OGH 3Ob109/02d

OGH3Ob109/02d18.12.2002

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf, Dr. Pimmer, Dr. Zechner und Dr. Sailer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S*****, Tschechische Republik, vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagte Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1., Singerstraße 17-19, wegen Unzulässigkeit einer Exekution (§ 14 AbgEO), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 19. Dezember 2001, GZ 11 R 305/01a-19, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichts Linz vom 19. Juli 2001, GZ 23 C 7/00d-13, bestätigt wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 312,30 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Im Rahmen einer Abgabenexekution gegen eine näher genannte Verpflichtete pfändete das Finanzamt Linz zwei Teppiche, welche die Verpflichtete 1994 von einem Teppichhändler gekauft hatte; dabei waren Ratenzahlung und Eigentumsvorbehalt vereinbart worden. Die Teppiche wurden in die Linzer Wohnung der Verpflichteten geliefert. Die Verpflichtete beabsichtigte ursprünglich, diese Teppiche später in ihrem Büro in Budweis aufzulegen. Am 19. Jänner 1995 gründete die Verpflichtete die nun klagende tschechische Stiftung, deren Zweck ua die Hauskrankenpflege ist. Die Verpflichtete beschloss in der Folge, die Teppiche dieser Stiftung zu schenken, wobei beabsichtigt war, die Teppiche in Tschechien zu verkaufen bzw zu versteigern, um auf diese Weise zu Geld für die Stiftung zu gelangen. Das damalige Kontrollorgan und eine Mitarbeiterin der Stiftung stellten am 16. Oktober 1995 der Verpflichteten eine "Bestätigung über eine Spende" sowie "Bestätigung über die Übernahme von zwei Stück Perserteppichen" aus. Eine tatsächliche Übernahme der Teppiche iS einer Ortsveränderung hatte jedoch nicht stattgefunden und fand auch in der Folge nicht statt, weil die Teppiche, bis sie nach erfolgter Pfändung zur Versteigerung abgeholt wurden, in der Wohnung der Verpflichteten in Linz blieben. Die Verpflichtete hatte jedoch den Willen, etwa ab Oktober 1995 die Teppiche nunmehr für die Stiftung zu besitzen.

Die klagende Stiftung begehrt die Unzulässigerklärung der Fahrnisexekution gemäß § 14 AbgEO, weil sie durch Schenkungsvertrag vom 16. Oktober 1995 Eigentum an diesen Teppichen erworben habe.

Die beklagte Partei wendete ein, es habe sich um ein unzulässiges In-sich-Geschäft gehandelt, weil die Verpflichtete sowohl Geschenkgeberin als auch Stiftungsträgerin der Geschenknehmerin sei. Die Schenkung sei überdies anfechtbar. Die sachenrechtlichen Voraussetzungen des Eigentumserwerbs würden sich nach österr. Recht richten. Das Besitzkonstitut stelle keinen tauglichen Modus für den Eigentumserwerb durch Schenkung dar.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab; es stellte den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt fest und führte in rechtlicher Hinsicht aus, der vorliegende Sachverhalt sei gemäß § 31 Abs 1 IPRG sachenrechtlich nach österr. Recht zu beurteilen. Schenkungsverträge ohne wirkliche Übergabe seien notariatsaktspflichtig. Eine wirkliche Übergabe habe jedoch nicht stattgefunden, weil das Besitzkonstitut kein tauglicher Modus für den Eigentumserwerb durch Schenkung sei.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil, sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands insgesamt 52.000 S, nicht jedoch 260.000 S übersteige und die ordentliche Revision im Hinblick auf die Entscheidungen 2 Ob 587/91 und 3 Ob 575/91, denen jedoch nicht gefolgt werde, zulässig sei.

In rechtlicher Hinsicht führte die zweite Instanz aus, aufgrund des § 31 IPRG sei das kausale Verfügungsgeschäft nach österr. Recht zu beurteilen. Der für den Fall der Exszindierung geforderte Maßstab des Beweises der vereinbarten Gewahrsame werde alleine durch die Behauptung eines Besitzkonstituts nicht erfüllt. Die teleologische Reduktion von gesetzlichen Formvorschriften sei vorsichtig handzuhaben, weil gerade diese gesetzlichen Formgebote aus Gründen der Rechtssicherheit normiert werden und ihre Reichweite daher für den Rechtsverkehr bereits ex ante feststehe. Es sei auch die Interessensphäre der Gläubiger, die sich auf gesetzliche Formvorschriften berufen, zu berücksichtigen. Ausnahmen von der grundsätzlichen Regel, dass ein Besitzkonstitut keine wirkliche Übergabe darstellen könne, seien daher restriktiv anzunehmen. Im Bereich des Exszindierungsverfahrens sei der Schutzzweck vor Übereilung durch den Schutzzweck vor Benachteiligung der Gläubiger ersetzt und daher zu beachten.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei ist entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichts, an den der Oberste Gerichtshof nicht gebunden ist, nicht zulässig.

