OGH 2Ob100/49

OGH2Ob100/4916.11.1949

SZ 22/175

Normen

ABGB §428
ABGB §943
ABGB §428
ABGB §943

 

Spruch:

Zur Erweislichkeit der Übertragungserklärung im Sinne des § 428 ABGB. ist es nicht notwendig, daß der Eigentumsübergang für Dritte erkennbar wird.

Entscheidung vom 16. November 1949, 2 Ob 100/49.

I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien: II. Instanz:

Oberlandesgericht Wien.

Text

Im Streit um das Eigentum eines Musikinstrumentes hing die Entscheidung von der Beantwortung der Rechtsfrage ab, ob die Erklärung, die der Ehegatte seiner Gattin bei Übereignung dieses Instrumentes abgegeben hat, als ausreichende Übertragungserklärung im Sinne des § 428 ABGB. anzusehen war. Diese Erklärung war vom Ehemann der Gattin in der ehelichen Wohnung in Abwesenheit dritter Personen abgegeben worden und lautet: "Dieses Harmonium, das mein Eigentum ist, gebe ich dir, es soll dein Eigentum sein. Wenn ich einmal nicht bin, soll es auch dein Eigentum bleiben." Die Ehegattin, die zum Zweck der Entgegennahme dieser Erklärung von ihrem Gatten zu dem Harmonium hingeführt worden war, das im Instrumentengeschäfte des Gatten stand, war mit dieser Erklärung einverstanden. Nach dem Tode des Ehemannes hat einer der Erben die Rechtswirksamkeit der Eigentumsübertragung bestritten, so daß die Ehegattin gegen ihn die Klage mit dem Begehren einbrachte, er sei schuldig, in die Ausscheidung des Harmoniums aus dem Inventar der Verlassenschaft einzuwilligen und das Instrument herauszugeben.

Die erste und zweite Instanz haben im Sinne des Klagebegehrens entschieden mit der Begründung, daß eine wirkliche Übergabe des Harmoniums erfolgt sei.

Der Oberste Gerichtshof hat der Revision des Beklagten gegen das Berufungsurteil nicht Folge gegeben.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die frühere Rechtsprechung hat zwar eine Erklärung nur dann als "erweislich" im Sinne des § 428 ABGB. gelten lassen, wenn der Eigentumsübergang für Dritte erkennbar ist, doch wurde diese Rechtsansicht im Schrifttum bekämpft und in neuerer Zeit aufgegeben (klang, 2. Aufl., zu § 428, S. 324). Ein besonderes Formerfordernis kann aus dem Worte "erweislich" nicht abgeleitet werden, es genügt jede Erklärung, die den Übertragungswillen außer Zweifel stellt (Klang, ebdt.). Aus den Feststellungen der Untergerichte ergibt sich, daß kein vernünftiger Grund besteht, an dem Übertragungswillen des Gatten der Klägerin zu zweifeln. Eine "wirkliche" Übergabe im Sinne des § 943 ABGB. tritt auch durch Erklärung ein, wenn dem Beschenkten trotz unveränderten Bestandes des tatsächlichen Sachverhaltes eine Verfügungsmöglichkeit gegeben ist (SZ. V/305). Daß die Klägerin in der Lage war, jederzeit aus dem ihr zugänglichen Ausstellungssalon der Firma, deren offener Gesellschafter ihr Gatte war, das Harmonium zu entfernen, wurde vom Berufungsgerichte zutreffend angenommen, um so mehr, als der Beklagte nachträglich selbst die Entfernung verlangte. Dem Berufungsgerichte ist auch zuzustimmen, daß der Beklagte das Eigentum der Klägerin anerkannt hat, denn das wiederholt gestellte Begehren um Bezahlung einer Miete durch die Klägerin für die Aufstellung des Harmoniums oder um Entfernung des Harmoniums setzt nach der Sachlage voraus, daß die Klägerin Eigentümerin ist.

Die Klägerin hat somit auf Grund der Schenkung und der in Form der Besitzauftragung erfolgten Übergabe das Eigentum an dem Harmonium erworben.

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