Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Die Berufung des Angeklagten wegen Schuld wird zurückgewiesen. Der Berufung der Staatsanwaltschaft wird Folge gegeben und die Strafe auf drei Jahre erhöht.
Der Angeklagte wird mit seiner Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe auf diese Entscheidung verwiesen.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen, auch einen rechtskräftigen Teilfreispruch enthaltenden Urteil wurde Abdelkadar B***** der Verbrechen nach § 28 Abs 2 (vierter Fall) und Abs 3 erster Fall SMG (A) und der vorsätzlichen Gemeingefährdung nach § 176 Abs 1 StGB (E) sowie der Vergehen nach § 28 Abs 1 (zweiter Fall) SMG (B), ferner nach § 27 Abs 1 (erster und zweiter Fall) SMG (C) und der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (D) schuldig erkannt.
Danach hat er in Linz
A den bestehenden Vorschriften zuwider gewerbsmäßig Suchtgift in einer großen Menge durch Verkauf in Verkehr gesetzt, und zwar
I. im Jahr 1999 in mehreren Teilmengen ca neun Gramm Marihuana an Nermin D*****;
II. von 1999 bis Anfang 2002 in zahlreichen Teilmengen insgesamt 300 bis 400 Gramm Marihuana und zehn Gramm Kokain an Amel S*****;
III. im Jahr 2001 eine unbekannte Menge Heroin an Erwin R*****;
IV. von Oktober bis Dezember 2001 in mehreren Teilmengen ca 100 Gramm Kokain an Josip C***** und Abidin M*****;
V. von Juli 2001 bis Jänner 2002 in mehreren Teilmengen ca 30 Gramm Kokain an Moslem Jassem A*****, wobei er ihm überdies fünf- bis sechsmal ein "Naserl" Heroin überließ;
VI. im Sommer 2001 ein Gramm Amphetamin Speed an Nermin D*****;
VII. von Juli 2001 bis Jänner 2002 wiederholt geringe Mengen Marihuana an Mario C*****;
B den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift in einer großen Menge mit dem Vorsatz besessen, dass es in Verkehr gesetzt werde, und zwar
I. im Oktober 2001 25 Gramm Kokain;
II. am 8. Jänner 2002 100 Gramm Kokain;
C den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift erworben und besessen, und zwar dadurch, dass er
I. von 1999 bis 7. Feber 2002 wiederholt Marihuana, Haschisch, Amphetamin und Kokain erwarb und bis zum Konsum besaß;
II. von Juli 2001 bis Jänner 2002 fünf- bis sechsmal ein "Naserl" Kokain von Moslem Jassem A***** erwarb und bis zum Konsum besaß;
III. am 8. Feber 2002 0,3 Gramm Haschisch von einem Unbekannten erwarb und besaß;
IV. am 9. September 2002 0,6 Gramm Heroin besaß;
D Anfang 2000 den Nermin D***** dadurch, dass er ihm mit einem Messer im Lippenbereich eine Schnittwunde zufügte, vorsätzlich am Körper verletzt;
E am 3. November 2001 als Lenker eines Leichtmotorrades dadurch, dass er, ohne im Besitz einer Lenkerberechtigung zu sein, und in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand mit überaus großer Geschwindigkeit durch die Innenstadt von Linz in Richtung Kleinmünchen fuhr, dabei fünfmal das Rotlicht einer Verkehrsampel nicht beachtete, ca einen Kilometer gegen die Einbahn fuhr, zwei Straßensperren umfuhr und schließlich mit einem Zivilstreifenwagen kollidierte, vorsätzlich eine Gefahr für Leib und Leben einer größeren Zahl von Menschen oder für fremdes Eigentum in großem Ausmaß herbeigeführt.
Rechtliche Beurteilung
Der (inhaltlich der Beschwerdeschrift lediglich) gegen den Schuldspruch zu E aus § 281 Abs 1 Z 5, 9 lit a und 10 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt keine Berechtigung zu. Der Mängelrüge (Z 5) zuwider haben die Tatrichter seine Verantwortung, "er habe niemanden am Leben gefährden wollen und nur Angst vor der Polizei gehabt", sehr wohl in ihre Erwägungen miteinbezogen (US 22 iVm US 10 bis 13), gelangten aber dessen ungeachtet auf Grund anderer Beweise zur Überzeugung eines auf Gemeingefährdung im Sinn des § 176 StGB gerichteten (bedingten) Vorsatzes.
