OGH 3Ob194/02d

OGH3Ob194/02d18.12.2002

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf, Dr. Pimmer, Dr. Zechner und Dr. Sailer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S***** GmbH, ***** vertreten durch Alix Frank Rechtsanwälte KEG in Wien, wider die beklagte Partei T***** Aktiengesellschaft, ***** vertreten durch Dr. Edwin Anton Payr, Rechtsanwalt in Graz, und des Nebenintervenienten auf Seiten der beklagten Partei A*****, vertreten durch Kortschak & Höfler Rechtsanwälte OEG in Leibnitz, wegen 120.325,69 EUR (= 1,655.717,61 S) sA, infolge von Rekursen der beklagten Partei und des Nebenintervenienten gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 18. April 2002, GZ 4 R 22/02s, 23/02p-38, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt vom 1. Oktober 2001, GZ 20 Cg 33/97y-24, aufgehoben wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Den Rekursen wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 2.113,73 EUR (darin 352,29 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens binnen vierzehn Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die klagende Partei begehrte von der beklagten Partei für Warenlieferungen, für die zahlreiche Rechnungen ausgestellt wurden, die Zahlung von 1,655.717,61 S sA.

Die beklagte Partei stellte "vorläufig" außer Streit, dass die klagende Partei ordnungsgemäß geliefert habe und die hiefür gelegten Rechnungen fällig, von ihr aber nicht bezahlt worden seien. Ihr stehe eine den Klagsanspruch übersteigende und fällige Gegenforderung zu, weil ihr die klagende Partei für ein bestimmtes Bauvorhaben mangelhaft beschichtete Stahlbetonrohre geliefert habe. Es sei mit Urteil rechtskräftig festgestellt worden, dass ihr die klagende Partei im Rahmen der Verletzung des zwischen den Streitteilen bestehenden Vertragsverhältnisses für alle Schadenersatz- und Gewährleistungsansprüche regresspflichtig sei, die dem (späteren) Nebenintervenienten aus der Lieferung mangelhaft beschichteter Stahlbetonrohre für dieses Bauvorhaben gegenüber der beklagten Partei zustünden.

Mit Beschluss vom 2. April 1997 unterbrach das Erstgericht das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung des zu AZ 22 Cg 191/96x beim Erstgericht anhängigen Verfahrens.

In diesem hatte die klagende Partei gegen die beklagte Partei Forderungen von 1,829.940,10 S sA aus Warenlieferungen geltend gemacht. Aus denselben Tatsachenbehauptungen wie im vorliegenden Rechtsstreit machte die Beklagte eine Gegenforderung von 8,124.768 S geltend.

Das klagsstattgebende Urteil der ersten Instanz bestätigte das Berufungsgericht mit Urteil vom 26. Juni 1997 mit der Maßgabe, dass der Antrag auf Aufrechnung abgewiesen werde.

Den am 5. August 1997 eingelangten Fortsetzungsantrag der klagenden Partei wies das Erstgericht mit Beschluss vom 14. August 1997 mit der Begründung zurück, dass die genannte Entscheidung des Berufungsgerichtes noch nicht in Rechtskraft erwachsen sei, weil gegen sie noch eine außerordentliche Revision erhoben werden könne. Mit Schriftsatz vom 24. April 2001 beantragte nunmehr die beklagte Partei die Fortsetzung des Verfahrens und brachte vor, dass die geltend gemachten Rechnungsbelege sämtlich verjährt seien, weil die klagende Partei die Fortsetzung des Verfahrens unterlassen habe, obwohl das Berufungsurteil im Vorprozess bereits am 22. September 1997 rechtskräftig geworden sei.

Die klagende Partei wendete dagegen ein, ein Fortsetzungsantrag wäre völlig sinnlos gewesen, weil die beklagte Partei im Zusammenhang mit der im Vorprozess rechtskräftig zuerkannten Forderung eine Oppositionsklage eingebracht habe, in der sie die Gegenforderung wegen mangelhafter Betonrohre geltend mache. Über diese Sache sei außerdem noch ein weiteres Verfahren beim Erstgericht anhängig. Bis zur rechtskräftigen Erledigung dieses Rechtsstreites sei auch das Oppositionsverfahren unterbrochen worden, weil das Vorbringen der Streitteile in beiden Verfahren identisch sei. Auch im vorliegenden Verfahren sei "die Thematik" gleich mit der des anderen Prozesses beim Erstgericht, weshalb eine Fortsetzung prozessunökonomisch gewesen wäre, weil mit einer Oppositionsklage der beklagten Partei und wiederum mit einer Unterbrechung zu rechnen gewesen wäre. Auch für den vorliegenden Rechtsstreit sei das laufende Verfahren vor dem Erstgericht präjudiziell. Daher werde auch die nochmalige Unterbrechung wegen des genannten Verfahrens beantragt. Das Erstgericht wies mit Urteil das Klagebegehren mangels gehöriger Fortsetzung des Verfahrens nach § 1497 ABGB ab.

Mit dem angefochtenen Beschluss hob das Berufungsgericht infolge Berufung der klagenden Partei dieses Urteil auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an die erste Instanz zurück. Es sprach aus, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei.

