die Wohnungseigentümer) durchzuführen. Darüber hinaus könnte in einem solchen Folgeprozess der Einwand der Verjährung erhoben werden.

Die beklagten Parteien beantragten die Abweisung der Klage. Die Erstbeklagte wendete mangelnde Fälligkeit des eingeklagten Betrages ein und bestritt auch dessen Höhe. Die zweit- bis fünftbeklagten Parteien bestritten ein rechtliches Interesse der klagenden Partei an der ihnen gegenüber erhobenen Feststellungsklage.

Das Erstgericht wies mit Teilurteil das gegen die zweit- bis fünftbeklagten Parteien erhobene Feststellungsbegehren ab. Mit diesem werde lediglich die Festschreibung einer rein abstrakten Rechtsfolge, nämlich einer Haftung begehrt, die von keinen individuellen Umständen abhänge. Hiefür diene aber nicht die im § 228 ZPO geregelte Feststellungsklage.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der klagenden Partei Folge, hob das angefochtene Teilurteil auf und verwies die Rechtssache zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück. Es sprach aus, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei und führte folgendes aus:

Nach der Rechtsprechung sei ein Begehren, das sich in der Feststellung einer ohnehin so geregelten bloßen Rechtslage erschöpfe, nicht feststellungsfähig ist (Arb 11.201). Auch sei ausgesprochen worden, dass es an der Zulässigkeit einer Feststellungsklage fehle, wenn sich ein Sachverhalt noch nicht verwirklicht habe, weil es nicht Aufgabe der Gerichte sei, Entscheidungen rein theoretischen Charakters zu fällen und ausschließlich eine rechtsberatende Funktion zu erfüllen (SZ 68/162).

Hierum gehe es aber entgegen der Ansicht des Erstgerichtes gar nicht. Das Interesse der klagenden Partei bestehe nicht an der Feststellung einer abstrakten Haftung der zweit- bis fünftbeklagten Partei als Wohnungseigentümer nach bestimmten Anteilen, sondern ihrer grundsätzlichen Haftung für den gegen die erstbeklagte Partei mit Leistungsklage geltend gemachten restlichen Werklohn in Höhe von S 1,671.714,71 sA, falls die Voraussetzungen des § 13c Abs 2, zweiter Satz WEG eintreten soll. Das Feststellungsinteresse sei umso mehr zu bejahen, als ein gegen die Wohnungseigentümergemeinschaft erwirktes Urteil mangels Personenidentität nicht auch gegen die einzelnen Wohnungseigentümer Bindungswirkung zeitige und auch nicht gegen sie vollstreckt werden könnte, sodass über die dann in einem allfälligen Folgeprozess von den einzelnen Wohnungseigentümern zulässigerweise erhobenen Einwendungen, wie etwa mangelnde Fälligkeit, nach Beweisaufnahme neuerlich entschieden werden müsste. Da somit der vom Erstgericht herangezogene Abweisungsgrund nicht vorliege, das Verfahren gegenüber den zweit- und fünftbeklagten Parteien aber im Übrigen noch nicht spruchreif sei, sei mit einer Aufhebung der angefochtenen Entscheidung vorzugehen gewesen. Da zur entscheidenden Rechtsfrage (allfällige Bindung der einzelnen Wohnungseigentümer an ein die Wohnungseigentümergemeinschaft verurteilendes Erkenntnis, rechtliches Interesse an einer Feststellungsklage wie vorliegend) keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliege, sei der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zuzulassen gewesen.

Gegen diese Berufungsentscheidung richtet sich der Rekurs der zweitbis fünftbeklagten Parteien wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung, mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss dahin abzuändern, dass das erstgerichtliche Teilurteil wiederhergestellt werde.

Die klagende Partei beantragt in ihrer Rekursbeantwortung, den Rekurs abzuweisen.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist zulässig und auch berechtigt.

