OGH 6Ob10/03v

OGH6Ob10/03v20.3.2003

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber, Dr. Prückner, Dr. Schenk und Dr. Schramm als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Gernot M*****, vertreten durch Dr. Michael Augustin und Mag. Peter Haslinger, Rechtsanwälte in Leoben, gegen die beklagte Partei Peter B*****, vertreten durch Dr. Gerhard Hiebler, Rechtsanwalt in Leoben, wegen Übergabe eines Pachtgegenstandes (Streitwert 4.360,37 EUR), infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Leoben als Berufungsgericht vom 23. Oktober 2002, GZ 1 R 382/02x-16, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Leoben vom 15. Juli 2002, GZ 19 C 112/02p-12, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass sie lauten:

"Der Übergabeauftrag vom 25. 3. 2002, 19 C 112/02p-2, wird aufgehoben.

Das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei die Liegenschaft EZ *****, binnen 14 Tagen zu übergeben, wird abgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 577,31 EUR (davon 96,22 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen zu ersetzen."

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.194,70 EUR (davon 163,78 EUR Umsatzsteuer und 212 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit als Pachtvertrag bezeichnetem Vertrag vom 19. 6. 1994 gab der Kläger dem Beklagten die im Spruch bezeichnete Liegenschaft zum Zweck der Ausübung des Gastgewerbes bis zum 30. Juni 2009 in Bestand. Dem Beklagten wurde das Recht eingeräumt, den Bestandvertrag jederzeit unter Einhaltung einer 6-monatigen Kündigungsfrist jeweils zu einem Monatsletzten mit eingeschriebenem Brief aufzukündigen.

Mit dem am 25. März 2002 beim Erstgericht eingelangten Schriftsatz begehrte der Kläger, dem Beklagten aufzutragen, den Bestandgegenstand binnen 14 Tagen nach Beendigung des Bestandverhältnisses zum 31. 3. 2002 zu übergeben. Der Bestandvertrag sei einvernehmlich zum 31. März 2002 aufgelöst worden.

Das Erstgericht erließ den begehrten Auftrag zur Übergabe des Bestandgegenstands.

Der Beklagte wandte dagegen ein, zu einer einvernehmlichen Auflösung des Bestandvertrags sei es nicht gekommen.

Das Erstgericht trug dem Beklagten mit Urteil auf, dem Kläger den Bestandgegenstand zu übergeben. Es traf folgende wesentliche Feststellungen:

Anfang Dezember 2001 teilte der Beklagte dem Kläger telefonisch mit, er wolle "mit dem Lokal aufhören". Der Kläger verwies ihn diesbezüglich an seine Ehefrau, die bereits seinerzeit den Pachtvertrag mit dem Beklagten ausgehandelt hatte. Es kam dann zu einem Gespräch zwischen dem Beklagten und der Ehefrau des Klägers, in dessen Zuge der Beklagte seine Beendigungspläne zum 31. 3. 2002 mitteilte und Herrn B***** als möglichen Nachpächter vorschlug. Es war auch von einer Ablösesumme von 720.000 S die Rede, wobei aber der Beklagte nicht erklärte, der Erhalt einer Ablöse in dieser Höhe wäre die Voraussetzung für die Beendigung des Betriebs. Mitte Dezember stellte die Ehefrau des Beklagten den Interessenten B***** und Herrn H*****, der eine Bürgschaft hinsichtlich eines Biervertrages für den Beklagten übernommen hatte und dem im Gegenzug das Inventar des Lokals "überschrieben" worden war, der Ehefrau des Klägers vor. Diese erbat sich etwas Bedenkzeit, weil sie selbst auch Interessenten für das Lokal kannte, und erklärte sich für den Fall, dass diese das Lokal nicht übernehmen wollten, dazu bereit, sich bei Herrn B***** zu melden.

Eine Woche danach besichtigte sodann Herr F***** die Lokalitäten, welche ihm jedoch zu teuer waren. Der Beklagte ging daraufhin nochmals zur Ehefrau des Klägers, die ihm mitteilte, sie habe noch einen weiteren Interessenten. Einige Tage später rief sie jedoch den Beklagten sowie Herrn B***** an und teilte ihnen mit, dass sie mit Herrn B***** einverstanden sei und der Beklagte alles Weitere mit diesem regeln solle. Beide Herren waren damit einverstanden. Es konnte nicht festgestellt werden, dass der Beklagte der Ehefrau des Klägers gegenüber zum Ausdruck brachte, dass für ihn der Erhalt einer Ablösesumme von 720.000 S die Bedingung für die Beendigung des Bestandverhältnisses war. Da für die Ehefrau des Klägers damit bereits eine einvernehmliche Regelung der Kündigung des Bestandverhältnisses zum 31. März 2002 erzielt war, setzte sie sich mit dem Klagevertreter in Verbindung und gab ihm den Auftrag, dies schriftlich festzuhalten und bestätigen zu lassen. Anfang Jänner teilte Herrn B***** nach Prüfung der Unterlagen der Ehefrau des Beklagten mit, er habe zwar weiterhin Interesse am Lokal, würde aber jedenfalls eine Ablöse in Höhe von 720.000 S nicht zahlen. Nachdem der Beklagte das Schreiben des Klagevertreters nicht unterfertigt hatte, sagte er der Ehefrau des Klägers auf deren Nachfrage, dass für ihn das Geschäft mit Herrn B***** bereits geplatzt sei und er sein Geschäft sicherlich nicht an diesen weitergeben wolle. Die Ehefrau des Klägers entgegnete dem, sie würde jedenfalls entscheiden, wer Nachpächter sein solle. Auf ihre Initiative kam es Ende Jänner/Anfang Feber nochmals zu einem Treffen zwischen dem Beklagten und Herrn B*****. Dieser erklärte sich nochmals bereit, 500.000 S Ablöse zu bezahlen. Damit war der Beklagte jedoch nicht einverstanden. Das Lokal wird derzeit betrieben. Der Beklagte will es mangels Alternative nicht aufgeben. Er zahlte die Bestandzinse bis Juni 2002.

