OGH 15Os197/98

OGH15Os197/9811.2.1999

Der Oberste Gerichtshof hat am 11. Februar 1999 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Markel als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Strieder, Dr. Schmucker, Dr. Zehetner und Dr. Danek als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Gutschi als Schriftführer, in der Strafsache gegen Hermann N***** wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Graz vom 22. September 1998, GZ 13 Vr 2044/97-154, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Fabrizy, des Angeklagten und der Verteidigerin Mag. Lorenz zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde Herman N***** der Verbrechen (I) des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB und (II) des versuchten Mordes nach §§ 15, 75 StGB sowie der Vergehen (III) nach § 50 Abs 1 Z 1 WaffG, (IV) nach § 50 Abs 1 Z 4 WaffG und (V) der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und Abs 2 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er in Graz

(I) am 18. Juni 1997 mit Gewalt gegen eine Person und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) der Hermine K***** nachangeführte fremde bewegliche Sachen im Gesamtwert von zumindest 177.000 S mit dem Vorsatz teils abgenötigt, teils weggenommen, indem er sie niederhielt, ihr den Mund zuhielt und Handfesseln anlegte, sie anschließend zur Aushändigung von 20.000 S Bargeld zwang, sodann in ihrer Wohnstätte Schmuckgegenstände im Wert von rund 150.000 S, nämlich sechs edelsteinbesetzte Goldringe, eine Damenarmbanduhr, ein Medaillon, eine Taschenuhr und eine Brosche, und einen weiteren Geldbetrag von 5.000 S, ein Paar Handschuhe in unbekanntem Wert, ferner nach Fesselung des Opfers an den Abfluß des Waschbeckens den Mobilteil des Schnurlostelefons im Wert von 2.000 S sowie eine Damenjacke in unbekanntem Wert an sich nahm;

(II) am 17. Juli 1997 Andrzej B***** durch einen Schuß in den Oberkörper zu töten versucht;

(III) zwischen 18. Juni 1997 und 18. Juli 1997 zumindest fahrlässig unbefugt eine genehmigungspflichtige Schußwaffe, nämlich die Faustfeuerwaffe "Tokarev", Model 57, Kal 7,62 Tok, Waffen-Nr E-190504, besessen und anläßlich der zu II angeführten Tatbegehung geführt;

(IV) am 17. und 18. Juli 1997 zumindest fahrlässig einen Pioniersprengkörper mit 192 Gramm TNT, mithin Kriegsmaterial, unbefugt besessen;

(V) Mag. Raimund F***** mit dem Tod gefährlich bedroht, um ihn in Furcht und Unruhe zu versetzen, indem er ihm nach Übermittlung einer Zeichnung eines Sarges schriftlich ankündigte:

(1) am 3. Mai 1998: "Du sollst wissen, daß du Folgen davontragen bzw spüren wirst ..."

(2) am 4. Mai 1998: "... und ich sage dir, wenn ich zu Unrecht verurteilt werde, dann wirst du dafür bezahlen, so wie ich es dir versprochen habe",

(3) am 11. Mai 1998: "Aber merke dir, daß du die Folgen spüren wirst, weil ich unschuldig bin und ich werde mich bemühen, daß du bezahlen wirst, wenn ich verurteilt werde",

(4) am 18. Mai 1998: "... du bist ja ein Schuft, es ist schwer, dich aus dem Weg zu räumen, ..., es wäre besser, mich nicht freizulassen, wenn du nicht willst, daß deine Mutter auf ewig verarscht wird",

(5) am 24. Mai 1998: "Ich warte auf dich, vergiß ja nicht, was ich dir versprochen habe, falls ich verurteilt werde. ...".

Der Angeklagte bekämpft dieses Urteil mit auf § 345 Abs 1 Z 1, 5 und 6 StPO gestützter Nichtigkeitsbeschwerde; indes zu Unrecht.

Rechtliche Beurteilung

Die Beschwerde behauptet zunächst (Z 1), der beisitzende Richter Dr. Erik N***** sei von der Mitwirkung und Entscheidung in der Hauptverhandlung ausgeschlossen gewesen. Nach § 68 Abs 2 StPO ist dies ua, wer in derselben Sache, sei es auch bloß zeit- oder vertretungsweise, als Untersuchungsrichter tätig gewesen ist. Dazu wäre inhaltlich eine Tätigkeit "als Untersuchungsrichter" erforderlich, bloße Verfügungen rein formeller Art und von ganz untergeordneter Bedeutung vermögen hingegen den durch § 68 Abs 2 StPO hintanzuhaltenden Anschein mangelnder Unparteilichkeit nicht zu begründen (SSt 52/57). Vorliegend hat der bezeichnete Richter (offenbar in Vertretung des zuständigen Untersuchungsrichters) auf das bei Gericht eingelangte Gutachten der medizinischen Sachverständigen Dr. Regina G***** lediglich den Vermerk "Gesehen, Z.T." gesetzt (S 23/II). Dies stellt inhaltlich keine Untersuchungshandlung, sondern bloß eine verfahrensleitende Verfügung von untergeordneter Bedeutung dar, die ihn im Sinne des § 68 Abs 2 StPO nicht von der Mitwirkung und Entscheidung in der Hauptverhandlung ausschließt (vgl 15 Os 57/96).

