OGH 14Os19/03

OGH14Os19/0311.2.2003

Der Oberste Gerichtshof hat am 11. Februar 2003 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag. Strieder als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer und Dr. Ratz als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Zucker als Schriftführer, in der Strafsache gegen Alexander K***** wegen der Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Grundrechtsbeschwerde des Angeklagten gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Beschwerdegericht vom 7. Jänner 2003, AZ 7 Bs 518/02, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Text

Gründe:

Alexander K***** wurde mit dem Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Schöffengericht vom 29. August 2002, GZ 40 Hv 5/02x-21, der Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB und der Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 StGB, des Betruges nach § 146 StGB sowie nach § 2 Abs 1 lit c PornG schuldig erkannt und nach § 206 Abs 1 StGB unter Bedachtnahme gemäß §§ 31, 40 StGB auf das Urteil des Bezirksgerichtes Bregenz vom 13. Juni 2002, GZ 6 U 750/01f-10, zu einer Zusatzfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Unter einem beschloss das Schöffengericht gemäß § 494a Abs 1 Z 4 StPO den Widerruf der am 2. November 1999 angeordneten bedingten Entlassung zum AZ 30 BE 122/99 des Landesgerichtes Feldkirch aus einer achtmonatigen Freiheitsstrafe (Strafrest zwei Monate und siebzehn Tage). Die Entscheidung über die dagegen vom Angeklagten erhobenen Rechtsmittel der Nichtigkeitsbeschwerde, Berufung und Beschwerde stehen noch aus.

Alexander K***** befindet sich seit 19. Juli 2002 (nur mehr) aus dem Haftgrund der Tatbegehungsgefahr gemäß § 180 Abs 2 Z 3 lit a, b und c StPO in Untersuchungshaft (ON 4).

In zwei getrennten Schreiben vom 28. Oktober 2002 und 19. November

2002 (ON 6 und 7 in ON 8) erhielt die Vorsitzende des

Schöffengerichtes von der Justizanstalt Feldkirch die Mitteilung,

dass die Bezirkshauptmannschaft Bregenz den Vollzug von mit

Strafverfügungen vom 10. Oktober 2000 und 14. Dezember 2001

verhängten Ersatzfreiheitsstrafen in der Dauer von 264 Stunden und

295 Stunden verfügt hatte. Daraufhin beschloss sie am 27. November

2002, die Untersuchungshaft für die Dauer der sofort zu vollziehenden

Ersatzfreiheitsstrafen "aufzuheben", wobei sie in der Begründung

darauf hinwies, diese "Aufhebung" der Untersuchungshaft erfolge

"unter der (auflösenden) Bedingung, dass der ... Beschuldigte die im

Spruch angeführte(n) Haftstrafe(n) verbüßt" und es trete "Nach

Beendigung des Strafvollzuges, also nach Auflösung dieser Bedingung,

... die Aufhebung in Wegfall und die Untersuchungshaft" werde

fortgesetzt (ON 8).

Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Oberlandesgericht Innsbruck die Beschwerde des Angeklagten gegen diesen Beschluss mit der wesentlichen Begründung als unzulässig zurück, das Gesetz sehe eine Zuständigkeit des Oberlandesgerichtes zur Entscheidung über eine Beschwerde gegen eine Verfügung des Untersuchungsrichters nach § 180 Abs 4 StPO - anders als nach §§ 179 Abs 5 und Abs 6, 182 Abs 4, 190 Abs 2 und 193 Abs 6 StPO - nicht vor.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen diesen Beschluss erhobene Grundrechtsbeschwerde geht schon aus formellen Gründen fehl.

Gemäß § 1 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 GRBG kann eine Grundrechtsbeschwerde nur wegen Verletzung des Grundrechtes auf persönliche Freiheit (siehe Bundesverfassungsgesetz über den Schutz der persönlichen Freiheit und Art 5 der EMRK) durch eine strafgerichtliche Entscheidung oder Verfügung dann erhoben werden, wenn die Verhängung oder Aufrechterhaltung einer Haft zum Zweck der Maßnahme außer Verhältnis steht, die Dauer einer Haft unverhältnismäßig geworden ist, die Voraussetzungen einer Haft (wie Tatverdacht oder Haftgrund) unrichtig beurteilt wurden oder sonst bei einer Festnahme oder Anhaltung das Gesetz unrichtig angewendet wurde.

Der bekämpfte Beschluss des Oberlandesgerichtes auf Zurückweisung der Beschwerde gegen den Beschluss, mit dem die Vorsitzende gemäß § 180 Abs 4 StPO die "Unterbrechung" der Untersuchungshaft für die Dauer des Vollzuges der verwaltungsbehördlichen Ersatzfreiheitsstrafen angeordnet hat, ist mangels funktioneller Grundrechtsrelevanz einer Überprüfung durch eine Grundrechtsbeschwerde nicht zugänglich. Die Beschwerde war demnach (ohne Kostenausspruch) zurückzuweisen. Bleibt anzumerken, dass es einem nach § 180 Abs 4 StPO in Haft befindlichen Beschuldigten freisteht, den Antrag auf "Aufhebung der Untersuchungshaft" zu stellen und sich gegen eine etwaige "Fortsetzung" beim Oberlandesgericht zu beschweren (§§ 193 Abs 5, 182 Abs 4 StPO), ohne dass jedoch während der Dauer einer nach § 180 Abs 4 StPO vollzogenen Haft eine Verletzung des Grundrechtes auf persönliche Freiheit nach § 1 Abs 1 GRBG in Betracht kommt, weil während eines solchen Vollzuges an sich keine Untersuchungshaft vorliegt. Demnach kommt eine Grundrechtsbeschwerde gegen eine gemäß § 180 Abs 4 StPO im Vollzug befindliche Strafhaft nicht in Betracht (s EvBl 1995/22; 13 Os 149/01).

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