Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Entscheidung des Berufungsgerichtes wird dahin abgeändert, dass das klagsabweisende Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird. Der Kläger ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 3.902,72 (darin enthalten USt von EUR 473,62 und Barauslagen von EUR 1.061) bestimmten Kosten der Rechtsmittelverfahren binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Zwischen den Streitteilen wurde am 29. 5. 1981 ein Kreditkartenvertrag abgeschlossen. Mit der Unterfertigung des Vertrages hat der Kläger die zu dieser Zeit in Geltung gestandenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen der beklagten Partei akzeptiert. Die zuletzt gültigen AGB der beklagten Partei hatten die Fassung 1998. Im Juni 2001 übermittelte die beklagte Partei ihren Kunden geänderte AGB - Fassung Juni 2001 - und wies sie darauf hin, dass sie, so nicht binnen 30 Tagen nach Zustellung ein schriftlicher Widerspruch erfolge, die geänderten Geschäftsbedingungen als genehmigt anerkennen. Der Kläger widersprach diesen Geschäftsbedingungen mit Schreiben vom 13. 7. 2001.
Mit Schreiben vom 22. 8. 2001 erklärte die beklagte Partei die Kündigung des gegenständlichen Vertrages zum 31. 12. 2001. Der Kläger begehrt die Feststellung, 1. dass die mit Schreiben der beklagten Partei vom 22. 8. 2001 schriftlich ausgesprochene Kündigung des Kreditvertrages unwirksam sei, sowie 2. dass dem zwischen ihm und der beklagten Partei geschlossenen Kreditvertrag die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der beklagten Partei idF Jänner 1998 über den 31. 12. 2001 hinaus zu Grunde liegen.
Er brachte dazu vor, die AGB idF Juni 2001 führten zu einer massiven Schlechterstellung des Karteninhabers. Beispielsweise werde es der beklagten Partei ermöglicht, wesentliche Vertragspunkte einseitig zu ändern und den bestehenden Verträgen zu Grunde zu legen. Im Falle der Abgabe einer Anweisungserklärung, die keinen konkreten Rechnungsbetrag umfasse, hafte nunmehr der Karteninhaber für die Bezahlung des vom Vertragsunternehmen bei der beklagten Partei eingereichten Betrages.
Die Voraussetzungen für eine einseitige Aufkündigung aus wichtigem Grund lägen nicht vor. Die beklagte Partei sei aber auch nicht berechtigt, das Vertragsverhältnis ohne Vorliegen des im Punkt 3.3. der AGB genannten wichtigen Grundes durch ordentliche Kündigung aufzulösen. Der Kreditkartenvertrag sei zwar auf unbestimmte Zeit geschlossen worden, er enthalte aber auch gewisse Elemente eines befristeten Vertrages. Unter Zugrundelegung dieser Elemente sei die beklagte Partei geradezu verpflichtet, dem Karteninhaber eine neue Karte für eine weitere Periode auszustellen. Auf Grund ihrer Marktführerposition für Kreditkartenverträge dürfe die beklagte Partei den Kläger nicht ausschließen. Aus § 15 Abs 1 KSchG sei abzuleiten, dass gerade ein Unternehmer gegenüber einem Konsumenten verpflichtet sei, einen geschlossenen Vertrag nicht vorzeitig aufzulösen. Der Gleichheitsgrundsatz verbiete Willkür, die man der beklagten Partei hier vorhalten könne und müsse.
