OGH 2Ob587/91

OGH2Ob587/9127.11.1991

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Melber, Dr. Kropfitsch, Dr. Zehetner und Dr. Schinko als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ivonne K*****, Großbritannien, vertreten durch Dr. Hannes Priebsch und DDr. Sven D. Fenz, Rechtsanwälte in Graz, wider die beklagte Partei Christian R*****, vertreten durch Dr. Hans Rant und Dr. Kurt Freyler, Rechtsanwälte in Wien, wegen Herausgabe (Streitwert S 100.000,-) infolge ao. Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 15.November 1990, GZ 6 R 119/90-29, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Kreisgerichtes Leoben vom 20.Jänner 1990, GZ 7 Cg 28/89-24, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Beklagte ist schuldig, der Klägerin die mit S 3.623,04 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (einschließlich S 603,84 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin und der beklagte sind Halbgeschwister. Ihre gemeinsame Mutter I***** R***** übertrug mit Schenkungsvertrag vom 29.11.1985 mehrere in ***** gelegene Liegenschaften, zu denen auch das Schloß ***** gehörte, ins Alleineigentum des Beklagten. Das Schloß war mit einer Vielzahl von Kunstgegenständen und Möbeln ausgestattet, von denen die Mutter der Streitteile eine Anzahl zu besonderen Anlässen wie Weihnachten oder Geburtstagen der Klägerin geschenkt hatte.

Die Klägerin begehrte vom Beklagten die Herausgabe diverser solcher Gegenstände, von denen nur mehr das Eigentum an einer gotischen Holzplastik, darstellend einen Bischof und an einem bronzenen Weihrauchkessel strittig geblieben ist. Dazu hatte das Erstgericht festgestellt, daß auch diese beiden Gegenstände der Klägerin von deren Mutter geschenkt worden waren. Ausdrücklich wurde auch ausgeführt, daß diese Schenkungen so erfolgten, "daß I***** R***** ihre Verfügungsgewalt über diese Gegenstände aufgab und die Klägerin volle Verfügungsmacht darüber erhielt".

Das Erstgericht hielt daher das Eigentum der Klägerin an diesen beiden Gegenständen für erwiesen und gab ua dem Klagebegehren auf Herausgabe derselben statt. Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung, sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 50.000,-- übersteigt, ließ aber die ordentliche Revision nicht zu. In seiner rechtlichen Beurteilung verwies das Berufungsgericht darauf, daß diese Gegenstände zwar nicht gesondert übergeben wurden, jedoch die engen familiären Beziehungen zwischen Mutter und Tochter eine einverständliche Erklärung indizierten, wonach die Klägerin Eigentümerin sein solle. Außerdem sei die Übergabe durch die Erklärung im Notariatsakt vom 3.1.1989 als realisiert anzusehen.

Rechtliche Beurteilung

Die vom Beklagten erhobene ao. Revision ist zwar zulässig, aber nicht berechtigt.

Da die Klägerin ihren Wohnsitz in England hat und sich diese sowie ihre Mutter im Notariatsakt vom 3.1.1989 mit französischen Reisepässen auswiesen, also offenbar französische Staatsbürger waren, liegen Hinweise vor, die eine kollisionsrechtliche Prüfung der Rechtssache veranlassen. Es ist aber unstreitig, daß sich die geschenkten Sachen, deren Herausgabe begehrt wird, zu den maßgeblichen Zeitpunkten jedenfalls auf dem Schloß ***** im Inland befanden. Daher gilt die allgemeine Regel des § 31 IPRG, wonach der Erwerb und der Verlust dinglicher Rechte und der Inhalt dieser Rechte nach dem Recht des Staates zu beurteilen sind, in dem sich die Sachen bei Vollendung des dem Erwerb oder Verlust zugrunde liegenden Sachverhaltes befinden. Der Erwerb des Eigentums, auf das sich die Klägerin zur Begründung ihres Herausgabeanspruches stützt, richtet sich nach dem Lagerecht. Diesem Recht ist auch die Form einer Eigentumsübertragung unterstellt (Duchek-Schwind, IPR 76 Anm 1 zu § 31 IPRG; Schwimann, Grundriß des Internationalen Privatrechts, 180 ff). Die von den Vorinstanzen unterstellte Anwendung österreichischen Rechts ist daher zutreffend.

Nach herrschender Ansicht reicht zur wirklichen Übergabe bei einer Schenkung ohne Einhaltung der Notariatsaktsform (§ 943 ABGB; § 1 Abs 1 lit d NZwG) die Besitzauftragung

(= Besitzkonstitut = constitutum possessorium) nach § 428 Fall 1 ABGB nicht aus (Stanzl in Klang2 IV 612; Koziol-Welser8 I 325;

Schubert in Rummel, ABGB2, Rz 1 zu § 943; SZ 38/227; SZ 48/81;

