OGH 14Os149/02

OGH14Os149/0228.1.2003

Der Oberste Gerichtshof hat am 28. Jänner 2003 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag. Strieder als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer, Dr. Ratz, Dr. Philipp und Dr. Schroll als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Zucker als Schriftführer, in der Strafsache gegen Ibrahim G***** wegen des Verbrechens des versuchten Mordes nach §§ 15, 75 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Graz vom 8. Oktober 2002, GZ 11 Hv 175/02z-77, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Fabrizy, des Angeklagten und seines Verteidigers Mag. Lehofer zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auf dem (einstimmigen) Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde Ibrahim G***** des Verbrechens des versuchten Mordes nach §§ 15, 75 StGB schuldig erkannt. Danach hat er am 25. Dezember 2001 in Graz (seine Schwester) Gülsen Ö***** vorsätzlich zu töten versucht, indem er ihr sieben gezielte Messerstiche in die Brust, den Bauch und die linke Gesäßhälfte versetzte, wodurch sie Verletzungen der Lunge, Zwischenrippenschlagader, der Leber, des Zwerchfells nahe der Wirbelsäule und dadurch einen massiven Blutverlust erlitt, es aber nicht zum Todeseintritt kam, weil ihr rechtzeitig ärztliche Hilfe zuteil wurde.

Rechtliche Beurteilung

Der Angeklagte bekämpft dieses Urteil mit einer auf Z 6, 8 und 10a des § 345 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. Die Fragestellungsrüge (Z 6) vermisst eine Eventualfrage nach "Körperverletzung" zu der auf das Verbrechen des versuchten Mordes gerichteten Hauptfrage; die Voraussetzungen für eine solche Fragestellung waren indes nicht gegeben.

Gemäß § 314 Abs 1 StPO sind an die Geschworenen entsprechende Schuldfragen (Eventualfragen) zu stellen, wenn in der Hauptverhandlung Tatsachen vorgebracht worden sind, nach denen - wenn sie als erwiesen angenommen werden - (ua) die dem Angeklagten zur Last gelegte Tat unter ein anderes Strafgesetz fiele, das nicht strenger ist als das in der Anklageschrift angeführte. Dieses Tatsachenvorbringen muss in der Verantwortung des Angeklagten oder in den Ergebnissen des Beweisverfahrens zum Ausdruck kommen (15 Os 197/98). Dabei genügt es, wenn sich die erhebliche Tatsache, also eine solche, die, wäre sie im schöffengerichtlichen Verfahren vorgekommen, bei sonstiger Nichtigkeit aus § 281 Abs 1 Z 5 zweiter Fall StPO erörterungsbedürftig gewesen wäre (Ratz in WK-StPO § 345 Rz 42 mwN), aus den in der Hauptverhandlung vorgebrachten Beweismitteln immerhin mittelbar ergibt, also aus ihnen zu erschließen ist (14 Os 108/02 mwN).

Vorliegend hat der Angeklagte aber in der Hauptverhandlung jeden Zusammenhang mit der Tat bestritten und als Täter einen "Bekannten", dessen Namen er nicht nennen wollte, ins Spiel gebracht (S 48 ff/II). Diese Verantwortung bot keine Grundlage für die erwähnte Fragestellung an die Geschworenen, weil sie - ihre Wahrheit vorausgesetzt - die Freisprechung des Angeklagten zur Folge haben müsste, nicht aber seine Verurteilung nach einem anderen Strafgesetz (Mayerhofer StPO4 § 314 E 23).

Der Beschwerde zuwider indizierte aber auch die durch Verlesung gemäß § 252 Abs 1 Z 2 StPO (S 50/II) in die Hauptverhandlung eingebrachte Einlassung des Angeklagten vor dem Untersuchungsrichter (S 77 ff/I) keine Fragestellung nach einem Körperverletzungsdelikt, weil er damals zwar (nur) einen Tötungsvorsatz abgestritten, aber auch keinen auf Körperverletzung gerichteten Vorsatz eingestanden hatte. Der Instruktionsrüge (Z 8) mangelt es zur Gänze an der gesetzmäßigen Darstellung des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes. Denn zum einem ist die schriftliche Rechtsbelehrung - der Vorschrift des § 321 Abs 1 StPO entsprechend - ohnehin dem Protokoll über die Hauptverhandlung angeschlossen (vgl Beilagenmappe zu ON 76), zum anderen legt die Beschwerde nicht konkret dar, inwieweit die Instruktion zur subjektiven Tatseite "gänzlich unvollständig geblieben ist". Der Tatsachenrüge (Z 10a) gelingt es mit spekulativen Überlegungen zu Hinweisen auf die leugnende Verantwortung des Angeklagten sowie auf ein unbedeutendes Aussagedetail des Zeugen Mario O*****, ferner auf die Tatsachen, dass der Rechtsmittelwerber "in keinster Weise mit Blut befleckt war", er das Opfer (seine Schwerster) 19 Jahre lang nicht gesehen und dieses sich der Aussage entschlagen hat, nicht einmal ansatzweise, auf Aktengrundlage erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch der Geschworenen festgestellten entscheidenden Tatsachen zu wecken. Vielmehr sucht der Beschwerdeführer nach Art einer in Verfahren vor Kollegialgerichten nicht zulässigen Schuldberufung die gemäß Art 91 Abs 2 B-VG ausschließlich den Geschworenen übertragene Beweiswürdigung zu bekämpfen und seiner in der Hauptverhandlung gewählten leugnenden Verantwortung doch noch zum Durchbruch zu verhelfen. Die zur Gänze unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Geschworenengericht verhängte über den Angeklagten nach §§ 75, 36 StGB eine Freiheitsstrafe von acht Jahren. Dabei wertete es als erschwerend keinen Umstand; als mildernd berücksichtigte es die bisherige Unbescholtenheit des Angeklagten, sein Alter unter 21 Jahren und den Umstand, dass die Tat beim Versuch geblieben ist. Mit seiner dagegen erhobenen Berufung strebt der Angeklagte eine schuldangemessene Herabsetzung der Strafe an.

Sie ist im Ergebnis unbegründet.

Zwar sind die erstgerichtlichen Milderungsumstände - den Berufungsausführungen folgend - dahin zu ergänzen, dass der Angeklagte durch seine ersten Angaben vor der Polizei (er habe seine Schwester umgebracht) wesentlich zur Wahrheitsfindung beigetragen (§ 34 Abs 1 Z 17 StGB) und er sich selbst gestellt hat, obwohl ihm eine Flucht leicht möglich gewesen wäre (§ 34 Abs 1 Z 16 StGB). Hingegen kann aus der Aussageentschlagung des Mordopfers mit Fug nicht abgeleitet werden, das Opfer habe ihm verziehen.

Bei entsprechender Gewichtung der zum Vorteil des Berufungswerbers vervollständigten Strafzumessungsgründe sah sich der Oberste Gerichtshof demnach zu einer Herabsetzung der in Relation zur tat- und täterbezogenen Schuld des Angeklagten keineswegs überhöhten Freiheitsstrafe nicht veranlasst.

Die Kostenentscheidung ist in § 390a StPO begründet.

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