OGH 1Ob144/02m

OGH1Ob144/02m24.2.2003

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer, Dr. Zechner und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in den Rechtssachen der klagenden und widerbeklagten Partei Maria S*****, vertreten durch Mag. Dr. Johann Etienne Korab, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten und widerklagenden Parteien 1. Dr. Michael S*****, und 2. Dr. Susanne S*****, beide ***** vertreten durch Dorda, Brugger & Jordis, Rechtsanwälte Gesellschaft mbH in Wien, und die Nebenintervenientin auf Seiten der beklagten Parteien W***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Widter, Mayrhauser & Wolf, Rechtsanwälte OEG in Wien, wegen Beseitigung und Unterlassung (Streitwert 30.522,59 EUR) sowie Unterfertigung eines Bauplans (Streitwert 21.801,85 EUR) infolge Rekurses der klagenden und widerbeklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 12. März 2002, GZ 17 R 221/01x-79, womit das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 12. Juli 2001, GZ 21 Cg 141/99f-74, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird teilweise Folge gegeben.

Die Entscheidung des Berufungsgerichts wird, soweit sie das Begehren der beklagten und widerklagenden Parteien auf Unterfertigung eines Auswechslungsplans durch die klagende und widerbeklagte Partei betrifft (Punkt 3 des Ersturteils), als nichtig aufgehoben.

Im Übrigen wird dem Rekurs nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die Klägerin und Widerbeklagte (in der Folge kurz Klägerin) ist zu einem Fünftel Miteigentümerin einer Liegenschaft und bewohnt in dem auf dieser errichteten Haus die Wohnung Nr 5 im dritten Stock, an der ihr mit Kaufvertrag vom 15. 3. 1996 die Einräumung von Wohnungseigentum zugesagt wurde. Die Beklagten und Widerkläger (in der Folge kurz Beklagten) sind je zu 1/10 Miteigentümer derselben Liegenschaft; ihnen wurde mit Kaufvertrag vom 15. 3. 1996 die Einräumung des Wohnungseigentums an den Dachbodenwohnungen Nr 6 und 7 zugesagt. Diese Dachbodenwohnungen liegen unmittelbar über der Wohnung der Klägerin. Eine Verbücherung des (zugesagten) Wohnungseigentums ist bis zum Schluss der Verhandlung erster Instanz nicht erfolgt. Die Kaufverträge über die genannten Wohnungen wurden gleichzeitig und mit demselben Verkäufer abgeschlossen. Ausdrücklich wurde in dem zwischen dem Verkäufer und der Klägerin geschlossenen Vertrag festgehalten, dass bestimmte Punkte des zwischen den Beklagten und dem Verkäufer geschlossenen Kaufvertrags "übernommen und zum Inhalt des Vertrags erhoben" würden. Insbesondere traf dies den Vertragspunkt, nach dem die Beklagten als Käufer berechtigt seien, den Dachgeschoßausbau in jeder beliebigen Form, auch zweigeschoßig, vorzunehmen, soweit dies baurechtlich zulässig sei, und es den Beklagten obliege, auf eigene Gefahr und Kosten die erforderlichen behördlichen Genehmigungen einzuholen.

Die Beklagten ließen in der Folge einen Einreichplan für den Dachbodenausbau erstellen, auf dessen Grundlage der Dachbodenausbau von der Baubehörde mit Bescheid vom 18. 6. 1997 bewilligt wurde. Dieser Einreichplan war sowohl von der Klägerin wie auch von ihrem Ehegatten als damaligem Miteigentümer unterfertigt worden. Die tatsächliche Durchführung des Dachbodenausbaus entspricht jedoch in einigen Punkten nicht diesem Einreichplan. Bei der Fußbodenkonstruktion 4a (Steinboden) wurde die Trittschalldämmung anders gestaltet, beim Fußbodenaufbau 5a (Parkettboden) wurde statt der Trittschalldämmstreifen ein Montageschaum verwendet. Dieser Fußbodenaufbau entspricht dem von den Beklagten vorgelegten Auswechslungsplan, dessen Unterfertigung durch die Klägerin sie begehrten. Im Bereich des Stiegenhauses wurde entgegen dem Einreichplan nicht die dort vorgesehene Trittschalldämmplatte verwendet und die Innenstiege wurde nicht elastisch gelagert. Schließlich waren im Einreichplan Stahlbetonplatten zwischen den I-Trägern vorgesehen, tatsächlich wurde jedoch eine Stahlbetonrippendecke zwischen diesen Trägern ausgeführt.