Die Verfahrensrüge (Z 5) reklamiert die Abweisung der in der Hauptverhandlung vom 22. September 1998 gestellten Beweisanträge auf Einholung eines kriminaltechnischen Gutachtens

"hinsichtlich der Herstellung und sonstigen Gemeinsamkeiten jener Gummihandschuhe, welche am Mannagettaweg und jene welche in der Pension 'L*****' sichergestellt wurden, zum Beweis dafür, daß diese weder vom gemeinsamen Hersteller stammen, noch sonstige Gemeinsamkeiten aufweisen, sodaß ein Rückschluß auf die Täterschaft hinsichtlich des Raubes lediglich auf Grund der Sicherstellung der Handschuhe in der Pension 'L*****' nicht möglich ist und des weiteren" ...

"hinsichtlich der Handfesseln bezüglich der Herkunft und irgendwelcher Gemeinsamkeiten, welche am Tatort Mannagettaweg sichergestellt wurden und jener, die in der Pension 'L*****' gefunden wurden, zum Beweis dafür, daß diese weder vom gleichen Hersteller stammen noch sonstige Gemeinsamkeiten aufweisen, sodaß wiederum ein Rückschluß auf die Täterschaft hinsichtlich des Raubes zum Nachteil der Frau K***** lediglich auf Grund der Sicherstellung in der Pension 'L*****' nicht möglich ist" sowie auf

"Ladung und Einvernahme des Rechtsanwaltes Zoran R***** in Marburg zum Beweis dafür, daß der Angeklagte schon seit Jahren von Zigeunern verfolgt und belästigt wird und bereits in der Vergangenheit mehrfach Zigeuner versucht haben, dem Angeklagten strafbare Handlungen, welche von diesen begangen wurden, unterzuschieben, sodaß die Verantwortung des Angeklagten, wonach die ihm nunmehr angelasteten Straftaten nicht begangen hat, auf Grund dieser Aussage richtig ist" (S 327/III).

Entgegen der in der Beschwerde vertretenen Ansicht konnte die Aufnahme dieser Beweise, wie das Erstgericht in seinem abweislichen Zwischenerkenntnis (S 329/III) zutreffend dargelegt hat, ohne Beeinträchtigung von Verteidigungsinteressen des Angeklagten unterbleiben. Die Tatrichter wiesen den Antrag auf Einholung eines kriminaltechnischen Sachverständigengutachtens zutreffend mit der Begründung ab, daß sich Unterschiede in Type und Art der Gegenstände (Handschuhe und Handschellen) bereits augenscheinlich ergäben, womit der zu beweisende Umstand ohnedies schon durch andere Beweise klargestellt ist. Darüber hinaus entbehrt das Beschwerdevorbringen, der Wahrspruch der Geschworenen stütze sich unter anderem darauf, daß die in der Unterkunft vorgefundenen Handschuhe mit den am Tatort sichergestellten ident seien, der gesetzmäßigen Ausführung, liegt doch ein solcher Ausspruch der Geschworenen nicht vor.

Dem Antrag auf Vernehmung des slowenischen Rechtsanwaltes Zoran R***** wiederum mangelt es an einem Vorbringen dahin, aus welchem Grund das erwartete Beweisergebnis für die Entscheidung der Sache von Bedeutung sei. Denn eine ungerechtfertigte Belastung in der Vergangenheit legt noch nicht den vom Beschwerdeführer angestrebten Schluß auf dessen mangelnde Täterschaft bei den ihm nunmehr angelasteten Straftaten nahe.

Die Fragestellungsrüge (Z 6) wendet sich gegen die Ablehnung von - im Wortlaut unpräzise formulierten - Eventualfragen nach Körperverletzungsdelikten (S 331/III ff) zu der auf das Verbrechen des versuchten Mordes zielenden Hauptfrage II.

Die Beschwerde behauptet, den Vernehmungen der Tatzeugen Detlef Si*****, Andreas W***** und Ryszard Su***** sei zu entnehmen, daß der Täter nicht gezielt geschossen habe.

