OGH 1Ob15/03t

OGH1Ob15/03t28.1.2003

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer, Dr. Zechner und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache der gefährdeten Partei Ing. Doris Z*****, vertreten durch Dr. Brigitte Birnbaum und Dr. Rainer Toperczer, Rechtsanwälte in Wien, wider den Gegner der gefährdeten Partei Ing. Gert Z*****, vertreten durch Dr. Raimund Hora, Rechtsanwalt in Wien, wegen einstweiliger Regelung der Benützung ehelichen Gebrauchsvermögens gemäß § 382 Abs 1 Z 8 lit c EO infolge Revisionsrekurses der gefährdeten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt als Rekursgericht vom 15. November 2002, GZ 16 R 246/02v-31, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Mödling vom 31. Mai 2002, GZ 7 C 4/01s-25, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs der gefährdeten Partei wird teilweise Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen, die im Ausspruch über die beiden Wohnungen in M***** als nicht in Beschwerde gezogen unberührt bleiben (Punkt II A der Rekursentscheidung sowie zweiter und dritter Halbsatz in Punkt 2 der erstinstanzlichen Entscheidung), werden im Ausspruch über den Sicherungsantrag der gefährdeten Partei (Punkt I der Rekursentscheidung bzw Punkt 1 der erstinstanzlichen Entscheidung) aufgehoben; insoweit wird dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Soweit sich der Revisionsrekurs der gefährdeten Partei gegen den Ausspruch in Punkt II B der Entscheidung des Rekursgerichts richtet, wird er zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die gefährdete Partei begehrte im Zuge des vom Gegner gegen sie eingeleiteten Scheidungsverfahrens die einstweilige Regelung der Benützung eines während aufrechter Ehe erworbenen Seegrundstücks samt Badehütte derart, dass die Streitteile sich monatlich in dessen Benützung abwechseln sollten. Die Eheleute hätten die Benutzung bis Ende 2001 auf Grund einer zwischen ihnen getroffenen Vereinbarung bereits auf diese Weise vorgenommen. Nunmehr fühle sich der Gegner der gefährdeten Partei aber nicht mehr an diese Benützungsregelung gebunden und wolle jederzeit über das Seegrundstück verfügen können.

Der Gegner der gefährdeten Partei bejahte letztlich ein Regelungsbedürfnis (S 1 des Protokolls vom 25. 4. 2002), wendete aber ein, er habe die gefährdete Partei nie an der Benützung des Seegrundstücks gehindert und diese habe keinen Rechtsanspruch auf Fortsetzung dieser Benützungsregelung. Im Übrigen habe die gefährdete Partei von der Liegenschaft nachteiligen Gebrauch gemacht. Er beantragte in der Folge, dass ihm das Seegrundstück zur alleinigen Benützung überlassen, und weiters, dass die Ehewohnung der gefährdeten Partei zur alleinigen Benützung zugewiesen, eine weitere Wohnung aber vermietet und hiefür allenfalls ein Verwalter bestellt werden solle (S 2 des zuvor genannten Protokolls). Das Seegrundstück stamme von seiner Familie, er habe den Pachtzins gezahlt und verschiedene Aufwendungen getätigt.

Die Parteien stellten ausdrücklich außer Streit, dass eine gemeinsame Benützung des Seegrundstücks wegen der zwischen ihnen bestehenden Spannungen nicht möglich sei (S 5 des zuvor genannten Protokolls).

