OGH 9ObA249/02m

OGH9ObA249/02m18.12.2002

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Dr. Hradil sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr. Jörg Krainhöfner und Mag. Michael Zawodsky als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Herbert L*****, Arbeiter, *****, vertreten durch Dr. Maximilian Hofmaninger, Rechtsanwalt in Vöcklabruck, gegen die beklagte Partei E***** Pharma GmbH ***** KG, *****, vertreten durch Dr. Karl Grigkar, Rechtsanwalt in Wien, wegen EUR 18.746,67 brutto sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 11. September 2002, GZ 11 Ra 193/02k-11, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Wels als Arbeits- und Sozialgericht vom 19. März 2002, GZ 16 Cga 235/01m-7, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 1.000,98 (darin EUR 166,83 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war vom 29. 9. 1980 bis zu seiner Entlassung am 31. 8. 2001 bei der beklagten Partei als Lagerarbeiter beschäftigt. Wegen einer akuten Lumbalgie war er vom 27. 8. 2001 bis einschließlich 29. 8. 2001 von seinem Hausarzt krank geschrieben worden. Da er sich am Abend des 29. 8. 2001 besser fühlte, überdies ein Strandkonzert leiten und am nächsten Tag wieder die Arbeit aufnehmen wollte, wurde er gegen 18 Uhr dieses Tages von seinem Hausarzt wieder gesund geschrieben. Am 30. 8. 2001 hätte die Arbeit um 7 Uhr begonnen, der Kläger erschien jedoch erst um 11.44 Uhr. Als er von dem auch für das Lager zuständigen Logistikleiter angesprochen wurde, erklärte er dieser für Personaldispositionen an sich nicht zuständigen Person, dass er einen Behördenweg erledigt habe, aber nicht bekannt geben wolle, um welche Behörde es sich gehandelt habe. Am nächsten Tag sprach ihn der Geschäftsführer der beklagten Partei auf sein Zuspätkommen an und erhielt ebenfalls die Auskunft, dass der Kläger bei einer Behörde gewesen sei, aber die Behörde nicht nennen wolle. Daraufhin sprach der Geschäftsführer die Entlassung aus. Das Erstgericht konnte nicht feststellen, warum der Kläger am 30. 8. 2001 erst um 11.44 Uhr zur Arbeit erschienen ist. Insbesondere erachtete das Erstgericht die nachgetragene Begründung des Klägers für sein Fernbleiben, aus seiner Landwirtschaft ausgekommene Tiere eingefangen zu haben, für nicht erwiesen. Es hielt die Entlassung nach § 82 lit f 1. Fall GewO 1859 für berechtigt.

Das Berufungsgericht änderte das Urteil des Erstgerichtes im Sinne einer Klagestattgebung ab. Es hat dabei die Frage, ob der Kläger durch sein Verhalten die Entlassungsgründe nach § 82 lit f erster oder zweiter Tatbestand GewO 1859 verwirklichte, zutreffend verneint. Es reicht daher insoweit aus, auf die Richtigkeit der eingehenden Begründung der angefochtenen Entscheidung hinzuweisen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Ergänzend ist den Ausführungen der Revisionswerberin entgegen zu halten:

Rechtliche Beurteilung

Die Entlassungstatbestände des § 82 lit f GewO sind im Sinn des § 27 Z 4 AngG auszulegen. Demnach hat ein Arbeiter die Arbeit unbefugt verlassen (§ 82 lit f erster Tatbestand GewO), wenn er ohne rechtmäßigen Hinderungsgrund während einer den Umständen nach erheblichen Zeit die Dienstleistung unterlässt (RIS-Justiz RS0029517). Erheblich ist ein Versäumnis dann, wenn es nach der Dauer der versäumten Arbeitszeit, nach Maßgabe der Dringlichkeit der zu verrichtenden Arbeit oder aufgrund des Ausmaßes des infolge des Versäumnisses nicht erzielten Arbeitserfolges oder der sonstigen dadurch eingetretenen betrieblichen Nachteile besondere Bedeutung besitzt. Demzufolge ist das Versäumnis von nur einigen Stunden dann nicht als erheblich zu beurteilen, wenn es sich um eine einmalige Entgleisung handelt, der Angestellte nicht gerade in dieser Zeit besonders dringliche Arbeiten zu verrichten gehabt hätte und wenn der dadurch hervorgerufene Arbeitsausfall nicht außergewöhnlich groß war (Kuderna, Entlassungsrecht2 102). Es kommt also nicht alleine darauf an, wie lange die Unterlassung der Dienstleistung dauerte, sondern vor allem auf die Würdigung der besonderen Umstände, unter denen sie erfolgte. Nicht die absolute Dauer der Arbeitsversäumis ist entscheidend, sondern die Bedeutung der Arbeitsleistung des Arbeitnehmers gerade während dieser Zeit (Martinek/M. Schwarz/W. Schwarz, Angestelltengesetz7 629). So wurde von der Rechtsprechung bei eingeschränkten Betrieb sogar eine mehrtägige Abwesenheit als nicht erheblich beurteilt (8 ObA 21/02z), während in einem anderen Fall (RdW 1988, 53) schon das Fernbleiben im Umfang einer Stunde als erheblich angesehen wurde, weil dadurch der Betriebsablauf maßgeblich behindert worden war. Im vorliegenden Fall wurde von der beklagten Partei, welche für das Vorliegen eines Entlassungsgrundes, insbesondere daher auch für die Umstände beweispflichtig gewesen wäre, aus denen auf ein erhebliches Dienstversäumnis hätte geschlossen werden können, nicht einmal behauptet, dass dringende Arbeiten angestanden, ein Arbeitserfolg nicht erzielt oder sonstige betriebliche Nachteile eingetreten seien. Die Dauer der Abwesenheit von 4 ¾ Stunden kann daher im vorliegenden Fall als noch nicht so erheblich keine Entlassung nach § 82 lit f erster Tatbestand GewO 1859 begründen.

Soweit sich die beklagte Partei in ihrer Revision insbesondere auf den zweiten Tatbestand der genannten Bestimmung stützt, vermag ihre Argumentation ebenfalls nicht zu überzeugen. Unabdingbare Voraussetzung für den Entlassungsgrund der Pflichtenvernachlässigung im Sinn des § 82 lit f zweiter Tatbestand GewO 1859 ist nämlich die Beharrlichkeit. Eine solche ist aber im vorliegenden Fall nicht zu erkennen. Soweit sich die Revisionswerberin insbesondere auf die Entscheidung 8 ObA 196/01h = RdA 2002, 156 ua beruft, lag dort ein wesentlich anderer Sachverhalt, nämlich eine Reihe wiederholter Pflichtverletzungen und erfolgloser Ermahnungen in der Vergangenheit vor, woraus auf die Beharrlichkeit der Pflichtverletzung geschlossen werden konnte. An diesem Element fehlt es hier, zumal frühere Beanstandungen des 21 Jahre im Betrieb beschäftigten Klägers nicht festgestellt werden konnten. Das Berufungsgericht hat daher auch den zweiten Tatbestand des § 82 lit f GewO 1859 zutreffend verneint. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.

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