Rechtlich führte das Erstgericht aus, der Beklagte habe dem Kläger telefonisch erklärt, das Bestandverhältnis zum 31. März 2002 auflösen zu wollen. In der Folge sei es durch die bevollmächtigte Ehefrau des Klägers zur Annahme dieser Willenserklärung gekommen, indem sie sich mit dem vom Beklagten vorgeschlagenen Nachpächter einverstanden erklärt habe. Dadurch sei der Bestandvertrag zum 31. März 2002 einvernehmlich aufgelöst worden. Der Beklagte habe gegenüber der Ehefrau des Klägers den Erhalt einer Ablöse in einer bestimmten Höhe niemals ausdrücklich zur Bedingung für die Auflösung des Bestandvertrags erhoben.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, die ordentliche Revision sei nicht zulässig. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichts und hielt der Rechtsrüge des Beklagten entgegen, aus der Annahme der Bestandzinszahlung bis Juni 2002 (als Benützungsentgelt) durch den Bestandgeber könne nicht auf den Willen des Klägers geschlossen werden, erneut einen Bestandvertrag begründen oder seinen Prozessstandpunkt aufzugeben.

Rechtliche Beurteilung

Die vom Beklagten gegen diese Entscheidung erhobene außerordentliche Revision ist zulässig und berechtigt.

Zunächst ist festzuhalten, dass auch die Entscheidung über einen Übergabeauftrag, obwohl dieser im § 502 Abs 5 Z 2 ZPO nicht ausdrücklich genannt ist, gleich einer Streitigkeit über eine Kündigung ohne Rücksicht auf den Streitwert revisibel ist (7 Ob 85/99x; SZ 67/130).

Wenngleich der Frage, ob eine einvernehmliche Vertragsauflösung zustande gekommen ist, in der Regel keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (6 Ob 25/00w), ist im vorliegenden Fall die Bejahung der einvernehmlichen Auflösung des Bestandvertrags durch die Vorinstanzen im Interesse der Rechtssicherheit als erhebliche Fehlbeurteilung im Einzelfall aufzugreifen.

Das Anbot zu einvernehmlicher Vertragsauflösung ist eine Willenserklärung. Für die Bedeutung einer Erklärung kommt es nicht primär auf den Willen des Erklärenden, sondern auf das Verständnis an, das ein redlicher Erklärungsempfänger von dieser gewinnen durfte und gewonnen hat (Rummel in Rummel3, ABGB § 863 Rz 8 mwN). Der Beklagte teilte der Vertreterin des Klägers seine Beendigungspläne zum 31. März 2002 mit und schlug einen Nachpächter vor, der das Inventar ablösen sollte. Unter diesen Umständen musste der Vertreterin des Klägers klar sein, dass der Beendigungswille des Beklagten von seiner Einigung mit dem Nachpächter über die Ablöse abhängt. Dass sie dies überdies auch so verstanden hat, folgt daraus, dass sie, nachdem sie schließlich mit den vom Beklagten vorgeschlagenen Nachpächter einverstanden war, beiden mitteilte, der Beklagte solle alles Weitere mit dem Nachpächter regeln. Da sich der Beklagte mit dem an einer Pacht Interessierten über die Ablöse nicht einigte, ist eine einvernehmliche Auflösung des Bestandvertrags nicht zustande gekommen.

In Stattgebung der Revision war daher in Abänderung der Entscheidungen der Vorinstanzen gemäß § 572 ZPO der Übergabeauftrag (§ 567 ZPO) aufzuheben und das Übergabebegehren abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO. Für die Vollmachtsanzeige waren Kosten lediglich nach TP 1 I. lit a RATG zuzuerkennen. Für die Berufung steht nur der dreifache Einheitssatz zu, weil eine Berufungsverhandlung nicht stattfand (§ 23 Abs 9 RATG). Die Bemessungsgrundlage für die Pauschalgebühren beträgt 630 EUR (§ 16 Abs 1 lit b GGG).

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