Das Erstgericht erließ eine einstweilige Verfügung im Sinne des Begehrens der gefährdeten Partei (Punkt 1) und wies die Anträge des Gegners der gefährdeten Partei ab (Punkt 2). Dieser sei grundbücherlicher Alleineigentümer des Seegrundstücks, auf dem ein Holzhaus mit Koch- und Schlafmöglichkeiten errichtet sei. Eine Aufteilung in zwei Wohnbereiche sei ebensowenig möglich wie - angesichts der zwischen den Streitteilen bestehenden Spannungen - eine gemeinsame Benützung. Seit vielen Jahren sei das Seegrundstück von den Streitteilen gemeinsam als Ferien- und Wochenendhaus genutzt worden; es sei eine "Grundausstattung" vorhanden, doch seien schon immer persönliche Dinge - etwa Bekleidung - bei jedem Aufenthalt hin- und zurückgebracht worden. Seit August 1998 hätten sich die Streitteile in der Benützung des Seegrundstücks monatsweise abgewechselt; sie hätten diesbezüglich eine Vereinbarung getroffen und diese auch bis Jänner 2002 eingehalten. Nunmehr begehre der Gegner der gefährdeten Partei die jederzeitige Benützung des Seegrundstücks. Die gefährdete Partei habe im Zuge ihrer Aufenthalte auf dem Seegrundstück wiederholt Briefe für den Gegner der gefährdeten Partei hinterlegt, in denen sie das von ihr behauptete ehewidrige Verhalten ihres Ehegatten heftigst kritisierte. Sie habe im Jahr 2000 auf eigene Kosten die Terrasse vor dem Aufenthaltsraum der Badehütte ohne Rücksprache mit ihrem Ehemann verfliest. Trotz gewisser Unstimmigkeiten sei es den Streitteilen seit ihrer Trennung im April 1998 gelungen, das Seegrundstück ohne heftige Streitigkeiten und Auseinandersetzungen zu benützen, und auch die Abrechnung der Betriebskosten sei überwiegend problemlos abgewickelt worden. Der Gegner der gefährdeten Partei wohne zumindest seit 1999 bei seiner Lebensgefährtin. Ob er sich in Zukunft aus beruflichen Gründen öfter in der Nähe des Seegrundstücks aufhalten werde, sei derzeit nicht abschätzbar. Die gefährdete Partei bewohne gemeinsam mit ihrer volljährigen Tochter die Ehewohnung, in der sich auch der volljährige Sohn zeitweise aufhalte.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, dass die einstweilige Regelung der Benutzung des ehelichen Gebrauchsvermögens keiner Gefahrenbescheinigung bedürfe; es genüge die Dartuung eines Regelungsbedürfnisses. Die Regelung der Benützung habe der Billigkeit zu entsprechen und das Wohl der Kinder zu berücksichtigen. Letzteres trete in den Hintergrund, weil die Kinder bereits volljährig seien. Die gleichzeitige Benützung des Seegrundstücks durch die Parteien komme nicht in Betracht, weshalb ein Regelungsbedürfnis bestehe. Es gebe keinen Grund, die gefährdete Partei, die das Seegrundstück jahrelang benützt habe, von dieser Benützung auszuschließen. Bei einer vorläufigen Benützungsregelung sei nicht "vorrangig relevant", wer hauptsächlich zur Anschaffung des der Regelung unterliegenden Vermögens beigetragen habe, sondern sei das Bedürfnis maßgeblich, die nachehelichen Vermögensauseinandersetzungen in geordnete Bahnen zu lenken und - zur Verhinderung von Gewalttätigkeiten - die Lebensbereiche der Eheleute so weit wie möglich zu trennen. Daher gebe es keinen Grund, die über mehrere Jahre bestandene Benützungsregelung nicht fortzuführen. Sowohl für die Ehewohnung wie auch für eine weitere Wohnung bestehe kein Regelungsbedürfnis.

Das Rekursgericht änderte diese Entscheidung in ihrem Punkt 1 (Seegrundstück) dahin ab, dass es den Sicherungsantrag der gefährdeten Partei abwies; es sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs insoweit nicht zulässig sei. Im Ausspruch über den die beiden Wohnungen betreffenden Sicherungsantrag des Gegners bestätigte es - unangefochten - die abweisliche Entscheidung des Erstgerichts. Letztlich hob es dessen Entscheidung insoweit auf, als dieses den Sicherungsantrag des Gegners betreffend das Seegrundstück abgewiesen hatte. Die gefährdete Partei habe ihren Sicherungsantrag lediglich damit begründet, dass ihr Ehegatte meine, jederzeit über das Seegrundstück verfügen zu können und er sie dadurch an der bisher gehandhabten Benützung hindere. Wenngleich wegen der zwischen den Parteien bestehenden Spannungen eine gemeinsame (gleichzeitige) Benützung kaum möglich sei, habe die gefährdete Partei doch kein Vorbringen erstattet, dem entnommen werden könnte, dass "für sie ein offenbar mit dem Grundsatz einer Auflösung der gemeinsamen Lebensbereiche im partnerschaftlichen Sinn unvereinbarer Zustand vorläge". Sie habe also kein die Erlassung einer Regelungsverfügung rechtfertigendes Vorbringen erstattet. Das Zugeständnis des Gegners der gefährdeten Partei, dass Regelungsbedarf vorliege, könne das ein solches begründende Vorbringen der gefährdeten Partei nicht ersetzen. Im Gegensatz dazu habe der Gegner die erforderlichen Antragsbehauptungen aufgestellt. Eine Benützungsregelung in der von den Parteien ursprünglich vereinbarten und von der gefährdeten Partei angestrebten Form erscheine nicht möglich, weil dadurch die Situation nicht entschärft werde. Es mangle an Feststellungen, um beurteilen zu können, welche Lösung aus Billigkeitsgründen gefunden werden sollte.

Der Revisionsrekurs der gefährdeten Partei ist zum Teil zulässig und im zulässigen Teil auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Vorweg ist festzuhalten, dass das Rekursgericht zu Recht einen Bewertungsausspruch im Sinne der §§ 78 und 402 EO sowie der §§ 526 Abs 3 und 500 Abs 2 Z 1 lit a und b ZPO unterließ, weil hier über eine "Streitigkeit" nach § 502 Abs 5 ZPO zu entscheiden ist. Es liegt ein Streit "aus dem gegenseitigen Verhältnis der Ehegatten" im Sinne des § 49 Abs 2 Z 2c JN vor, zumal die gefährdete Partei ihren Anspruch nicht aus dem Miteigentum am Seegrundstück, sondern (nur) aus ihrer ehelichen Beziehung zum Gegner der gefährdeten Partei ableitet (siehe hiezu Simotta in Fasching I2 Rz 38 und 44 zu § 49 JN).