Zur Begründung führte das Berufungsgericht u.a. aus, nicht gehörige Fortsetzung iSd § 1497 ABGB sei nach herrschender Auffassung dann anzunehmen, wenn die Untätigkeit des Klägers ungewöhnlich sei und er damit zum Ausdruck bringe, dass ihm an der Erreichung des Prozessziels nichts gelegen sei (StRsp jüngst 7 Ob 15/01h und 7 Ob 140/01s; RIS-Justiz RS0034765). Dabei sei nicht so sehr auf die Dauer der Untätigkeit, sondern vor allem auf deren Gründe Bedacht zu nehmen, die im Verhältnis zwischen den Parteien gelegen sein müssten. Die Beurteilung, ob ein längeres Zuwarten mit der Fortsetzung der Verfolgung eines Anspruchs noch hingenommen werden könne oder ob eine solche ungewöhnliche Untätigkeit vorliege, aus der letztlich Verjährung angenommen werden müsse, sei unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Falls zu beantworten. Wenn sich in einem Verfahren der Beklagte auf Verjährung wegen nicht gehöriger Fortsetzung des Rechtsstreits berufe, sei es Aufgabe des Klägers, beachtliche Gründe für die Untätigkeit (Nichtfortsetzung des Verfahrens) vorzubringen und erforderlichenfalls auch unter Beweis zu stellen. Würden keine beachtlichen Gründe vorgetragen, so sei lediglich von der Aktenlage auszugehen. Je länger die Untätigkeit sei, desto gewichtiger müssten die Gründe dafür sein. Im konkreten Fall habe die klagende Partei ihre mehrjährige Untätigkeit seit Wegfall des Unterbrechungsgrunds damit gerechtfertigt, dass in einem Parallelverfahren die auch hier eingewendete Gegenforderung der beklagten Partei noch geprüft werde, weshalb mit einer (weiteren) Unterbrechung dieses Rechtsstreits zu rechnen gewesen sei. Außerdem sei für den Fall eines rechtskräftigen Zuspruchs der Klagsforderung damit zu rechnen, dass die beklagte Partei wie schon in den anderen Verfahren einen betriebenen Anspruch mit Oppositionsklage wegen der behaupteten Gegenforderung bekämpfe. Diese sich auch aus der Aktenlage ergebenden Gründe seien nach Auffassung des Berufungsgerichts beachtlich und ließen nicht den Schluss zu, der klagenden Partei sei an der Erreichung des Prozessziels in diesem Rechtsstreit nichts mehr gelegen. Die Klageforderung sei nämlich nach der Aktenlage nicht strittig. Strittig sei allein die Gegenforderung der beklagten Partei. Das weitere Zuwarten der klagenden Partei in der nicht unbegründeten Annahme, dieses Verfahren bzw. das in dem daran anschließenden Exekutionsverfahren zur Hereinbringung der Forderung werde infolge Erhebung einer Oppositionsklage ohnehin unterbrochen werden, weil das laufende Verfahren vor dem Erstgericht für die allein strittige Gegenforderung präjudiziell sei, stelle trotz der langen Dauer keine ungewöhnliche Untätigkeit dar. Die Klagsforderung sei demnach nicht verjährt.

Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof sei zulässig, weil die Frage, ob eine derart lange Untätigkeit der klagenden Partei mit den von ihr vorgebrachten und auch aktenkundigen Umständen noch gerechtfertigt werden könne, eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung habe.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen diese Entscheidung gerichteten Rekurse der beklagten Partei und des Nebenintervenienten auf ihrer Seite sind entgegen diesem Ausspruch, der den Obersten Gerichtshof gemäß § 526 Abs 2 ZPO nicht bindet, nicht zulässig. Darauf weist die klagende Partei in ihrer Rekursbeantwortung zutreffend hin.

Das Berufungsgericht hat die sich aus der Rsp des Obersten Gerichtshofs ergebende Rechtslage völlig richtig dargestellt, was an sich auch in den Rechtsmitteln nicht bezweifelt wird. Wie ebenfalls bereits von der zweiten Instanz selbst dargestellt wurde, ist die Frage, ob eine gehörige Fortsetzung des (im vorliegenden Fall unterbrochenen) Verfahrens anzunehmen ist, unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Falls zu beantworten (6 Ob 43/00t u.a.; Mader in Schwimann2 § 1497 ABGB Rz 25).

Von dieser Rsp ist das Berufungsgericht seiner - zutreffenden - Ansicht nach nicht abgewichen. Das Gegenteil vermögen auch die Rechtsmittelwerber nicht darzulegen. Bereits im Fall der Entscheidung 9 ObA 187/92 wurde eine Nichtfortsetzung durch über vier Jahre wegen der Umstände des Falls als unschädlich angesehen. Diese sind hier dadurch gekennzeichnet, dass die Klageforderung völlig unbestritten blieb und im Verfahren, das Unterbrechungsgrund war, die erhoffte Klärung der Berechtigung der Gegenforderung unterblieb, während diese andererseits von einem bereits laufenden weiteren Prozess zu erwarten wäre.

Die Rekurse sind daher mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 50, 41 ZPO.

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