OGH 3Ob40/02g

OGH3Ob40/02g18.12.2002

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf, Dr. Pimmer, Dr. Zechner und Dr. Sailer als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj. Thomas A*****, geboren am 20. November 1985, infolge Revisionsrekurses der Mutter Rosa K*****, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 10. Oktober 2001, GZ 45 R 547/01a-105, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Floridsdorf vom 21. Mai 2001, GZ 1 P 2/00x-99, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Der mj. Thomas ist ein eheliches Kind. Die Ehe seiner Eltern wurde mit Beschluss des zuständigen Bezirksgerichts vom 26. September 1991 gemäß § 55a EheG geschieden; er war im Zeitpunkt der erstgerichtlichen Beschlussfassung einkommens- und vermögenslos. Der Minderjährige wächst im Haushalt seines Vaters auf, der ihn dort betreut und für ihn auch die Familienbeihilfe bezieht.

Die Mutter, die überdies noch für eine mj. Tochter im Alter unter zehn Jahren sorgepflichtig ist, hatte sich mit einem vor dem zuständigen Jugendamt geschlossenen Vergleich am 25. November 1999 verpflichtet, zum Unterhalt des mj. Thomas ab 1. November 1999 monatlich 2.000 S zu zahlen; dabei wurde von einem monatlichen Durchschnittsnettoeinkommen von 11.300 S ausgegangen. Sie war vom 22. September 1997 bis 29. Februar 2000 beim Magistrat der Stadt Wien beschäftigt, beendete dieses Beschäftigungsverhältnis sodann durch Kündigung wegen gesundheitlicher Probleme (schmerzhafte Allergien gegen Putzmittel/Chemikalien) und der notwendig gewordenen Betreuung ihrer ab Herbst 2000 die Schule besuchenden Tochter. Vom 29. März 2000 bis 27. August 2000 bezog sie Arbeitslosengeld von täglich 214,90 S (monatlich 6.447 S). Seit 1. Oktober 2000 ist sie in einem Aufsperrdienst (zunächst ihres Bruders, später) ihres nunmehrigen Ehegatten teilzeitbeschäftigt und erzielt aus dieser Beschäftigung für sechs Wochenstunden ein monatliches Nettoentgelt von 3.500 S. Sie beantragte, ihre monatliche Unterhaltsverpflichtung für den mj. Thomas ab 1. März 2000 auf 1.000 S herabzusetzen.

Das Erstgericht verpflichtete die Mutter für den Zeitraum ab 1. März 2000 bis 30. September 2000 - iS ihres Antrags - zu einer monatlichen Unterhaltszahlung von 1.000 S, sprach jedoch für die Zeit ab 1. Oktober 2000 aus, dass die Bestimmungen des Unterhaltsvergleichs vom 25. November 1999 (also monatlich 2.000 S) unverändert aufrecht blieben. Während die Herabsetzung bis 30. September 2000 gerechtfertigt sei (und vom Minderjährigen auch unbekämpft blieb), sei die Mutter für die Zeit ab 1. Oktober 2000 auf ein monatliches Durchschnittseinkommen von 9.700 S netto anzuspannen, mit dem ihr die Leistung des monatlichen Unterhaltsbetrags von 2.000 S wirtschaftlich möglich sei. Zu bedenken sei ohnedies, dass sie bei einem selbstständig erwerbstätigen Familienmitglied beschäftigt sei.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Mutter nicht Folge. Es billigte die Rechtsauffassung des Erstgerichts, die Mutter wäre bei der ihr zumutbaren Anspannung ihrer Kräfte und bei entsprechender Privatinitiative in der Lage, seit Anfang Oktober 2000 als Hilfskraft eine Beschäftigung mit einem monatlichen Durchschnittseinkommen von 9.700 S netto zu erlangen. Das neue Vorbringen der Mutter, der mj. Thomas werde am 1. September 2001 eine Lehrstelle antreten, könne allenfalls durch einen beim Erstgericht einzubringenden Unterhaltsherabsetzungsantrag Berücksichtigung finden. Zu einer steuerlichen Entlastung der Mutter iSd - im Rekurs erwähnten - Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofs (VfGH) vom 27. Juni 2001, Zl. B 1285/00, sehe das Rekursgericht keine Veranlassung. Weil aber zu diesem Erkenntnis Rsp des Obersten Gerichtshofs fehle, sei der ordentliche Revisionsrekurs zuzulassen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der rechtsfreundlich nicht vertretenen Mutter ist nicht berechtigt.