Die Beklagte wendete ein, der Kläger habe kein rechtliches Interesse an der Feststellung der Geltung der AGB idF 1998, da auf Grund seines Widerspruches ohnehin diese zur Anwendung kämen. Das Nichtakzeptieren der neuen AGB stelle für die beklagte Partei eine unüberwindbare administrative Hürde dar, die jedenfalls einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung darstelle. Das Vorhandensein von Karteninhabern mit verschiedenen Verträgen würde die Administration unmöglich machen. Jedenfalls sei die beklagte Partei berechtigt, das Verhältnis zum Kläger durch ordentliche Kündigung zu lösen. Die gesetzte Frist sei angemessen. Die Befristung der Gültigkeit der Karte hänge allein damit zusammen, dass eine Plastikkarte bei durchschnittlichem Einsatz nach einigen Jahren Verschleißerscheinungen aufzeige. Dadurch erhalte der Vertrag aber nicht den Charakter einer befristeten Vereinbarung, weil der Karteninhaber noch während der Gültigkeitsdauer seiner Karte bereits eine neue erhalte. Die Bestimmung des § 15 Abs 1 KSchG sei auf Kreditkartenverträge überhaupt nicht anwendbar und habe einen ganz anderen Normzweck zum Gegenstand. Die beklagte Partei habe auch keine Monopolstellung, da in Österreich noch weitere vier Kreditkartensysteme zur Auswahl stünden.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab und stellte auch noch den Punkt 3 der AGB der beklagten Partei Fassung Jänner 1998 wie folgt fest:
"3. Vertragsdauer und Beendigung
3.1. Vertragsdauer:
Der Kreditkartenvertrag ist auf unbestimmte Zeit abgeschlossen. Die Karte ist jedoch nur bis zum Ablauf der eingeprägten Gültigkeitsdauer gültig.
3.2. Erneuerung der Karte: Gibt der KI nicht bis spätetens zwei Monate vor Ablauf der Gültigkeitsdauer eine gegenteilige schriftliche Erklärung ab, so ist E***** (beklagte Partei) verpflichtet, ihm eine neue Karte für eine weitere Gültigkeitsperiode auszustellen.
3.3. Beendigung. Der KI ist berechtigt, das Vertragsverhältnis durch Rücksendung der entwerteten Karte jederzeit zu kündigen. Das Vertragsverhältnis gilt mit dem Zeitpunkt als aufgelöst, zu dem die entwertete Karte bei E***** eingelangt ist. Bestehende Verpflichtungen des KI werden durch die Kündigung nicht berührt und sind zu erfüllen. Im Falle einer Kündigung besteht kein Anspruch auf Rückerstattung einer anteiligen Jahresgebühr, es sei denn, wesentliche vertragliche Bestimmungen ändern sich.
E***** ist berechtigt, das Vertragsverhältnis mit dem KI aus wichtigem Grund, insbesondere bei Verschlechterung seiner Bonität oder bei Zahlungsverzug, mit sofortiger Wirkung aufzulösen und die Karte durch jedes Vertragsunternehmen der E*****-Kreditkartenorganisation einziehen zu lassen."
In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, dass unbefristet eingegangene Dauerschuldverhältnisse durch einseitige Erklärung unter Setzung einer angemessenen Nachfrist aufgekündigt werden könnten, soweit sich nicht aus dem Zweck der Abrede etwas anderes ergebe. Zwischen den Streitteilen sei ein Vertrag auf unbestimmte Zeit abgeschlossen worden; aus dem Zweck dieses Vertrages lasse sich ein Ausschluss des ordentlichen Kündigungsrechtes nicht ableiten. Die AGB der beklagten Partei idF Jänner 1998 enthielten auch keinen Verzicht auf das ordentliche Kündigungsrecht. Es fehle vielmehr eine Regelung der ordentlichen Kündigung durch das Kreditkartenunternehmen, eine Auslegung nach der Unklarheitenregel komme mangels ausdrücklicher Erklärung somit nicht in Betracht. Es liege auch kein konkludenter Verzicht auf die ordentliche Kündigung vor.
Da ein Durchschnittsmensch normalerweise oder auch in Notfällen keine Kreditkarte benötige, sei auch ein Kontrahierungszwang zu verneinen. Für die Annahme eines Kontrahierungszwanges dürfe darüber hinaus keine zumutbare Ausweichmöglichkeit bestehen. Der Kläger habe nicht dargelegt, weshalb ihm ein Umstieg auf einen anderen Kreditkartenanbieter nicht zumutbar sei. Die Beibehaltung nicht mehr üblicher AGB könne wegen des Kontrahierungszwanges keinesfalls erzwungen werden.
Die beklagte Partei habe daher zu Recht von ihrem ordentlichen Kündigungsrecht Gebrauch gemacht. Die dabei gesetzte Kündigungsfrist von vier Monaten sei auch angemessen.