Die Anfechtung von Punkt II B der rekursgerichtlichen Entscheidung ist unzulässig. Gemäß § 527 Abs 2 ZPO, der gemäß den §§ 402 und 78 EO auch im Verfahren über eine einstweilige Verfügung anzuwenden ist, ist ein Rekurs gegen die aufhebende Entscheidung eines Gerichts zweiter Instanz, in der dem Erstgericht eine neuerliche, nach Ergänzung des Verfahrens zu fällende Entscheidung aufgetragen wird, nur dann statthaft, wenn das Rekursgericht dies ausgesprochen hat. Fehlt - wie hier - ein solcher Ausspruch, ist auch kein außerordentlicher Revisionsrekurs möglich (Kodek in Rechberger ZPO2 Rz 2 zu § 527). Demnach erweist sich der Revisionsrekurs der gefährdeten Partei gegen diesen Teil der Entscheidung des Rekursgerichts als unzulässig.

Die Abweisung ihres Sicherungsantrags durch das Rekursgericht bekämpft die gefährdete Partei aber zulässigerweise und auch mit Erfolg:

Das Gericht zweiter Instanz wies den Sicherungsantrag der gefährdeten Partei schon allein deshalb ab, weil diese kein Vorbringen erstattet habe, das ein Regelungsbedürfnis rechtfertige. Dieser Ansicht kann nicht gefolgt werden. In der Tagsatzung vom 25. 4. 2002 haben die Parteien außer Streit gestellt, dass eine gemeinsame Benützung des Seegrundstücks wegen der zwischen ihnen bestehenden Spannungen nicht möglich sei. Dieser Außerstreitstellung ist das wechselseitige Vorbringen der Streitteile immanent, es bestünden zwischen ihnen derartige Streitigkeiten, dass sie das Seegrundstück nicht gemeinsam (also gleichzeitig) benützen könnten. Warum ein noch weiter gehendes, detaillierteres Vorbringen erforderlich sein sollte, um das Bedürfnis an einer Regelung der Benützung des Seegrundstücks zu rechtfertigen, bleibt nachgerade unerfindlich. Es trifft aber auch nicht zu, dass der "unvereinbare Zustand" während der einvernehmlich gehandhabten, monatlich abwechselnden Benützung der Liegenschaft entstanden sei (S 11 der Rekursentscheidung), haben sich die Streitteile doch schon im August 1998 darauf geeinigt, das Seegrundstück monatlich abwechselnd zu nutzen, und kann dies wohl nur darauf zurückzuführen sein, dass ihnen eine gemeinsame und gleichzeitige Benützung dieser Liegenschaft mehr als untunlich erschien. In diesem Sinne hat das Gericht erster Instanz auch festgestellt, dass es den Streitteilen seit ihrer Trennung gelungen sei, das Seegrundstück abwechselnd und ohne heftige Streitigkeiten und Auseinandersetzungen zu benützen. Die Ansicht des Rekursgerichts, der "unvereinbare Zustand" sei während der einvernehmlich gehandhabten Nutzung der Liegenschaft entstanden, ist somit nicht nachvollziehbar.

Wenngleich es dem Obersten Gerichtshof infolge des Aufhebungsbeschlusses des Gerichts zweiter Instanz - der auch das Seegrundstück betrifft - verwehrt ist, meritorisch über den Sicherungsantrag der gefährdeten Partei zu entscheiden, ist auf der Grundlage der bisherigen Tatsachenfeststellungen doch festzuhalten, dass die vom Erstgericht getroffene Benützungsregelung durchaus sinnvoll ist, dass die Abwägung zwischen den gegenläufigen Interessen der zerstrittenen Ehegatten den wesentlichen Umständen Rechnung trägt und dass damit diese Entscheidung dem Billigkeitserfordernis entspräche (vgl hiezu 9 Ob 124/01b; RZ 1989/42; SZ 57/89; Kodek in Angst, Kommentar zur EO, Rz 57 zu § 382; Hopf/Kathrein, Eherecht, 465). Da das Gericht zweiter Instanz aber noch weitere Feststellungen für erforderlich hielt und der Oberste Gerichtshof, der nicht Tatsacheninstanz ist, dieser Forderung - schon allein auf Grund des unanfechtbaren Aufhebungsbeschlusses - nicht entgegentreten kann, ist die Aufhebung der über den Sicherungsantrag der gefährdeten Partei ergangenen Entscheidungen unumgänglich.

Dem Revisionsrekurs der gefährdeten Partei ist teilweise kassatorisch stattzugeben.

Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens beruht auf den §§ 78, 402 Abs 4 EO, § 52 ZPO.

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