OGH 4Ob301/02x

OGH4Ob301/02x18.2.2003

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Kodek als Vorsitzenden und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Griß sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Prückner und Dr. Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M***** S.p.A., *****, vertreten durch Binder Grösswang Rechtsanwälte OEG in Wien, gegen die beklagte Partei E***** AG, *****, vertreten durch Schönherr Rechtsanwälte OEG in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren 34.500 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Beklagten gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom 21. November 2002, GZ 3 R 213/02t-10, mit dem die einstweilige Verfügung des Landesgerichts Wels vom 4. Oktober 2002, GZ 28 Cg 89/02k-6, bestätigt wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben und die Rechtssache an das Rekursgericht zur neuerlichen Entscheidung zurückverwiesen. Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Klägerin und Beklagte vertreiben in Österreich asbestfreie Faserzement-Wellplatten. Eines der Produkte der Klägerin trägt die Bezeichnung "Eco*****".

In der von der Beklagten herausgegebenen Zeitschrift "E*****News" vom Juli 2002 erschien zum Thema „Ausländische Wellplatten" ein Interview mit dem Leiter der Forschungs- und Entwicklungsabteilung der Beklagten. Das Interview lautete auszugsweise wie folgt:

„...

... Sehr häufig sind Sie mit der Überprüfung von

Faserzement-Wellplatten ausländischer Hersteller beschäftigt. Welche

Erfahrungen haben Sie damit gemacht?

... Nun, sehr häufig ist es so, dass diese Wellplatten für den

österreichischen Markt absolut ungeeignet sind. Das zeigt sich auch

jetzt nach den Prüfungen der Faserzement-Wellplatten 'Eco*****'.

... Können Sie uns sagen, warum die Kunden mit dieser Wellplatte

nicht glücklich werden?

... Diese italienischen Wellplatten der Marke 'Eco*****' sind

autoklaviert, das heißt, es können keine Kunstfasern verwendet werden. Diese Technologie findet man heutzutage nur mehr in Ländern der Dritten Welt. Derartige Wellplatten sind für Anwendungen in Österreich nicht geeignet. Diese Platten zeichnen sich, wie auch unsere Untersuchungen bestätigen, durch mangelnde Frostbeständigkeit und angezweifelte Rissbeständigkeit aus. Die Platten sind von der Beschichtungsqualität her nicht unbedingt 'schön'.

..."

Die Zertifizierungsstelle des österreichischen Normungsinstituts hat bestätigt, dass die von der Klägerin erzeugten Faserzement-Wellplatten "***** Eco*****", lang, naturgrau bzw beschichtet, asbestfrei (NT), C 1X, der ÖNorm EN 494 entsprechen. Nach dem - bis 31. 5. 2004 gültigen - Übereinstimmungszeugnis des Amtes der Salzburger Landesregierung vom 6. 5. 2002 entsprechen die "Faserzement-Wellplatten und zugehörige Formteile der Klasse 1X (lt. Anhang Produktkennwerte)" der Klägerin der "ÖNorm EN 492/AC, Ausgabe 6/1997". Bestätigt wird weiters, dass die Produkte einer werkseigenen Produktionskontrolle und einer Fremdüberwachung durch die Versuchs- und Forschungsanstalt der Stadt Wien unterliegen und gemäß § 5 a des Salzburger Bauproduktegesetzes, LGBl 1995/11 idgF verwendbar sind. Die Klägerin wirbt damit, dass sie eine neue, international patentierte Produktionstechnik verwende. Ihr Produkt sei von "bester Qualität", es sei "besonders lange haltbar", "ewig haltbar" und "optimal frostbeständig".

Die Beklagte verfügt über eine eigene Forschungs- und Entwicklungsabteilung. Der Leiter dieser Abteilung kam aufgrund der Angaben der Klägerin in Prospekten und in der Patentanmeldung zum Ergebnis, dass es sich bei den „Eco*****"-Wellplatten um autoklavierte Produkte handle. Beim Autoklavieren könnten keine Kunstfasern verwendet werden. Nach dem Asbestausstieg habe ein dänischer Hersteller dieses Verfahren jahrelang verwendet und sei damit gescheitert. Seiner Meinung nach sei die Technologie nur mehr in Ländern der Dritten Welt verbreitet, weil dort aus Kostengründen keine PVA-Fasern eingesetzt werden könnten. Für Europa seien die Platten nicht geeignet, weil sie nicht frostbeständig seien. Nach nur 6 Zyklen im Frosttest beginne die Farbe abzublättern, die Wellplatten hätten keine Sicherheitsbänder, so dass sie im Sackfalltest bereits bei einer Fallhöhe von 60 cm durchbrächen.