Die Rechtsmittelwerber machen geltend, Ziel der Einführung einer Wohnungseigentümergemeinschaft durch das 3. WÄG sei es gewesen, dass in Angelegenheiten der Verwaltung der Liegenschaft die Wohnungseigentümer nur mehr als Wohnungseigentümergemeinschaft geklagt werden soll. Die Miteigentümer hafteten daher nur subsidiär und könnten einer direkten Klagsführung vor Abschluss des Exekutionsverfahrens gegen die Wohnungseigentümergemeinschaft die Einrede der Vorausklage entgegensetzen. Eine unmittelbar gegen sie eingebrachte Klage sei mangels Passivlegitimation abzuweisen. Lasse man mit dem Berufungsgericht die Möglichkeit der gleichzeitigen Einbringung von Feststellungsklagen gegen die einzelnen Wohnungseigentümer auf Bestehen deren Ausfallshaftung zu, so führe dies dazu, dass entgegen dem Gesetzeszweck nicht mehr die Wohnungseigentümergemeinschaft allein belangt werden könne, sondern zusätzlich zu der Wohnungseigentümergemeinschaft sämtliche Wohnungseigentümer mit Feststellungsklage belangt werden könnten und - zur Wahrung der Interessen der Gläubiger - auch belangt werden müssten. Diese Rechtsansicht laufe jedoch dem Sinn der Bestimmung des § 13c WEG zuwider und würde gerade das Gegenteil des Gesetzeszweckes bewirken.

Wenn das Berufungsgericht die Ansicht vertrete, dass die einzelnen Wohnungseigentümer in einem Folgeprozess nach erfolgloser Exekution gegen die Wohnungseigentümergemeinschaft auch Einwendungen gegen die Titelschuld erheben könnten, übersehe es, dass § 13c Abs 2 WEG auf den gegen die Wohnungseigentümergemeinschaft ergangenen Exekutionstitel abstelle und nicht auf die dem Titel zugrundeliegende Forderung. Die Miteigentümer hafteten nach dem Gesetzeswortlaut für den Ausfall der Befriedigung aus dem Exekutionstitel. Dieser entfalte sohin kraft gesetzlicher Anordnung eine Tatbestandswirkung für die Haftung der Miteigentümer, sodass die bloße Existenz eines Exekutionstitels, verbunden mit dessen (teilweiser) Uneinbringlichkeit - bereits die Ausfallshaftung der Wohnungseigentümer auslöse. Insoweit liege eine vom Gesetzgeber angeordnete Rechtskrafterstreckung des gegen die Wohnungseigentümergemeinschaft ergangenen Urteils auf die Miteigentümer vor. Wenn auch auf Grund des Exekutionstitels gegen die Wohnungseigentümergemeinschaft nicht direkt Exekution gegen die Miteigentümer geführt werden könne, so könnten doch auf Grund der Rechtskrafterstreckung die Wohnungseigentümer im Folgeprozess nur einwenden, dass die Rücklage und die eingehobenen Vorauszahlungen für die Befriedigung der titelmäßig festgestellten Schuld ausgereicht hätten, nicht jedoch, dass die Titelschuld gegenüber der Wohnungseigentümergemeinschaft nicht zu Recht bestehe. Da den einzelnen Wohnungseigentümern in einem allfälligen Folgeprozess Einwände gegen das Zurechtbestehen der Titelschuld abgeschnitten seien, mangle es der klagenden Partei an einem Feststellungsinteresse, weil sich das Urteilsbegehren nur auf die bloße Feststellung einer im Gesetz ohnedies angeordneten Rechtsfolge erstrecke. Im Übrigen wäre auch ein Feststellungsinteresse deshalb nicht gegeben, weil ein rechtliches Interesse an der Feststellung des Bestehens einer noch nicht fälligen Schuld nicht bestehe.