Das von der beklagten Partei angerufene Berufungsgericht änderte die angefochtene Entscheidung dahin ab, dass es dem Klagebegehren Folge gab; es sprach aus, der Wert des Entscheidungsgegenstandes übersteige EUR 20.000, die ordentliche Revision sei zulässig.
Das Berufungsgericht vertrat die Ansicht, der durchschnittliche Kreditkarteninhaber sei versucht zu glauben, dass der Punkt 3.3. der AGB der beklagten Partei idF Jänner 1998 sämtliche vorhandenen Beendigungsmöglichkeiten enthalte. Er werde auch in den AGB nicht weiter nach anderen Beendigungsmöglichkeiten suchen, da dieser Punkt mit "Beendigung" überschrieben sei. Sofern ihm überhaupt bewusst sei, dass Dauerschuldverhältnisse üblicherweise durch ordentliche Kündigung beendet werden könnten, werde er im gegenständlichen Fall annehmen, dass die Kreditkartenorganisation auf eine solche verzichtet habe, zumal sie sonst bei den Beendigungsgründen, die abschließend aufgezählt wirkten, wohl auch die ordentliche Kündigung angeführt hätte. Dieser Eindruck werde noch dadurch verstärkt, dass auch die AGB idF Juni 2001 der Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung keine Zeile einräumten, obwohl zu erwarten gewesen wäre, dass in dem Fall, wenn ursprünglich nur ein Redaktionsversehen vorgelegen wäre, dieses bei der Neubearbeitung aufgefallen und korrigiert worden wäre. Das Berufungsgericht ging daher davon aus, dass die beklagte Partei schlüssig auf eine ordentliche Kündigung verzichtet habe. Das Vorliegen eines wichtigen Grundes für die vorzeitige Auflösung des Vertragsverhältnisses verneinte das Berufungsgericht.
Die ordentliche Revision erachtete es für zulässig, weil zur Frage der AGB (Vereinbarung und Kündigungsmöglichkeiten) der Kreditkartenfirmen eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes fehle.
Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision der beklagten Partei wegen Mangelhaftigkeit und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das klagsabweisende Urteil des Erstgerichtes wiederherzustellen.
Die klagende Partei hat Revisionsbeantwortung erstattet und beantragt, das Rechtsmittel der beklagten Partei zurückzuweisen, in eventu, ihm nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig und auch berechtigt.
Der Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit wurde geprüft, er ist nicht gegeben (§ 510 Abs 3 ZPO).
Unter dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung macht die beklagte Partei geltend, nach Lehre und Rechtsprechung könnten auf unbestimmte Zeit abgeschlossene Dauerschuldverhältnisse durch ordentliche Kündigung beendet werden. Es habe daher kein Anlass bestanden, dieses Kündigungsrecht gesondert zu regeln. Anders verhalte es sich mit der außerordentlichen Kündigung. Diese setze das Vorliegen eines wichtigen Grundes voraus. Hier sei eine Regelung in Verträgen oder AGB deswegen erforderlich, weil jene wichtigen Gründe, die einen Vertragspartner zur vorzeitigen Auflösung berechtigen sollten, vertraglich festgelegt werden müssten. Es könne nicht angenommen werden, dass die beklagte Partei dadurch, dass sie die ordentliche Kündigung in den AGB nicht geregelt habe, eindeutig auf ihr Recht darauf verzichten habe wollen. Insbesondere sei bei der Annahme eines stillschweigenden Verzichtes ein strenger Maßstab anzulegen und dürfe ein solcher nur angenommen werden, wenn besondere Umstände darauf hinwiesen, dass er ernstlich gewollt war. Dies sei hier aber nicht der Fall.
Hiezu wurde erwogen:
Bei dem zwischen den Parteien auf unbestimmte Zeit abgeschlossenen Vertrag handelt es sich um ein auf unbestimmte Zeit begründetes Dauerschuldverhältnis, woran die periodische Erneuerung der Karte nichts zu ändern vermag. Ein solches Vertragsverhältnis kann aus wichtigen Gründen jederzeit aufgekündigt werden (RIS-Justiz RS0018368; Koziol/Welser12, Grundriss, II, 8 mwN). Weiters können solche Verträge, soweit Gesetz oder Vertrag nichts anders bestimmen, ohne Angabe von Gründen aufgekündigt werden, sie können also durch einseitige Erklärung unter Setzung einer angemessenen Frist aufgelöst werden (RIS-Justiz RS0018924; SZ 71/68; Rummel in Rummel3, ABGB, § 859 Rz 27).
