Spruch:
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, teils demgemäß, teils gemäß § 290 Abs 1 StPO in den Schuldsprüchen C 1 und 2 und damit auch im Strafausspruch aufgehoben.
Gemäß § 288 Abs 2 Z 3 StPO wird im Umfang der Aufhebung in der Sache selbst erkannt:
Herbert S***** wird von der wider ihn erhobenen Anklage, er habe in Attnang-Puchheim außer den Fällen des § 201 StGB eine Person mit Gewalt zur Duldung einer geschlechtlichen Handlung genötigt bzw zu nötigen versucht, indem er
1. im Jahr 1995 oder 1996 die nackte Beatrice P***** von hinten umfasste,
2. im Dezember 1995 Beatrice P***** während des Stillens ihres Babys auf die nackte Brust griff und Michaela R***** auf die Brust zu greifen versuchte
gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.
Für die unberührt bleibenden Schuldsprüche wegen der Verbrechen der teils vollendeten, teils versuchten Unzucht mit Unmündigen nach §§ 207 Abs 1 aF und 15 Abs 1 StGB, des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB nF, des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB und der Vergehen des teils vollendeten, teils versuchten Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach §§ 212 Abs 1 und 15 StGB wird Herbert S***** unter Bedachtnahme auf § 28 Abs 1 StGB nach § 206 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 29 Monaten verurteilt. Gemäß § 43a Abs 4 StGB wird ein Teil der Freiheitsstrafe von 20 Monaten für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen. Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen. Mit seiner Berufung wird Herbert S***** auf diese Entscheidung verwiesen.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Herbert S***** der Verbrechen der teils vollendeten, teils versuchten Unzucht mit Unmündigen nach §§ 207 Abs 1 aF, 15 StGB (A), des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (B) und des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (D) sowie der Vergehen der teils vollendeten, teils versuchten geschlechtlichen Nötigung nach §§ 202 Abs 1, 15 StGB (C) und des teils vollendeten, teils versuchten Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach §§ 212 Abs 1, 15 StGB (E) schuldig erkannt. Das Schöffengericht verhängte über ihn nach §§ 28 Abs 1, 206 Abs 1 StGB eine Freiheitsstrafe von 30 Monaten, von welcher es gemäß § 43a Abs 4 StGB einen Teil von 20 Monaten für eine Probezeit von 3 Jahren bedingt nachsah.
Danach hat er
A) in Attnang-Puchheim und Haag am Hausruck unmündige Personen auf
andere Weise als durch Beischlaf zur Unzucht teils missbraucht, teils zu missbrauchen versucht, und zwar
1. zu nicht näher feststellbaren Zeitpunkten ab 1986 bis 10. Juli 1989 in mehrfachen Angriffen seine am 10. Juli 1975 geborene, somit unmündige Nichte Beatrice P*****, in dem er ihr über der Bekleidung fest auf die Brust griff,
2. etwa im Jahre 1995 seine am 13. Mai 1985 geborene, somit unmündige Nichte Melanie St*****, indem er mit seiner Hand in ihre Unterhose griff und sie an ihrem Geschlechtsteil berührte,
3. im Sommer 1998 seine am 13. Mai 1985 geborene, somit unmündige Nichte Melanie St*****, indem er ihr, als sie nur einen Badeanzug trug, mit der Hand auf ihren Geschlechtsteil griff,
4. im Jahre 1997 oder 1998 seine am 13. Mai 1985 geborene, somit unmündige Nichte Melanie St*****, indem er mit den Händen auf die Brust griff,
5. im Jahre 1998 seine am 13. Mai 1985 geborene, somit unmündige Nichte Melanie St*****, indem er sie mit seinen Fuß an der Innenseite des Oberschenkels berührte und sich so ihrem Geschlechtsteil näherte, wobei die Tathandlung beim Versuch geblieben ist,
6. im Jahre 1995, 1996 oder 1997 in zwei Angriffen seine am 28. Dezember 1990 geborene, somit unmündige Nichte Carmen St*****, indem er mit seiner Hand in ihre Strumpfhose griff und sie über und unter der Unterhose am Geschlechtsteil berührte,
7. zu einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt, vermutlich im Sommer 1998, seine am 28. Dezember 1990 geborene, somit unmündige Nichte Carmen St*****, indem er mit seiner Hand in ihre Unterhose griff und sie an ihrem Geschlechtsteil streichelte;