Die Klägerin begehrte die Beseitigung der im Zusammenhang mit dem Ausbau der Dachbodenwohnungen Nr 6 und 7 durchgeführten Baumaßnahmen, soweit sie nicht dem behördlich genehmigten Einreichplan vom 18. 6. 1997 entsprechen, und die Wiederherstellung des "status quo ante oder aber" des "laut Einreichplan vom 18. 6. 1997 genehmigten Zustands" und weiters die Unterlassung der Vornahme von Baumaßnahmen, die nicht dem genannten Einreichplan entsprechen. Die Klägerin habe der Bauausführung nur auf der Grundlage dieses Einreichplans zugestimmt. Die mangelnde Ausführung der im Einreichplan vorgesehenen Trittschalldämmung bewirke eine erhöhte Körperschallübertragung, die von den Räumen der Beklagten ausgehe und in der Wohnung der Klägerin deutlich wahrgenommen werden könne. Es sei auch in Zukunft mit erheblicher Lärmentwicklung zu rechnen und daher der Gebrauch der Wohnung der Klägerin erheblich beeinträchtigt. Den Beklagten sei lediglich der "einmalige Dachgeschoßausbau" aufgrund des Einreichplans, dem die Klägerin zugestimmt habe, gestattet; durch die eigenmächtige und rechtswidrige Vorgangsweise der Beklagten seien die schutzwürdigen Interessen der Klägerin verletzt worden. Diese sei nicht verpflichtet, den von den Beklagten erstellten Auswechslungsplan zu unterfertigen, weil die dort vorgesehene Trittschalldämmung wesentlich geringer sei als jene, die im ursprünglichen Einreichplan vorgesehen sei.

Die Beklagten wendeten ein, dass sie vertraglich berechtigt seien, den Ausbau in jeder beliebigen Form vorzunehmen, soweit dies baurechtlich zulässig sei. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf eine bestimmte Ausführung des Dachbodenausbaus. Die vorgenommenen Baumaßnahmen wichen weder nennenswert von der Einreichplanung ab, noch werde die Klägerin hiedurch benachteiligt. Schließlich begehrten sie (mit Widerklage) die Unterfertigung des von ihnen vorgelegten Auswechslungsplans.

Das Erstgericht gab dem Begehren der Klägerin statt und wies das (Widerklage)Begehren der Beklagten ab. Die tatsächliche Durchführung des Dachbodenausbaus entspreche nicht dem (ursprünglichen) Einreichplan, was eine Verschlechterung der Trittschalldämmung mit sich bringe, die zum Teil baubehördlich auch nicht genehmigungsfähig sei. Auch im Bereich des Stiegenhauses sei die Innenstiege nicht plangemäß ausgeführt worden; diese Art der Ausführung ermögliche erhebliche Schallübertragungen, was nicht dem Stand der Technik entspreche. Schließlich sei anstelle einer Stahlbetonplatte zwischen den I-Trägern eine Stahlbetonrippendecke ausgeführt worden, was zur Verringerung der Trittschalldämmung beitrage. Die Klägerin habe einer von mehreren denkbaren Ausbauvarianten zugestimmt, und die konkrete Bauausführung sei an die Zustimmung der Klägerin als Miteigentümerin gebunden. Die Abweichungen vom Einreichplan seien rechtswidrig erfolgt, weshalb die Klägerin die Wiederherstellung des vorigen Zustands begehren könne. Der von den Beklagten erhobene Einwand der Unmöglichkeit der Leistung könne nur im Exekutionsverfahren erhoben werden. Eine schikanöse Rechtsausübung sei nicht gegeben. Durch die Verschlechterung der Trittschallwerte sei die Klägerin benachteiligt, die im Auswechslungsplan enthaltene Ausführung des Fußbodenaufbaus 5a (Parkettboden) sei baurechtlich nicht zulässig. Die Klägerin könne nicht dazu verhalten werden, dem Auswechslungsplan (auch nur teilweise) zuzustimmen.

