OGH 9ObA251/02f

OGH9ObA251/02f22.1.2003

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Dr. Hradil sowie die fachkundigen Laienrichter Univ. Prof. DI Hans Lechner und Mag. Gabriele Jarosch als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Erwin F*****, Arbeiter, *****, vertreten durch Dr. Kurt Fassl, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagte Partei Wolfgang B*****, Bäckereiinhaber, *****, vertreten durch Dr. Alexander Haas, Rechtsanwalt in Graz, wegen EUR 12.269,03 brutto sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 12. September 2002, GZ 7 Ra 142/02k-29, womit über Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom 15. Februar 2002, GZ 36 Cga 63/01i-24, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 749,74 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin EUR 124,95 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war seit 1. 6. 1987 beim Beklagten als Bäcker und Fahrverkäufer beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete am 28. 12. 2000 durch Entlassung.

Die Entlassung wurde ausgesprochen, weil der Kläger vier oder fünf Jahre lang drei bis vier mal in der Woche etwa 20 Stück der Ware vom jeweiligen Vortag auf seine Verkaufstour mitgenommen und an gute Kunden verschenkt hatte, die er damit "bei der Stange halten" wollte. Manchmal nahm der Kläger die Vortagsware auch für sich und seine Familie mit. Er entnahm die Vortagsware einer Kiste, die in der betroffenen Filiale aufgestellt und zur Aufnahme der zurückgenommenen Ware bestimmt ist. Üblicherweise wird die zurückgenommene Ware - soweit sie nicht entsorgt oder zu Bröseln verarbeitet wird - von einem Landwirt abgeholt wird, der sie an sein Vieh verfüttert. Der Landwirt zahlt für die Übernahme nichts.

Der Kläger informierte den Beklagten über seine Vorgangsweise nicht, machte aber auch kein Geheimnis daraus. Er hatte den Beklagten nicht um Erlaubnis gefragt, erhielt aber auch keine Anweisungen, sein Verhalten zu unterlassen. Der Kläger war der Meinung, dass er das Recht habe, die Ware mitzunehmen. Er rechnete nicht damit, den Beklagten damit zu schädigen, sondern glaubte, dadurch Kunden zu erhalten und dem Betrieb einen Vorteil zu verschaffen. Er war auch überzeugt, dass der Beklagte von den Schenkungen wusste. Das Berufungsgericht vertrat die Rechtsauffassung, dass das Verhalten des Klägers keinen Entlassungsgrund verwirklicht habe; eine vom Beklagten eingewendete Gegenforderung (Bereicherung des Klägers, dem Beklagten erwachsener Schaden, zur Aufdeckung des Verhaltens des Klägers aufgewendete Detektivkosten) erachtete es als nicht berechtigt. Diese Rechtsauffassung ist zutreffend, sodass es insoweit ausreicht, auf die Richtigkeit der Begründung der angefochtenen Entscheidung zu verweisen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Ergänzend ist den Revisionsausführungen entgegenzuhalten:

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionswerber stützt sich in seinem Rechtsmittel ausschließlich auf den Entlassungsgrund des § 82 lit d GewO und beharrt darauf, dass das Verhalten des Klägers den Tatbestand des Diebstahls (§ 127 StGB) oder der Veruntreuung (§ 133 StGB) erfülle. Das Berufungsgericht hat aber bereits zutreffend darauf verwiesen, dass derjenige, der auf die Wegnahme der Sache ein Recht hat oder zu haben glaubt, keinen Diebstahl begeht (siehe die bereits von der zweiten Instanz zitierte Belegstelle bei Bertel in Wiener Kommentar zum StGB² Rz 38 zu § 127). Damit hat das Verhalten des Klägers, der nach den für den Obersten Gerichtshof bindenden Feststellungen der Meinung war, das Recht zu haben, die Waren mitzunehmen, den Tatbestand des Diebstahls nicht verwirklicht. Veruntreuung - für die im Übrigen nichts anderes gelten würde - kommt nach den Feststellungen von vornherein nicht in Betracht, weil es sich bei den betroffenen Gebäckstücken und Mehlspeisen im Zeitpunkt der Wegnahme nicht um dem Kläger anvertraute Güter gehandelt hat. Vielmehr hat der Kläger die Waren einer im Betrieb aufgestellten Kiste entnommen, in denen die im gesamten Betrieb angefallene Alt-Ware deponiert wurde.

Soweit der Revisionswerber unter dem Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens die Ausführungen des Berufungsgerichtes zu von ihm bekämpften oder begehrten Feststellungen bekämpft, wendet er sich in Wahrheit in unzulässiger Weise gegen die Beweiswürdigung der zweiten Instanz. Auf diese Ausführungen ist daher nicht einzugehen. Dass das Erstgericht seinem Antrag auf Wiedereröffnung des Verfahrens nicht stattgegeben hat, hat der Kläger in zweiter Instanz nicht als Verfahrensmangel geltend gemacht. Er kann diese Rüge in dritter Instanz nicht mehr nachholen. Ebenso ist es ihm verwehrt, von der zweiten Instanz verneinte Mängel des Verfahrens erster Instanz in dritter Instanz wiederum geltend zu machen.

Auch die Einwände gegen die Ausführungen des Berufungsgerichtes zu den Gegenforderungen des Klägers sind verfehlt. Der Beklagte hat zu diesen Forderungen nur vorgebracht, dass sich der Kläger durch den (behaupteten) Verkauf der Vortagsware bereichert habe, dass er den Verkauf der Waren des Beklagten unterbunden und dass - inklusive der vom Kläger verursachten Detektivkosten - ein Schaden von rund S 225.000,- entstanden sei. Eine Aufschlüsselung der damit geltend gemachten Forderungen hat er - obwohl ihm dies vom Erstgericht ausdrücklich aufgetragen wurde - nie vorgenommen. Wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, muss aber nicht nur die Klageforderung sondern auch die eingewendete Gegenforderung hinreichend konkretisiert und spezifiziert werden (RIS-Justiz RS0041043; zuletzt etwa 9 Ob 105/02k). Die Geltendmachung mehrerer Forderungen mit einem nicht näher aufgeschlüsselten Gesamtbetrag - entgegen der nunmehrigen Ausführungen des Revisionswerbers bezieht sich der von ihm in erster Instanz geltend gemachte Betrag auf alle von ihm behaupteten Forderungen - wird diesem Erfordernis nicht gerecht. Diese Aufschlüsselung kann durch Beweisanbote, die sich inhaltlich als unzulässige Erkundungsbeweise erweisen, nicht ersetzt werden.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.

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