Die Anwendung österr. Rechts für die Frage, ob die Exszindierungsklägerin Eigentum an den gepfändeten Gegenständen erworben hatte, ist im Revisionsverfahren nicht mehr strittig.

Gemäß § 1 Abs 1 lit d NotAktG ist die Gültigkeit einer Schenkung ohne körperliche Übergabe von der Errichtung eines Notariatsakts abhängig; wird ein solcher nicht errichtet, kommt ein gültiger Schenkungsvertrag nur bei wirklicher Übergabe zustande. Bloß aus einem mündlichen, ohne wirkliche Übergabe geschlossenen Schenkungsvertrag erwächst dem Geschenknehmer kein Klagerecht (§ 943 ABGB).

Die "wirkliche Übergabe" ist ein sinnfälliger, nach außen hin erkennbarer Akt, aus dem der ernstliche Wille des Schenkenden hervorgeht, die Sache sofort und vorbehaltlos in den Besitz zu übertragen. Diese Voraussetzungen erfüllt nicht das Besitzkonstitut nach § 428 erster Fall ABGB (Besitzauftragung; Schubert in Rummel³, § 943 ABGB Rz 1 mwN), weil es keine äußere Veränderung bewirkt (Koziol/Welser 12 II 179). Diese Ansicht entspricht nach wie vor der stRsp des Obersten Gerichtshofs (RIS-Justiz RS0011143), wonach wirkliche Übergabe iS des Gesetzes die körperliche Übergabe, die Übergabe durch Zeichen, die Besitzauflassung, die Besitzanweisung, nicht aber das Besitzkonstitut (die Besitzauftragung) ist.

Von diesem Grundsatz ist der Oberste Gerichtshof in den vereinzelt gebliebenen Entscheidungen 3 Ob 575/91 (= JBl 1992, 792 [insoweit zust Schwimann] = NZ 1992, 230 [abl Hofmeister] = ecolex 1992, 161 [krit Puck] = IPRAX 1993, 333 [Schwimann 337]), 2 Ob 587/91 [= JBl 1992, 791] - beide zu einem identischen Sachverhalt - und zuletzt 2 Ob 274/01k (= JBl 2002, 451 [abl Wagner] = ecolex 2002, 347 = NZ 2002/80) im Einzelfall abgewichen, wobei ausdrücklich betont wurde, dass die Bejahung einer Besitzauftragung (Besitzkonstitut) als für die wirkliche Übergabe genügend nur die Ausnahme und keineswegs die Regel darstellen dürfe (so 2 Ob 274/01k) bzw. dass in einem "besonders gelagerten Fall" das Besitzkonstitut als wirkliche Übergabe ausreicht (so 3 Ob 575/91).

In diesen Sonderfällen hatte jeweils der Erbe nach dem Schenker den Eigentumsübergang an den Beschenkten bestritten. Einer Auseinandersetzung mit der Zulässigkeit der in diesen Entscheidungen vorgenommenen teleologischen Reduktion des Formgebots (s hiezu die ablehnenden Entscheidungsglossen zuletzt von Wagner zu der E 2 Ob 274/01k in JBl 2002, 451, aber auch schon zu der E 3 Ob 575/91 von Hofmeister in NZ 1992, 230 und Puck in ecolex 1992, 161) bedarf es im hier zu beurteilenden, anders gelagerten Fall nicht. Gesetzliche Formgebote bestehen auch aus Gründen der Rechtssicherheit. Die Ansicht des Berufungsgerichts, dass im hier vorliegenden Fall der Exszindierungskläger den Eigentumserwerb nicht bewiesen hat, weil nach den festgestellten Umständen des Einzelfalls das Besitzkonstitut bei einer Schenkung nicht als wirkliche Übergabe ausreicht, folgt durchaus den Grundsätzen der stRsp des Obersten Gerichtshofs, von der abzugehen kein Anlass besteht. Ein qualifiziert geäußerter Schenkungswille fehlt eben hier, zumal nicht einmal ein schriftlicher Schenkungsvertrag vorliegt, sondern nur die beiden, nicht von der nun klagenden Geschenkgeberin gefertigte Bestätigungen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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