B) zu nicht näher feststellbaren Zeitpunkten im Sommer 1999 in Attnang-Puchheim und am Attersee außer dem Fall des § 206 StGB mehrmals eine geschlechtliche Handlung an seiner am 28. Dezember 1990 geborenen, somit unmündigen Nichte Carmen St***** vorgenommen, indem er mit der Hand in die Badehose des Bikinis griff und sie am Geschlechtsteil berührte;
C) in Attnang-Puchheim außer den Fällen des § 201 StGB eine Person
mit Gewalt zur Duldung einer geschlechtlichen Handlung genötigt bzw zu nötigen versucht, indem er
1. im Jahre 1995 oder 1996 die nackte Beatrice P***** von hinten umfasste,
2. im Dezember 1995 Beatrice P***** während des Stillens ihres Babys auf die nackte Brust griff und Michaela R***** auf die Brust zu greifen versuchte;
D) im Jahr 1999 und am 13. Mai 2000 in Haag am Hausruck mit einer
unmündigen Person eine dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlung an seiner am 28. Dezember 1990 geborenen Nichte Carmen St***** unternommen, indem er jeweils seinen Finger in ihre Scheide steckte;
E) in Attnang-Puchheim bzw am Attersee unter Ausnutzung seiner
Stellung gegenüber seiner Aufsicht unterstehenden minderjährigen Personen diese zur Unzucht teils missbraucht, teils zu missbrauchen versucht, und zwar
1. im Sommer 1988 oder 1989 seine am 28. März 1974 geborene, somit minderjährige Nichte Astrid D*****, indem er mit seiner Hand unter ihre Jogginghose und Unterwäsche fuhr und sie mit den Fingern im Genitalbereich, insbesondere an der Klitoris streichelte,
2. zu nicht näher feststellbaren Zeitpunkten ab 1986 bis 10. Juni 1993 in mehrfachen Angriffen seine am 10. Juli 1975 geborene, somit unmündige Nichte Beatrice P***** "durch die unter A)1. beschriebene Tathandlung" missbraucht,
3. etwa im Jahre 1989 seine am 10. Juli 1975 geborene, somit minderjährige Nichte Beatrice P*****, indem er über der Bekleidung auf ihren Oberschenkel griff und seine Hand ihrem Geschlechtsteil näherte, zu missbrauchen versucht,
4. etwa im Jahre 1991 seine am 23. Jänner 1977 geborene, somit minderjährige Nichte Michaela R*****, indem er ihr mit der Hand unter das Leiberl auf die Brust griff und unter der Unterhose auf ihren Geschlechtsteil zu greifen versuchte, missbraucht,
5. durch die unter A)2., 3., 4., 6. und 7., sowie B) und D) beschriebenen Tathandlungen die dort genannten Personen missbraucht bzw zu missbrauchen versucht.
Rechtliche Beurteilung
Gegen dieses Urteil richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4, 5, 9 lit a und lit b StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten; ihr kommt teilweise Berechtigung zu.
Entgegen der Verfahrensrüge (Z 4) wurden die vom Verteidiger begehrten Beweisaufnahmen zu Recht abgelehnt.
Weshalb die Vernehmung der Zeugen Siegfried, Maria, Daniela und Renate G*****, Susanne H***** sowie Josef und Johannes H***** hätte ergeben können, dass der Angeklagte die im Urteil genannten Mädchen "nicht sexuell belästigt bzw geschlechtlich genötigt hat", ist der Antragsbegründung nicht zu entnehmen, zumal deren begehrte Aussagen das Verhalten des Angeklagten "bei anderen sich bietenden Gelegenheiten", somit einen zum Ausschluss inkriminierter Handlungen ungeeigneten Umstand betreffen sollten (S 264, 351). Der Antrag auf Vernehmung der Zeugin Edith A***** enthält weder ein Beweisthema noch wird dargestellt, welches Ergebnis aus deren Aussage zu erwarten sei und inwiefern dieses für die Schuldfrage von Bedeutung sein könnte.
Die Einholung eines psychologischen Gutachtens über den Angeklagten wurde zu einem anderen als dem in der Beschwerde erörterten Beweisthema beantragt (S 265 f, 351). Bei Überprüfung eines Beweisantrages ist aber stets von den in erster Instanz angeführten Gründen auszugehen und nicht von jenen im Rechtsmittel zusätzlich vorgebrachten (Mayerhofer StPO4 § 281 Z 4 E 40, 41). Durch die Abweisung der Anträge wurden somit weder Gesetze oder Grundsätze des Verfahrens hintangesetzt oder unrichtig angewendet noch sonst Verteidigungsrechte beeinträchtigt.
Soweit die Mängelrüge (Z 5) eine Unvollständigkeit behauptet, weil das Erstgericht die Aussagen der Zeugen Jasmin A***** und Herbert P***** nicht erörtert habe, übergeht sie die ausdrücklichen Beweiswerterwägungen der Tatrichter hiezu (vgl US 20). Im Übrigen sind die Ausführungen zu diesem Nichtigkeitsgrund durch den Teilfreispruch obsolet geworden.
