OGH 7Ob286/02p

OGH7Ob286/02p15.1.2003

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Friedrich B*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Aigner, Rechtsanwalt in Ried i.I., gegen die beklagte Partei U***** AG, *****, vertreten durch Liebscher Hübel & Partner, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen EUR 7.745,62 (sA), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 8. Mai 2002, GZ 4 R 206/00a-33, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Kitzbühel vom 15. Jänner 2002, GZ 2 C 1024/00v-23, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die Beklagte ist schuldig, dem Kläger die mit EUR 665,66 (darin enthalten EUR 110,94 USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Der Kläger hat bei der Beklagten zwei Unfallversicherungen mit Versicherungssummen von S 2 Mio bzw S 1,045.200,-- für den Fall bleibender Invalidität abgeschlossen. Beiden Versicherungsverträgen wurden die Allgemeinen Bedingungen für die Unfallversicherung (AUVB 1996) zugrundegelegt, deren hier wesentliche Bestimmungen lauten:

Art 6

Begriff des Unfalles

1. Unfall ist ein vom Willen des Versicherten unabhängiges Ereignis, das plötzlich von außen mechanisch oder chemisch auf seinen Körper einwirkt und eine körperliche Schädigung oder den Tod nach sich zieht.

2. Als Unfall gelten auch folgende vom Willen des Versicherten unabhängige Ereignisse

...

- Verrenkungen von Gliedern sowie Zerrungen und Zerreißungen von an Gliedmaßen und an der Wirbelsäule befindlichen Muskeln, Sehnen, Bändern und Kapseln infolge plötzlicher Abweichung vom geplanten Bewegungsablauf.

Am 17. 5. 1999 rutschte der Kläger, der gerade mit dem Verputzen einer Mauer beschäftigt war, auf der obersten Stufe einer "kleinen Staffel mit drei Stufen" aus, und stürzte zu Boden. Dabei verdrehte es ihm das rechte Bein; es kam zu einem Verdrehtrauma des rechten Kniegelenks, wodurch sich der Kläger einen lappenförmigen Riss des Innenmeniskus zuzog. Da ihm deshalb ein Teil des Innenmeniskus entfernt werden musste, kann der Kläger sein rechtes Kniegelenk nun weniger weit strecken und beugen. Die vorfallskausale dauernde Invalidität beträgt unter Berücksichtigung einer Vorschädigung (das rechte Kniegelenk des Klägers wies bereits zuvor Knorpelschäden auf) 5 % des gesamten Beinwertes von 70 %.

Der Kläger begehrt aus den Unfallversicherungen von der Beklagten den (der Höhe nach nicht mehr strittigen) Betrag von S 106.582,-- (sA). Der Vorfall vom 17. 5. 1999 erfülle den Unfallbegriff sowohl der Z 1 als auch der Z 2 des Art 6 AUVB 1996.

Die Beklagte bestritt dies und beantragte, das Klagebegehren abzuweisen. Die Verletzung sei nicht durch eine mechanische Einwirkung von außen eingetreten. Ein Meniskus sei ein Knorpel, der nicht zu den gemäß Art 6 Z 2 AUVB 1996 versicherten Körperteilen gehöre.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Den von ihm festgestellten, bereits eingangs zusammengefasst wiedergegebenen Sachverhalt beurteilte es rechtlich dahin, der Unfallshergang könne zwanglos in die Unfallkategorie des Art 6 Z 2 der AUVB 1996 eingeordnet werden, da es sich um eine vom Willen des Klägers unabhängige Abweichung vom geplanten Bewegungsablauf gehandelt habe. Die Aufzählung des Art 6 Z 2 AUVB 1996 sei eine beispielsweise, sodass auch ein Meniskusschaden von der Versicherung umfasst sei. Das von der Beklagten angerufene Berufungsgericht bestätigte die erstinstanzliche Entscheidung, wobei es aussprach, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Ein durchschnittlicher redlicher Versicherungsnehmer müsse keineswegs mit Spitzfindigkeiten im Zusammenhang mit der Definition des Unfallbegriffes des Art 6 Z 2 AUVB rechnen. Die von der Beklagten reklamierte Einschränkung, dass eine Meniskusverletzung im Hinblick auf die Gewebestruktur des Meniskus als "Faserknorpel" nicht zu den versicherten Beschädigungen gezählt werden könne, sei ungewöhnlich und für einen Versicherungsnehmer überraschend. Art 6 Z 2 AUVB 1996 sei im Sinne eines umfassenden Versicherungsschutzes im Bezug auf die betroffenen Gewebearten zu verstehen, sodass ein Meniskusschaden mitumfasst sei. Im Übrigen sei - wie schon das Erstgericht erkannt habe - die Aufzählung der Gewebearten demonstrativ und nicht taxativ. Zur Begründung seines Ausspruches der Zulässigkeit der Revision führte das Berufungsgericht aus, zur über den Einzelfall hinaus bedeutsamen Rechtsfrage, ob eine Beschädigung anderer als der in Art 6 Z 2 AUVB 1996 genannten Gewebe ohne ausdrückliche Erörterung iSd § 864a ABGB (zB Meniskus) vom Versicherungsschutz mitumfasst sei oder nicht, existiere keine gesicherte höchstgerichtliche Rechtsprechung.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen diesem Ausspruch, an den der Oberste Gerichtshof nicht gebunden ist (§ 508a Abs 1 ZPO), ist die von der Beklagten erhobene Revision mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO unzulässig. Der Kläger ist bei seiner Arbeit als Maurer auf einem kleinen "Staffel" (Stockerl) stehend ausgerutscht und hat sich beim zu Boden fallen das rechte Kniegelenk verdreht, wodurch es beim Aufprall auf den Boden (das Erstgericht stellte ausdrücklich fest, dass der Kläger auf sein verdrehtes Bein "darauf gestürzt" sei) zu einer körperlichen Schädigung, nämlich einem Riss des Innenmeniskus kam. Dass damit ein vom Willen des Klägers unabhängiges Ereignis, das plötzlich mechanisch auf seinen Körper eingewirkt und eine körperliche Schädigung nach sich gezogen hat, vorlag und damit also der Unfallbegriff des Art 6 Z 1 AUVB 1996 erfüllt ist, liegt klar auf der Hand.