Aufgrund einer Anfrage der Beklagtenvertreter erteilte das bautechnische Institut folgende Bestätigung: Die ÖNorm EN 494 enthält keine Bedingungen für die Langzeitbeständigkeit des verlegten Materials unter bestimmten klimatischen Bedingungen. Bei der Bewertung wird das Verhalten der Beschichtung bei den Prüfungen auf Frostwiderstand und bei der Wärme-Regen-Prüfung nicht einbezogen. Bei den Prüfungen auf Frostwiderstand und bei der Wärme-Regen-Prüfung werden Mindestanforderungen an die Gebrauchstauglichkeit gestellt. Die Norm enthält keine zusätzlichen Anforderungen an das Produkt, was die Sicherheit im praktischen Umgang betrifft.

Im Alpenraum kommt es zu häufigen Frost-Tau-Wechseln. Daraus ergeben sich höhere Anforderungen an die Frostwiderstandsfähigkeit von Wellplatten für Dächer. Bei Faserzementprodukten gelten in den einzelnen europäischen Ländern keine unterschiedlichen Anforderungen. Bei den Prüfbestimmungen wird auf den Aufbau der Produkte nicht Rücksicht genommen. In Österreich wird von Wellplatten für Dächer im Allgemeinen erwartet, dass sie begehbar sind.

Die Klägerin begehrt zur Sicherung ihres inhaltsgleichen Unterlassungsanspruchs, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung zu untersagen, es im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs zu unterlassen, im Newsletter der Beklagten "E*****News" und /oder anderen Werbemitteln im Zusammenhang mit der Klägerin und/oder deren Produkten die Äußerungen, „Diese Technologie findet man heutzutage nur mehr in Ländern der Dritten Welt", „Derartige Wellplatten sind für Anwendungen in Österreich nicht geeignet", „Diese Platten zeichnen sich ... durch mangelnde Frostbeständigkeit und angezweifelte Rissbeständigkeit aus" und/oder „Diese Platten sind von der Beschichtungsqualität her nicht unbedingt 'schön'", und/oder inhaltsähnliche Äußerungen aufzustellen. Die beanstandeten Äußerungen setzten die Produkte der Klägerin in unsachlicher, pauschaler und aggressiver Weise herab. Sie seien sachlich unrichtig und zur Irreführung geeignet. Die Klägerin stütze ihren Anspruch insbesondere auf §§ 1, 2, 7 UWG.

Die Beklagte beantragt, den Sicherungsantrag abzuweisen. Die beanstandeten Behauptungen seien richtig. "Eco*****"-Wellplatten seien weder eine neue Entwicklung, noch seien sie frostbeständig oder besonders lange haltbar. Sie seien für den österreichischen Markt nicht geeignet. Die Aussagen der Beklagten seien zur Richtigstellung der krass unwahren Werbung der Klägerin notwendig und angemessen. Das Erstgericht trug der Beklagten auf, es im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs zu unterlassen, im Newsletter der Beklagten "E*****News" und /oder anderen Werbemitteln im Zusammenhang mit der Klägerin und/oder deren Produkten die Äußerungen, "Diese Technologie findet man heutzutage nur mehr in Ländern der Dritten Welt", „Derartige Wellplatten sind für Anwendungen in Österreich nicht geeignet", "Diese Platten zeichnen sich ... durch mangelnde Frostbeständigkeit und angezweifelte Rissbeständigkeit aus", und/oder inhaltsähnliche Äußerungen aufzustellen. Das Mehrbegehren, der Beklagten zu untersagen, die Behauptung, „Diese Platten sind von der Beschichtungsqualität her nicht unbedingt 'schön'" und/oder inhaltsähnliche Äußerungen zu verwenden, wies es ab. Es sei nicht bescheinigt, dass die von der Klägerin verwendete Technologie heutzutage nur mehr in Ländern der Dritten Welt Anwendung finde und dass derartige Wellplatten für Österreich nicht geeignet seien. Ebensowenig sei bescheinigt, dass sich die von der Klägerin hergestellten Platten durch mangelnde Frostbeständigkeit und angezweifelte Rissbeständigkeit auszeichneten und dass der Leiter der Forschungs- und Entwicklungsabteilung der Klägerin die beanstandeten Äußerungen im Zusammenhang mit Werbeaussagen der Klägerin gemacht habe. Die Klägerin habe bescheinigt, dass ihre Wellplatten der ÖNorm entsprechen. Damit sei davon auszugehen, dass die Platten für den österreichischen Markt durchaus geeignet seien. Der Beklagten sei es nicht gelungen, die Wahrheit der beanstandeten Behauptungen zu bescheinigen. Ob die Platten "nicht unbedingt schön" seien, sei objektiv nicht überprüfbar. Insoweit sei der Unterlassungsanspruch daher nicht berechtigt.

