OGH 14Os2/03

OGH14Os2/0311.3.2003

Der Oberste Gerichtshof hat am 11. März 2003 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag. Strieder als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer, Dr. Ratz, Dr. Philipp und Dr. Schroll als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Zucker als Schriftführer, in der Strafsache gegen Klaudiusz M***** wegen des Verbrechens des versuchten Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 30. September 2002, GZ 111 S Hv 43/02k-40, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Tiegs, des Angeklagten und seiner Verteidigerin Mag. Held zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Klaudiusz M***** wurde des Verbrechens des versuchten Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1 StGB (A.) und des Vergehens der Sachbeschädigung nach § 125 StGB (B.) schuldig erkannt.

Danach hat er in Wien

A. am 13. Jänner 2002 Daniel H***** durch Packen am Oberarm und Versetzen mehrerer Stöße, wodurch dieser zu Sturz kam, demnach mit Gewalt gegen eine Person, eine fremde bewegliche Sache, nämlich dessen Geldbörse mit 20 EUR Bargeld, mit dem Vorsatz wegzunehmen versucht, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, und

B. am 8. November 2001 eine fremde Sache, nämlich einen Blumentopf des Hotels "Amarante" beschädigt, indem er dagegen trat.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen aus § 281 Abs 1 Z 5 und 10 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt keine Berechtigung zu. Der Mängelrüge (Z 5) zuwider haben sich die Tatrichter mit den Angaben des Zeugen Daniel H***** in der Hauptverhandlung über die akzentfreie hochdeutsche Aussprache des Täters vor der Tat einerseits und der Ausdrucksweise des Angeklagten beim Vorlesen einer Passage in der Hauptverhandlung andererseits (S 453 ff/I) mit ausreichender Begründung auseinandergesetzt, indem sie logisch und empirisch einwandfrei ein bewusstes Verstellen der Aussprache des seit 1986 in Österreich lebenden Beschwerdeführers ebenso für möglich erachteten wie den Umstand, wonach jemandem, "dessen Muttersprache nicht deutsch sei, der diese Sprache erst erlernen müsse, ein Dialekt nicht geläufig sei und er daher nach der Schrift spreche" (US 8). Tatsächlich zielt die Rechtsmittelargumentation im Kern bloß auf eine Anfechtung der richterlichen Beweiswürdigung nach Art einer - im schöffengerichtlichen Verfahren unzulässigen - Schuldberufung. Ebenso fehl geht der Vorwurf einer "aktenwidrigen" Bewertung der Angaben der Zeugin W*****. Denn Aktenwidrigkeit (Z 5 letzter Fall) liegt nur dann vor, wenn das Urteil den eine entscheidende Tatsache betreffenden Inhalt einer Aussage oder Urkunde in seinen wesentlichen Teilen unrichtig oder unvollständig wiedergibt (Ratz WK-StPO § 281 Rz 467, Foregger/Fabrizy StPO8 § 281 Rz 47), nicht aber, wenn - wie im vorliegenden Fall - anhand des (korrekt wiedergegebenen) Inhalts einer Zeugenaussage die Glaubwürdigkeit der vernommenen Person erörtert wird.

Als weiterer, gleichfalls unzulässiger Versuch des Angeklagten, die Richtigkeit der Bewertung der Verfahrensergebnisse durch das Erstgericht in Zweifel zu ziehen, sind auch die weitgehend hypothetischen, selbst beweiswürdigenden, auf einen angeblichen (aus dem Hauptverhandlungsprotokoll [ON 33] jedoch nicht ersichtlichen) Beweisantrag der Staatsanwaltschaft Bezug nehmenden Einwände gegen die (an sich unanfechtbaren, vgl Mayerhofer § 281 Z 5 E 2, 26) Urteilserwägungen im Zusammenhang mit der verspäteten, seine Aussage "nachjustierenden Bekanntgabe des Aufnahmeortes und -datums eines von ihm durch drei Polizisten am Matzleinsdorferplatz angefertigten Lichtbilds (S 57/I; US 9 f) sowie gegen die Begründung jener Feststellung anzusehen, wonach er der Träger der am Tatort zurückgebliebenen leichten Sommerjacke war (US 10). Entgegen der eine Tatbeurteilung in Richtung minderschweren Raubes nach § 142 Abs 2 StGB monierenden Subsumtionsrüge (Z 10) tragen die durch das Schöffengericht vorgenommenen Konstatierungen dessen - impliziten - Ausschluss des hiefür unter anderem erforderlichen Kriteriums der Begehung des Raubes ohne Anwendung erheblicher Gewalt:

Die für den Erheblichkeitsmaßstab erforderliche gemischt objektiv-subjektive Betrachtung (Eder-Rieder in WK2 § 142 Rz 56) zeigt fallspezifisch, dass der Täter beachtliche physische Kraft in vehementer Weise einsetzte, wobei die Belastung des Opfers im Vergleich zu Durchschnittsfällen nicht als geringfügig einzustufen war (Leukauf/Steininger, Komm3 § 142 RN 28). Denn der Beschwerdeführer hat das Tatopfer zur Nachtzeit auf offener Straße vorerst durch ein Gespräch über Waffen eingeschüchtert, sodann am Oberkörper ergriffen, zu Boden gestoßen und sich in der Folge trotz heftiger Gegenwehr auf Daniel H***** gelegt, der ihm vorher vertrauensseelig geforderte Geldmünzen übergeben hatte und durch den Sturz - als Folge der intensiven Gewalteinwirkung (Mayerhofer StGB5 § 142 E 39a) - Schürfwunden am Handrücken der linken Hand und am rechten Knie erlitt (US 4).

Die unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen. Das Schöffengericht verurteilte Klaudiusz M***** nach §§ 28 Abs 1, 142 Abs 1 StGB zu 18 Monaten Freiheitsstrafe, wovon es gemäß § 43a Abs 3 StGB einen Strafteil von 12 Monaten unter Bestimmung dreijähriger Probezeit bedingt nachsah.

Bei der Strafbemessung wertete es als erschwerend das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen, als mildernd hingegen den bisher ordentlichen Lebenswandel, dass es hinsichtlich A. beim Versuch geblieben war, sowie die Schadensgutmachung und das Geständnis zu B. des Schuldspruchs.

Der auf Herabsetzung der Freiheitsstrafe und gänzliche bedingte Nachsicht antragenden Berufung des Angeklagten zuwider hat das Schöffengericht die Strafzumessungsgründe im Wesentlichen (zu ergänzen ist allerdings die Verletzung des Raubopfers - US 4 unten) richtig und vollständig angeführt und auch zutreffend gewichtet. Ungeachtet des - sich der Ingerenz des Täters entziehenden - geringen Werts der Raubbeute und des Umstands, dass sich der Angeklagte etwas mehr als einen Monat in Untersuchungshaft befand, sieht sich der Oberste Gerichtshof zu einer Änderung der Sanktion nicht bestimmt. Gebieten doch auch besonders Rücksichten der Generalprävention (explodierende Straßenraubkriminalität; S 445/I) die Verhängung einer spürbaren Sanktion.

Die Kostenentscheidung ist in § 390a StPO begründet.

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