Die Rechtsrüge (Z 9 lit a), welche die ausdrücklich konstatierte Herbeiführung der zur Tatbestandsverwirklichung erforderlichen konkreten Gemeingefahr (Mayerhofer in WK2 § 176 Rz 7) in Abrede stellt, versagt. Ausgehend von den - wie dargelegt - formell fehlerfrei begründeten Feststellungen des Erstgerichtes zum kilometerlangen Befahren der im Stadtgebiet von Linz gelegenen, als vierspurige Einbahn geführten Wienerstraße mit einem auf ca 120 km/h beschleunigten Kleinmotorrad in unzulässiger Fahrtrichtung bei Gegenverkehr von ca dreißig Fahrzeugen, welche durch Auslenken gerade noch eine Kollision verhindern konnten (US 12), hat der zudem alkoholisierte und über keine Lenkerberechtigung verfügende Beschwerdeführer (US 10) allein durch dieses Verhalten bereits eine aktuelle, tatsächlich zum Tragen gekommene Gefahrensituation im Sinne des § 176 Abs 1 StGB herbeigeführt. Auf Grund des für die die Wienerstraße in Richtung der Einbahn benutzenden Kraftfahrzeuglenker unvorhersehbaren und unberechenbaren Verhaltens des Angeklagten war im Tatzeitpunkt nämlich ernstlich zu befürchten, dass diese ordnungsgemäß fahrenden Lenker - zumal bei Nachtzeit - reflexartig eine unsachgemäße Reaktion setzen würden, welche wieder im Hinblick auf das Verkehrsaufkommen die konkrete Gefahr einer Massenkarambolage, von der jedenfalls mehr als zehn Personen betroffen gewesen wären und bei der Eigentum in großem Ausmaß gefährdet gewesen wäre, naheliegend erscheinen ließ (14 Os 87/99, EvBl 2000/29 = RZ 2000/17). Demgemäß erübrigt sich ein Eingehen auf den weiteren Einwand, wegen des den Angeklagten mit Folgetonhorn und Blaulicht verfolgenden Polizeifahrzeuges sei es sehr unwahrscheinlich gewesen, dass von den etwa 20 am Schutzweg der Mozartkreuzung befindlichen Fußgängern zumindest zehn Menschen einer konkreten Verletzungsgefahr ausgesetzt gewesen wären.
Die eine Tatbeurteilung bloß in Richtung des Vergehens nach § 177 Abs 1 StGB monierende Subsumtionsrüge (Z 10) übergeht prozessordnungswidrig die konstatierten Vorsatzkomponenten (US 13) und verfehlt daher die gesetzmäßige Ausführung dieses materiellen Nichtigkeitsgrundes.
Soweit der Beschwerdeführer ausdrücklich erklärt, "das Urteil vom 29. August 2002 zur Gänze" anzufechten, sowie im Rahmen der Rechtsmittelanträge die (uneingeschränkte) Aufhebung der Entscheidung begehrt, mangelt es der Nichtigkeitsbeschwerde über die inhaltliche Anfechtung bloß des Schuldspruchs zu E hinaus an der vom Gesetz vorausgesetzten deutlichen und bestimmten Bezeichnung der Nichtigkeitsgründe bzw der diese bedingenden Tatumstände (§ 285a Z 2 StPO).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.
Die (lediglich angemeldete) Berufung wegen Schuld war als im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässig zurückzuweisen. Das Schöffengericht verhängte über Abdelkadar B***** nach § 28 (Abs 1), § 176 Abs 1 StGB eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren, wobei es zwei einschlägige Vorstrafen und das Zusammentreffen zweier Verbrechen mit drei Vergehen als erschwerend, das bloß teilweise Geständnis dagegen als mildernd wertete.
Während der Angeklagte mit seiner Berufung eine Herabsetzung der Strafe unter Gewährung teilweiser bedingter Nachsicht beantragt, strebt die Staatsanwaltschaft - mit Recht - eine Erhöhung der Sanktion an.
Die vom Erstgericht angeführten Strafzumessungsgründe sind dahin zu korrigieren, dass den Angeklagten zwar lediglich eine, jedoch zufolge Zufügens von Verletzungen im Gesichtsbereich des Opfers und Drohung mit einem Butterfly-Messer zum Schuldspruch D spezifisch einschlägige Vorstrafe beschwert. Zusätzlich fällt sein rascher Rückfall in die Suchtgiftkriminalität als aggravierend ins Gewicht. Unter den festgestellten Tatsachen kann keine Rede davon sein, dass der Berufungswerber das Verbrechen nach § 176 Abs 1 StGB aus Unbesonnenheit begangen hat.
Berücksichtigt man, dass der (nach seinen eigenen Angaben) wegen Drogendelikten aus Deutschland ausgewiesene (S 133), teils unter Verschleierung seiner Identität (S 17 in ON 22), obwohl vorgeblich "hier nicht mit Respekt behandelte" (S 525) illegal im Inland aufhältige (S 101ff) Angeklagte ersichtlich unbeeindruckt von zwei gerichtlichen Vorverurteilungen nicht nur während eines langen Tatzeitraums durch gewinnbringendes Inverkehrsetzen (auch) verschiedener, besonders gefährlicher harter Drogen (wie Heroin und Kokain) delinquierte, aber auch durch seine weiteren Taten eine besonders rücksichtslose Einstellung gegen die körperliche Integrität anderer Personen dokumentierte, war - ungeachtet seiner vom Erstgericht konstatierten eigenen Gewöhnung an Suchtgifte - der Berufung der Staatsanwaltschaft Folge zu geben und die Strafe innerhalb des bis zu zehn Jahren reichenden Rahmens des § 176 Abs 1 StGB auf drei Jahre zu erhöhen. Tatsachen, welche die Annahme einer qualifiziert günstigen Prognose im Sinne des § 43a Abs 4 StGB rechtfertigen, sind im Verfahren nicht hervorgekommen. Der Angeklagte war mit seiner Berufung auf diese Entscheidung zu verweisen.
Die Kostenentscheidung ist in § 390a StPO begründet.
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