Das Berufungsgericht hob das Ersturteil auf, trug dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands jeweils 20.000 EUR übersteige; es erklärte den (Revisions)Rekurs gegen diese Entscheidung für zulässig. Die Frage, ob die Streitteile als Wohnungseigentumsbewerber Vereinbarungen über die Änderung von Wohnungen einhalten müssten, grundsätzlich an Hand des Vertragsinhalts zu prüfen. Seien der Vereinbarung die Grenzen baulicher Veränderungen nicht ausdrücklich zu entnehmen, dann könnten die für die rechtsgestaltende Entscheidung solcher Streitigkeiten unter Mit- und Wohnungseigentümern bestehenden Regeln als Mittel ergänzender Auslegung herangezogen werden. Substanzveränderungen seien unzulässig, wenn sie einen zur ausschließlichen Benützung durch einen Teilhaber zugewiesenen Teil des Gemeinschaftsguts betreffen, sofern dadurch in die Rechtssphäre der Übrigen eingegriffen werde und wichtige Interessen berührt werden. Es könne noch nicht beurteilt werden, inwieweit die Unterfertigung des Einreichplans durch die Klägerin eine vertragliche Bindung entfaltet habe, weil es hiezu an entsprechenden Feststellungen - und auch an detailliertem Vorbringen - mangle. Das Erstgericht werde Feststellungen über die anlässlich der Unterfertigung des Einreichplans geführten Gespräche zu treffen haben. Soweit dem Vertrag die Grenzen baulicher Veränderungen nicht ausdrücklich zu entnehmen seien oder sie sich nicht aus der erkennbaren Absicht der Vertragsparteien ergeben, seien die in § 828 zweiter Satz ABGB und § 13 Abs 2 WEG geregelten Grundsätze als Mittel der ergänzenden Auslegung heranzuziehen. Durch eine von der vertraglichen Vereinbarung abweichende Schallisolierung könnten die berechtigten Interessen der Klägerin empfindlich beeinträchtigt werden. Es obliege den Beklagten, die Eigenschaften des Materials, das sie in Abänderung zum Einreichplan verwendeten, zu beweisen. Das (Wider)Klagebegehren der Beklagten dürfe nicht abgewiesen werden, ohne ihnen Gelegenheit zu geben, ihr Begehren konkret zu modifizieren.

Der Rekurs der Klägerin ist zulässig und teilweise berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

I. Zum Widerklagebegehren:

Das Erstgericht hat das Begehren der Beklagten, die Klägerin sei schuldig, den von ihnen vorgelegten Auswechslungsplan zu unterfertigen, abgewiesen (Punkt 3 des Ersturteils). In der Berufungserklärung führten die Beklagten ausdrücklich aus, dass die Abweisung ihrer Widerklage nicht angefochten werde. Wenngleich der Berufungsantrag dahin lautet, der Berufung Folge zu geben und das angefochtene Urteil im Sinne einer Klagsabweisung abzuändern bzw in eventu das Urteil aufzuheben, ist damit klar zum Ausdruck gebracht, dass die Abänderung bzw die Aufhebung des Urteils nur im Rahmen der Anfechtung angestrebt werde (vgl EvBl 1955/188). Das bedeutet aber, dass das Berufungsgericht, das auch die Entscheidung des Erstgerichts über das Widerklagebegehren der Beklagten aufhob, den Rechtsmittelantrag überschritten hat. Dies stellt nicht nur einen Verstoß gegen § 405 ZPO, sondern auch gegen die eingetretene (Teil)Rechtskraft dar, wodurch Nichtigkeit begründet wird (Kodek in Rechberger ZPO² Rz 1 zu § 462 mwN). Insoweit ist die Entscheidung des Berufungsgerichts als nichtig aufzuheben.

II. Zum Begehren der Klägerin:

Unbestrittenermaßen hat die Klägerin - als Miteigentümerin - den Beklagten die Zustimmung zum Ausbau des Dachgeschoßes erteilt. Strittig ist lediglich, welche Bauführungsmaßnahmen die Klägerin zu dulden hat. Der Umfang dieser Duldungspflicht richtet sich primär nach den zwischen den Streitteilen getroffenen Vereinbarungen. Soweit das Berufungsgericht das Verfahren für ergänzungsbedürftig hielt, weil es an Feststellungen zu allenfalls konkreten Vereinbarungen und insbesondere zu den anlässlich der Unterfertigung des Einreichplans geführten Gesprächen mangle, dann kann dem der Oberste Gerichtshof, der keine Tatsacheninstanz ist, nicht entgegentreten. Nur wenn Feststellungen über eine konkret geäußerte Parteienabsicht nicht getroffen werden könnten, werden die jeweiligen schriftlichen Vertragsinhalte im Sinne der vom Berufungsgericht zutreffend aufgezeigten Grundsätze (ergänzend) auszulegen sein. Es kann daher derzeit noch nicht (rechtlich) beurteilt werden, ob das Begehren der Klägerin im Sinne der Judikatur des Obersten Gerichtshofs (vgl 5 Ob 248/00g; MietSlg 50.051; 50.578; 50.622; WoBl 1998, 81; MietSlg 45.542; WoBl 1991, 175; MietSlg 35.606) berechtigt ist.

Dem Rekurs der Klägerin ist daher - soweit ihr Klagebegehren betroffen ist - ein Erfolg zu versagen.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO. Da in Ansehung des Widerklagebegehrens nur die Entscheidung des Berufungsgerichts ohne ein vorausgegangenes Verfahren aufgehoben wurde, findet insoweit § 51 ZPO nicht Anwendung (7 Ob 131/00s; 2 Ob 78/97b; M. Bydlinski in Fasching II/1² Rz 2 zu § 51 ZPO mwN).

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