In der Rechtsrüge (Z 9 lit a) wird zum Schuldspruch C)1. zutreffend gerügt, dass die Urteilskonstatierungen die rechtliche Annahme von Gewalt nicht zu tragen vermögen. Insoweit wurde nämlich lediglich festgestellt, dass der Angeklagte im Jahr 1995 oder 1996 während eines Saunabesuches von hinten an Beatrice P***** herankam, ihren nackten Körper von hinten umfasste und sagte: "In dir möchte ich einmal stecken" (US 7). Unter Gewalt ist aber der Einsatz nicht unerheblicher physischer Kraft zur Überwindung eines wirklichen oder vermuteten Widerstandes zu verstehen (Leukauf/Steininger Komm3 § 201 RN 19). Dieses Tatbestandmerkmal ist beim festgestellten Sachverhalt nicht verwirklicht.
Darüber hinaus finden sich zu diesem Urteilsfaktum keine Konstatierungen, wonach der Angeklagte eine geschlechtliche Handlung gesetzt hat. Zur Verwirklichung einer solchen ist Voraussetzung, dass zur unmittelbaren Geschlechtssphäre gehörige, somit dem männlichen oder weiblichen Körper spezifisch eigentümliche Körperpartien des Opfers oder des Täters mit dem Körper der jeweils anderen Person in eine nicht bloß flüchtige, sexual bezogene Berührung gebracht werden (Mayerhofer StGB5 § 202 E 16 f).
Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde überzeugte sich der Oberste Gerichtshof davon, dass das Urteil im Schuldspruch C)2. mit einem nicht geltend gemachten, sich jedoch zum Nachteil des Angeklagten auswirkenden materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrund behaftet ist (§ 290 Abs 1 StPO). Auch zu diesem Faktum wurde nämlich rechtsirrig angenommen, der Gewaltbegriff sei erfüllt. Nach den Feststellungen ging der Angeklagte im Dezember 1995 auf Beatrice P***** zu, als sie gerade ihre Tochter stillte, und griff ihr auf die nackte Brust. Danach wollte er Michaela R***** ebenfalls auf die Brust greifen, sie konnte jedoch abwehren (US 7 f).
Dieser Handlungsablauf beinhaltet keine physische Kraft, welche der Überwindung eines wirklichen oder vermuteten Widerstandes dienen sollte.
Die bezeichneten Schuldsprüche waren daher aufzuheben. Da insoweit nach der Aktenlage zur rechtlichen Beurteilung als Gewaltanwendung ausreichende Feststellungen in einem zweiten Rechtsgang nicht zu erwarten sind (vgl S 39, 45, 113, 117, 132 f), war in diesen Punkten sofort mit einem Freispruch des Angeklagten vorzugehen. Entgegen dem weiteren Beschwerdevorbringen (Z 9 lit b) ist die Strafbarkeit der Taten A)1., E)1. und E)3. nicht verjährt (§ 58 Abs 2 StGB), weil (auch) infolge Begehung der auf gleicher schädlicher Neigung (§ 71 StGB) beruhenden Taten E)4., A)2. und A)3. eine Verlängerung der Verjährungsfrist eingetreten ist. Nicht nur die Begehung einer völlig gleichartigen strafbaren Handlung verlängert nämlich die Verjährungsfrist, sondern alle auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden Taten, das sind solche, die gegen dasselbe Rechtsgut gerichtet sind oder auf gleichartige verwerfliche Beweggründe oder auf den gleichen Charaktermangel zurückzuführen sind.
Bei der erforderlich gewordenen Strafneubemessung wertete der Oberste Gerichtshof als erschwerend die Begehung mehrerer strafbarer Handlungen gleicher und verschiedener Art während eines längeren Zeitraumes, als mildernd den ordentlichen Lebenswandel des Angeklagten bis zu den Taten sowie den Umstand, dass es teilweise beim Versuch geblieben ist.
Entgegen der Berufung ist die Tatsache, dass der Angeklagte seit Mai 2000 keine weitere strafbare Handlung begangen hat, nicht als mildernd zu werten, weil für den besonderen Milderungsgrund des § 34 Abs 1 Z 18 StGB eine etwa der Rückfallsverjährung nahekommende Frist erforderlich wäre (Leukauf/Steininger Komm3 § 34 RN 27). Ausgehend von den angeführten Strafzumessungsgründen ist die ausgesprochene Freiheitsstrafe schuld- und unrechtsangemessen. Die teilweise bedingte Nachsicht der Freiheitsstrafe resultiert bereits aus dem Verbot der reformatio in peius, weil die Angeklagebehörde kein Rechtsmittel ergriffen hat. Eine bedingte Nachsicht der gesamten Freiheitsstrafe kommt jedoch im Hinblick auf den über mehrere Jahre gezeigten intensiven Täterwillen aus spezialpräventiven Gründen nicht in Betracht. Dagegen sprechen auch generalpräventive Aspekte, weil die gänzliche bedingte Nachsicht nicht geeignet wäre, potentielle Sexualtäter von der Begehung gleichartiger strafbarer Handlungen abzuhalten.
Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf die Strafneubemessung zu verweisen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 390a StPO.
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