JBl 1985, 672 ua). Diese Meinung beruht vor allem darauf, daß die Besitzauftragung mangels eines sinnfälligen Aktes keine Warnfunktion ausübt, daß aber der Zweck der Formvorschrift in der Verhütung unüberlegter Schenkungsversprechungen liegt. Die Gefahr leichtfertigen Schenkens ist geringer, wenn die Sache tatsächlich aus der Hand gegeben wird. Der Vermögensverlust soll bei wirklicher Übergabe für den Geschenkgeber sogleich augenscheinlich werden (Koziol-Welser8 I 324 mwH). Während also die Besitzauftragung, bei der Dritte die Vereinbarung nicht erkennen müssen, sondern der Übertragungswille nur für den Partner außer Zweifel stehen muß (Spielbüchler in Rummel, ABGB2, Rz 2 zu § 428; SZ 22/175; EvBl 1965/359; JBl 1982, 311; JBl 1985, 672), als Übertragungsform für das Eigentum ausreicht, wenn es auch vom Publizitätsgedanken her gesehen als bedenkliche Übertragungsart gilt, weil sie Außenstehenden nicht erkennbar sein muß (Koziol-Welser8 I 27), soll es wegen des Abgehens der Warnfunktion nicht ausreichen, die "wirkliche Übergabe" herzustellen, ohne die ein bloß mündliches Schenkungsversprechen dem Beschenkten kein Klagerecht verschafft (§ 943 ABGB). Da der Zweck des Formzwanges bei der Schenkung ohne wirkliche Übergabe jedoch der Schutz vor unüberlegten Schenkungen und einer Übereilung des Geschenkgebers ist, wird die herrschende Auffassung in Zweifel gezogen. Koziol-Welser8 I 325 meinen, es werde zu verneinen sein, daß das Besitzkonstitut dem Formzweck gerecht wird. Auch Spielbüchler in Rummel, ABGB2, Rz 2 zu § 428, stellt dar, daß die Rechtsprechung das Besitzkonstitut nicht als "wirkliche Übergabe" zur formlosen Schenkung gelten läßt, meint aber, daß wegen des gegenüber der Publizität von Sicherungsrechten andersartigen Normzwecks (Übereilungsschutz) ein großzügiger Maßstab angebracht ist.

Der erkennende Senat ist in Übereinstimmung mit der vom Senat 3 zu 3 Ob 1568/90 vertretenen Auffassung der Ansicht, daß im vorliegenden Fall dem Schutzzweck des § 942 ABGB ausreichend Genüge getan wurde. Die Geschenkgeberin beschränkte sich nicht bloß auf einen Schenkungsvertrag, wie dies der Beklagte in der ao Revision behauptet. Die Vorinstanzen haben vielmehr festgestellt, daß I***** R***** ihre Verfügungsgewalt über diese Gegenstände aufgab und der Klägerin volle Verfügungsmacht darüber einräumte. Ob dies nur mit Worten oder tatsächlich und in welcher Weise erfolgte, war zwar offengeblieben, dies schadet aber nicht, weil sich aus den Feststellungen in ihrem Zusammenhalt zumindest ergibt, daß die Geschenkgeberin - selbst wenn diese beiden Sachen in ihrem Zimmer verblieben sein sollten - jedenfalls auf erweisliche Art ihren Willen an den Tag gelegt hat, die Gegenstände künftig nicht mehr im eigenen sondern im Namen der Klägerin - der die Verfügungsgewalt darüber

zustehe - innezuhaben. Es erübrigt sich daher, die von der Klägerin in der ao Revisionsbeantwortung aufgestellte Behauptung, daß sich die beiden Gegenstände ohnehin in dem ihr allein zugewiesenen Zimmer befanden, unter Aufhebung der vorinstanzlichen Entscheidungen abschließend klären zu lassen.

Im übrigen kommt hinzu, daß die Geschenkgeberin später, als von einem vorschnellen Handeln nicht mehr die Rede sein konnte und ihre Geschäftsfähigkeit nach den Tatsachenfeststellungen noch ebensowenig beeinträchtigt war, wie zur Zeit der Schenkung und der Übergabe im Notariatsakt vom 3.1.1989, Pkt 4 bestätigte, daß die gotische Holzplastik und der bronzene Weihrauchkessel der Klägerin seinerzeit geschenkt und durch Übergabe ins Eigentum übertragen worden waren. Der Fall ist schließlich durch die Besonderheit gekennzeichnet, daß nicht etwa zwischen Geschenkgeber und Geschenknehmer die Wirksamkeit der Schenkung ohne Einhaltung der Notariatsaktform strittig ist, sondern ein Dritter den Eigentumsübergang bei der Schenkung bestreitet.

Dafür reicht es aber aus, daß nicht nur der Schenkungsvertrag sondern auch eine Übergabe der geschenkten Sachen erwiesen sind und dem Schutzzweck der Norm dadurch Genüge getan ist, daß die Geschenkgeberin zwar nicht sogleich augenfällig die Folgen ihrer Schenkung durch den Vermögensverlust spürte, aber in der Folge an ihrem Schenkungswillen festhielt und zum Ausdruck brachte, eines Schutzes vor Übereilung nicht zu bedürfen. Zu diesem Zeitpunkt ging es nicht mehr darum, ob sie die strittigen Gegenstände behalten oder verschenken wolle, - nur dieses Problem hat § 943 ABGB im Auge - sondern nur mehr darum, ob sie sie der Klägerin oder dem Beklagten übergeben wolle.

Unter diesen Umständen kann sich der Beklagte nicht darauf berufen, mit dem "Inventar" des Schlosses seien unter anderem die von der Mutter nicht ausgenommenen beiden Gegenstände ihm geschenkt worden, denn unter normalen Umständen ist davon auszugehen, daß die Mutter diese Gegenstände nicht ein zweites Mal verschenken wollte, wenn sie die Schenkung an die Klägerin schon früher gewollt und vollzogen hatte.

Die Vorinstanzen haben diese Rechtslage im Ergebnis richtig erkannt, weshalb der ao Revision, die zur eingehenden Befassung mit den dargelegten Problemen führte, der Erfolg zu versagen war.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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