Das Rekursgericht bestätigte die einstweilige Verfügung in der Hauptsache, ergänzte die Kostenentscheidung und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Die von der Beklagten begehrten Feststellungen seien aus rechtlichen Gründen entbehrlich. Es komme nicht darauf an, ob die beanstandeten Äußerungen wahr seien. Dass das Erstgericht die von der Beklagten genannte Auskunftsperson nicht vernommen habe, begründe daher keinen Verfahrensmangel. Die beanstandeten Äußerungen seien eine objektiver Nachprüfung entzogene, mit Schlagworten operierende Pauschalabwertung eines Mitbewerbers, die den Boden sachlicher Aufklärung des Publikums verlasse. Sie seien ohne Rücksicht auf ihren Wahrheitsgehalt sittenwidrig im Sinne des § 1 UWG.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diesen Beschluss gerichtete außerordentliche Revisionsrekurs der Beklagten ist zulässig, weil der angefochtene Beschluss der Rechtsprechung widerspricht; der Revisionsrekurs ist im Sinne seines Aufhebungsantrags auch berechtigt.

Die Beklagte macht geltend, dass das Rekursgericht die beanstandeten Behauptungen zu Unrecht als pauschal und unsachlich gewertet habe. Ihre Aussagen seien nachprüfbar und beschränkten sich nicht auf eine pauschale, schlagwortartige Herabsetzung.

Ob die beanstandeten Behauptungen als pauschale und unsachliche

Herabsetzung zu werten sind, ist für die Entscheidung maßgebend, weil

die Behauptungen nur unter dieser Voraussetzung ohne Rücksicht auf

ihren Wahrheitsgehalt zu untersagen sind. § 7 UWG erfasst nur die

Herabsetzung eines Mitbewerbers durch unwahre Behauptungen, wobei die

Beweislast für die Richtigkeit der Behauptung - außer bei

vertraulichen Mitteilungen, an denen der Empfänger oder der

Mitteilende ein berechtigtes Interesse hat - den Beklagten trifft.

Die Herabsetzung eines Mitbewerbers durch wahre Behauptungen ist

daher grundsätzlich nicht verboten; ihre Unzulässigkeit kann sich

jedoch aufgrund einer Interessenabwägung ergeben (4 Ob 162/89 = SZ

62/208 - Moderne Sklaven; 4 Ob 169/89 = SZ 63/2 - Schweinerei ua).