Gemäß § 314 Abs 1 StPO sind an die Geschworenen entsprechende Schuldfragen (Eventualfragen) zu stellen, wenn in der Hauptverhandlung Tatsachen vorgebracht worden sind, wonach (ua) die dem Angeklagten zur Last gelegte Tat unter ein anderes Strafgesetz fiele, das nicht strenger ist als das in der Anklageschrift angeführte.

Dieses Tatsachenvorbringen muß in der Verantwortung des Angeklagten oder in den Ergebnissen des Beweisverfahrens zum Ausdruck kommen. Dazu ist eine positive Behauptung vorausgesetzt. Nicht gehörig substantiiertes Vorbringen und bloß (aus den Beweisergebnissen abgeleitete) denkmögliche Varianten indizieren eine solche Fragestellung nicht (Mayerhofer StPO4 § 313 E 13 und 19, § 314 E 18, 19 und 22).

Die Aussagen der in der Beschwerde bezeichneten Zeugen enthalten ein solches Tatsachenvorbringen nicht. Keiner von ihnen deponierte, der Angeklagte habe nicht gezielt geschossen. Detlef Si***** sagte aus, er könne die Frage, ob der Täter gezielt oder wahllos geschossen habe, nicht beantworten (S 239/III). Andreas W***** gab in seiner (in der Hauptverhandlung verlesenen, S 319/III) Aussage vor dem Untersuchungsrichter (ON 14) an, ob der Täter eine "gezielte Person erwischen wollte", könne er nicht sagen. Seine (ebenso in der Hauptverhandlung verlesene) Aussage vor der Bundespolizeidirektion Graz (S 63 ff/I) enthält über die Zielrichtung des Schusses gegen eine bestimmte Person keine Angaben. Auch Ryszard Su***** gab (vor der Sicherheitsbehörde S 75 ff/I, Verlesung so) an, er wisse nicht, ob der Täter auf das Opfer gezielt habe.

Aus diesen Angaben ergibt sich somit keineswegs das in der Fragestellungsrüge behauptete Tatsachenvorbringen, der Angeklagte habe nicht gezielt geschossen, weil keiner der Zeugen die darauf gerichtete Frage zu beantworten vermochte. Mögliche Denkvarianten aber sind keine Grundlage für die Stellung von Eventualfragen.

Aus der zur Gänze, sogar seine Anwesenheit am Tatort leugnenden Verantwortung des Angeklagten (S 197/III) ergibt sich ebensowenig eine Tatsache, welche die reklamierte Fragestellung indizieren würde (Mayerhofer aaO § 314 E 23).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Geschworenengericht verhängte über Hermann N***** nach §§ 28, 75 StGB (unter Anrechnung der Vorhaft) eine Freiheitsstrafe von neunzehn Jahren.

Bei der Strafbemessung wertete es als erschwerend das Zusammentreffen von zwei Verbrechen mit drei Vergehen ("bei Beurteilung der gefährlichen Drohung als fortgesetzte Tat mit einheitlichem Tatentschluß"), sowie die Verletzung des Opfers beim Raub, als mildernd den Mordversuch und den bisherigen ordentlichen Lebenswandel.

Der Berufung, mit welcher der Angeklagte die Herabsetzung der Freiheitsstrafe begehrt, kommt keine Berechtigung zu.

Dem Berufungsvorbringen zuwider hat das Geschworenengericht den ordentlichen Wandel ebenso wie den Umstand, daß es beim Mord beim Versuch geblieben ist, seinen Strafzumessungserwägungen zugrunde gelegt. Das Stimmenverhältnis bei Beantwortung der jeweiligen Hauptfragen hat dabei völlig außer Betracht zu bleiben. Im Rahmen der Voruntersuchung war sowohl die Einholung mehrerer Sachverständigengutachten als auch umfangreiche spurenkundliche Untersuchungen und Rechtshilfeersuchen ins Ausland erforderlich, sodaß bei einem Zeitraum von rund vierzehn Monaten zwischen Inhaftierung und Urteil erster Instanz von einer "unverhältnismäßig langen Dauer des Verfahrens" füglich nicht gesprochen werden kann.

Insgesamt hat das Geschworenengericht die Strafzumessungsgründe richtig und vollständig erfaßt und ihrem Gehalt entsprechend gewürdigt. Unter Berücksichtigung des sich aus der kumulativen Verletzung unterschiedlicher Rechtsgüter manifestierenden intensiven, in der Persönlichkeitsstruktur wurzelnden Täterwillens, der die Gefährlichkeit des Angeklagten sinnfällig unterstreicht, ist die vom Geschworenengericht verhängte Freiheitsstrafe keineswegs zu hoch ausgemessen und daher keiner Reduktion zugänglich.

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