Bestritten wurde das Vorliegen eines Unfalles nach Z 1 des Art 6 AUVB von der Beklagten allein deshalb, weil sie meint, es mangle an einer mechanischen Einwirkung auf den Körper des Klägers, da das lädierte Knie mit dem Stockerl ("Staffel"), auf dem der Kläger stand, nicht in Berührung gekommen sei. Einen von der Beklagten in der Berufung monierten diesbezüglichen sekundären Feststellungsmangel hat das Berufungsgericht, das - wie schon das Erstgericht - rechtliche Erwägungen ausschließlich unter dem Blickwinkel der Z 2 des Art 6 AUVA 1996 angestellt hat, verneint. Ob der Kläger bei seinem Sturz mit dem Knie gegen das "Stockerl" gestoßen ist, spielt aber auch aus der Sicht der Z 1 des Art 6 AUVB 1996 keine Rolle: Wiederholt hat der Oberste Gerichtshof bereits darauf hingewiesen, dass ein Direktkontakt mit dem verletzten Körperteil nicht erforderlich ist

(vgl etwa 7 Ob 4/93, VR 1994, 22 = VersR 1994, 335 - direkte

mechanische Einwirkung auf die Wirbelsäule; 7 Ob 9/91, VR 1991, 28 =

VersR 1992, 1247 - Pressball beim Fußball ohne direkten Körperkontakt). Durch den gegenständlichen Vorfall wurde der Innenmeniskus des rechten Kniegelenks des Klägers plötzlich von außen unmittelbar beeinflusst. Kein Zweifel kann daran bestehen, dass eine Übertragung der durch Körpergewicht und Schwerkraft bestimmten Bewegungsenergie über das Knie auf den Innenmeniskus eine mechanische Einwirkung auf den Meniskus darstellt (vgl RIS-Justiz RS0082152). Da demnach das Vorliegen eines Versicherungsfalles nach Art 6 Z 1 AUVB 1996 bereits feststeht, kommt es darauf, ob auch der Unfallbegriff der Z 2 der genannten Versicherungsbedingung erfüllt ist, nicht mehr an. Mangels Entscheidungsrelevanz ist die vom Berufungsgericht als iSd § 502 Abs 1 ZPO erheblich erachtete Frage bzw die von den Vorinstanzen im Gegensatz zu Knappmann in Prölss/Martin VVG26 2245 (zur ganz vergleichbaren Bestimmung des § 1 IV (2) AUB 88) bejahte Frage, ob ein Meniskus unter die in Art 6 Z 2 AUVB 1996 genannten "Muskel, Sehnen, Bänder und Kapseln" subsumiert werden kann, gar nicht (mehr) zu beantworten.

Da demnach kein tauglicher Zulassungsgrund vorliegt, war die Revision zurückzuweisen. Dabei konnten sich die Rechtsausführungen des Obersten Gerichtshofes gemäß § 510 Abs 3 letzter Satz ZPO auf die Darstellung der Zurückweisungsgründe beschränken.

Die Entscheidung über die Kosten der Revisionsbeantwortung gründet sich auf §§ 41 und 50 ZPO.

Der Kläger hat auf die Unzulässigkeit der Revision aus dem Grund des § 502 Abs 1 ZPO hingewiesen.

Stichworte