a) Zunächst ist ihr unter Hinweis auf die Rsp zur "Anspannung" des Unterhaltsschuldners, seine Arbeitskraft nach seinen persönlichen Fähigkeiten und Möglichkeiten bestmöglich einzusetzen, um seiner Unterhaltsverpflichtung nachkommen zu können (siehe für viele die Entscheidungen zu RIS-Justiz RS0047579 und RS0047686), zu bedeuten, dass die von den Vorinstanzen iS dieser Rsp vorgenommene Anspannung auf ein monatliches Durchschnittseinkommen von knapp unter 10.000 S netto nach den hier feststehenden Umständen des vorliegenden Falles keinen rechtlichem Bedenken begegnet. Allein wegen dieser Frage wäre der vorliegende Revisionsrekurs auch nicht in der Sache behandelt, sondern zurückgewiesen worden.

b) Soweit die Revisionswerberin aber eine "Anrechnung" der vom Vater für den mj. Thomas bezogenen Familienbeihilfe iSd genannten Erkenntnisses des VfGH vom 27. Juni 2001 anstrebt, ist ihr folgendes zu erwidern:

Der Oberste Gerichtshof hat aus Anlass eines Revisionsrekurses gemäß Art 89 Abs 2 B-VG (Art 140 B-VG) beim Verfassungsgerichtshof (VfGH) beantragt, § 12a FLAG 1967 idF BGBl 1977/646 als verfassungswidrig aufzuheben. Mit Erkenntnis vom 19. Juni 2002, Zl. G 7/02 u.a. (kundgemacht in BGBl I 152/2002 am 13. September 2002), hob der VfGH in § 12a FLAG die Wortfolge "und mindert nicht dessen Unterhaltsanspruch" als verfassungswidrig auf und sprach aus, dass die aufgehobene Wortfolge nicht mehr anzuwenden sei und frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Wirksamkeit treten. Der VfGH bekräftigte seine schon im Erkenntnis vom 27. Juni 2001, Zl. B 1285/00, vertretene Auffassung, dass nicht nur die Absetzbeträge (Unterhaltsabsetzbetrag [§ 33 Abs 4 Z 3 lit b EStG] und Kinderabsetzbetrag [§ 33 Abs 4 Z 3 lit a EStG]), sondern auch die Familienbeihilfe - die damit nicht (nur) der Abgeltung von Betreuungsleistungen dient - die steuerliche Entlastung des Geldunterhaltspflichtigen bewirken soll. Mit der Aufhebung der genannten Wortfolge in § 12a FLAG wurde aber nicht nur eine die Anrechenbarkeit der Familienbeihilfe hindernde Norm beseitigt, sondern der VfGH sprach auch aus, wie § 140 ABGB verfassungskonform auszulegen sei. Danach ist der nach der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen und den Bedürfnissen des Unterhaltsberechtigten - wie bisher - zu bemessende Geldunterhalt im Interesse der gebotenen steuerlichen Entlastung von Unterhaltsschuldnern - bei getrennter Haushaltsführung um jenen Teil des Kinderabsetzbetrags und der Familienbeihilfe zu kürzen, der die steuerliche Entlastung des Geldunterhaltspflichtigen bezweckt (3 Ob 141/02k; 4 Ob 46/02x; 4 Ob 52/02d ua).