Wahrheitsgemäße Behauptungen über einen Mitbewerber sind (ua) dann

sittenwidrig im Sinne des § 1 UWG, wenn der Mitbewerber damit

pauschal und unsachlich herabgesetzt wird (stRsp ua 4 Ob 243/98h = MR

1999, 34 - Kleiner Bruder; 4 Ob 91/99g = MR 1999, 186 - Negative

Smile; 4 Ob 195/99a = MR 1999, 2999 - Zwergerl; 4 Ob 63/02x = ÖBl-LS

2002/118 - Mehr darf der Spaß nicht kosten!). Grund dafür ist, dass unsachliche Pauschalabwertungen von den angesprochenen Verkehrskreisen nicht nachgeprüft werden können. Sie können daher den Käufer auch nicht dabei unterstützen, seine Kaufentscheidung nach sachlichen Erwägungen zu treffen. Ihre Werbewirkung folgt allein daraus, dass sie den davon betroffenen Mitbewerber herabsetzen, der sich dagegen wegen ihrer Unüberprüfbarkeit auch nur schlecht wehren kann (s Koppensteiner, Österreichisches und europäisches Wettbewerbsrecht³ § 33 Rz 41). Die Beurteilung einer pauschalen und unsachlichen Herabsetzung des Mitbewerbers als sittenwidrig im Sinne des § 1 UWG ist damit das Ergebnis einer Interessenabwägung, so dass es, werden Behauptungen als pauschale und unsachliche Herabsetzung beurteilt, der von der Beklagten vermissten weiteren Interessenabwägung nicht mehr bedarf.

Maßgebend ist daher in erster Linie, ob die beanstandeten Behauptungen überprüfbar sind. Dabei kommt es darauf an, ob eine Tatsache behauptet wird, deren Richtigkeit nachgeprüft werden kann. Das trifft für jede der beanstandeten Behauptungen - „Diese Technologie findet man heutzutage nur mehr in Ländern der Dritten Welt", „Derartige Wellplatten sind für Anwendungen in Österreich nicht geeignet", „Diese Platten zeichnen sich ... durch mangelnde Frostbeständigkeit und angezweifelte Rissbeständigkeit aus" - zu. Es werden damit Tatsachen behauptet, die überprüft werden können. So ist feststellbar, ob autoklavierte Wellplatten nur in Ländern der Dritten Welt erzeugt werden, ob derartige Wellplatten für Anwendungen in Österreich nicht geeignet sind, ob sie nicht frostbeständig sind und auch ob ihre Rissbeständigkeit zweifelhaft ist.

Entgegen der Auffassung des Rekursgerichts hält sich die Kritik der Beklagten noch im Rahmen einer sachlichen Aufklärung des Publikums. Zwar ist es richtig, dass die Kritik vernichtend ist, wird doch behauptet, die von der Klägerin angewandte Produktionsmethode sei in Europa nicht mehr Stand der Technik, ihre Erzeugnisse seien für Anwendungen in Österreich nicht geeignet und wiesen gravierende Mängel auf. Die Behauptungen sind aber deshalb noch nicht unsachlich und auch keine pauschale Abwertung, weil sie überprüft werden können, und, sollten sie richtig sein, die angesprochenen Verkehrskreise über für den Kaufentschluss wesentliche Eigenschaften der von der Klägerin erzeugten Wellplatten aufklären. Sie sind auch nicht derart aggressiv, dass ihr Informationswert in den Hintergrund träte. Zwar schwingt bei der Behauptung, „Diese Technologie findet man heutzutage nur mehr in Ländern der Dritten Welt", die Einstufung als veraltet und nicht mehr zeitgemäß mit; sie ist aber berechtigt, wenn die Behauptung der Beklagten über die Gründe zutrifft, warum die Technik des Autoklavierens in Europa nicht mehr angewandt werde. Die Behauptung, die Wellplatten der Klägerin zeichneten sich durch Eigenschaften aus, die in Wahrheit gravierende Mängel begründen, mag zwar sarkastisch klingen; es ist aber die damit transportierte Information, die in erster Linie wahrgenommen wird und die dazu beiträgt, eine sachliche Kaufentscheidung zu treffen. Die beanstandeten Behauptungen können der Beklagten daher nicht unabhängig davon untersagt werden, ob sie richtig sind. Dabei ist der Gesamteindruck maßgebend; soweit Äußerungen mehrdeutig sind, muss die Klägerin die ungünstigste Auslegung gegen sich gelten lassen. Unvollständige Äußerungen, die einen unrichtigen Gesamteindruck hervorrufen, sind auch dann unwahr, wenn sie isoliert gesehen zutreffen (s Koppensteiner aaO § 26 Rz 7 mwN).

Das Rekursgericht hat die Beweis- und Mängelrüge der Beklagten unerledigt gelassen, weil es die beanstandeten Behauptungen zu Unrecht als unsachliche Pauschalabwertung qualifiziert hat. Es wird nach Erledigung der Beweis- und Mängelrüge erneut zu entscheiden haben.

Dem Revisionsrekurs war Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm § 52 Abs 1 ZPO.

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