Es ist also zu prüfen, ob der zwischen den Parteien abgeschlossene Vertrag einen Ausschluss dieses einseitigen Kündigungsrechtes enthält. Ganz ohne Zweifel enthalten die AGB der beklagten Partei ausdrücklich keinen derartigen Ausschluss. Es ist allerdings auch ein Verzicht der beklagten Partei auf dieses Kündigungsrecht möglich, dies kann auch schlüssig geschehen. Bei der Beurteilung der Frage, ob ein stillschweigender Verzicht auf ein Recht vorliegt, ist aber besondere Vorsicht geboten. Er darf immer nur dann angenommen werden, wenn besondere Umstände darauf hinweisen, dass er ernstlich gewollt ist (RIS-Justiz RS0014190; Rummel, aaO, § 863 Rz 14 mwN). Bei Fehlen der Konkludenz des Verhaltens im Sinne der Bestimmung des § 863 ABGB darf die Unklarheitenregel des § 915 zweiter Fall ABGB nicht herangezogen werden (SZ 48/103; Rummel, aaO, § 915 Rz 6). Im vorliegenden Fall führt der Umstand, dass die AGB wohl die außerordentliche Kündigung regeln, nicht aber die ordentliche, nicht dazu, einen eindeutigen Rechtsfolgewillen der beklagten Partei in Richtung eines stillschweigenden Verzichtes auf das Recht zur ordentlichen Kündigung annehmen zu können. Dazu bedürfte es eindeutigerer Anhaltspunkte, die aber nicht gegeben sind. Auch aus § 15 KSchG ergibt sich kein Ausschluss des Kündigungsrechtes durch die beklagte Partei. Diese Bestimmung wurde geschaffen, weil dem Gesetzgeber eine langdauernde Bindung an unkündbare Verträge für Verbraucher zu belastend erschien. Es sollen daher Verträge über wiederkehrende Leistungen vom Verbraucher (leichter) gekündigt werden können, wobei das berechtigte Bedürfnis des Unternehmers nach einer länger bindenden Wirkung des Vertrages als Grundlage für eine langfristige Unternehmensplanung mitberücksichtigt wurde (Apathy in Schwimann2, ABGB VI, § 15 KSchG Rz 1 mwN). Ein Anwendungsfall des § 15 KSchG liegt hier also nicht vor.
Schließlich trifft die beklagte Partei auch kein Kontrahierungszwang. Wenngleich sich der Kontrahierungszwang ursprünglich im Zusammenhang mit öffentlichen Einrichtungen der allgemeinen Daseinsvorsorge entwickelt hat, ist er im Laufe der Zeit doch durch Analogie immer weiter ausgedehnt worden und letzlich auch auf den Monopolisten - unabhängig davon ob sich dieser nun der öffentlichen Daseinsvorsorge widmet oder nicht - angewendet worden (ecolex 2002, 511). Eine Monopolstellung der beklagten Partei ist aber hier nicht erkennbar; es wurde vom Kläger auch nicht behauptet, weshalb ihm ein Ausweichen auf andere Anbieter von Kreditkarten unzumutbar wäre. Richtig ist zwar auch, dass die (gegen den Staat gerichteten) Grundrechte infolge der Generalklauseln des Privatrechtes auch in die Privatrechtsordnung und damit in den rechtsgeschäftlichen Verkehr einfließen, wobei der Gleichheitsgrundsatz Willkür verbietet (SZ 71/68 mwN). Von einer willkürlichen Rechtsausübung durch die beklagte Partei kann aber hier keine Rede sein.
Es war daher dem Rechtsmittel der beklagten Partei Folge zu geben und die klagsabweisende Entscheidung des Erstgerichtes wiederherzustellen.
Die Entscheidung über die Kosten gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.
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