Hiezu wurde erwogen:

Gemäß § 228 ZPO ist nur das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses feststellungsfähig. Es muss sich um ein gegenwärtiges, dh zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Streitverhandlung bereits bestehendes Rechtsverhältnis handeln. Bedingte Rechtsverhältnisse sind dann feststellungsfähig, wenn bereits alle Voraussetzungen vorliegen und nur die genau bestimmte Bedingung noch nicht eingetreten ist. Vor Eintritt der Voraussetzungen, an die das Gesetz das Entstehen eines Anspruches knüpft, ist die Feststellungsklage abzuweisen (RIS-Justiz RS0039178; Rechberger/Frauenberger in Rechberger2 § 228 ZPO Rz 4; vgl jüngst auch 2 Ob 240/01k, wonach das Fehlen einer gesetzlichen Anspruchsvoraussetzung nicht schlechthin mit dem Vorhandensein einer Bedingung gleichgesetzt werden kann). Nicht feststellungsfähig ist auch die ohnehin geregelte objektive Rechtslage (RIS-Justiz RS0039014, RS0039215 T 3; Rechberger/Frauenberger aaO Rz 5). Auch für Feststellungsklagen gilt ganz allgemein das Verbot der hypothetischen Klageerhebung (RIS-Justiz RS0039320).

Im vorliegenden Fall steht die klagende Partei nur mit der erstbeklagten Wohnungseigentümergemeinschaft in einem (werkvertraglichen) Schuldverhältnis, nicht hingegen mit den zweitbis fünftbeklagten Wohnungseigentümern; diese trifft nur die gesetzliche Ausfallshaftung des § 13c Abs 2 WEG (vgl Löcker, Die Wohnungseigentümergemeinschaft 392, 396, 397; insoweit undeutlich Niedermayr in Schwimann IV2 § 13c WEG Rz 27; unsicher über den Zeitpunkt der Haftungsauslösung und die prozessuale Vorgangsweise Palten, Wohnungseigentumsrecht2 Rz 135). Die gesetzlichen Voraussetzungen für den Haftungsfall sind hier aber noch nicht eingetreten (womit auch die von der klagenden Partei befürchtete Verjährung nicht drohen kann): Es existiert weder ein Exekutionstitel gegen die Wohnungseigentümergemeinschaft noch steht ein Ausfall bei dessen exekutiver Durchsetzung fest. Damit besteht zwischen der klagenden Partei und den zweit- bis fünftbeklagten Parteien derzeit aber auch kein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis. Der Inhalt des § 13c Abs 2 WEG ist als solcher ohnehin nicht feststellungsfähig. Die Verneinung der Zulässigkeit der vorliegenden - zugleich mit einer Leistungsklage gegen die Gemeinschaft erhobenen - Feststellungsklage gegen die Wohnungseigentümer steht auch im Einklang mit der Intention des Gesetzgebers des 3. WÄG: In Angelegenheiten der Verwaltung der Liegenschaft sollen Wohnungseigentümer nur mehr als Wohnungseigentümergemeinschaft geklagt werden (AB zu § 13c WEG, abgedruckt bei Würth/Zingher, Wohnrecht 94, 272 f). Von vornherein gegen einzelne Wohnungseigentümer eingebrachte Klagen sind daher mangels Passivlegitimation abzuweisen (Würth/Zingher aaO § 13c WEG Anm 6; Löcker aaO 396; vgl Niedermayr aaO Rz 28). Der (wenigstens regelmäßigen) Vereinfachung der Prozessführung im Vergleich mit der früheren Rechtslage (vgl dazu Löcker aaO 391 f) würde es nun widersprechen, wenn die Wohnungseigentümer doch wieder als Feststellungsbeklagte - neben der leistungsbeklagten Wohnungseigentümergemeinschaft - vom Gläubiger sogleich (mit entsprechenden Kostenfolgen und allfälligen Zustellproblemen) in Anspruch genommen werden könnten.

Das mangels rechtlicher Deckung des Feststellungsbegehrens abweisende Teilurteil des Erstgerichtes war somit wiederherzustellen. Auf Fragen der Wirkung eines gegen die Wohnungseigentümergemeinschaft ergangenen Urteils für den Ausfallshaftungsprozess gegen Wohnungseigentümer sowie einer Streitverkündung an die Wohnungseigentümer (vgl Löcker aaO 389 f, 398 f) muss nicht mehr eingegangen werden. Die Kostenentscheidung beruht auf den § 41, 50 ZPO.

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