Zur Kürzung des Geldunterhaltsanspruchs zufolge der steuerlichen Entlastung: Nach dem Berechnungsmodell des VfGH erfasst die gebotene steuerliche Entlastung der Geldunterhaltspflichtigen die Hälfte des bemessenen Geldunterhalts um höchstens 40 %. Nach § 33 Abs 1 EStG beträgt die Einkommensteuer ab 1. Jänner 2002 für die ersten 3.640 EUR (in den Veranlagungsjahren 2000 und 2001 für die ersten 50.000 S) 0 %, für die nächsten 3.630 EUR (2000 und 2001: für die nächsten 50.000 S) 21 %, für die nächsten 14.530 EUR (2000 und 2001: für die nächsten 200.000 S) 31 %, für die nächsten 29.070 EUR (2000 und 2001: für die nächsten 400.000 S) 41 % und für alle weiteren Beträge des steuerpflichtigen Einkommens 50 %. Diese Steuersätze sind um etwa 20 % zu reduzieren, daher ist der Grenzsteuersatz von 50 % auf 40 %, der Steuersatz von 41 % auf 33 % und der von 31 % auf 25 % zu kürzen. Beim Steuersatz von 21 % kommt die Notwendigkeit einer steuerlichen Entlastung über den Unterhaltsabsetzbetrag hinaus, den der steuerpflichtige Geldunterhaltsschuldner erhält, praktisch nicht in Betracht. Die in concreto anzuwendenden Steuersätze bestimmen sich nach dem für deren Ermittlung maßgebenden Jahreseinkommen unter Ausklammerung der Sonderzahlungen (13. und 14. Monatsbezug, § 2 Abs 2 und § 41 Abs 4 EStG). Der Kindesunterhalt ist jeweils aus den höchsten Einkommensteilen des Unterhaltspflichtigen zu decken. Vom halben Unterhaltsbetrag ist jene prozentuelle Quote zu ermitteln, die dem jeweils anzuwendenden reduzierten Steuersatz entspricht. Wenn der Unterhaltsbeitrag zur Gänze in dem mit dem höchsten Steuersatz zu versteuernden Einkommensteil Deckung findet, ergibt sich nur eine Multiplikation (halber Unterhaltsbeitrag x reduziertem anzuwendenden Steuersatz). Wenn dies nicht der Fall, somit ein Teilbetrag (des halben Unterhaltsbeitrags) mit dem nächstniedrigeren Steuersatz zu versteuern ist, sind zwei Multiplikationen vorzunehmen (des jeweils abgesenkten Steuersatzes mit dem entsprechenden, in diese Steuerklasse fallenden Teilbetrag des halben Unterhaltsbeitrags) und die Ergebnisse sodann zu addieren. Von diesem rechnerischen Zwischenergebnis (Kürzungsbetrag) ist der der steuerlichen Entlastung dienende Unterhaltsabsetzbetrag, den der Steuerpflichtige erhält (monatlich für das 1. Kind 25,50 EUR [in den Jahren 2000 und 2001: 350 S], für das 2. Kind 38,20 EUR [2000 und 2001: 525 S] und für jedes weitere Kind jeweils 50,90 EUR [2000 und 2001: 700 S]) - umgerechnet auf ein Jahr - abzuziehen, wird doch die steuerliche Entlastung auch durch den beim Geldunterhaltspflichtigen berücksichtigten Unterhaltsabsetzbetrag bewirkt. Nur soweit dieser nicht ausreicht, sind die dem das Kind betreuenden Elternteil (hier Vater) zufließenden Transferleistungen - Kinderabsetzbetrag und Familienbeihilfe - heranzuziehen. Der ermittelte Kürzungsbetrag wird somit seinerseits um den Unterhaltsabsetzbetrag gekürzt, wodurch zwangsläufig die Kürzung geringer ausfällt. Dieser jährliche "Steuerentlastungsbetrag" kürzt den vom Geldunterhaltspflichtigen zu leistenden jährlichen Unterhaltsbetrag, der dann auf Monate umzurechnen ist. In der Entscheidung 3 Ob 141/02k erläuterte der erkennende Senat diese Berechnungsweise der erforderlichen Ermittlung des Steuerentlastungsbetrags in einer modellartigen tabellarischen Demonstration in fünf (bei mehreren Kindern in sechs) Schritten. Darauf wird verwiesen.

Zwar ist im vorliegenden Fall das Jahreseinkommen der Mutter - schon wegen der Anspannung auf ein Durchschnittsnettoeinkommen - nicht festgestellt, doch ergibt sich hier auch ohne eine solche Feststellung ganz eindeutig, dass das "angespannte" Einkommen der Mutter dem Steuersatz von 31 % unterliegt (unterläge), weshalb bei den weiteren Berechnungen iS der obigen Ausführungen von einem abgesenkten Steuersatz von 25 % auszugehen ist. Damit ergibt aber eine einfache Berechnung, dass die steuerliche Entlastung der geldunterhaltspflichtigen Mutter mit monatlich 250 S (= halber monatlicher Unterhalt von 2.000 S = 1.000 S x 0,25 [25 %]) bereits mit dem der Mutter vorweg zur Steuerentlastung zustehenden (niedrigsten) Unterhaltsabsetzbetrag gemäß § 33 Abs 4 Z 3b EStG von 25,50 EUR (= rund 350 S) abgegolten ist. Eine weitere steuerliche Entlastung ihrer Unterhaltsleistung ist aber für sie aus der dargelegten neuen Rechtslage zu § 12a FLAG nicht zu erreichen.

Diese Erwägungen führen zur Bestätigung der zweitinstanzlichen Entscheidung.

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